Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen I. Section/H11
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Das schöne hochgethürmte Rittergut Kitzscher liegt eine Stunde von Borna am Eylaflusse, der sich hier mit dem Jordanbache vereinigt. Das dazu gehörige Dorf besteht aus sechszig Hausnummern, unter denen sich siebenundzwanzig Bauerhöfe befinden und die Einwohnerschaft zählt etwa dreihundertfunfzig Köpfe.
Die Streifzüge der Hussiten, welche einer grossen Anzahl blühender Städte und Dörfer Vernichtung brachten, trafen (1430 und 1431) auch die Pflege Borna, wobei diese Stadt sammt dem Schlosse erstürmt und die Besatzung des letzteren niedergehauen wurde. In weitem Umkreise gingen Dörfer und Schlösser in Flammen auf, von denen viele gar nicht wieder aufgebaut worden sind, und wahrscheinlich wurde auch das Schloss zu Kitzscher verwüstet, da die Urkunden des hiesigen Archivs nur bis 1443 hinabreichen und man bei baulichen Arbeiten am Schlosse Brandschutt auffand. In den frühesten Zeiten, also kurz nach der Besiegung des Sorbenvolkes, gehörte die ganze Gegend um Borna dem berühmten Grafen Wieprecht von Groitzsch, und von einem seiner Edelleute mag das Schloss Kitzscher bei dem schon vorhandenen Dorfe erbaut worden sein. Ohne Zweifel ist unser Kitzscher das Stammhaus der alten Familie von Kitzscher, die vermuthlich bereits im dreizehnten Jahrhundert auf hiesiger Burg hauste, denn Ritter Helmold von Kitzscher handelte 1295 mit einem Leipziger Bürger um ein Gut zu Cunawitz. Zu Anfang des funfzehnten Jahrhunderts gehörte das Rittergut Kitzscher Hansen von Kitzscher, dessen der älteste Lehnbrief des Schlossarchivs gedenkt. Diese Urkunde ist im Jahre 1443 vom Churfürsten Friedrich dem Sanftmüthigen ausgestellt und besagt: „dass nach dem Tode Hansens von Kitzscher dessen Sohn, Günther von Kitzscher, mit dem von seiner Mutter Else von Kitzscher bisher als Leibgedinge besessenen Schlosse Kitzscher belehnt worden sei.“ Günther von Kitzscher hinterliess keine Söhne, und so gelangten seine Besitzungen, nämlich Kitzscher[WS 1], das halbe Dorf Thierbach und die noch von dem Hussitenkriege herrührende wüste Stätte Riesendorf sammt der Hälfte des Dorfes Heinersdorf an seinen Vetter Georg von Kitzscher, der die Lehn über diese Güter 1468 empfing, und das Dorf Dittersdorf zu Kitzscher erkaufte. Bei seinem 1495 erfolgtem Tode betrauerten ihn sieben Söhne, Georg, Hans, Caspar, Hildebrand, Wolf, Karl und Friedrich, und noch zeugt ein in der Kirche zu Kitzscher befindliches Epitaphium von deren kindlicher Liebe. Von diesen sieben Söhnen erbte Kitzscher der älteste Bruder, Georg, der die Lehn im Jahre 1496 von Hugo, dem Burggrafen von Leissnig und Herrn zu Penig, empfing und um 1538 mit Tode abgegangen sein muss, da in diesem Jahre der Burggraf seinen Söhnen die Lehn über Kitzscher ertheilte. Zwei derselben, Hans und Christoph, waren 1548 entweder nicht mehr am Leben, oder doch nicht mehr Mitbesitzer des Rittergutes Kitzscher, da Herzog Moritz von Sachsen den dritten Bruder, Georg, in diesem Jahre mit Kitzscher belehnte. Georg von Kitzscher starb 1553 und weil seine Kinder noch minorenn waren, wurde die Vormundschaft derselben Georgen von der Jane (Jahne) auf Gestewitz übergeben, der auch das Rittergut Kitzscher verwaltete. Im Jahre 1560 war einer der Mündel, Georg von Kitzscher, majorenn geworden und trat bald darauf in Besitz des Gutes, er starb jedoch schon um 1577, wo seine Kinder, Hans und Georg, die urkundlich erst von 1587 an als Lehnsherren vorkommen, ebenfalls noch nicht mündig waren. Georg von Kitzscher, der jüngere Bruder starb 1596 und das Gut wurde alleiniges Eigenthum Hansens von Kitzscher, dessen Sohn Hans bis zum Jahre 1630 lebte, wo dann Kitzscher an seine zwei Söhne Hans und Caspar Degenhardt, jedoch unter Vormundschaft ihrer Mutter fiel. Caspar Degenhardt starb schon 1647 und da er kinderlos war, fiel sein Gutsantheil an Bruder Hans, der 1645 ebenfalls ohne Leibeserben abging, worauf das sehr verschuldete Gut an zwei seiner Vettern Christoph und Karl von Kitzscher auf Zöpen, Kesselshain [82b] und Thierbach gelangte, die den Justizrath Burkhard Berlich in Dresden, der[WS 2] bedeutende Hypotheken auf Kitzscher besass, zum Mitbelehnten dieses Gutes aufnahmen und ihm das dazu gehörige Dorf Haubitz gänzlich abtraten. Um diese Zeit erlangte das Rittergut Kitzscher die Schriftsässigkeit (1656). Nach dem Tode der beiden Herren von Kitzscher erbte das Gut ein Vetter, Christoph von Kitzscher, der letzte Rittergutsbesitzer aus der Familie Kitzscher, welche auf dem hiesigen Schlosse Jahrhunderte lang geherrscht hatte. – Es darf hier nicht vergessen werden, dass in der Universitätskirche zu Leipzig das geharnischte Steinbild eines Ritters, der sich auf ein Schwert stützt, aufbewahrt wird, aus dessen schwer zu entziffernder Umschrift noch zu erkennen ist, dass dieses Bild einen Ritter von Pflugk auf Kitzscher vorstellt, der um das Jahr 1460 hier beerdigt wurde. Höchst wahrscheinlich war er ein naher Verwandter der Frau Else von Kitzscher, einer geborenen Pflugk, und stand vielleicht während der Zeit, wo Kitzscher der Frau Else Leibgut war, ihr als Mitbelehnter zur Seite.
