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BLKÖ:Horn, I. E.

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Band: 9 (1863), ab Seite: 288. (Quelle)
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Horn, I. E. (Schriftsteller, geb. zu Vágujhely (Waag-Neustadt) im Neutraer Comitate Ungarns 25. September 1825). Sohn jüdischer Eltern und heißt eigentlich Ignaz Einhorn, hat aber seinen Familiennamen abgelegt und ist unter obigem Namen I. E. Horn bekannt geworden. Sein Vater, der ein einträgliches Wollgeschäft besaß, ließ seine Kinder in ihrer ersten Jugend im Hause unterrichten und erst mit 13 Jahren besuchte H. in Neutra, Prag und Preßburg jüdisch-theologische und lateinische Schulen. In Preßburg wurde H. mit Adolph Neustadt, welcher die dortige Zeitung redigirte, bekannt und betrat mit einigen Journalartikeln die literarisch-journalistische Laufbahn. In’s Elternhaus zurückgekehrt, schrieb er für die „Zeitung des Judenthums“ und das in Leipzig erscheinende Blatt „Orient“, wurde dann regelmäßiger Mitarbeiter der „Pesther Zeitung“, schrieb in magyarischer Sprache für Kossuth’s Organ, „Pesti Hirlap“, für den „Jelenkor“ und „Hetilap“ und vertrat insbesondere die Judenemancipation, die zu jener Zeit in Ungarn gerade an der Tagesordnung war. Er veröffentlichte auch damals seine erste selbstständige Schrift: „Zur Judenfrage in Ungarn“ (Ofen 1847), welche dem Freiherrn Joseph Eötvös gewidmet ist. Zugleich hielt er in Ofen gottesdienstliche Vorträge, war als Bibliothekar des magyarisirenden Vereines: „Magyaritó Egylet“ für Verbreitung der magyarischen Sprache unter seinen Glaubensgenossen thätig und redigirte das Jahrbuch „Magyar szidó-evkönyv“, d. i. Ungarisches Jahrbuch für die Juden, das 1847 erschien. Von der Bewegung der Märzereignisse wurde H. um so mehr fortgerissen, als er schon früher zur Bewegungspartei in Ungarn gehörte. Am 1. April 1848 begründete er die deutsche Wochenschrift „Der ungarische Israelit“, welche aber, als Fürst Windischgrätz im Jänner 1849 in Pesth einrückte, zu erscheinen aufhörte. Mit diesem Blatte begannen die Reformen in der Pesther Judengemeinde, welche eine Spaltung in derselben und die Bildung einer eigenen Pesth-Ofner Reformgemeinde zur Folge hatten. Horn wurde Rabbiner und Prediger dieser neuen Gemeinde, welche nach dem Muster der Holdheim’schen in Berlin eingerichtet wurde, wohin Horn entsendet worden, um sie nach ihren äußeren Einrichtungen kennen zu [289] lernen. Man verlegte den Ruhetag auf den Sonntag, verrichtete das Gebet in der Landessprache, ließ Mischehen zu. Um diesen Anschauungen in weiteren Kreisen Anhänger zu verschaffen, gab H. die Schrift: „A Reformált zsidóvág elvei“ (Ofen 1848), aber später auch in deutscher Sprache: „Grundprincipe einer geläuterten Reform im Judenthume“ (Pesth 1849) heraus. Die Theilnahme an diesen Reformbestrebungen wurde immer lebhafter, die Gemeinden von Arad, Kanisza u. A. schlossen sich der Muttergemeinde in Pesth an, an welcher Horn in deutscher und ungarischer Sprache predigte und mit allen Gaben seines Geistes das Reformwerk förderte. Aber nur bis zum Jahre 1852 erhielt sich die neue Gemeinde. Horn, welcher in der Bewegungsperiode der Jahre 1848 und 1849 durch öffentliche Reden und publicistische Artikel eine große Thätigkeit entfaltet hatte, floh, als die Kaiserlichen in Pesth einrückten, nach Comorn, wo ihn Klapka zum jüdischen Feldpater mit Hauptmannsrang und Gage ernannte. Bei der Capitulation von Comorn am 5. October 1849 war er als Officier mit inbegriffen. Horn begab sich sofort nach Vágujheli zu seinen Eltern. Dort erhielt er bald Nachrichten, daß seine Freiheit gefährdet sei und verließ heimlich das Elternhaus, begab sich nach Prag und arbeitete dort versteckt für die Journale „Wanderer“ und „Pesther Lloyd“. Als er sich auch in Prag nicht mehr sicher wähnte, verließ er es und nach wochenlangem Umherirren gelang es ihm erst, die Grenze zu überschreiten; im März 1850 betrat er sich sächsischen Boden. Auf dieser Flucht entstand die Schrift: „Arthur Görgey, Obercommandant der ungarischen Armee. Ein Beitrag zur Geschichte der ungarischen Revolution. Von I. E. Horn, ungarischem Feldpater“ (Leipzig 1850, Herbig), welche