BLKÖ:Weyrother, Clemens Ritter von

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Weyrauch, Ervin Anton
Band: 55 (1887), ab Seite: 208. (Quelle)
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Weyrother auch Weyhrother, Clemens Ritter von (Schriftsteller, geb. zu Prag am 1. Februar 1809, gest. in Karlsbad am 10. Juni 1876). In Rede Stehender, dessen Vater als Hauptmann in der kaiserlichen Armee im nämlichen Jahre, in welchem der Sohn geboren wurde, in der Schlacht bei Aspern fiel, beendete die vorbereitenden Studien auf dem Kleinseitener Gymnasium, die philosophischen und rechtswissenschaftlichen an der Hochschule in Prag. Nach Abschluß der letzteren unternahm er eine Reise nach Deutschland, auf welcher er in Dresden mit Tieck, in Leipzig mit Herloßsohn, in Berlin mit Raupach bekannt wurde. Nach seiner Rückkehr machte er zum Eintritt ins öffentliche Leben die Appellationsprüfungen. Indessen schlug er bald eine andere Richtung ein, zu welcher er sich schon in seiner Studentenzeit hingezogen fühlte, die schriftstellerische. Bereits damals hatte sich Weyrother in kleineren poetischen Arbeiten versucht und einige dramatische Kleinigkeiten für Haustheater geschrieben. Zu Ende der Dreißiger- und im Laufe der Vierziger Jahre aber befand er sich ganz im literarischen Fahrwasser; er machte nun auch oft Ausflüge in interessante [209] Gegenden des Landes, mit Vorliebe in das Erz- und Riesengebirge und zu alten Schloßruinen, deren Sagen und Ueberlieferungen er sammelte und unter dem Titel: „Böhmische Sagen“ (Prag 1843, neue Auflage 1856) zu einem wohlthätigen Zwecke herausgab. 1845 veröffentlichte er eine Sammlung von Novellen und Erzählungen unter dem Titel: „Licht and Schatten“ (Prag, 12°.), deren Widmung der damalige Statthalter Erzherzog Stephan entgegennahm, und dieser folgte eine andere Sammlung: „Bilder und Skizzen“ (ebd., S. Aufl. 1858); hatte er den Ertrag der ersten zum Besten verschämter Hausarmen gewidmet, so bestimmte er die zweite für das Kleinkinderspital in Klattau. 1847 unternahm er eine Reise durch den Böhmerwald, deren Beschreibung er 1849 in der Zeitschrift „Panorama“, die damals in Prag bei Gebrüder Haase erschien, in Druck gab. Zu gleicher Zeit war er ein fleißiger Mitarbeiter der schöngeistigen Blätter „Ost und West“, „Erinnerungen“, welche beide in Prag herauskamen, und des von M. G. Saphir in Wien veröffentlichten „Humorist“, worin meist seine Novellen und Erzählungen Aufnahme fanden. Im bewegten Jahre 1848 begründete er, mit dem bezeichnenden Titel „Concordia“. ein belehrendes und zugleich unterhaltendes Blatt, in welchem er kein geringeres Ziel vor Augen hatte, als Künstler und Studenten beider Nationalitäten unter einem Banner zu sammeln, und welches in den später folgenden stürmischen Tagen auch als specielles Organ der Nationalgarde, die sich eben damals zu bilden begann, sich gestaltete. Im Juni des nämlichen Jahres verlor er auch seine Mutter, und nun begab er sich aufs Land, wo er bis in den Herbst zubrachte. Nach seiner Rückkehr in die Stadt lag er dann ausschließlich literarischen Arbeiten ob. Insbesondere arbeitete er an der „Prager (amtlichen) Zeitung“ fleißig mit, für welche er namentlich die belletristischen Artikel schrieb. 1851 übernahm er selbst die Redaction dieses Blattes, die er aber nur für die Dauer genannten Jahres behielt. denn 1852 gründete er eine „Staatsbürger-Zeitung“, welche er jedoch, da sie gar keine Theilnahme fand, bald wieder fallen ließ. Eine ihm mittlerweile verliehene Notarsstelle würde ihm, wenn er überhaupt ein mehr praktischer Mann gewesen wäre und die Unzulänglichkeit schriftstellerischer Beschäftigung, wie sie denn damals bei dem noch im Embryo befindlichen Zeitungswesen kaum den Mann ernährte, erkannt hätte, ein ganz gutes und anständiges Auskommen gewährt haben. So aber zog er es vor, seine Zeit lieber schriftstellerischen Velleitäten zuzuwenden, und besorgte sein Notariatsgeschäft nur nebenbei und nicht mit jenem Pflichtgefühle, das eines solchen Berufes Grundbedingung ist. Dann redigirte er 1857 und 1858 mit Dr. Neumann gemeinschaftlich die „Jahrbücher des Erz- und Riesengebirges“, deren Ertrag zum Besten der armen Bewohner desselben gewidmet war. In den Jahren 1857, 1858, 1865 und 1869 veröffentlichte er unter dem Pseudonym Kleeroth vier Hefte dramatische Spiele, theils unter dem Titel „Theater“, theils unter dem Titel „Dilettanten-Theater“. Dieselben bilden eine Sammlung der von ihm während einer Reihe von Jahren geschriebenen und mitunter recht beifällig aufgenommenen Lustspiele und Schwänke und enthalten folgende Stücke: „Der Pantoffel. Dramatischer Scherz in 1 Aufzug“; – „Die Einsiedelei im Walde. Lustspiel in 1 Aufz.