Als Christoph von Kitzscher 1676 mit Tode abgegangen war, fiel das Rittergut Kitzscher mit Zubehör an die fünf Töchter des Justizraths Berlich, die 1677 damit belehnt wurden, aber bald darauf kaufte es ihr Oheim, Dr. Romanus Teller auf Bräunsdorf, ein berühmter Jurist und Assessor des Schöppenstuhls zu Leipzig, der 1691 unter dem Altare der Kirche zu Kitzscher seine letzte Ruhe fand. Seine Kinder M. Romanus Teller und Dorothea Barbara vereheligte Schleising verkauften das Gut 1694 an den herzoglich Sachsen-Gothaischen Hauptmann Anton Wilhelm Treusch von Buttlar, von dem es 1701, ebenfalls durch Kauf, an den fürstlich Weissenfelsischen Landkammerrath Poppo von Hartmann gelangte. Dieser starb 1724 und Kitzscher kam an seinen Sohn, den Landkammerrath Poppo von Hartmann, nach dessen schon 1729 erfolgtem Tode zwei Söhne, Poppo Friedrich und Adolf Heinrich, das Gut erhielten, doch wurde es noch eine Zeit lang von einem Vormunde verwaltet. Später besass Poppo Friedrich von Hartmann das Gut allein, und zwar bis 1764 wo es durch sein Ableben Eigenthum der hinterlassenen Wittwe und dreier Söhne wurde, die es jedoch 1773 durch Vermittlung des Freiherrn Christian Gottlieb von Hohenthal auf Wartenburg an den Fürsten Joseph Alexander Jablonowsky verkauften. Dieser Herr aus dem uralten Herzogsstamme der Preussen, Wenden und Wichaltze entsprossen, besass einen hohen Ruf als gelehrter und wohlwollender Mann, und dabei eine Reihe von Titeln die wir als Curiosum hier nicht verschweigen wollen. „Er war des heiligen Römischen Reichs Fürst, Fürst zu Jablonow und Lachowce, Graf zu Liscianka und Jawalow, Freiherr von Podhorce, Erbherr zu Jablonow in Litthauen, Starywozec, Czarnolas, Woiwod von Nowogrod, Ritter und Commandeur der Orden des heiligen Geistes, St. Michaelis und St. Hubertus, Ehrenmitglied der Gesellschaft der schönen Künste und Wissenschaften zu Paris, der Akademieen zu Rom, Padua, Bologna, Starost zu Wolpa, Onyxst, Dzwinogrod, Zagost, Herr auf Dubno Xrasne und Debelawoe. Er war geboren im Jahre 1712 und zwar als der Sohn des Polnischen Krongrossfähndrichs Alexander Johann Jablonowsky. Unruhen im Königreiche Polen veranlassten den Fürsten sich aus seinem Lande zu entfernen und in Leipzig niederzulassen, wo er ein Haus am Rossplatz (den Churprinzen) kaufte, und eine noch jetzt bestehende und nach ihm benannte gelehrte Gesellschaft gründete. Nach der Erwerbung des Rittergutes Kitzscher that der Fürst Jablonowsky mancherlei zur Verbesserung und Verschönerung desselben, so erbaute er namentlich den noch jetzt stehenden Thurm und zierte diesen mit einer Uhr, deren Glocken die Umschrift: „JOS. ALEX. S. R. I. PRINCEPS JABLONOWSKY, EQUES, TORQUATUS AC COMMENDATOR ORDINUM. S. SPIRITUS S. MICHAELIS, et S. HUBERTI. tragen, und mit dem fürstlichen Wappen verziert sind. Ein eigenthümlicher Einfall des Fürsten war es, dass er bei Kitzscher einen Galgen erbauen lassen wollte vielleicht zur Bestrafung seiner aus Polen mitgebrachten Leibeigenen, es wurde ihm jedoch von der Behörde die Erlaubniss dazu verweigert. Nach des Fürsten 1777 erfolgtem Tode erbte Kitzscher sein Sohn Dobrigost August Fürst Jablonowsky, für den der churfürstlich Sächsische Finanzprokurator August Wilhelm Schroth Lehnsträger wurde, das Gut aber 1787 von dem Fürsten an sich kaufte, und es 1788 Benedikt Christoph von Niebecker, grossherzoglich Sachsen-Weimarischem Oberstleutnant überliess. Im Jahre 1795 kam das Gut an dessen Gemahlin und 1798 durch deren Hintritt an drei Töchter, Charlotte von Nolting geborene von Niebecker, Christiane von Niebecker und Auguste Freiin von Keller, geborene von Niebecker. Letztere starb am 30. December 1832 und Kitzscher gelangte durch Kauf an Carl Friedrich August Freiherrn von Keller, grossherzoglich Sachsen-Weimarischen Major, nach dessen Tode das Gut von den Erben dem derzeitigen Besitzer Herrn I. R. H. von Witzleben überlassen wurde.