so guten Erfolg hatte, daß der Verleger neue Arbeit bestellte. Es folgte nun H.’s Schrift: „Zur ungarisch-österreichischen Centralisationsfrage“ (ebd. 1850). Auch kam H. durch diese Schriften in Verbindung mit der Redaction der bei Brockhaus erscheinenden Sammelschrift „Die Gegenwart“, für welche Horn die Artikel: „Ungarn vor der Märzrevolution“, „Die ungarische Revolution 1848“, „Die Häupter der ungarischen Revolution“, wie auch für die 10. Auflage des Brockhaus’schen „Conversations-Lexikons“ alle Ungarn betreffenden Artikel von dem Buchstaben C an schrieb; die Buchstaben A und B hatte K. M. Benkert, viel bekannter unter dem Pseudonym Kertbény [Bd. I, S. 275], bearbeitet. Während seines Aufenthaltes in Leipzig betrieb H. philosophische und national-ökonomische Studien, welch’ letztere für ihn auch bestimmend wurden; er hörte sie unter D. W. Roscher. Unter dieser ernsten Beschäftigung entstand seine Schrift: „Spinoza’s Staatslehre, zum erstenmale dargestellt“ (Dessau 1852, Gebr. Katz), später von Horn selbst umgearbeitet und in französischer Sprache in Van Bernel’s „Revue trimestrielle“ (Brüssel, 1855) unter dem Titel: „La vie d’un penseur“ herausgegeben. Unter einem schrieb H. für die „Grenzboten“ und gab eine Bearbeitung der Statistik Ungarns von A. Fenyes unter dem Titel: „Ungarn im Vormärz“ (Leipzig 1851, F. Herbig) heraus. Sein bis dahin ungefährdeter Aufenthalt in Leipzig wurde jedoch mit einem Male bedroht, nachdem er den ersten Band seines Werkes: „Ludwig Kossuth, I. der Agitator, II. der Minister“ (Leipzig 1851, O. Wigand), herausgegeben hatte. Dieser wurde confiscirt; der Verleger selbst, mit dem Verluste seiner Freiheit bedroht, mußte einen [290] bedeutenden Strafbetrag als Lösegeld entrichten und dem Verfasser wurde die Auslieferung nach Oesterreich angedroht, so daß dieser sich entschloß, Leipzig und alsbald Deutschland überhaupt zu verlassen. Im December 1851 kam H. in Brüssel an, wo der Kampf um die Existenz von vorne begann. Das obgenannte Werk aber über Kossuth erschien später in englischer Sprache unter dem Titel: „Hungary and its Revolutions; with a Memoir of Louis Kossuth by E. O. S.“ (London 1854, H. G. Kohn). Nachdem sich H. längere Zeit in Brüssel aufgehalten und mit den belgischen Zuständen bekannt gemacht hatte, knüpfte er wieder Verbindungen mit deutschen Blättern an und schrieb für das „Bremer Handelsblatt“ und für die „Blätter für literarische Unterhaltung“. Die statistischen Arbeiten in Belgien, daselbst mit seltener Musterhaftigkeit ausgeführt, erweckten auch Horn’s Aufmerksamkeit und er wurde Statistiker. In dieser Zeit erschienen von ihm die Werke: „Statistisches Gemälde des Königreiches Belgien“ (Dessau 1853, Katz, gr. 4°.) – und die „Bevölkerungswissenschaftlichen Studien aus Belgien“ (Leipzig 1854, F. A. Brockhaus), welche zwei Arbeiten von Fachmännern ihrer Tüchtigkeit wegen anerkannt wurden. Neben dieser wissenschaftlichen Thätigkeit setzte H. seine Agitationen gegen Oesterreich fort, theils in Journalen in zahlreichen Ungarn betreffenden Artikeln, theils in selbstständigen Schriften. So erschien in dieser Zeit das Werk: „Franz Rákóczy II., ein historisches Charakterbild“ (Leipzig 1854, O. Wigand), wozu ihn der zu Brüssel in Verbannung lebende Baron Nikolaus Jósika angeregt und ihm zu diesem Zwecke die damals nur handschriftlichen, jetzt von der kön. ungarischen Akademie der Wissenschaften veröffentlichten Memoiren des Michael Cserey mitgetheilt hatte. Während seines Aufenthaltes in Belgien hatte sich H. die französische Sprache vollkommen eigen gemacht und sollte eben für Victor Cappelmans, der die Redaction des neu gegründeten „Nord“ übernommen hatte, die Redaction der „Independance belge“ antreten, als ihm Anträge deutscher Journale, für sie als Correspondent zur Weltausstellung nach Paris zu gehen, um so willkommener waren, da er schon längst sich sehnte, Paris kennen zu lernen. In Paris wurde er mit Michael Chevalier bekannt, der damals einer der Hauptredacteure am „Journal des Débats“ war, und Horn wurde bei den „Débats“ angestellt. Er übersiedelte nun von Brüssel nach Paris und gab noch, bevor er Brüssel verließ, das Werkchen: „Brüssel nach seiner