Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section/H23

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Heft 22 des Erzgebirgischer Kreis Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen von Gustav Adolf Poenicke
Heft 23 der Section Erzgebirgischer Kreis
Heft 24 des Erzgebirgischer Kreis
Die Beschreibungen sind auch als Einzeltexte verfügbar unter:
  1. Wolkenstein
  2. Leubnitz
  3. Weissenbrunn
  4. Thurm


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Wolkenstein


mit seinem am westlichen Ende der Stadt, auf dem äussersten, fast durchaus felsigen, etwa 120 Ellen hohen Vorgebirge über der Zschopau, erbauten alterthümlichen, zum Theil auch schon ruinenähnlichen Schlosse, gewährt eine malerische Ansicht. Der Felsen, worauf es steht, ist besonders gegen Süden sehr steil, ja beinahe ganz unersteichlich, nur ein Punct zum Bewandern ist geebnet, wo man 80 Ellen hoch über dem Flusse, durch eine Felsspalte hinab eine grausenhafte Ansicht von demselben gewinnt. Am Felsen erblickt man ein Kreuz mit einem Kelche zum Andenken eines im Jahre 1428 von den Hussiten in den Abgrund gestürzten Papistischen Priesters. Nach frühern Sagen sollen Ametystgänge den ganzen Schlossberg durchziehen, und nach anderen Erzählungen aus der früheren Zeit wurden Rubinen bei der Stadt Wolkenstein gefunden.

Die Entstehung des Schlosses selbst konnte bis heutigen Tages nicht ermittelt werden. Ursprünglich, so viel steht fest, wurde es Bolkenstein genannt, ein Name, der an die alten Serbenzeiten erinnert und der Etymologie von einem Bolko grosses Gewicht verleiht. Wenn dagegen einige Geschichtsschreiber behaupten wollen, dass die ersten Besitzer die Herren von Motzen gewesen seien, so ist dieser Behauptung kein Glauben beizumessen und vielmehr die Annahme rationeller, dass dieselben nur in einem einstweiligen unterpfändlichen Besitz des Schlosses und der ganzen Herrschaft Wolkenstein sich befanden; Denn so viel ist gewiss, dass zu Anfang des 13. Jahrhunderts, wo dieser Herren von Motzen Erwähnung geschieht, die Herren von Wolkenburg die Herrschaft gleichen Namens und die Herrschaft Wolkenstein, mithin auch das Schloss Wolkenstein besassen.

Schon 1216 theilt sich dieses Geschlecht in die bald nachher ausgestorbene Waldenburger und Wolkensteiner Linie. Ins Jahre 1262 wird uns ein Hugo von Wolkenstein genannt und im Jahre 1274 war Ohnarg von Wolkenstein Generalrichter im Pleissnerlande, dem 1275 Albert Burggraf von Altenburg folgte, welcher 1298 als Besitzer von Wolkenstein mit Zubehör, dasige Bergwerkshalden dem Kloster Nimbschen bei Grimma übergab. Im Jahre 1298 residirte derselbe Albert zu Altenburg und die Ritter Tunzold von Kaufungen und Aylsdorf waren seine Vasallen.

Zu Anfang des 14. Jahrhunderts und zwar 1306 finden wir die Brüder Unark und Heinrich, 1308 Marcus und Donyn, 1311 Otto als Herren von Wolkenstein; Dann folgte ein Heinrich von Wolkenstein, dem sein Sohn Johann succedirte, welcher noch 1348 vorkommt. Bald darauf wurde Wolkenstein landesherrlich. Durch die Landestheilung im Jahre 1466 kam Wolkenstein zu der Meissnischen oder Albertinischen Hauptparthie und zwar dem oberen Theile durch die Bestimmung, dass die Sehma die Landesgrenze abgeben sollte, daher noch [178] lange Zeit hindurch bei Rückerswalde ein Paar und bei Frohnau ein Grenzstein, von jener Theilung herstammend, zu finden war.

Herzog Albrecht bestimmte nun zwar auch Wolkenstein seinem ältesten Sohne Georg. Heinrichen hingegen Ostfriesland. Letztrer konnte die rebellischen Friesen nicht bezwingen und nahm daher seine dortigen Aemter Freiberg und Wolkenstein nebst Geyer, Ehrenfriedersdorf und Thum; Zschopau hingegen behielt Herzog Georg und schlug es zur Schellenberger Pflege.