Es wurde bereits erwähnt, dass die Hussiten muthmasslich alle vorhandenen schriftlichen Nachrichten über die frühesten Ereignisse des Ortes Kitzscher vernichtet haben mögen, und was aus jener Zeit vielleicht durch glücklichen Zufall erhalten worden war, zerstörten die rohen Hände der Soldaten im dreissigjährigen Kriege. Als eine interessante Erinnerung an die wüthenden Hussiten verwahrt die Pfarre zu Kitzscher einen alten Glockenschwengel, der 1793 in der sogenannten Lindhardt beim Ausroden einer starken Eiche in der Erde gefunden wurde, und die Sage [83b] bestätigt, dass im Mittelalter dort ein von den Taboriten zerstörtes Dorf gestanden habe. Von dem verwüsteten Dorfe Lindhardt empfing der Geistliche zu Kitzscher das Pfarrareal von vierzig Ackern Feld, die späterhin dem Besitzer von Steinbach für einen jährlichen Erbzins überlassen wurden, den bis in die neueste Zeit der Pfarrer zu Kitzscher von dem Rittergute Otterwisch bezog, indem ein früherer Herr auf Steinbach, dem zugleich auch Otterwisch gehörte, bei Veräusserung des Gutes Steinbach den Erbzins zu übertragen vergass, weshalb derselbe als Last auf das Rittergut Otterwisch fiel. – Auch eine der in hiesiger Kirche befindlichen Glocken soll von einem durch die Hussiten zerstörten Nachbardorfe herrühren.
Zum Rittergute Kitzscher gehören die Dörfer Haubitz, Dittmannsdorf, und ein Theil von Heynersdorf. Ersteres zählt zwanzig Häuser mit etwa hundertzwanzig Einwohnern. Dittmannsdorf mit sechsundzwanzig Baustätten und zweihundert Einwohnern hat eine Filialkirche von Kitzscher und wurde in neuerer Zeit mehrfach von Feuersbrünsten heimgesucht. Die Kirche hatte vor der Reformation einen eigenen Prediger, doch finden wir seit 1523 das Dorf stets mit Kitzscher verbunden, und seine Kinder besuchen in letztgenanntem Orte die Schule. Die hübsche freundliche und trefflich ausgestattete Kirche besitzt ein Vermögen von dreitausend Thalern, wovon ein Theil zur Anschaffung neuer Glocken, Fenster und einer Orgel verwendet worden ist. Im Jahre 1471 wurde das von den Hussiten zerstörte Dorf Thierbach dem Ritter Hans von Kitzscher auf Kitzscher überlassen, kam aber später durch Kauf für zweitausend Gulden an einen Herrn von Cramer.
Die Kirche zu Kitzscher ist zwar ein sehr altes Gebäude, doch ist zu allen Zeiten daran herumgebaut worden und namentlich Romanus Teller hat viel dafür gethan. Die alten Bilder und Epitaphien, welche früher die Wände der Kirche schmückten, sind weggebracht worden, doch ist noch eine kleine weisse Marmortafel vorhanden, welche die sieben Söhne Georgs von Kitzscher 1495 ihrem verstorbenen Vater widmeten. Auf der Tafel befinden sich acht Köpfe, den Vater und die Söhne darstellend, mit der Inschrift:
- Decus familiae, specimen gentis de Kitzscher Georgius, cujus ob insignes virtutes, praeclara facinora vivit, viget polletque memoria. Haec ex seplem filiorum pietate meruit monumentum.
- Omnia terribili sternit mors impia falce
- Indoctum vulgus palladiosque viros
- Hic est de Kitzscher Georgius ille sepultus,
- Ille domus splendor praesidiumque suae.
- Haec septem nati charo posuere parenti
- Quae tanti semper sint monumenta viri.
- Obiit anno salutis MCCCCXCIIIII, aetatis vero LXVI.
