BLKÖ:Weinrich, Karl

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Weinrich, Johann
Band: 54 (1886), ab Seite: 58. (Quelle)
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Weinrich, Karl (Landwirth, geb. zu Klein-Rechtenbach bei Wetzlar [59] am 9. Juni 1800, gest. zu Frankfurt a. M. am 1. Juni 1860). Obwohl in Oesterreich weder geboren, noch gestorben, besitzt er doch um den Kaiserstaat, namentlich um Böhmen, wo er die später so entwickelte Rübenzuckerindustrie ins Leben rufen half, so entschiedene Verdienste, daß ihm eine Stelle in diesem Werke unter allen Umstanden gebührt. Sein Vater Alexander war evangelischer Pfarrer und Superintendent zu Klein-Rechtenbach, sein Taufpathe der berühmte Rechtsgelehrte Karl von Savigny, in dessen Hause der Vater als junger Mann Hofmeister gewesen. Bis zum 16. Jahre besuchte Karl das Gymnasium in Wiesbaden. Auch er sollte dem Stande seines Vaters sich widmen, wie schon durch fünf Generationen seine Vorfahren dem geistlichen Berufe sich zugewendet hatten. (Wir finden über diese Gottesgelehrten ausführliche Nachrichten in Zedler’s „Universal-Lexikon“ Bd. LIV, Sp. 901 bis 908). Aber er fühlte keinen Hang zu demselben und zog es vor, den Buchhandel zu erlernen, zu welchem Zwecke er als Lehrling in die Heyer’sche Verlagsbuchhandlung in Gießen eintrat. Wie sehr er in diesem Geschäfte auch seinen Verpflichtungen nachkam, so erkannte er doch bald, daß er in demselben nicht das rechte Genügen finde, und trat 1818 wieder aus. Nun widmete er sich den Naturwissenschaften, die er bis 1820 in Gießen und in den folgenden zwei Jahren an der Hochschule zu Göttingen hörte. Um diese Zeit hatte sein Vater ein kleines Gut bei Rechtenbach von der Tochter der berühmten Freundin Goethe’s Sophie La Roche gekauft und wünschte, daß sein Sohn die Bewirthschaftung desselben übernehme. Bei seiner Vorliebe für landwirthschaftliche Beschäftigung kam dieser dem Wunsche des Vaters gerne nach, und während er auf dem Gute mehrere Verbesserungen einführte, setzte er seine technischen und naturwissenschaftlichen Studien fort. Die Idee, aus heimischen Ackerproducten einen Ersatz für den indischen Rohzucker zu gewinnen, kam bald in ihm auf und nahm sein ganzes Sinnen und Trachten; in Anspruch. Er machte zuerst mit Kartoffeln die umfassendsten Versuche, und schon 1826 trat er mit einer Brochure auf, betitelt: „Beschreibung der Stärkezuckerbereitung nach einer neuen Entdeckung von Karl Weinrich“, worin er seine Erfahrungen und Rathschläge veröffentlichte. Das Ergebniß seiner Versuche war: daß man auf 36 Magdeburger Morgen etwa 5400 Centner Kartoffeln ernten und daraus 600 Centner Syrup bereiten könne; wenn man nun den Centner nur für 31/2 Thaler verkaufe und 600 Thaler für Bereitungskosten, dann 300 Thaler für Ackerpacht und Bebauung abrechne, so würde immer noch ein Reingewinn von 1200 Thalern erzielt. Man sieht, Weinrich war durchaus kein sanguinischer Rechner, sondern ein ungemein praktischer Landwirth, der dabei sein Hauptaugenmerk auf die Verbesserung des Looses der ärmeren Classe richtete, welche er hier nach zwei Seiten hin anstrebte, durch möglichst großen Ertrag einer leicht anzubauenden Feldfrucht und dadurch, daß den Aermeren mit diesem Syrup ein Ersatz für den damals noch so theueren Rohrzucker geboten ward. Weinrich’s Schrift machte in den betheiligten Kreisen großes Aufsehen, in kurzer Zeit erhielt er aus allen Theilen Deutschlands, Oesterreichs und Polens über hundert Zuschriften, welche diesen Gegenstand betrafen und vom Verfasser