Auch die Bergwerke wurden von jenen Amtsbezirken ausgenommen. Durch Georgs Tod 1530 kamen die gesammten Albertinischen Lande wieder zusammen, und mit Wolkenstein, welches schon im 14. Jahrhundert[WS 1] zu einem Amte erhoben war, wurden die Nebenämter Geyer, Ehrenfriedesdorf, Thum wieder einverleibt und 1596 verband man auch das Amt Rauenstein damit, welches Kurfürst August 1576 denen von Günderode abgekauft hatte, wogegen Scharfenstein indessen an die Herren von Einsiedel gekommen war. August kaufte auch 1570 dem Stadtrathe zu Annaberg die ehemalige Herrschaft Balbergk ab und bildete daraus das Amt Frohnau, welches daher, weil es in dortiger Mühle seinen Sitz erhielt, das Mühlenamt genannt wurde, später auch die Stadt Buchholz in sich begriff und nach Annaberg, hingegen 1794 ins Wolkensteiner Schloss, dem Sitze des Justitsamtes, verlegt wurde, wo es bis zur Einführung der neuen Gerichtsorganisation vom Wolkensteiner Amtmann und dessen Actuarien, auch dem besagten Rentamtmann mit verwaltet wurde, aber seine besonderen Expeditionen hatte, so dass es von dem Wolkensteiner Amte eigentlich ganz als besonderes Gericht behandelt wurde. Mit[WS 2] Einführung der neuen Gerichtsordnung ist Frohnau wieder zu Annaberg geschlagen.

Der Sage nach hielt sich im Schlosse zu Wolkenstein sehr gerne Herzog Albert auf, welcher sogar 1498 sein Hoflager hierher verlegt hatte; Besonders aber war es ein Lieblingssitz von Herzog Heinrich, welcher der in Freyberg grassirenden Pest wegen ebenfalls seinen Hofstaat hierher zu bringen besorgt war; Von ihm wurde ein Thiergarten beim Schlosse angelegt und er ergötzte sich hier an den Freuden der Tafel; Derselbe war sehr freigebig und im hohen Grade leidselig, so dass ihm seine Unterthanen überall mit wahrer, nicht erheuchelter Liebe entgegen kamen. Ihm zur Seite stand eine treue liebenswürdige Lebensgefährtin, eine geborne Prinzessin von Meklenburg. Sie, diese hohe Frau muss desshalb um so grösser uns erscheinen, als sie diejenige war, welche nach allen Seiten hin der Reformation Vorschub leistete und Luthers begonnenes Werk unterstüzte, wo sie nur konnte.

Nach Heinrichs Tode bezog 1529 seine Wittwe das hiesige Schloss und bewohnte solches noch 1557.

Nach ihrem Tode 1561 übernahm Wolkenstein der Sohn August, der sich als Kurfürst hier oft aufhielt, wogegen Johann Georg dasselbe der Jagd willen häufiger besuchte. Später wurde der südliche Flügel des Schlosses zu den Expeditionen der Justizämter, der nördliche und westliche zu den Wohnungen der Beamten eingerichtet, wogegen der östliche das Schlossthor und die Magazine umfasst. Das uralte, sehr hohe und stark gemauerte Gebäude gegen Südost ist ganz leer. Merkwürdig und auffallend ist die Seite des Schlosses nach Aussen, wo der Beschauer sehr wenig Fenster erblickt. Eine Brücke verbindet das Schloss mit der Stadt und der Schlossgraben ist in liebliche einzelne Gärten verwandelt.

Die Herrschaft Wolkenstein begriff früher die hiesigen Gegenden von Marienberg mit den Gränzwäldern von Wolkenstein und ziemlich Alles, was vom jetzigen Gerichtsamte am linken Zschopauufer liegt.

Durch die grosse Herrschaft Rabenstein, die sich zwischen dem abteilichen und städtischen Gebiete von Chemnitz und der Stollberger Herrschaft hinzog, wurde Wolkenstein mit Waldenburg vermittelt, bis Hanns der Aeltere von Waldenburg Rabenstein im Jahre 1375 an den Chemnitzer Abt verkaufte.