Ein zweites Epitaphium ist das des Dr. Romanus Teller, welches sich unter einem alten Bilde befindet und besagt: dass unter diesem Altare die Leiche des genannten Rittergutsbesitzers nach seinem am 2. November 1691 erfolgten Absterben eingesenkt worden sei. Romanus Teller schenkte der Kirche zwei neue Glocken und schmückte sie mit dem noch vorhandenen Thurme. Uebrigens besitzt das Kirchenarchiv auch einen Ablassbrief vom Jahre 1480, woraus hervorgeht, dass sie vor der Reformation dem heiligen Nikolaus gewidmet und dem Bisthum Naumburg unterworfen war. Es wird Denjenigen unserer Herren Subscribenten, welche der lateinischen Sprache mächtig sind nicht unangenehm sein, wenn wir den Ablassbrief mittheilen:
Guillormus Ostiensis, Rodericus Portuensis, Marcus Oliverius Albanensis, Marcus Penestensis, Episcopi, Johannes t. t. Sanctae Caeciliae, Johannes t. t. Sancti Marcelli, Petrus t. t. sancti Nicolai intes imagines Philibert t. t. sanctorum Johannis et Pauli, Gabriel t. t. sanctorum Sergii, et Bachi, Hieronymus t. t. sancti Chrysogoni, Presbyteri, Franciscus sancti Eustachii et Raphael sancti Georgii. Diaconi.
Miseratione divina sacrosanctae romanae ecclesiae Cardinales. Universis et singulis ex perfidelibus praesentes tabulas inspecturis et audituris salutem in domino sempiternam. Quando frequentius experfidelium mentes ad opera devotionis inducimus, tanto salubrius eorum animarum saluti providemus. Cupientes igitur, ut parochialis ecclesia sancti Nicolai in Kytzscher Numburgensi dioecesi congruis frequentetur honoribus et ab experfidelibus jugiter veneretur ac in suis structuris et aedificiis debite reparetur, conservetur et manu teneatur, nec non libris, calicibus, luminaribus ac aliis ornamentis ecclesiasticis decenter muniatur, in ea quoque cultus augeatur divinus, et ut experfideles eo libentius devotionis causa confluant ad eundem et ad reparationem ac alia opera praemissa manus promptius porrigant adjutrices, quo maximo ibidem dono coelestis gratiae urberius conspexerint se refertos de omnipontis Dei misericordia ac beatorum Petri et Pauli, apostolorum ejus, auctoritate confisi. Omnibus et singulis utriusque sexus experfidelibus vere pönitentibus et confessis, qui dictam ecclesiam in Dominica, qua cantatur in ecclesia „Laetare, Jerusalem“ et Dominica, qua etiam cantatur. „Quasi modo geniti“ ac feria tertia Pentecostes, nec non sanctae Catharinae virginis et saepius ecclesiae dedicationis festivitatibus a primis vesperis usque ad secundas vesperas inclusive devote visitaverint, annuatur et ad reparationem ac alia opera praemissa manus porrexerint adjutrices, ut praefertur, Nos Cardinales, [84b] praefati etquilibet nostrum (de per se) pro singulis festivitatibus praedictis, quibus id fecerint, Centum dies de injunctis eis poenitentiis misericorditer in domino relaxamus, praesentibus perpetuis futuris temporibus duraturis. In quorum omnium fidem praesentes tabulas exinde fieri nostrorumque Cardinalatuum sigillorum fecimus appensione communiri. Datum Romae in Domibus nostris, sub Anno a nativitate Domini millesimo quadringentesimo octagesimo, Indictione tertia decima, die vero vicesima octava mensis Martii, Pont. div. Sexti. Pap. Quarti. Anno nono.
Leider fehlen diesem interessanten Dokumente die zwölf Cardinalsiegel, dagegen befindet sich unter demselben eine eigenhändige Inschrift des bekannten Bischofs von Merseburg, Thilo von Trotha.
Die Pfarrwohnung zu Kitzscher wurde im Jahre 1696 erbaut, und zwar „auf Unkosten des Gotteshauses, da die Pfarrkinder nicht umsonst Hand anlegen wollten.“ In der Liste der Pfarraccidenzien von 1574 befindet sich eine für unsere Zeit ziemlich seltsame Taxe, nämlich: zwei Pfennige ein Kind zu taufen und die Mahlzeit frei, zwei Groschen pro copulatione, ein Groschen für das Begräbniss eines Greises, sechs Pfennige für die Bestattung eines Jungen, drei Groschen für eine Hochzeitpredigt und den ersten Tag des Geschenkes, den andern Tag das Biergeld und der Hochzeitlader frei und drei Groschen für eine Leichenpredigt. Unter den Pfarrherren zu Kitzscher befand sich auch der berühmte Schulmann Magister Gustav Friedrich Dinter, der 1788 als Pfarrsubstitut hierher kam und bis 1797 das Pfarramt verwaltete, wo er als Seminardirektor nach Dresden berufen wurde. Der erste protestantische Prediger zu Kitzscher war Lorenz Herold, der schon 1523 als solcher hier antrat, und um 1532 starb. Das Vermögen der Kirche beträgt sechshundert Thaler.
Trautzschen liegt in geringer Entfernung von der Strasse zwischen Pegau und Zeitz, eine halbe Stunde von erstgenannter Stadt, in ebener fruchtbarer Gegend, die zwar nicht viel Mannigfaltigkeit darbietet, jedoch in der Richtung nach dem Städtchen Groitzsch reiche von Büschen durchzogene Auen zeigt und von der dreiviertel Stunden entfernten Queisauer Anhöhe eine wirklich überraschend hübsche Aussicht auf die von Wiesen, Feldern und Waldungen durchzogene Landschaft gewährt. Das Dorf Trautzschen enthält ausser dem Rittergute, der Kirche und der Schule sechs Anspännergüter, zweiunddreissig Nachbarwohnungen und vierzehn Häuser mit einer Bewohnerschaft von fast dreihundert Personen. Der Hauptnahrungszweig derselben ist Ackerbau und Viehzucht.
