Aus dem Briefwechsel Napoleon’s I. und Josehphinen
[724] Aus dem Briefwechsel Napoleon’s I. und Josephinens. Die Briefe Napoleon’s I. an seine erste Gemahlin Josephine de Beauharnais geborene Rose Tascher de la Pagerie wurden zum ersten Male gedruckt im Jahre 1833 (Firmin Didot Frères, Paris); die Sammlung umfaßt kaum alle Billetts, auf denen der Eroberer der schönen Kreolin die Grüße seiner Liebe sandte, und die Zahl der mitgetheilten Briefe Josephinens ist nicht minder unvollständig; aber jedenfalls spiegelt sich in dieser auf rosarothes Briefpapier gedruckten Korrespondenz eines der berühmtesten Liebesverhältnisse der Geschichte, und der Einblick in das innerste und innigste Empfindungsleben des Welteroberers ist nicht nur historisch, sondern auch psychologisch interessant. Nicht einer dieser Briefe ist länger als eine Seite. Meist sind es nur ein paar Worte, mit denen der erschöpfte Feldherr am Abend einer heißen Schlacht der geliebten Frau von seinem Siege meldet. Er hätte sich kaum kürzer in Depeschen fassen können. „Ich habe den Feind geschlagen. Man wird Dir den Schlachtbericht zusenden. Ich bin todt vor Müdigkeit. Ich gebe Dir tausend Küsse. Ich bin zu Bett. Napoleon.“ So knapp und wortkarg lauten sie sämmtlich. Das ist der Stil der Napoleon’schen Liebesbriefe. „Adieu, mon amie. Tout à toi“ („Ganz der Deine“) ist ihr stereotyper Abschiedsgruß, bis dies tout à toi mit der zweiten Hochzeit des Kaisers zu Ende geht, ohne daß der Briefwechsel selbst damit gleichfalls am Schlusse wäre. Aber der Inhalt hat sich dann freilich wesentlich geändert. Die geschiedene Kaiserin kommt mit ihrer Jahresrevenue von 3 000 000 Francs nicht aus, und der Kaiser ist von dieser Thatsache nicht eben erbaut. „Urtheile selbst,“ schreibt er am 25. August 1811 von Trianon an Josephinen, „eine wie ungünstige Meinung ich mir von Dir bilden müßte, wenn ich erführe, daß Du bei 3 000 000 Francs Revenuen noch Schulden machst.“ Er verlangt, sie solle 1 500 000 Francs jährlich sparen. Aber auch dann schließt er mit der alten Herzlichkeit: „Adieu, mon amie, porte-toi bien.“ („Möge es Dir gut gehen!“) Das ist der Inhalt des vorletzten Briefes des Kaisers an seine erste Gemahlin. Das letzte Billett, das sie von seiner Hand empfing, ist mit der gleichen Theilnahme geschrieben, aber – Galanterie gehörte überhaupt nicht zu seinen Tugenden – es führt den unter so romantischen Umständen und mit wahrer Leidenschaft begonnenen Briefwechsel in der leider nicht eben poetischen Fassung zum Schlusse: „Lebe wohl, meine Freundin; schreib’ mir, daß es Dir wohl geht. Man sagt, Du würdest fett, wie eine dicke normännische Pächtersfrau.“