Sehr reich war der ganze Bezirk an Mineralproducten und der Bergbau wurde in früherer Zeit sehr schwunghaft betrieben. Ausgezeichnet und berühmt ist die Pflege von Wolkenstein heutigen Tages noch durch den schönen Flachsbau; Nirgends wird es noch eine Gegend geben, wo diese Frucht so wohl gedeiht, als gerade hier. Ebenso[WS 3] ist die Rindviehzucht in ansehnlicher Stärke und wird mit gutem Erfolge getrieben, da die vortrefflichen Wiesen und denen Ertrag durch sorgsame Bewässerung sehr von Jahr zu Jahr erhöht wird.

Ausserdem trägt zur Nahrung der Stadt die Brauerei, die Klöppelei, die Weberei, die Posamentirarbeit und die Abhaltung von 2 Jahrmärkten viel bei. Das Städtchen Wolkenstein ist, wenn auch nicht reich zu nennen, [179] doch in einen allgemeinen Wohlstandt, wozu der Sitz von Königl. Behörden das Seinige beiträgt.

Ehedem war auch in Wolkenstein ein besonderes Bergamt, worunter der nicht unbedeutende Drehbacherbergbau stand. Später zog man Wolkenstein zum Marienberger Revier.

Der jezt hier betriebene Bergbau ist von geringer Bedeutung; dagegen ist das in der Nähe von Wolkenstein befindliche Bad in neurer Zeit wieder mehr und mehr in Aufnahme gekommen. Eine nähere Beschreibung dieses Bades haben wir schon bei der speciellen Geschichte vom Rittergute Hilmersdorf geliefert, so dass wir füglich darüber hinweggehen können und bloss dahin verwiesen haben wollen.

Die Hauptkirche von Wolkenstein steht fast am westlichen Ende der Stadt.

Die Kirche war in den ältesten katholischen Zeiten dem Ritter St. Georg gewidmet, dessen Bildniss mit dem Lindwurme noch jetzt über der kleinen Kirchthüre am Glockenthurme zu sehen ist. Ausserdem gab es in der Nähe von Wolkenstein mehrere Kapellen, als die über dem warmen Bade, genannt die Kirche zu unsrer lieben Frauen auf dem Sand, oder die Sandkirche, die 1609 abgetragen worden ist, desgleichen in Schönbrunn und Wiesenbad; die letztere begabte Fürst Georg reichlich, sie ward 1505 vom Meissner Bischof eingeweiht und die St. Jobs- oder Hiobskapelle und das Bad Hiobsbad genannt.

Jetzt existirt in Wolkenstein nur noch eine Hospital- oder Begräbnisskirche in der Vorstadt und nebenbei befindet sich ein grosser Gottesacker.

Zur Parochie von Wolkenstein gehören Geringswalde, Hilmersdorf, Heinzbanck, das Bad, die Schmelzhütte, der Wolfsberg, die Hut, Kohlau, die umliegenden Vorwerke und Mühlen.

Die Collatur über das Pfarramt übt das Hohe Cultusministerium, das über das Diaconat der Stadtrath zu Wolkenstein.

Wolkenstein als früheres Amt ist jetzt ebenfalls in ein Gerichtsamt verwandelt, wozu die Stadt mit 197 bewohnten Gebäuden und 1908 Einwohnern gehört und ausserdem noch 13 Landgemeinden.

M. G.     




Leubnitz


vom wendischen Lipoi, Leupa (eine Linde) abstammend, liegt ganz in der Nähe und ¼ Stunde von Werdau und ist also wohl von dem im Voigtlande 2 Stunden von Plauen entfernten Dorfe Leubnitz zu unterscheiden.