Wie beinahe alle Ortschaften hiesiger Gegend ist auch Trautzschen Slavischen Ursprungs und gehörte im elften Jahrhundert dem gewaltigen Grafen Wieprecht von Groitzsch, dessen feste Burg längst von der Erde verschwunden ist, und nur noch in dem theilweise aufgegrabenen Grundgemäuer ihre einstige Grösse und Festigkeit zeigt. Von seiner Burg auf dem steilen Schlossberge bei Groitzsch beherrschte der mächtige Dynast das Land weit umher, und fast alle Edelleute der Umgebung folgten dem Banner des stolzen Herrn, bis des Kaisers Groll den gefürchteten Mann in mancherlei Händel verwickelte, die seine Macht beschränkten. Als Graf Wieprechts älterer Sohn, auch Wieprecht genannt, gestorben und im Kloster zu Pegau begraben war wandte sich sein jüngerer Bruder auf die Güter der Groitzsche nach der Mark Brandenburg, wo das alte Grafengeschlecht noch jetzt unter dem Namen der Grafen von Rantzau blüht; die Groitzscher Burg aber, unter Rudolph von Habsburg in einen Steinhaufen verwandelt, erhob sie nie wieder aus ihren Trümmern, doch hat man in neuester Zeit eine Nachgrabung auf der Burgstätte vorgenommen und ein unterirdisches Gemach (Kapelle?) freigelegt, wobei eine [85b] Menge interessanter Alterthümer aufgefunden worden sind. Eine geringe Summe würde hinreichen die sämmtlichen Grundmauern der Burg von dem Schutte zu befreien, und noch manches interessante Alterthum dadurch aus dem Schoosse der Erde hervor zu ziehen.
Noch im dreizehnten Jahrhundert haussten auf dem Schlosse zu Trautzschen Edelleute gleiches Namens, Nachkommen des Ritters welchen Wieprecht von Groitzsch einst mit dem Sorbischen Dorfe Trautzschen belehnt hatte. Diese Familie wird einige Male im vierzehnten Jahrhundert erwähnt, wie 1348, wo Johann von Trautzschen Capitaneus der Stadt Naumburg war. Das nahe Schloss Rudelsburg (Rudolphsburg) war den Bürgern Naumburgs schon längst ein Dorn im Auge gewesen, denn nicht nur dass die dasigen Burglehnmänner das Eigenthum der Stadt oft rücksichtslos als das ihrige betrachteten, verübten sie auch gegen fremde Kaufleute mancherlei Unbill. Da beschloss die Bürgerschaft das Raubschloss zu zerstören und in genanntem Jahre zog ein bewaffneter Haufe unter der Anführung Johanns von Trautzschen (Drutzschen) vor die Burg. Werner von Kurtefreund, der Kastellan der Rudelsburg, vertheidigte das ihm anvertraute Schloss als tapferer Mann, konnte aber endlich doch nicht verhüten, dass die Naumburger die Mauer erstürmten und so die Burg eroberten und zerstörten. Unter den gefangenen Burgmännern befand sich auch Werner Kurtefreund.
Im funfzehnten Jahrhundert scheint das Gut der Familie Weissbach gehört zu haben, wenigstens nennt eine Urkunde von 1475 Hansen von Weissbach des alten Junkers auf Trautzschen Sohn. Um das Jahr 1510 wohnte hier Jahn von Ponikau, von dem das Gut an die Herren von Puster gelangte. Zu Ende des sechszehnten Jahrhunderts besassen Trautzschen zwei Brüder von Puster, deren einer 1609 starb, der andere aber später das Gut an den berüchtigten Geheimrath von Döring, das Orakel Churfürst Johann Georg I. und Gesandten bei dem Abschlusse des für Sachsen so folgeschweren Prager Friedens, verkaufte. Nach Doctor David von Dörings 1638 erfolgtem Tode theilten sich in das väterliche Erbe nicht weniger als zehn Söhne, von denen Trautzschen 1641 Gottfried von Döring in Besitz nahm. Von ihm erbte oder erkaufte das Rittergut um das Jahr 1686 sein Schwiegersohn, der Landkammerrath Minkwitz auf Falkenhain, der es einem Herrn von Dieskau überliess. Noch in der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts erlangte Trautzschen die Familie von Apel, welche es bis zur neuesten Zeit besass. Ernst Friedrich Christian Ferdinand Freiherr von Apel war der Letzte seines Hauses auf Trautzschen, jetzt gehört das Gut Herrn G. Müller.
