Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen II. Section/H13
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Im Meissner Kreise und dem Amte Oschatz, über dem rechten Ufer der Jahna, liegt das altschriftsässige Rittergut Seerhausen, in alten Urkunden Serhusen genannt. Es ist mit drei Ritterpferden behaftet. Das massive Herrschaftshaus wird von schönen Wirthschaftsgebäuden umgeben, unter denen ein Malz- und ein Brauhaus, sowie eine Branntweinbrennerei zu nennen sind. Der schöne herrschaftliche Garten ist mit einem Treib- und Gewächshause verziert.
In früheren Zeiten war derselbe weit und breit berühmt. Als Beweis davon kann es gelten, dass der vortheilhaft bekannte Dichter Triller in einem weitläufigen Gedichte eine Aloe besang, die im Jahre 1726, damals eine noch grössere Seltenheit als jetzt, in dem hiesigen Garten blühte.
Die Entfernung Seerhausens, das an der Strasse liegt, die von Meissen nach Leipzig führt, beträgt von Oschatz 2 Stunden in der Richtung gegen Ostsüdosten; von Riesa 1 Stunde südwestlich, von Lommatzsch 2 Stunden nordwestlich.
Das Dorf hat gegen 400 Einwohner in etwa 50 Häusern, unter denen ein herrschaftliches Bauerngut ist, sowie ein Gasthof, 14 Gutsbesitzer, 31 Häusler, eine Wassermühle und ein Gemeindehaus. Die Einwohner haben zusammen 390 Scheffel Feld. Auch eine an der Jahna gelegene Mühle hat Seerhausen. Die Gegend, in der es liegt, ist eine freundliche und belebte Aue, 360 Pariser Fuss über dem Meere.
Seerhausen hat keine eigene Kirche, sondern nur eine Kapelle. In dieser muss der Pfarrer von Blogwitz, wohin Seerhausen eingepfarrt ist, während der Advent- oder Fastenzeit Gottesdienst halten, wofür er 6 Wspl. 2 Schffl. Korn und nach jeder Predigt die Mahlzeit erhält. Ausserdem hält der Katechet des Ortes Betstunden. Für die lernbedürftige Jugend ist im Orte selbst eine Schule.
Das Rittergut hat Zinsen und war bis zum Jahre 1848 im Besitz der niederen und der mittleren Jagd, eine Berechtigung, die es gleich allen anderen Rittergütern verloren hat, ohne dass bis jetzt die wiederholten [98] Entschädigungsansprüche eine Erledigung gefunden haben. Die zu dem Rittergute gehörigen Felder betragen 344 Scheffel Aussaat.
Es gehören dazu schriftsässig, ausser dem Dorfe selbst, die Dörfer Kalbitz, Grogtiz und Roitzsch, so wie Antheile von Striegnitz und endlich Treben und Winkwitz, mit zusammen etwa 900 Einwohnern. Ehedem gehörte dazu auch das jetzige Meissner Amtsdorf Weida, sowie die Hälfte des Dorfes Pausitz. Letzteres gehörte, gleich Weida, in früheren Zeiten dem Kloster zu Riesa. Die damaligen Besitzer von Seerhausen, die Herren von Schleinitz, kauften nach der Reformation beide Güter zusammen dem Kurfürsten Moritz um 900 Gülden ab.
Als muthmasslich erster Besitzer von Seerhausen und wahrscheinlich auch dessen Begründer, wird ein von Seer genannt. Im Jahre 1224 (nach Andern 1221) kommt ein Ritter Ulrich von Seeruse (Seerhausen) vor, sowie 1261 ein anderer Besitzer gleiches Namens. Auch wird 1425 Lambert Sehrhausen, wahrscheinlich ebenfalls diesem Geschlechte entsprossen, als Archid. Nisicens in Meissen genannt. Nach diesem Geschlechte scheinen die von Schleinitz in den Besitz des Gutes gelangt zu sein, wenigstens wird schon 1370 Jahn von Schleinitz als Besitzer genannt; und Hugo von Schleinitz stiftete im Jahre 1408 die Kapelle zum Leichnam Christi zu St. Afra in Meissen, welche danach noch jetzt die Schleinitzische Kapelle genannt und als Erbbegräbniss des Geschlechtes benutzt wird.