Rath und [60] nähere Auskunft verlangten. Nun ging Weinrich einen Schritt weiter. Bisher hatte er aus Kartoffeln Syrup gewannen, seine Versuche, aus demselben krystallisirten Zucker zu erzeugen, gelangen nicht; die erhaltene Masse war immer klebrig. Er wollte es nun auf anderem Wege versuchen und die Runkelrübe zur Zuckerbereitung verwenden. Zu diesem Zwecke aber mußte er vorher die Wiege der Rübenzuckerfabrication, nämlich Frankreich, besuchen und begab sich, mit Empfehlungen von dem ihm befreundeten Justus von Liebig versehen, im Winter 1828/29 auf die Reise dahin. Daselbst verlegte er sich in den Fabriken von Crespell-Delisse und Crespell-Pinta in Arras und Neuville, von Delisse und Flagolet in Bethune auf gründliches Studium der Rübenzuckerfabrication. Im Frühjahr 1829 auf sein Gut zurückgekehrt, richtete er daselbst sofort eine .Versuchsfabrik ein und bebaute ein entsprechendes Areal mit Zuckerrüben. Die Resultate waren recht befriedigende. Im Jänner 1830 ging er zum zweiten Male nach Frankreich und nach seiner Rückkehr im April desselben Jahres veröffentlichte er in einem ausführlichen Artikel die Erfolge seiner Versuche und schilderte die Vortheile, welche der Landwirthschaft durch diesen Industriezweig erwachsen würden. Dieser Aufsatz erschien in mehreren Journalen Deutschlands und Oesterreichs. Nun erhielt er wieder eine große Anzahl von Anfragen, vornehmlich von Leuten, welche die Absicht hatten, eine Zuckerfabrik anzulegen. Und jetzt tritt der Moment ein, in welchem Weinrich’s Wirksamkeit für Oesterreich so bedeutungsvoll wird und es durch drei Decennien bis zu seinem Lebensende blieb. Im Sommer 1830 machte ihm nämlich Anselm Fürst von Thurn und Taxis, Besitzer der Herrschaften Doubrawitz und Lautschin in Böhmen, den Antrag, eine Zuckerfabrik in Doubrawitz für ihn zu bauen. Weinrich leistete dieser Aufforderung Folge und erzielte schon im ersten Anbau schöne Resultate. Die Fabrik war auf eine Rübenverarbeitung von 30.000 Centnern eingerichtet. Ein großer Theil des direct aus dem Saft gewonnenen Zuckers kam ordinärem Melis an Weiße und Festigkeit gleich und wurde als solcher in Stücken verkauft, der kleinere Theil ward nochmals raffinirt. Schon 1835 gab die Doubrawitzer Fabrik, welche unter seiner Leitung stand, einen Reinertrag von 20.000 Gulden. Im Sommer 1831 errichtete er im Auftrage des Fürsten Oettingen-Wallerstein eine kleine Fabrik in Kuchelbad bei Prag, auf eine Verarbeitung von 15.000 Centnern; 1832 eine solche in Svinař im Berauner Kreise, einer dem Wirthschaftsrathe Oppelt gehörigen Herrschaft. Diese drei Fabriken standen unter seiner unmittelbaren Leitung, seine eigene in Rechtenbach behielt er als Versuchsfabrik und um darin tüchtige Werkführer heranzubilden, bei. In den folgenden Jahren baute er noch, theils allein, theils in Gemeinschaft mit Dr. Kodweis, in Böhmen die Fabriken Königssaal (Oettingen-Wallerstein), Stranow (von Neupauer), Girna, Smidar (Waagner), Schlan (Oppelt), Philippshof (von Eisenstein). Freilich hatte er bei diesen Unternehmungen mit vielen Unannehmlichkeiten zu kämpfen, ebenso von Seite der Gutsbeamten, die der neuen Industrie feindselig entgegentraten, wie von Seite der Bauern, welchen der Rübenbau durchaus nicht einleuchten wollte. Aber er ließ sich durch diese Unannehmlichkeiten nicht beirren, [61] sondern suchte auch im Wege der Schrift für seine Sache fördernd zu wirken, und so erschien in den neuen Schriften der k. k. patriotisch-ökonomischen Gesellschaft (Bd. IV, Heft 2) seine „Kurze Anleitung