Durch eine im Jahre 1745 ausgebrochene Feuersbrunst welche das Pfarrarchiv und die Kirchenbücher vernichtete sind sehr schätzbare Nachrichten über den Ort und namentlich über die Kirche verloren gegangen. Diese ist ein geräumiges, helles Gebäu, welches durch eine im Jahre 1835 vorgenommene Restauration viel gewonnen hat. Rechts vom Altar stehen zwei in Stein gehauene Figuren, von denen eine dem Andenken der am 26. Mai 1567 verstorbenen Frau Anna von Puster geborenen von Hogenest gewidmet ist. Die beiden grösseren Glocken sind in neuerer Zeit gegossen, die kleine dagegen trägt eine nicht mehr lesbare Inschrift von der nur noch der Name Hans von V (Weissbach?) zu erkennen ist. An Vermögen besitzt die Kirche etwa 3500 Thaler und sechs Acker Feld (früher zehn Acker, wovon vier zu Reparaturzwecken verkauft wurden) die ein vormaliger Trompeter in dem nahen Dorfe Tannewitz unter der Bedingung legirte, dass von dem Pachtquantum die Reparaturen an den geistlichen Gebäuden bestritten werden sollten. Ein von Dagrottisches Legat bestimmt, dass von den Zinsen des Capitals jeder Confirmand ein Gesangbuch erhält, und ein Vermächtniss des Grossvaters des vorletzten Besitzers von Trautzschen, Freiherrn von Apel, beschenkte die Pfarre zu Trautzschen und Costewitz mit tausend Thalern, die Schule zu Costewitz aber mit dreihundertfunfzig Thalern.
Der Kirchhof zu Trautzschen ist zum Theil in Pfarrgarten verwandelt worden, dagegen hat man ausserhalb des Dorfes einen neuen Begräbnissplatz angelegt, allwo sich auch ein herrschaftliches Erbbegräbniss befindet. Eingepfarrt nach Trautzschen ist die Hälfte des kaum tausend Schritte entlegenen Dorfes Tannewitz, die andere Hälfte desselben ist nach Elstertrebnitz eingekircht. – – Noch ist zu bemerken, dass verschiedene Zinsen des Rittergutes Trautzschen in früherer Zeit Naumburgisches Mannslehn waren, so wie auch die Kirche, trotz des Einspruches des Leipziger Consistoriums, bis 1815 unter dem Stifte blieb.
[85b]
Das Dorf Imnitz liegt im Amte Pegau, eine Stunde südlich von dem Städtchen Zwenkau, an der Landstrasse nach Zeitz, zählt in sechsunddreissig Häusern gegen dreihundertfunfzig Einwohner und gehört zu den vielen Ortschaften hiesiger Gegend, welche den Sorben ihre Entstehung verdanken. Ursprünglich waren hier nicht, wie jetzt, zwei Rittergüter vorhanden, sondern Imnitz stand unter der Herrschaft eines Besitzers, welcher auf der im zwölften Jahrhundert erbauten Burg hauste und bei dem bekannten mächtigen Grafen Wieprecht von Groitzsch zur Lehn ging. Im Jahre 1186 wohnte auf dem hiesigen Schlosse Swidegarde von Imnitz, der damals dem Kloster zu Pegau einen Hof zu Imnitz und drei Bauern erbeigenthümlich verschrieb, damit die frommen Klosterbrüder zu Gunsten der Seele seiner Hausfrau Editha jährlich zwölf Messen lesen möchten. Das Rittergut Unterimnitz war bis zum sechszehnten Jahrhundert, ein Vorwerk des nahen Edelsitzes Kötzschbar, den um das Jahr 1564 Valentin von Schlegel, aus dem Herzogthum Anhalt, an sich kaufte und für das bisherige Vorwerk Imnitz vom Churfürsten August die Rittergutsgerechtigkeit erlangte, seit welcher Zeit demnach in Imnitz sich zwei Edelhöfe befinden. Das obere Gut war schon lange Zeit im Besitze der Herren von Zehmen, von welchen Hans von Zehmen das genannte Vorwerk an Valentin von Schlegel, zugleich mit Kötzschbar, verkaufte. Im Jahre 1612 musste Georg von Schlegel zu dem sogenannten Defensionswerke ein und ein Viertheil, Hans von Zehmen aber ein Ritterpferd stellen. Das untere Rittergut gelangte später an die Familie Minkwitz und gehörte 1810 einem Herrn von Crayen, dessen Erben das Gut Herrn Liebster verkauften. Die jetzigen Besitzerinnen des Gutes sind Frau Louise verwittwete Liebster in Tharand, Frau Hofräthin Rosalie Stöckhardt geborene Liebster ebendaselbst und Frau Thekla Meinert geborene Liebster in Leipzig. – Das Rittergut Imnitz oberen Theils gehört Herrn Platzmann zu Leipzig.