Unser in dem fruchtbaren und gesunden Pleissengrunde an der linken Seite des Flusses gelegenes, von Osten nach Westen sich ausdehnendes Dorf mit Schloss ist sehr alten Ursprungs und schon von den alten Sorbenwenden angelegt. Nach Vertreibung der Sorbenwenden kam [180] Leubnitz so wie die Stadt Werdau an die Voigte und zwar an die Voigte von Weida und zwar vom 11. Jahrhundert an. Der erste derselben war der unter Heinrich dem Löwen stehende Voigt Heinrich II. zu Ausgang des 11. und im Anfang des 12. Jahrhunderts. Um das Jahr 1300 vielleicht noch einige Jahre früher kam Leubnitz mit Werdau in den Besitz der Voigte von Plauen, welche auch zugleich Herren von Ronneburg waren. Uebrigens hatten die reuss-plau’schen Voigte einen Untervoigt, welcher in Werdau residirte. Ein solcher Untervoigt wurde, weil er im sogenannten voigtländischen Kriege (1354–1357) die bereits damals befestigte Stadt Werdau übergeben hatte, auf Befehl des Voigts Heinrich im Jahre 1356 in einer Scheune nahe bei Leubnitz lebendig verbrannt. Nach Heinrich des Strengen Tode kam Werdau und somit auch Leubnitz durch Theilungsvertrag an seine beiden jüngeren Söhne.

Zu Ende des 14. Jahrhunderts aber verfiel Werdau mit Leubnitz und anderen Gütern als erledigtes Lehen an die meissnischen Markgrafen und zwar nach dem Tode der beiden zuletzt genannten Brüder, welche keine Leibeserben hinterliessen und nachdem der ältere Reuss zu[WS 4] Greiz nicht auf Mitbelehnung angetragen hatte.

Werdau mit den übrigen Gütern blieb nun beim sächsischen Hause und mit Leubnitz wurde im 15. Jahrhundert Herr von Uttenhofen beliehen, worauf in schneller Folge die Herren von Steindel, von Wolfersdorf, von Lindenfels von Leubnitz Besitz nahmen.

Der gegenwärtige Besitzer von Leubnitz ist Herr Gotthilf Naundorf.

Das Schloss hat eine angenehme Lage und dahinter befindet sich ein schöner Garten.

Wem ist aus jener Zeit, wo der Studio noch seine Fussreise nach Leipzig unternahm, nicht das liebliche Dorf und die dasige Gegend bekannt. Heiterern Schritts wallte Bruder Studio die Ebene dem Pleissenthal entlang, nachdem er die Berge in Rücken gelegt hatte.

Gerade von hier beginnt die liebliche Gegend nach Werdau und Crimitzschau und weiter hinab.

Je kahler und einsilbiger vielleicht der alte[WS 5] Weg von Ruppertsgrün bis Leubnitz ist, desto reichlicher wird der Wanderer durch das liebliche Panorama, welches sich von Leubnitz an entfaltet, entschädigt. Schon in Leubnitz zeigen sich die Spuren von der nahen gewerbthätigen Stadt Werdau; überall begegnet dem Auge ein reges Geschäftsleben; überall Bleichen und Walken zur Tuchbereitung, zu den verschiedenen anderen wollenen Stoffen.

Ueberall erblickt der Beschauer die hohen Dampfessen, welche dastehen als stolze Zeugen des grossen Unternehmungsgeistes der hiesigen Bewohner.

Die vereinigte Pleisse berührt zunächst das untere Ende von Leubnitz und erhält hier den sehr bedeutenden leubnitzer Bach, der ehedem auch der Flössbach genannt wurde und vermittelst mehrerer Seitenbäche fast alle Gewässer aus dem werdauer Walde und den dasigen zahlreichen und[WS 6] grossen Teichen abführt. Denn nahe von Leubnitz sind mehrere grosse Teiche, als der Hechtteich, der Dammteich, der grosse Teich und westlicher der neue Teich, der Röhrteich und der Mittelteich.

Eingepfarrt ist Leubnitz nach Werdau und zwar in früherer Zeit wegen gewisser kirchlichen Verrichtungen in die dasige St. Ilgen- oder Egidienkirche, bis es im Jahre 1529 auf Verordnung der ersten Visitatoren mit 20 guten Schocken abgelösst wurde und einen eigenen Pfarrer erhielt.

Bei der Visitation 1533 wurde die Abtragung der Kirche gestattet, diese aber erst im Jahre 1629 vollzogen, worauf man die dadurch gewonnenen Materialien zur Erweiterung der Marienkirche verwendete, in welche nun auch Leubnitz für immer gewiesen wurde.