Der genannte Hugo von Schleiniz war markgräflicher Oberhofmeister und Landrath, und wird als ein gar grosser, reicher und gelehrter Herr geschildert. Aus seinem Geschlechte werden nach ihm, 1445, Heinrich, und 1458 Iwan von Schleinitz als Besitzer von Seerhausen genannt. Georg und Hans, im Jahre 1464 Besitzer, vergrösserten das Gut bedeutend, theilten aber das Schloss in zwei Theile. Auf sie folgten 1501 Wolf, 1526 Dietrich, 1528 Georg und 1567 wieder ein Dietrich von Schleiniz, der in eben diesem Jahre vor Gotha blieb. Dann wurden fünf Brüder von S. im Jahre 1692 mit S. beliehen; 1638 war Hans Dietrich im Besitz, 1656 Hans Georg, 1693 Johanna Charlotte von Schleiniz.
In der Mitte des 18ten Jahrhunderts ging der Besitz von S. an den kursächsischen Conferenzminister, Baron Thomas von Fritsch über, der dadurch bekannt ist, dass er den hubertusburger Frieden verhandelte, durch welchen dem 7jährigen Kriege ein Ende gemacht wurde. 1767 folgte demselben der Freiherr Jakob von Fritsch; diesem folgte sein Sohn, der grossherzoglich Weimarische Minister, Freiherr Carl Wilhelm von Fritsch, und bei dessen Familie ist das Gut auch bis zum heutigen Tage geblieben, der gegenwärtige Besitzer aber hält sich nicht auf dem Gute auf, sondern in Frankfurt am Main.
In den ältesten Zeiten stand bei S. eine sogenannte Roland- oder Rutlands- (Rugelands-) Säule, doch ist dieselbe schon längst verschwunden. Man fand dergleichen Säulen während des Mittelalters in Deutschland an vielen Orten. Der allgemeine Glaube hielt sie längere Zeit hindurch für Bildsäulen Rolands oder Rutlands, eines Feldherrn Kaiser Karls des Grossen, doch ist es erwiesen, dass sie als ein Wahrzeichen der peinlichen Gerichtsbarkeit galten, zu deren Ausübung die Orte, an denen man sie aufgerichtet hatte, berechtigt waren. Deshalb führten sie auch in der Rechten das blosse Schwert. Den Namen Ruge- oder Rüge-Säulen hatten sie von dem gleichen altdeutschen Worte, welches die Bedeutung von unserem Worte Gericht hatte. Vor solchen Säulen wurde bei manchen Veranlassungen öffentliches und feierliches Gericht gehalten, zum Beispiel Urfehde geschworen, sowie manche andere gerichtliche Handlung vorgenommen. Gewöhnlich waren diese Säulen, die man noch jetzt als Ueberbleibsel des Mittelalters an manchen Orten findet, riesengrosse Bildsäulen geharnischter Männer mit grösseren oder geringeren Zierrathen und verschiedenen Attributen ausgeschmückt.
Von den Jahren 1704 bis 1726 war hier eine Poststation, seit Errichtung der Chemnitz-Riesaer Eisenbahn aber ist Seerhausen Haltepunkt derselben.
Noch ist nachträglich zu erwähnen, dass Seerhausen im sechszehnten Jahrhundert in die Meissner Amtssuppanie Hohenwussen gehörte.
Nach Peccenstein soll an dem Orte, wo jetzt Seerhausen liegt, sich in alten Zeiten eine Hauptfestung der Sorben befunden haben; seiner Meinung nach soll eben die Rugelandssäule ein Beweis dafür sein; indess ist er wohl nicht genügend zur Bestätigung einer solchen Annahme oder Behauptung. Indess lässt sich danach allerdings annehmen, dass ein sorbischer Burgwart hier seinen Sitz hatte.
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In dem Amte Grossenhain und im Meissner Kreise liegt das Rittergut Linz mit dem dazu gehörigen Pfarrkirchdorfe; auch das Dorf Ponikau gehört dazu. Es ist seit 1790 schriftsässig, und übt die Collatur über Kirche und Schale aus und zwar sowohl über Linz selbst, als auch über Ponikau.
Die Einwohner von Linz, deren der Ort 300 zählt, haben 17½ Hufen Feld.
