Die Heilingszwerge

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Textdaten
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Autor: Brüder Grimm
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Titel: Die Heilingszwerge
Untertitel:
aus: Deutsche Sagen, Band 1, S. 225–227
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1816
Verlag: Nicolai
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Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
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Originalherkunft:
Quelle: Google, Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: [1]
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[225]
151.
Die Heilingszwerge.
Spieß Vorrede zu seinem Hans Heiling.

Am Fluß Eger zwischen dem Hof Wildenau und dem Schlosse Aicha ragen ungeheuer große Felsen hervor, die man vor Alters den Heilingsfelsen nannte. Am Fuß derselben erblickt man eine Höhle, inwendig gewölbt, auswendig aber nur durch eine kleine Oeffnung, in die man den Leib gebückt kriechen muß, erkennbar. Diese Höhle wurde von kleinen Zwerglein bewohnt, über die zuletzt ein unbekannter alter Mann, des Namens Heiling, als Fürst geherrscht haben soll. Einmal vorzeiten ging ein Weib aus dem Dorfe Taschwitz bürtig, am Vorabend von Peter Pauli, in den Forst und wollte Beeren suchen; es wurde ihr Nacht und sie sah neben diesem Felsen ein schönes Haus stehen. Sie trat hinein und als sie die Thüre öffnete, saß ein alter Mann an einem Tische, schrieb emsig und eifrig. Die Frau bat um Herberge und wurde willig angenommen. Außer dem alten Mann war aber kein lebendes Wesen im ganzen Gemach, allein es rumorte heftig in allen Ecken, der Frau ward greulich und schauerlich und sie fragte den Alten: „wo bin ich denn eigentlich?“ Der Alte versetzte: „daß er Heiling heiße, bald aber auch abreisen werde, denn zwei Drittel meiner Zwerge sind schon fort und entflohen.“ Diese sonderbare Antwort machte das Weib nur noch unruhiger und sie wollte mehr fragen, allein er gebot [226] ihr Stillschweigen und sagte nebenbei: „wäret ihr nicht gerade in dieser merkwürdigen Stunde gekommen, solltet Ihr nimmer Herberge gefunden haben.“ Die furchtsame Frau kroch demüthig in einen Winkel und schlief sanft und wie sie den Morgen mitten unter den Felssteinen erwachte, glaubte sie geträumt zu haben, denn nirgends war ein Gebäude da zu ersehen. Froh und zufrieden, daß ihr in der gefährlichen Gegend kein Leih widerfahren sey, eilte sie nach ihrem Dorfe zurück, es war alles so verändert und seltsam. Im Dorf waren die Häuser neu und anders aufgebaut, die Leute, die ihr begegneten, kannte sie nicht und wurde auch nicht von ihnen erkannt. Mit Mühe fand sie endlich die Hütte, wo sie sonst wohnte, und auch die war besser gebaut; nur dieselbe Eiche beschattete sie noch, welche einst ihr Großvater dahin gepflanzt hatte. Aber wie sie in die Stube treten wollte, ward sie von den unbekannten Bewohnern als eine Fremde vor die Thüre gewiesen und lief weinend und klagend im Dorf umher. Die Leute hielten sie für wahnwitzig und führten sie vor die Obrigkeit, wo sie verhört und ihre Sache untersucht wurde; siehe da, es fand sich in den Gedenk- und Kirchenbüchern, daß grad vor hundert Jahren an eben diesem Tag eine Frau ihres Namens, welche nach dem Forst in die Beeren gegangen, nicht wieder heimgekehrt sey und auch nicht mehr zu finden gewesen war. Es war also deutlich erwiesen, daß sie volle hundert Jahr im Felsen geschlafen hatte und die Zeit über nicht älter geworden [227] war. Sie lebte nun ihre übrigen Jahre ruhig und sorgenlos aus und wurde von der ganzen Gemeinde anständig verpflegt zum Lohn für die Zauberei, die sie hatte erdulden müssen.