Gegen Beginn des 14. Jahrhunderts kam die werdauer Marienkirche unter das Patronat des vom Kaiser Friedrich I. oder dem Rothbart im 12. Jahrhunderte gestifteten Augustinerklosters auf dem Berge vor Altenburg, welches der heiligen Maria gewidmet war.

Was die geistlichen Lehen zu Werdau betraf, so war bestimmt, dass die dem altenburger Kloster auf dem Berge einverleibte Pfarre zu Werdau 49 „besessene Männer“ habe, nämlich 2 in Leubnitz, 9 in Hessen, 1 in Lichtenstein, 2 in Beiershof, 2 in Fraureuth, 31 kleine Häuser in der Vorstadt zu Werdau und 2 Mühlen vor der Stadt im Weichbild. Der Frühmessner hatte 26 Lehnsmänner, nämlich 12 zu Hessen, 6 zu Albertsdorf, 1 zu Leubnitz und 7 zu Corbussen. Ueber die Männer zu Hessen und Niederalbertsdorf hatte der Frühmessner zu Werdau alle Gericht und Gerechtigkeit mit Ausnahme des Halsgerichts.

Dergleichen Gerichtsbarkeit ging nach der Reformation an die geistlichen [181] Kasten über. Im Jahre 1836 wurde aber die dem geistlichen Kasten zuständige Gerichtsbarkeit an den Staat abgetreten.

Das Patronat über Pfarre und das Diaconat, welches jetzt dem Hohen Cultusministerium zusteht, war noch von dem Augustinerkloster an die deutschen Ordensherren und durch die Reformation an den Landesherrn gekommen.

Das Diaconat hatte in früherer Zeit der Stadtrath von Werdau zu besetzen.

Früher mag auch Leubnitz seine schulpflichtigen Kinder in die Schule nach Werdau geschickt haben. Jetzt hat Leubnitz seine eigene Schule, über welche dem Hohen Cultusministerium das Collaturrecht zusteht.

Der unterste Theil von Leibnitz wird auch von dem sogenannten lichtentanner Bache berührt, welcher ebenfalls in die Pleisse mündet.

Die Häuserreihe längs dem lichtentanner Bache und weiter fort längs der Pleisse begreift mit Unterbrechungen, die nirgends ¼ Stunde, meist nur einige 100 Schritt und oft so viel als gar nichts austragen, die Orte Ebelsbrunn, Stenn, Lichtentanne, Steinpleiss, den untersten Theil von Leubnitz, Werdau, Langen- und Kleinhessen, Bosenhof, Schweinsburg und Schiedel, Neukirchen, Carthause und Kniegasse, Neundorf, Wahlen, Crimmitzschau, Leitelshayn, Frankenhausen und Gosel. Diese Reihe von Orten, 5 Stunden lang, enthält mit beiden Städten über 16000 Einwohner und hat in Sachsen, ja vielleicht in Deutschland, wenige ihres Gleichen.

Leubnitz mit 99 bewohnten Gebäuden und 753 Einwohnern ist dem jetzigen Gerichtsamte Werdau zugewiesen, so wie es früher auch schon zu dem Amte Werdau gehörte.

Die Einwohner von Leubnitz leben grösstentheils von Ackerbau und Viehzucht. Unter den nennungswerthen Gebäuden befinden sich 2 Mühlen, nämlich die untere und die sogenannte Schlossmühle. Ausserdem ziert den Ort auch noch eine Schafwollenspinnerei, wodurch Leubnitz besonders an lebhaftem Verkehr gewonnen hat.

M. G.     




Weissenbrunn


auf der rechten Seite des Pleissengrundes, unfern der Pleisse, 1½ Stunde westlich von Zwickau, 1 Stunde ostsüdlich von Werdau entfernt gelegen, wird gewöhnlich als „Weissenbrunn bei Steinpleis“ bezeichnet.

Von jeher und so lange die geschichtlichen Nachrichten zurückreichen war Weissenbrunn und Obersteinpleis vereinigte Rittergüter, wovon jedes derselben seine eigene Gerichtsbarkeit übte.

[182] Eine der ältesten und berühmtesten Familien hiesiger Gegend die Familie von Römer hatte die Rittergüter Obersteinpleis, Untersteinpleis und Weissenbrunn.