Linz liegt an der Strasse von Dresden nach Ortrand und wird durch ein herrschaftliches Schloss geschmückt.
Südlich und östlich von dem Dorfe liegen mehrere Teiche.
Zu dem Dorfe gehören zwei Mühlen, die sogenannte Finkenmühle und noch eine andere, auch war sonst hier ein Beigeleite vom Hauptgeleite Grossenhain.
Linz ist 3¼ Stunden ostnordöstlich von Hain entfernt, ⅞ Stunden südwestlich von Ortrand, ½ Stunde von der Preussischen Grenze. Seine Höhe über dem Meere beträgt 400 Pariser Fuss.
Im Norden von Linz entspringt ein kleiner Bach, der einige kleinere Teiche mit seinem Wasser speist, den Ort der Länge nach bespült, und dann seinen Lauf nach Krausnitz nimmt. Einige andere Teiche liegen an dem Rande eines Gehölzes, in der Richtung gegen Westen.
Der sogenannte Forst, ein Gehölz von grösserem Umfange, liegt im Süden von Linz, dessen Fluren mit Ponikau, Krausnitz, Kmehlen, Blochwitz und Schönborn rainen.
Linz hatte im Jahre 1730 nur 14 Häuser; im Jahre 1820 war die Zahl derselben bis auf 30 mit etwa 170 Einwohnern, gestiegen.
Der Boden des Dorfes ist mager, meist sandig und geht an manchen Stellen mit todtem Kiess zu Tage aus; die Fruchtbarkeit ist also im Ganzen sehr gering, auch hat der Ort, seiner Gewässer ungeachtet, an Wiesen Mangel. Einige Quellen enthalten Eisenocker; auch von Raseneisenstein findet man Spuren.
Das Rittergut ist mit einem Ritterpferde belegt.
[100] Eingepfarrt ist in Linz keine der benachbarten Ortschaften, demnach aber bezieht der Geistliche aus einigen derselben Zinsen.
Ungeachtet des dürftigen Bodens wurde früher in Linz Weinbau getrieben, doch ist derselbe, wahrscheinlich des geringen Ertrages wegen, eingegangen.
Als Besitzer von Linz wird 1752 Wolf Adolf genannt; 1819 der Geheim-Finanzrath Heinrich von Polenz und 1827 Baron Fink. Gegenwärtig ist das Gut in dem Besitze des Herrn von Palm.
Nordwestlich von Linz, eine halbe Stunde entfernt, erhebt sich der Gotschberg, der auf den Karten gewöhnlich der Kutschenberg genannt wird. Dies ist ein ziemlich hoher, kahler und auf allen Seiten zugänglicher Berg, auf dem man schöne Kiesel findet. Eine schöne Aussicht geniesst man von seinem Gipfel, auf dem sich zwei Gruben oder Vertiefungen befinden, welche drei Ellen in Umfange haben und eine Viertelelle tief sind. Der Sage nach sollen dies ehemalige Opferstätten der Sorben sein.
Nach der neuen Gerichtseintheilung gehört Linz unter das Gerichtsamt Grossenhain, Bezirksgericht Meissen und Appellationsgerichtsbezirk Dresden.
Das altschriftsässige Rittergut und Dorf Wendischbora, welches zu dem Meissner Kreise und dem Bezirksgerichte Meissen gehört, liegt an der mitten hindurch führenden, 1833 neuerbauten Chaussee von Nossen nach Meissen, sowie an einem kleinen Bache, der oberhalb des, eine halbe Stunde entfernt gelegenen, Dorfes Deutschenbora entspringt, welches als Geburtsort der Gattin Luthers, Katharina von (aus) Bora, eine gewisse Berühmtheit erlangt hat. Bei Rothschönberg endet dieser Bach.
Die Entfernung Deutschenbora’s beträgt von Meissen südwestlich 3½ Stunden, von Siebenlehn 1 Stunde, von Nossen ¾ Stunde, und in unmittelbarer Nähe von der Gränze des nossen’schen Amtes und des erzgebirgischen Kreises. Die Gegend ist ziemlich fruchtbar, obschon etwas rauh, die Lage angenehm, und mehrere Hügel, die sich in der Nähe des Ortes erheben, verleihen der Landschaft Abwechselung und gewähren zum Theil sehr freundliche Aussichten über die benachbarten Fluren, sowohl nach dem Gebirge jenseits der Mulde, als auch landeinwärts.