“; – „Das Burggespenst. [210] Lustspiel in 1 Aufz.“; – „Der Raucher aus Liebe. Dramatischer Scherz in 1 Aufzug“; – „Der Klopfgeist. Schwank in 1 Aufz.“; – „Ein Gesellschaftsball. Lustspiel in 3 Aufz.“; – „Studentenstreiche. Schwank in 1 Aufz.“; – „Weiß und Schwarz“; – „Ein Haustheater in Pennsylvanien“; – „Ein Uriasbrief“; – „Die Erfindung“; – „Der Friedensbruch“; – „Die erste Fußreise“. die letzten sechs Stücke sämmtlich für Dilettantentheater bestimmt. In der Zwischenzeit ließ er auch das erste Heft „Prager Sagen“ (1863) erscheinen, dann im nächsten Jahre ein zweites, wie jenes mit sechs Abbildungen (Prag, Bellmann, 8°.), folgen; 1869 besorgte er allein die Redaction des schon oben erwähnten „Jahrbuches des Erz- und Riesengebirges“. Dabei war er ein ungemein rühriges Mitglied im Comité zur Entwickelung gewerblicher Thätigkeit im Erz- und Riesengebirge, der Sophienakademie, des Privatvereines zur Unterstützung von Hausarmen und anderer wohlthätiger und gemeinnütziger Vereine. Als er sich endlich bei dem Mißbrauche des Vertrauens, das er in seiner angeborenen Gutmüthigkeit Personen geschenkt, die nichts weniger als dessen würdig waren, in Unannehmlichkeiten verwickelt sah, ward er schließlich genöthigt, die Notarsstelle aufzugeben. Nun bewarb er sich in einzelnen Städten Böhmens und in den anderen Kronländern um eine städtische Anstellung, ohne jedoch eine solche erlangen zu können. So sah er sich denn jetzt auf das schriftstellerische Gebiet als das einzige, das ihm[WS 1] aus seiner Nothlage helfen konnte, angewiesen. Aber das war ein bitteres und kärgliches Brod: das, was er vorher als Passion getrieben, nun, um den Hunger zu stillen, treiben zu müssen. Eine Hoffnung, die ihm für einen Augenblick schimmerte, da er als Redacteur eines neuen in Saaz erscheinenden Blattes berufen wurde, erwies sich als trügerisch, denn das Blatt ging bereits nach wenigen Wochen ein. In den letzten Jahren nach Verlust des Notariats arbeitete er viel für die „Prager (amtliche) Zeitung“, für die „Bohemia“ und den „Komotauer Anzeiger“; auch gab er das Schriftchen: „Von Prag nach Stechowitz, eine Dampfbootpartie“ heraus; dann versuchte er sich auch im Roman mit dem Werke: „Vergangene Zeiten“, dessen Begebenheit in den Tagen der Kaiserin Maria Theresia spielt, doch dessen Schauplatz vornehmlich Prag ist; zwei andere Romane, welche beide in Heften erschienen, behandelten der eine die Zeit des Böhmenkönigs (Kaisers) Karl IV., der andere die Tage der Besetzung Prags durch die Preußen im Jahre 1866. In der Folge trug er sich mit der Herausgäbe einer neuen Sammlung seiner dramatischen Arbeiten, zu der es jedoch nicht kam; dagegen erschienen: „Ebbe und Fluth. Erzählungen und Novellen“ (Prag 1873) und „Ein Kind. Novelle“ (Saaz 1874). In der letzten Zeit, da es ihm schon sehr kümmerlich ging, sah er sich genöthigt, wenn er nicht geradezu verhungern wollte, eine Aushilfslehrerstelle in Karlsbad anzunehmen, welcher kläglichen Lage, die ihm kaum das tägliche Brod gab, er im Alter von 67 Jahren durch den Tod entrissen wurde. Weyrother zählt zu jenen talentbegabten vormärzlichen Schriftstellern, welche nie begreifen konnten, daß es noch andere Interessen gebe, als ein bischen Theaterklatsch, verbunden mit etwas dilettantischem Naschen in Culturgeschichte und dramatischen Lappalien. So verzettelte er ein unbedingt vorhandenes, wenngleich nicht hervorragendes, so doch anständiges Talent in [211] Kleinigkeiten, novellistischen Bagatellen und dramatischen Scherzen, mit deren noch ganz nach der vormärzlichen Schablone angelegten Nichtigkeiten er seine Aufgabe gelöst zu haben glaubte, wenn ein gemischtes Publicum dazu lachte. Von einem künstlerischen Princip ist in allen seinen Arbeiten, wenn sie auch gut sich lesen lassen, keine Rede. So ist er ebenso als Weyrother, wie als Pseudonym Kleroth verschollen und vergessen und in den Literaturgeschichten geradezu unbekannt. Glücklicher Weise erlöste ihn der Tod, ehe er es sehen mußte, wie sich Deutsche und Čechen, die er in seiner unergründlichen duseligen Gemüthlichkeit unter einen Hut zu bringen gedachte, gegenseitig in den Haaren liegen und die Eintracht zerstören, zu der sie in Rücksicht auf das schöne Stück Erde, das sie gemeinschaftlich bewohnen, moralisch gezwungen sind.

Brümmer (Franz). Deutsche Dichter-Lexikon. Biographische und bibliographische Mittheilungen über deutsche Dichter aller Zeiten. Unter besonderer Berücksichtigung der Gegenwart (Eichstädt und Stuttgart 1877, Krüll, schm. 4°.) Bd. II, S. 496.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: ihn.