Nach der Familie von Römer kam Weissenbrunn wie Obersteinpleis an die von Weissenbach und Romanus.

Seit dem Anfange des vorigen Jahrhunderts besass Weissenbrunn sammt Obersteinpleis die Stadt Zwickau, welche beide Güter an Herrn Johann Gottfried Pelz in Stangengrün verkaufte.

Nach dessen Tode folgte Traugott Pelz, welcher Weissenbrunn wieder an seinen Sohn Julius Traugott Pelz abtrat. Der derzeitige Besitzer ist Herr Dörfel.

Weissenbrunn mit seinen herrschaftlichen Gebäuden gewährt ein freundliches Ansehen, welches durch die Lage des Gutes erhöht wird: Zum Gute selbst gehört ein schönes Areal an Feldern, Wiesen und Holzungen. Ueberhaupt mag in früherer Zeit, wo Obersteinpleis mit Weissenbrunn, Untersteinpleis und Niedersteinpleis und das Gut Sorge vereinigt waren, das Ganze als eine Herrschaft nicht unbedeutend gewesen sein.

Zu dem Gute Sorge, welches an der Strasse von Werdau nach Zwickau liegt, war auch der Ort Hartmannsdorf geschlagen, welches im Jahre 1272 von einem Voigte zu Plauen dem Kloster Grünhain geschenkt worden war und von Zwickau aus, wo dieses Kloster seinen eigenen Verwaltungshof hatte, mit verwaltet wurde.

Alle diese Güter mit Ausnahme von Sorge waren aber im 13. Jahrhundert mit der grossen Herrschaft Rabenstein vereinigt, die im Jahre 1378 das chemnitzer Kloster kaufte: In der grossen und harten Fehde mit dem Burggrafen von Leisnig im Jahre 1386 gingen diese Güter für die Herrschaft Rabenstein verloren und nach der Reformation vereinzelt, so dass nur Obersteinpleis mit Weissenbrunn vereinigt blieb.

Weissenbrunn wie Steinpleis sind gewerbfleissige Orte und eine gewisse Wohlhabenheit herrscht durchgängig.

Der Boden ist ergiebig und die Wiesen liefern ein vortreffliches Futter, weshalb auch die Viehzucht eine gute genannt werden muss.

Alle 4 Orte haben eine Kirche, welche in Obersteinpleis sich befindet, wozu noch das frühere Rittergut Sorge gehört, welches jetzt in 3 Bauergüter zerschlagen ist.

Die Kirche ist alt und bis 1529 war sie blos Tochterkirche von Werdau. Seit 1812 hat sie eine neue Orgel und seit 1819 ist ein neues Schulhaus erbaut, in welches die Kinder von Weissenbrunn gewiesen sind.

Weissenbrunn hatte bis zur Einführung der neuen Gerichtsordnung seine eigene Gerichte, unter welchen das Dorf Weissenbrunn und einige Unterthanen von Marienthal standen.

Von Weissenbrunn ist noch bemerkenswerth, dass der frühere Plisnigau der Alten im Osten von dem schmalen Wald von Weissenbrunn bis nach Oberschindmaas hin begrenzt wurde, während im Südwesten der fraureuther, werdauer und greitzer Wald die Grenze bildete.

Die Schicksale des Orts anlangend, so hat derselbe im Hussiten- und im 30jährigen Kriege viele Drangsale erlitten. Mord, Brand und Plünderung verheerte beinahe die dasige ganze Gegend, selbst das Heiligste blieb im 30jährigen Kriege nicht verschont; denn die Kirche zu Obersteinpleiss wurde als Lagerstätte benutzt und in Folge dessen ein Raub der Flammen.

Die dasige Gerichtsherrschaft bemühte sich damals mit der grössten Anstrengung, mit den grössten Opfern das Gotteshaus wieder herzustellen und ihren verarmten Unterthanen wieder aufzuhelfen. Fleiss und Sparsamkeit haben dazu beigetragen, dass diese Hülfe keine verfehlte war und so ist diese Gegend wieder zu Wohlstand und sogar einem gewissen Reichthum gelangt.

Weissenbrunn mit Ober-, Unter- und Niedersteinpleis hat 1650 Einwohner, von denen 347 auf den ersteren Ort kommen, die in 43 Gebäuden wohnen.