Im vierzehnten Jahrhundert wurde der Name des Ortes bald Wyndischbor geschrieben, bald Windischenbor, auch Wintischbohr, Wendischenbora und später sogar, abweichend von allen diesen Schreibarten, Grossen-Barl.
Wahrscheinlich aber ist Wendischbora viel älter, denn schon 1197 kömmt in Meissen ein Boris von Zbor vor, von dem sich vermuthen lässt, dass er Besitzer von Wendischbora war, dessen Name danach die Bedeutung haben würde: Jenseit des Finkenbusches. Nach einigen Nachrichten, besonders aber nach den Sagen und Ueberlieferungen, welche sowohl im [101] Orte selbst, als in dessen nächster Umgegend in dem Munde des Volkes leben, soll Wendischbora früher ein Kloster gewesen sein; doch lässt sich mit grosser Wahrscheinlichkeit annehmen, dass das vermeintliche Kloster nichts war, als ein Kloster-Gut, welches dem Kloster zu Altzelle gehörte, und von diesem einem Canonicus, der seinen Wohnsitz in Wendischbora hatte, zur Verwaltung oder vielleicht auch als Pfründe, übergeben war; denn für die Existenz eines wirklichen Klosters am hiesigen Orte fehlen alle überzeugenden Beweise.
Dass Wendischbora sehr alt ist, lässt sich nicht bezweifeln, wohl aber, ob es eines mit einem Orte Bore ist, von dem man weiss, dass das Stift zu Meissen es im Jahre 1071 von einem vornehmen Wenden, Namens Bor, erwarb, der auch von Einigen für den Begründer des Ortes gehalten wird.
Mehr Wahrscheinlichkeit hat die Annahme, dass aus dem ursprünglich blos Bore genannten Orte die Wenden, die das Dorf bewohnten, vertrieben wurden, und darauf dieses Bore begründeten, welches sie zum Unterschiede von ihrem früheren Wohnorte Wendisch-Bore nannten, während jenes, noch jetzt zuweilen kurzweg Bora genannt, von der Abstammung seiner neuen Bewohner den Namen Deutschen-Bore annahm.
Die erwähnte Annahme, dass Wendischbora nicht selbst ein Kloster, sondern nur ein Klostergut gewesen sei, findet übrigens dadurch seine volle Bestätigung, dass Markgraf Heinrich der Erlauchte im Jahre 1276 dem Kloster zu Altzelle die Erlaubniss ertheilte, die aus älterer Zeit stammende Schmelzhütte bei dem Klosterhofe wieder herzustellen.
Dieser Umstand legt übrigens Zeugniss für das ausserordentlich hohe Alterthum des sächsischen Bergbaues ab, und liefert den unbezweifelbaren Beweis, dass schon zu den allerersten Zeiten desselben in dieser Gegend Gruben gewesen sein müssen. Jetzt freilich sind diese spurlos verschwunden, und man weiss nicht einmal mehr, welche Erze man hier gewann.
Uebrigens muss schon sehr früh ein Ritter entweder Antheil an Wendischbora besessen, oder aber neben dem Klostergute hier noch ein eigenes Rittergut bestanden haben; denn schon 1301 kommt ein Ritter Dietrich von Bore vor. Ein Rutschel von Korbitz wird 1355 als Besitzer von Wendischbora genannt, und 1378 ein Hans von Maltitz, von dem gesagt wird, dass er das Gut Colmnitz an das Nonnenkloster zu Freiberg verpfändete.
Bei dem Geschlechte derer von Maltiz scheint Wendischbora dann längere Zeit geblieben zu sein, denn noch im Jahre 1612 finden wir einen Georg von Maltitz als Besitzer hier wohnhaft.
Darauf starb als Besitzer von Wendischbora und am Orte selbst, im Jahre 1677, Heinrich Preuss auf Ilkendorf. Von ihm ging das Rittergut auf dessen Sohn, Caspar Heinrich, über, der 1733 starb. Der Sohn dieses Letztern, Heinrich August, Untercommandant der Festung Königstein, welcher 1760 starb, war ebenfalls Besitzer von Wendischbora, obgleich er sich zuerst auf Simselwitz schrieb.