zum Anbaue der Runkelrübe für die inländischen Zuckerfabriken, zunächst für den böhmischen Landmann“, welche auch besonders (Prag 1835, 8°.) abgedruckt und vielfach verbreitet wurde, und bald darauf: „Die neuesten in den böhmischen Zuckerfabriken eingeführten Verbesserungen“ (ebd. 1835), in welcher Schrift alle Erfahrungen niedergelegt waren, welche Weinrich in seiner mehrjährigen praktischen Leitung von Zuckerfabriken gesammelt hatte; ein paar Jahre später veröffentlichte er noch: „Ueber die Bereitungsart des Zuckers aus Runkelrüben, welche Doctor Zier als seine Erfindung ausgegeben und verkauft hat“ (ebd. 1837, 8°.). Als der Mangel an durchgebildeten tüchtigen Fabriksleitern bei dem raschen Aufschwunge dieses Industriezweiges sich besonders fühlbar machte, gründete Weinrich 1836 dicht bei Prag in einem Gebäude des Herrn Halla eine kleine Lehrfabrik, in welcher während des zweijährigen Bestandes derselben mehrere Leute zur Leitung von Zuckerfabriken herangebildet wurden. Auch machte er in dieser Lehrfabrik die ersten Versuche mit der Maceration und führte dieselbe in einer Fabrik zu Sadška, welche er 1838 für eigene Rechnung erbaut hatte, ein. Da aber die Ergebnisse den Erwartungen nicht entsprachen, gab er 1843 dieses Verfahren wieder auf. Auch die folgenden Jahre weisen neue und erfolgreiche Unternehmungen Weinrich’s auf, die bedeutendste das Jahr 1848, in welchem er die Rübenzuckerfabrik zu Peček bei Podiebrad gründete, welche jährlich 100.000 Centner Rüben verarbeitete. Diese Fabrik war Weinrich’s erster Grundbesitz in Böhmen, und brachte er daselbst alljährlich einen Theil des Winters zu, denn sein eigentlicher Aufenthalt war zu Gutleuthof, einem großen Gute dicht bei Frankfurt a. M., welches er 1849 gepachtet und auf welchem er ein leerstehendes Gebäude zu einer Zuckerfabrik eingerichtet hatte. In Böhmen selbst errichtete er noch eine ansehnliche Zuckerfabrik in Syrowatka. Ueber die praktisch aufgegebene Maceration machte er fortwährend theoretische Studien und Versuche. Seine nicht allzu feste Gesundheit erlitt 1855 den ersten Stoß; wohl überstand er die gefährliche Krankheit, aber einem Magenleiden, das ihn seit langer Zeit schon quälte, erlag er im Alter von 60 Jahren. Mit Weinrich schied der uneigennützige Begründer der böhmischen Rübenzuckerfabrication aus dem Leben, denn wenn auch vor seinem Erscheinen Rübenzuckerfabricationen in Böhmen bereits bestanden, z. B. die des Grafen Czernin bei Chudenicz und die des Ritters von Strahlendorf in Bezděkau bei Klattau, die aber nach kurzer Dauer wieder eingingen, so ist doch Weinrich derjenige, welcher der Erste den rationellen Betrieb einführte und denselben zu einer Großartigkeit steigerte, daß Böhmen in der Rübenzuckerfabrication in erster Reihe dastand. – Ein Daniel Karl Weinrich, Besitzer des Gutes Dobrzenitz in Böhmen, wurde 1873/74 von Seite des böhmischen Großgrundbesitzes in das Abgeordnetenhaus des österreichischen Reichsrathes gewählt, in welchem er sich dem Centrumclub anschloß. Seine Wiederwahl im Jahre 1879 erfolgte nicht.

Adressen- und Jahrbuch der Rübenzuckerfabriken und Raffinerien Oesterreich-Ungarns von A. Achleitner (Wien 1872) S. 29 u. f. – Centralblatt für die gesammte [62] Landescultur. Herausgegeben von der k. k. patriotisch-ökonomischen Gesellschaft im Königreich Böhmen, Jahrg. 1860, Nr. 24: „Karl Weinrich“.
Porträt. Photographieabdruck. Unterschrift. „Karl Weinrich, | geb. zu Klein-Rechtenbach bei Wetzlar am 9. Juni 1800, | gest. zu Frankfurt a. M. am 1. Juni 1860“ (8°.).