Alte 4 Orte sind dem Gerichtsamte Werdau einverleibt, welches jetzt aus einer Stadt- und 30 Landgemeinden besteht.

M. G.     



[183]
Thurm


früher wahrscheinlich Mülsen St. Urban und erst seit dem 14. Jahrhundert der Torm genannt, liegt im schönen Mülsengrunde 1½ Stunden nordöstlich von Zwickau, 1¼ Stunde westlich von Lichtenstein und eben so weit südlich von Glauchau. Der mülsner Bach fliesst hier in breiterem Wasserbette und zwischen niedrigeren Ufern, als in Mülsen. Der Ort liegt zusammenhängend mit Stangendorf östlich, mit Niedermülsen westlich und dehnt sich über eine halbe Stunde lang von Südosten nach Nordwesten aus. Südlich grenzt es mit den Fluren von Auerbach, Judenhain und Schneppendorf, nördlich an die Rumpfwaldung und Voigtlaide.

Das hiesige altschriftsässige, mannlehnbare Rittergut gehört unter die Fürstlich und Gräflich Schönburgische Lehnscurie und die Besitzer desselben sind Schönburgsche Vasallen.

Das dasige Schloss ist ein sehr alterthümliches Gebäude und wie die Abbildung darthut mit einem Thurme versehen. Dem Ansehen nach wurde es anfänglich in Form eines Kreuzes erbaut. In früheren Zeiten war es mit Wall und Mauern umgeben; letztere wurden in späteren Zeiten abgetragen, vom Walle ist nur noch ein kleiner Theil übrig. Das Schloss ist mit Blitzableitern versehen.

An das Schloss stossen schöne Obst- und Gemüsegärten mit einem Gartensaalgebäude, worinnen noch 1790 und auch später noch ein Casino für gesellschaftliche Vergnügungen der Gebildeteren aus der Umgegend bestand.

Zum Rittergute gehören beträchtliche Felder und Wiesen, auch schöne Waldungen, in Schwarz- und Laubholz bestehend, eine grosse Schäferei, wohleingerichtete Brauerei und Brennerei. Auf der rechten Seite des Mülsenbaches übt es die hohe, mittle und niedre, auf der linken Seite des Baches nur die niedere Jagd. Vor der Ablösung hatten die Unterthanen dem Rittergute Pferde- und Handfrohndienste, Geld- und Getreidezinsen und Lehngelder zu entrichten.

Die Ober- und Untergerichte über den grösseren Theil von Niedermülsen, einen Theil von Seifertitz, von Waldsachsen, von Wernsdorf und über das Dorf Wulm stehen ebenfalls dem Besitzer von Thurm zu, welche natürlich jetzt noch ausgeübt werden, da in dem Schönburgischen Lande das neue Organisationsgesetz bezüglich der veränderten Gerichtsverfassung von Sachsen nicht eingeführt ist.

Dann gehört dem hiesigen Rittergute mit dem Rittergute Mosel in Gemeinschaft auch der grösste Theil des Dorfes Niederschindmaas mit eignen Gerichten, da dieses früher ein Zeitzer Lehn war.

Auserdem besitzt das dasige Rittergut auch ein kleines Vorwerk, das in dem benachbarten Niedermülsen liegt.

Die eigentlichen Begründer des dasigen Schlosses sollen einer Sage nach die Tempelritter gewesen sein, was wohl auf einer Verwechselung mit den deutschen Ordensherren auf dem Comthurhof Zschillen (Wechselburg) beruhen mag. Von 1382 war Thurm Zubehör der Herrschaft Lichtenstein; von welcher es im gedachten Jahre durch Kauf an die Herrschaft Glauchau gelangte.

Als Schönburgische Vasallen und Afterlehnsträger finden wir dann 1411 die von Mockau im Besitz des Rittergutes, bis dasselbe nach dem erblosen Absterben Heinrichs von Mockau 1489 an die von Weissenbach oder Weissbach überging, bei welchem Geschlechte es bis zum Jahre 1816 verblieb, worauf es 1817 die Gebrüder Freiherren Friedrich und Wilhelm von Kotzau acquirirten, welche der weitverzweigten Familie in Bayern angehören.