Dieses Simselwitz gehörte zwar zu Wendischbora, obgleich es (in westlicher Richtung) drei Stunden von demselben entfernt liegt, hatte aber, wohl eben wegen dieser grossen Entfernung, seine eigenen Gerichte, die in der neuesten Zeit mit denen von Wendischbora selbst an den Staat übergegangen, und jetzt bei dem Gerichtsamt Nossen sind.
Im Jahre 1824 war der königlich Preussische Major Röder von Bomsdorf Besitzer von Wendischbora, welches wir im Jahre 1844 im Besitze der verwittweten Generalleutenant Henriette von Feilitsch, geborne von Schönberg, finden, das gegenwärtig aber dem Herrn von Wöhrmann gehört.
Ausser Simselwitz gehört zu dem Rittergute Wendischbora noch das eine Viertelstunde in südlicher Richtung davon entlegene Preussische Vorwerk, welches nach seinem Begründer, dem oben erwähnten Besitzer von Wendischbora genannt worden sein soll, während nach Schumanns Lexicon der Name schon viel älter, und sogar das Stammgut des Geschlechtes von Preuss bezeichnen soll, von welchem bereits 1381 ein Konrad von Pruze Canonicus in Budissin war. Endlich gehört dazu auch das Dorf Malitsch nebst dabei gelegenem Kalkofen, und ein Antheil (12 Häuser mit etwa 70 Einwohnern) von Ober-Eula, welches nach Deutschbora eingepfarrt ist.
In älteren Zeiten war noch ein dritter Theil von Wendischbora landesherrlich, und gehörte zu der Südpanje Weythessen (Weitzschen), aber [102] schon seit langen Jahren sind alle drei Antheile in dem Rittergute vereinigt. Dieses ist mit anderthalb Ritterpferden belegt und wird zu den nutzbarsten der hiesigen Gegend gerechnet.
Wendischbora ist ein langgestrecktes, ansehnliches Dorf, dessen beide äusserste Enden wohl eine halbe Stunde von einander entfernt sind. Das eine dieser Enden wird durch ein Chausseehaus und ein grosses, schönes Gasthaus gebildet, das schon weithin sichtbar ist, und die Wanderer freundlich einzuladen scheint.
Bei diesen beiden Häusern kreuzen sich die Chausseen von Nossen nach Meissen und von Döbeln nach Dresden. In Nordosten reicht das sogenannte Reissigholz bis beinahe an das Dorf heran und jenseit desselben läuft die alte Meissen-Freiberger Chaussee vorüber.
Die Kirche von Wendischbora ist sehr alt, wie alt aber, darüber fehlen alle zuverlässigen Nachrichten. Unter den an derselben angestellten Pastoren ist der Pastor Häse als ausgezeichneter Pomolog bekannt.
Die Schule wird in einer Classe von etwa 100 Kindern besucht, zu denen auch die von Ober-Eula gehören.
Fährt man von Böhmen aus die Elbe abwärts nach Sachsen, so erblickt man, bald nachdem man die Grenze des Letzteren hinter sich hat, auf einem felsigen Berge am linken Ufer, ein darunter liegendes Städtchen überragend, ein stattliches Schloss und eine Kirche. Das ist der Herrensitz des schriftsässigen Rittergutes Strehla mit Kirche des zu demselben gehörigen Vasallenstädtchens.
In freundlicher Lage dehnt sich das Städtchen an dem Ufer der Elbe aus, die sich zwischen grünenden Wiesen und üppigen Feldern hinschlängelt, belebt durch den bunten Verkehr auf dem stattlichen Strome, und dem lieblichen Bilde verleiht der Schlossberg mit seinen ansehnlichen, schon aus weiterer Ferne bemerkbaren Gebäuden, einen erhöhten Reiz, so dass es schon oft der Gegenstand mehr oder minder gelungener bildlicher Darstellungen war.
Die Geschichte Strehlas reicht bis in das fernste Alterthum zurück, denn man weiss, das die dazu gehörige Herrschaft bis 1002 unmittelbares Eigenthum der deutschen Könige war, und dass sie damals einen [103] sehr bedeutenden Umfang hatte. Dieser ist zwar später bedeutend zusammengeschmolzen, indess war die Besitzung doch noch immer mit vier Ritterpferden belegt, von denen nachmals eines erlassen wurde.