Imnitz hat mancherlei schwere Schicksale erlitten. Ob die Kämpfe der Markgrafen Friedrich und Dietzmann mit dem Kaiser, gleich vielen umliegenden Orten, auch dieses Dorf berührten, darüber ist nichts Urkundliches aufzufinden, im Hussitenkriege aber streiften die wilden Böhmen weit über die Ebene hin und verbrannten auch die alte Burg Swidegardes von Imnitz. Das sechszehnte Jahrhundert brachte einige Male furchtbare Seuchen, namentlich in den Jahren 1562 und 1587, wo man die Leichen ohne Sang und Klang in schnell ausgeworfene Gruben legte. Der dreissigjährige Krieg brachte entsetzliche Drangsale über die hiesige Gegend. Vor der Schlacht bei Breitenfeld plünderten und mordeten die Tyllischen auf dem Lande mit viehischer Wuth, und in den Jahren 1632 und 1633 trieben es die Holkischen wo möglich noch toller. Bei Banners zweitem Einfalle in Sachsen (1637) wurde von den Schweden im Amte Pegau eine Brandschatzung von 15,000 Thalern verlangt, wozu Imnitz sechszehn alte Schock entrichten musste, damals eine grosse Summe für eine durch langjährige Leiden und Verluste gänzlich verarmte Gemeinde. Im siebenjährigen Kriege, wo die Oestreicher (1762) von dem Groitzscher Berge in die Stadt Pegau einige Hundert schwerer Bomben warfen und mehrere Dörfer anzündeten wurden die nahen Ortschaften abwechselnd von den Preussen und Oestreichern heimgesucht und der Bauer in wenigen Stunden um seine ganze Habe gebracht. Weniger hart traf Imnitz der Napoleonische Krieg. Alle diese traurigen Ereignisse waren indessen nicht im Stande die Imnitzer gänzlich zu entmuthigen, die verbrannten Häuser wurden wieder aufgebaut, die [87b] zertretenen Aecker neu bestellt und so gehört Imnitz jetzt zu den freundlichsten und wohlhabensten Dörfern des Leipziger Kreises.
Die Kirche zu Imnitz, Filial von Zwenkau, ist ein altes vor der Reformation erbautes Gotteshaus, an dessen östlicher Seite sich die Jahreszahl 1515 befindet, welche jedoch höchst wahrscheinlich sich nicht auf die Erbauung sondern auf eine Renovation des Gebäudes bezieht. Auf dem Kirchenboden werden eine Anzahl uralter holzgeschnitzter Heiligenbilder verwahrt und in dem Thurme hängen drei sehr alte Glocken. Die Kirche zu Imnitz war ohne Zweifel vormals nur eine zu dem Rittergute gehörige Kapelle, die man wegen der anwachsenden Bevölkerung des Dorfes vergrössern musste, auch ist der Thurm erst lange nach der Erbauung des Kirchengebäudes entstanden. Das Kirchenvermögen besteht zur Zeit in etwa 1500 Thalern, im Jahre 1641 aber betrug es 35 Neuschock, 13 Groschen 2 Pfennige. Auf dem Kirchhofe werden nur die Besitzer der beiden Rittergüter mit ihren Familiengliedern begraben, und noch sind eine Menge alter bemooster Leichensteine mit längstverwitterter Schrift vorhanden, sowie auch einige Denksteine neuerer Zeit unter welchen Mitglieder der Familien von Minkwitz und von Schlegel schlummern. – Den Kirchendienst verrichtet der Diakonus zu Zwenkau, als hiesiger Pfarrer, und zwar hatte derselbe bis zum Jahre 1839 jährlich achtundzwanzig Male Gottesdienst abzuhalten. Als sich jedoch zu dieser Zeit von den zum Imnitzer Kirchensprengel gehörigen Gemeinden fünf nach Zwenkau einkirchen liessen kamen in Folge dieser Veränderung jährlich sechs Predigten in Wegfall.
Roitzsch, in Urkunden auch Röitzsch, Retschitz, Reetsch und ganz früh auch Rothschatz genannt, liegt eine Viertelstunde nordöstlich von Wurzen, eine halbe Stunde vom Muldenstrome entfernt an dem Rietschke- oder richtiger Roitschkebache, 450 Pariser Fuss über der Nordsee in einer Ebene, welche im Norden die Lüptitzer Berge begrenzen. Ausser dem Rittergute befinden sich in Roitzsch sechsundzwanzig Feuerstätten und hundertsiebzig Einwohner, die zum Theil in der nahen Stadt Wurzen beschäftigt sind. Nördlich vom Dorfe zieht sich die Leipzig-Dresdner Chaussee hin. Eingepfarrt ist Roitzsch in die St. Wenzelskirche zu Wurzen. Nahe bei dem Orte befinden sich drei schöne Teiche.