Der derzeitige Besitzer ist F. H. E. Freiherr von Kotzau, welcher zugleich Collator über die dasige Kirche ist, welche unter der Inspection Glauchau steht.

[184] Der Erbauer der Kirche, welche ehedem mit dem Schlosse durch einen Gang in Verbindung stand, ist ein gewisser Joh. Günther aus Zwietzschen, dessen Gedächtniss auf der Durchsicht des Thurmes eine Inschrift verewigt. Die Baukosten wurden theils aus dem Kirchenvermögen, theils durch den damaligen Gerichtsherrn Hans Heinrich von Weissenbach gedeckt. Der Orgel gegenüber befindet sich unter dem Thurme die herrschaftliche Kapelle und unter derselbe das gewölbte herrschaftliche Erbbegräbniss.

Von Epitaphien ist das in Stein gehauene, mit Wappen verzierte, des 1584 im October verstorbenen Wolf von Weissenbach und seiner ihm im April 1583 vorangegangenen Gemahlin Veronica, geb. von Metzsch zu bemerken: Es stellt einen geharnischten Ritter und 2 Fräuleins dar, welche den auferstandenen Heiland anbeten.

Uebrigens zeichnet sich die Kirche durch äusseres Ansehen und innere Simplicität vor manchen anderen Dorfkirchen aus.

Der Ort Thurm zählt mit Inbegriff des Rittergutes und seiner Nebengebäude, der Kirche, Pfarre, Schule über 130 Häuser mit 960 Einwohnern, die theils an beiden Seiten des Mülsenbaches angebaut sind, theils auch in zwei seitwärts nach Süden zu angelegten Reihen, welche mit dem Namen der Schneeberger und der Zwickauer Gasse benannt werden, stehen. Die meisten sind nur mit kleinen Gärten versehene Häuser, von denen viele auf Ritterguts Grund und Boden stehen. Das Uebrige sind Pferdegüter, Handgüter und Gartengüter. Ausserdem befindet sich im Orte ein zum Rittergute selbst gehöriger und die Brauerei enthaltender Gasthof.

An der Stelle der Papiermühle, ausser welcher es noch eine Mahl-, Oel- und Bretschneidemühle giebt, stand ehedem ein Eisenhammer, wovon der ansehnliche Hammerteich den Namen hat. Zu Ende des vorigen Jahrhunderts gab es hier auch eine Kattun-, eine Stärkefabrik und eine Apotheke.

Die Waldungen der hiesigen Flur sind durch gute Forstwirthschaft, durch Saaten und Pflanzungen, sehr in die Höhe gebracht.

Zwei lange Lindenalleen zieren die beiden Fahrstrassen von Thurm südlich nach Zwickau und nördlich nach Glauchau zu.

In der dasigen Gegend, unweit Mülsen lieferten in den Jahren 1348 und 1402 die Herren von Schönburg in Familienstreitigkeiten 2 blutige Treffen.

Im Februar des Jahres 1760 fiel zwischen Oestreichern und Preussen in dasiger Gegend und zwar bei Obermülsen ein Treffen vor, wobei letztere einige 30 Mann verloren und deren Obrister Möllendorf von den Oestreichern geschlagen wurde. Auch am 9. April 1760 erfolgte wieder bei Niedermülsen eine Gefangennehmung von 110 Mann Preussen mit Inbegriff ihres Anführers des Hauptmann Freidaville und es wurden dabei von den Oesterreichern 1 Kanone nebst 80 Pferden, ingleichen 177 beladene Wagen nebst vielem Gelde erbeutet.

Ein trauriges Jahr war das Jahr 1772 für die hiesige Gegend. Viele Menschen mussten wegen der theuren Lebensmittel den Hungertod sterben.

Der Scheffel Korn hatte einen Preis von 20 bis 21 Fl. erreicht.

Freuen wir uns, dass bei den jetzigen Verkehrsmitteln, solches Unglück nie wieder über eine einzelne Gegend kommen kann.

M. G.     



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Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Jahrhuudert
  2. Vorlage: Mii
  3. Vorlage: Fbenso
  4. Vorlage: zn
  5. Vorlage: altc
  6. Vorlage: nud
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