Als Begründer von Strehla wird mit grosser Wahrscheinlichkeit der deutsche König Heinrich I., der Finkler, genannt, der die Burg im Jahre 928 erbaut haben soll, um als Schutz der deutschen Ansiedelungen gegen die Slaven zu dienen, die zwar unterworfen, aber noch nicht gänzlich unterjocht waren, und deshalb noch öfters, wiewohl vergeblich, Versuche machten, ihre Fesseln zu brechen.
Die Burggrafen, die der König hier einsetzte, machten später den Namen des Schlosses zu dem ihres Geschlechtes, derer von Strehla, welches bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts blühte, jedoch nicht in dem Besitze von Strehla blieb, denn von 1002, wo wir es oben zuerst erwähnten, bis zum Ende des 14. Jahrhunderts wechselte es öfters seine Besitzer, ohne dass sich die verschiedenen mit Gewissheit angeben liessen.
Im Jahre 1388 aber stellte Kaiser Wenzel einen Lehnbrief aus, durch welchen er als Lohn für viele treugeleistete Dienste Strehla mit allen Zubehörungen an den Ritter Otto von Pflugk schenkte, und bei dessen Geschlecht ist es seit jener Zeit ununterbrochen geblieben, so dass es sich noch gegenwärtig in den Händen eines Nachkommen befindet.
Strehla, Herrschaft, Rittergut und Stadt, zerfallen eigentlich in zwei gesonderte Theile, nämlich den Strehla-Trebnitzer und den Strehla-Görziger Antheil, beide sind aber oft, und sogar meistens, in einer Hand vereinigt gewesen, wie noch in den vierziger Jahren unseres Jahrhunderts in der des Herrn Wilhelm Eberhard Ferdinand von Pflugk, Senior seines Geschlechts.
In älteren Urkunden wird Strehla bald Strele, bald Strelie oder auch Strelis genannt, ein Name, der unbezweifelt wendischen Ursprungs ist, und von dem Worte Streyl, der Pfeil, herrührt. Für diese Behauptung spricht auch der Umstand, dass das Stadtwappen einen Pfeil zeigt.
Nicht unwahrscheinlich ist es übrigens, dass Strehla schon vor der Erbauung des Schlosses bestand, und zwar als ein Dorf, das die frühesten slavischen Bewohner dieser Gegend, die Daleminzier, erbaut hatten. Indess sehr bald hat es sich zu dem Range einer Stadt emporgeschwungen, denn als solche wird es schon in einer Chronik des 11. Jahrhunderts genannt.
Als die Polen zu Anfang dieses Jahrhunderts in das Meissnische einfielen, spielte Strehla bereits eine Rolle, aber dennoch wurde es 1002 durch Boleslav, Herzog der Polen, erobert, geplündert und eingeäschert. Als darauf der Herzog seine Tochter Regelinde im Jahre 1003 mit dem Markgrafen Herrmann von Meissen vermählte, machte er ihr die eroberte Stadt zum Hochzeitsgeschenk, und das war für Strehla ein Glück, denn als die Polen später wiederholt feindliche Einfälle in die meissnischen Lande machten, verschonten sie die Brautgabe ihrer Herzogstochter, und die Bürger von Strehla genossen der Ruhe und Sicherheit, als ringsherum Alles in Angst und Schrecken versetzt wurde.
Von den Festungswerken, welche es in früheren Zeiten den Bürgern von Strehla möglich machten, feindliche Angriffe der Polen, der Hussiten und der verschiedenen Partheien des 30jährigen Krieges erfolgreich abzuschlagen, ist schon längst keine Spur mehr vorhanden. Indess waren dieselben auch nicht bedeutend genug, Strehla immer zu schützen, denn 1429 wurde die Stadt von den Hussiten beinahe gänzlich niedergebrannt, und 1637 verhängten die Schweden ein gleiches Schicksal über sie. Im Jahre 1752 brannte abermals ein grosser Theil der Stadt sammt dem Rathhause ab, und seitdem ist Strehla noch öfters vom Brandunglück betroffen worden.
Die Pest hat dem Orte ebenfalls mehrmals und zu verschiedenen Zeiten ihren unheimlichen Besuch abgestattet.