In den ältesten Zeiten war das Rittergut zu Roitzsch nur ein Vorwerk, das einer adligen Familie gehörte die sich von Retschitz und bisweilen auch von Ratzig schrieb. In zwei Urkunden aus dem dreizehnten Jahrhundert wird unser Roitzsch sogar einmal Rotschwitz und ein anderes Mal Tryschütz genannt. Die Herren von Retschitz scheinen sehr fromme Leute gewesen zu sein, denn eine ziemliche Anzahl von Urkunden erwähnen von ihnen herrührende Schenkungen. Heinrich von Retschitz sass auf hiesigem Vorwerke von 1334 bis 1380 und einer seiner Söhne oder Enkel überliess das Gut um 1429 dem adligen Geschlecht von Lussk (Laussigk) aber schon 1472 verkaufte Balthasar von Lussgk dasselbe nebst Zubehör für 1260 Gulden an seinen Lehnsherrn, den Bischof zu Meissen, der Roitzsch zum bischöfflichen Küchengute erhob. Johann von Saalhausen, dem die Wurzner Pflege unendlich viel Gutes verdankt, liess in der Zeit von 1491 bis 1493 die drei noch vorhandenen Teiche graben. [88b] Nach dem Ableben des letzten Bischofs von Meissen Johann IX (von Haugwitz) fiel Roitzsch dem Landesherrn als offenes Lehn zu und dieser verkaufte das Gut 1618 an Oswald aus dem Winkel, der es dem Gefreiten des heiligen Römischen Reiches, Stiftsrath und Canzler zu Wurzen, auch Herrn auf Mühlbach Dr. Daniel von Döring, dem neunten Sohne des Geheimeraths und Günstlings Churfürst Johann Georg I. David von Döring überliess. Der Reichsgefreite starb im achtzigsten Lebensjahre 1665, und beide Güter erbte sein Sohn, der Geheimerath und Stiftskanzler Wolf David von Döring, welcher 1714 mit Tode abging. Von 1720 bis 1758 gehörte Roitzsch dem Rittmeister Hans Christoph von Döring und bis 1780 dem Domherrn Gottlob Heinrich von Döring, worauf das Gut später an die Familie von Lorenz gelangte, der auch Wäldchen und Mühlbach gehörte und von welcher es Christian Heinrich Grünler erkaufte. In neuerer Zeit besass Roitzsch der churhessische Rittmeister aus dem Winkel, derzeitiger Besitzer aber ist Herr Ulbricht.
Das Rittergut Roitzsch besitzt ein hübsch gebautes Wohnhaus und sehr zweckmässig angelegte Wirthschaftsgebäude. Die Gerichtsbarkeit, Hufengelder und andere Gerechtsame hat es erst im Jahre 1618 erhalten, wo das bisherige Amtsvorwerk und die Schäferei an Roitzsch vererbt wurden; die Dienste aber blieben beim Amte. Das Gut stellte früher keine Ritterpferde, sondern zahlte nur Donativgelder. Nicht unbedeutend sind hier die Schafzucht, Fischerei und Ziegelbrennerei. Der Amtshauptmann Freiherr August Gottfried von Lorenz trieb zum Betrieb einer Zuckerfabrik sehr starken Runkelrübenbau, womit zugleich bedeutende Viehmastung verbunden war. – Das Dorf hat eine eigene Schule.
Nur wenige Gegenden unseres Sächsischen Vaterlandes sind durch die Kriege der letzten vier Jahrhunderte so schwer heimgesucht worden wie die hiesige. Ueber die Einfälle der Hussiten sind nur wenige Nachrichten auf unsere Zeit gekommen, ausführlicher aber sind die Schilderungen der Leiden welche der dreissigjährige Krieg über Wurzen und seine Umgebung brachte. Der Superintendent zu Wurzen, Buläus, hat über die sogenannte Wurzener Marterwoche im Kirchenbuche bemerkt: Anno 1637 alsobald mit angehendem neuen Jahr ist die feindliche Schwedische Armada unter Generalfeldmarschallen Johann Bannern in das Churfürstenthum Sachsen, und also auch in das Stift und Stadt Wurzen gefallen und hat darauf am Dienstag in der Marterwoche ohne einige gegebene Ursach, ja wider Banners und anderen Schwedischen Offizieren gegebene Parol und Versprechung das Schwedische Volk aus dem Lager bei Torgau die Stadt Wurzen öffentlich überfallen mit Plündern, Rauben, Schänden der Weibesbilder mit Morden und unzähligen ungläubigen über Türkischen barbarischen Tyrannisiren unmenschlich verfahren bis auf den Charfreitag, da Sie vollends die Stadt in Brand gesetzt und mit Strumpf und Stiel exscindiret haben. In diesen exscindio der Stadt Wurzen sind so viele Mannes- und Weibes-Personen, Junge und Alte durchs Schwerdt, durchs Feuer und durch die erfolgte Pest hier in den Kellern und auch anderswo in exilio gestorben und umbkommen, dass Sie von Niemand haben können gezehlet oder angeschrieben werden, ja es ist die Stadt von Einwohnern fast gar entblösset worden. Darümb ist wegen allzugrossen Elends selbiger Zeit das Todten-Register ungehalten blieben. – Noch einige Male kamen die racheglühenden Schweden hierher um den unglücklichen Einwohnern entgelten zu lassen was eine falsche Politik verschuldet, bis das Jahr 1648 den heissersehnten Frieden brachte. Als Karl XII. Sachsen feindlich überzog, lag hier über ein Jahr lang königliche Leibgarde im Quartier, aber die Enkel jener entmenschten Rotte die 1637 die Stadt vernichtete, waren gute harmlose Leute, welche sogar unter sich zum Besten der Wenzelskirche eine Sammlung veranstalteten, die hundert Thaler einbrachte. In dem siebenjährigen und dem letzten französischen Kriege, wo Sachsen der Tummelplatz aller Nationen war, litten namentlich die an der Heerstrasse gelegenen Orte ausserordentlich viel. – Möchten jene Schreckenszeiten nimmer wiederkehren! –
Anmerkungen (Wikisource)
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