Vergangenheit und Gegenwart“ (Leipzig 1855, Brockhaus, kl. 8°.) heraus, welches auch einen Bestandtheil der Brockhaus’schen Reisebibliothek bildet. In Paris arbeitete H. vorerst bei den „Debáts“, seit 1857 bei „La Presse“, kehrte aber, als dieses Blatt von Millaud, der es von Girardin gekauft, in andere Hände überging, zu den „Débats“, 1858, zurück und ist noch zur Zeit bei demselben thätig und bei der national-ökonomischen Redaction desselben eingetheilt. Zugleich aber schreibt H. auch für andere Zeitschriften und zwar für die „Revue contemporaine“, alle 14 Tage die politische Rundschau für den „Courier des Dimanche“, ist Mitredacteur des „Journal des Economistes“ und auch an auswärtigen Blättern wirkt H. mit; so ist er stehender Correspondent der „Kölnischen Zeitung“, des „Bremer Handelsblattes“, von Molinary’s „Economiste belge“, für den „Compaß“, den ungarischen „Magyarorszag“ und für die in Moskau 1858 [291] begründete Monatschrift „Viestnik pronnichlenosti“. Neben dieser umfassenden publicistischen Thätigkeit, welche sich jedoch in Journalen zersplittert, war H. bisher während seines Aufenthaltes in Paris theils wissenschaftlich thätig, theils setzt er seine gewohnten rücksichts- und gewissenlosen Agitationen gegen Oesterreich in einzelnen Libellen fort, die er von Zeit zu Zeit auf den Markt wirft. Seine volkswirthschaftlichen, bisher im Drucke erschienenen Arbeiten sind: „Das Creditwesen in Frankreich“ (Leipzig 1857, Hübner); – „Jean Law. Finanzgeschichtliche Studien“ (ebd. 1858), wenn der Herausgeber nicht irrt, vorher in der „Kölnischen Zeitung“ in einzelnen größeren Artikeln mitgetheilt; – „Le traité de commerce franco-allemand“ (Paris 1861, Guillaumin); – (seit 1859 hat er auch das „Annuaire international du credit public“ (ebd., Guillaumin) begründet, wovon bisher 3 Jahrgänge, 1859, 1860 und 1861, erschienen sind. Seine Agitationen gegen Oesterreich bestehen aber bisher in folgenden sechs Libellen: „La Hongrie et l’Autriche de 1848 et 1859“ (ebd. 1860, Dentu); – „La Hongrie et la crise europiéene“ (ebd.); – „Liberté et nationalité“ (ebd.); – „La Hongrie en face de l’Autriche“ (ebd.); – „Les finances de l’Autriche“ (ebd.); – „Procès de banknotes hongroises“ (ebd.). Man will diesen Arbeiten einen officiösen Charakter beilegen, weil alle dergleichen Schriften aus Dentu’s Verlag hervorgehen und eben dieser Verlag sich des Rufes erfreut, den bonapartistischen Intriguen seine Lettern zu leihen. In der That machen diese Libelle ihren Einfluß in weiteren Kreisen, als man glauben sollte, geltend und es wäre ganz in der Ordnung, die dann enthaltenen Irrthümer, falschen Behauptungen durch eine Feder zu widerlegen, die sich mit jener Horn’s mindestens messen kann. So aber unterläßt man es, den Pamphletisten mit seinen eigenen Waffen zu schlagen, wodurch die von ihm beigebrachten Wunden gerade nicht besser werden. Horn’s national-ökonomische Tüchtigkeit ist mehrseitig anerkannt worden und die „Société d’Economie“, die von M. Chevalier 1860 gegründete „Société de Statistique“, haben H. zum Mitgliede, ja die unter Lord Russel’s Präsidium stehende „Society of Statistic“ in London ihn „In consideration of the eniments services rendered to statistical sciences“ zum Ehrenmitgliede ernannt. – Sein Bruder Anton (geb. 1835), der den Namen der Familie, Einhorn, beibehalten hat, trat, 15 Jahre alt, 1849 mit anderen Studenten in die ungarische Revolutionsarmee. Bei Vilagos gefangen genommen, wurde er aus Strafe für den österreichischen Kriegsdienst assentirt, in welchem er bis 1857 zu bleiben gezwungen war. 1857 kam er mittel- und berufslos zu seinem Bruder nach Paris, bei dem er durch zwei Jahre journalistisch thätig war. Zur Zeit ist Anton Einhorn zweiter Redacteur des officiellen „Journal de St. Petersbourg“in Rußlands Hauptstadt. So sind zwei Brüder bei zwei wichtigen Journalen im Osten und im Westen gegen Oesterreich thätig, und mögen eben ihre Agitationen Manches zur Folge haben, dessen Ursache überall, nur nicht dort gesucht wird, wo sie steckt.

(Kertbény) Ungarns Männer der Zeit. Biographien und Karakteristiken hervorragendster Persönlichkeiten (Prag 1862, A. G. Steinhauser, kl. 8°.) 1. Heft, S. 74–90.