Die Stadt Strehla zählt an 300 Häuser mit etwa drittehalb tausend Einwohnern. Die Häuser sind zum grössten Theile massiv gebaut, beinahe durchgängig aber wenigstens halb massiv; der Marktplatz, an welchem das ansehnliche Rathhaus steht, gewährt einen freundlichen Anblick.
Die Einwohner nähren sich ausser der Landwirthschaft durch Handel mit Getreide, Sandstein, Steinkohlen und Holz, so wie durch Handwerke. [104] Unter diesen verdient die Töpferei eine besondere Erwähnung. Nicht nur ist das hiesige Kochgeschirr in weiteren Kreisen vortheilhaft bekannt, sondern es hat auch Einer dieses Gewerkes, der zugleich Bildschnitzer war, ein gewisser Melchior Tatze, ein Meisterstück verfertigt, das zwar schon von dem Jahre 1565 herrührt, aber noch jetzt zur Zierde der Kirche gereicht. Es ist dies eine aus Thon gefertigte Kanzel. Sie besteht aus 8 Tafeln, die über eine Elle hoch und eben so breit sind, geziert mit Basreliefs, welche Scenen aus dem alten und dem neuen Testamente darstellen. Die lebensgrosse Figur des Moses, ebenfalls aus Thon geformt, dient dieser Kanzel als Fuss und Stütze.
Die herrschaftlich von Pflugk’schen Gerichte von Strehla, die nach der neueren Gerichtsverfassung an den Staat übergegangen sind, erstreckten sich bisher über die Orte Strehla, Trebnitz, Görzig und Lichtensee, sowie über Antheile von Bobersee, Forberg, Oppitzsch, Pulsen und Zausswitz, und wurden durch einen Schösser verwaltet.
Der Stadtrath besteht aus einem rechtskundigen Bürgermeister und drei Rathsmännern.
Ueber Kirche und Schulen, welche unter der Inspektion Oschatz stehen, übt der Besitzer des Rittergutes die Collatur aus.
Wann die Kirche begründet worden ist, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, da alle zuverlässigen Nachrichten darüber fehlen; indess darf man mit grosser Zuversicht annehmen, dass ein Ort von solcher Bedeutung, wie Strehla schon im 11ten und sogar bereits im 10ten Jahrhundert war, sehr bald seine eigene Kirche erhalten habe, und man vermuthet daher, dass das hiesige Gotteshaus schon bald nach dem Meissner Dome erbaut worden sei. Dass es aber die äussere Gestalt seit der ersten Erbauung mehrmals geändert habe, ist ausser Zweifel, indess darf die Kirche noch immer ein hohes Alter beanspruchen, dafür sprechen verschiedene hier und dort angebrachte Jahreszahlen aus dem 15ten, 16ten und 17ten Jahrhundert, welche auf vorgenommene Reparaturen oder Erweiterungen schliessen lassen.
Nicht nur in ihrer Kanzel besitzt die Kirche ein merkwürdiges Stück des Alterthumes, sondern eben so auch in dem Altare. An diesem ist nämlich, von der Hand des Bildschnitzers Franz Dietrich in Freiberg in Jahre 1605 verfertigt, die Geschichte des Heilands in mehreren, in Holz geschnitzten, Bildern dargestellt. Als besonders erwähnenswerth führen wir eine eigenthümliche licentia poetica an, die sich der Künstler bei seiner Darstellung erlaubt hat. Auf dem Bilde, welches die Einsetzung des Abendmahles zeigt, sind nämlich sehr deutlich die Porträts von Luther und Melanchton zu erkennen.
Ausser der Stadt sind in die Kirche noch acht Dorfschaften eingepfarrt. Den Gottesdienst versieht ein Pfarrer und ein Diakonus. Die Schule ist in eine Knaben- und eine Mädchen-Schule getheilt; den Unterricht an der erstern ertheilt ein Rector, der zugleich Organist ist, und ein Cantor; an der Mädchenschule sind zwei Lehrer angestellt, von denen der erste zugleich den Kirchnerposten versieht.
Im Jahre 1829 wurde in der Nähe der Stadt, an der Elbe, eine chemische Fabrik errichtet. Unfern derselben befindet sich das Unter-Steueramt nebst einigen Privathäusern. Oberhalb davon führt eine Fähre über die Elbe.
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