BLKÖ:Hunczovsky, Johann

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 9 (1863), ab Seite: 428. (Quelle)
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Hunczovsky, Johann (Arzt, geb. zu Čech in Mähren 15. Mai 1752, gest. zu Wien 4. April 1798). Der Sohn eines Barbiers, der den ersten Unterricht in seinem Geburtsorte von einem ihm verwandten Geistlichen erhielt; in Olmütz studirte er die Philosophie und kam, 19 Jahre alt, 1771, arm an Geld und ohne Aussichten, nach Wien, um die Chirurgie zu studiren. Die Fürstin Taroucca und die Gräfin Burghausen nahmen sich des vielversprechenden Jünglings an und sorgten für sein Fortkommen. Erstere schickte ihn auf Brambilla’s [Bd. II, S. 108] Rath nach Mailand, wo er sich unter Moscati in der Chirurgie weiter ausbilden sollte. Aber der schon zwei Jahre später erfolgte Tod der Fürstin nöthigte ihn, nach Wien zurückzukehren, wo er anfänglich in der chirurgisch-praktischen Schule des spanischen Spitals dem Professor Steidele assistirte; und später unter gleichen Vortheilen zu Brambilla überging, der ihm in theilnehmender Weise in seinem weiteren Fortkommen behilflich war. Als Kaiser Joseph befahl, daß mehrere junge Aerzte zu ihrer wissenschaftlichen Ausbildung auf Staatskosten Reisen in’s Ausland machen sollten, fiel unter Anderen auf Brambilla’s Empfehlung die Wahl auch auf Hunczovsky. Im Jahre 1777 trat H. die Reise an, besuchte Paris, wo er zwei Jahre verweilte und sich mit Professor Louis, damaligen Secretär der königlichen Akademie der Chirurgie, dessen Vorträge er fleißig besuchte, befreundete; von Paris ging er nach London, wo er über Ein Jahr zubrachte, Lehranstalten und Spitäler besuchte und den Unterricht und Umgang von Männern, wie Alanson, Brownefield, Clare, Cruikshank, Else, John Hunter, Pott, Ware u. A. genoß. In Plymouth und Portsmouth besichtigte er die zwei großartigen Matrosenspitäler, an letzterem Orte die Erfahrungen des berühmten Dr. Lind benutzend. Auch fällt in seinen Londoner Aufenthalt eine merkwürdige Episode seines Lebens, die seinen Namen in ehrenvoller Weise in der Londoner medicinischen Welt bekannt machte [siehe die Quellen]. Auf seiner Rückreise über Frankreich besuchte er noch die berühmtesten Seehäfen des Landes, u. z. zu Rouen, Brest, La Rochelle, Rochefort, Bordeaux, Toulouse, Montpellier, Marseille und Toulon, und studirte fleißig die Einrichtungen der in denselben befindlichen Hospitäler. Ende 1780 reiste er über Turin und Mailand nach Wien zurück. Ein Jahr später befahl Kaiser Joseph die Einrichtung einer medicinisch-chirurgischen Schule im Militärspitale zu Gumpendorf, an welcher Hunczovsky als ordentlicher Professor angestellt wurde. Er lehrte daselbst anfänglich Zergliederungskunde in Verbindung mit Physiologie, allgemeine Pathologie und Therapie, die Operationslehre, übernahm einen großen Krankensaal im Militärspitale und trug auch die chirurgische Klinik vor. Als im Jahre 1784 die Anstalt erweitert und an ihr drei Professoren bestellt wurden, übernahm H. bloß den Unterricht in den Operationen der Geburtshilfe, der gerichtlichen Semiotik und Medicinalpolizei. Im Jahre 1791 unternahm er im Gefolge des Kaisers Leopold II. eine gelehrte Reise durch ganz Italien, und lernte auf derselben [429] die berühmtesten Aerzte und Heilanstalten der Halbinsel kennen. Nach seiner Rückkehr ernannte ihn der Kaiser zum k. k. Leibchirurgus. Nun blieb er in Wien als Arzt und Lehrer thätig. Als Fachschriftsteller veröffentlichte H. mehrere Werke und trat zuerst mit einer Uebersetzung: „Erläuterung der chirurgischen Lehrsätze des Hippokrates aus dem Italienischen des Bernhard Genga“ (Wien 1777, Gräffer, 8°.), vor das gelehrte Publikum; nun folgten: „Medicinisch-chirurgische Beobachtungen über die neuere Geschichte der Chirurgie in den k. k. Staaten“ (Wien 1783, ebd., 8°.); – „Medicinisch-chirurgische Beobachtungen auf den Reisen durch England und Frankreich“ (Wien 1783, ebd., 8°.); – „Anweisungen zu chirurgischen Operationen“ (Wien 1785, vierte Auflage 1808, gr. 8°.); – „Ueber die Pflichten eines Wundarztes. Aus dem Englischen des Alexander Hamilton übersetzt“ (Wien 1790, Schaumburg, gr. 8°.) und mit seinem Freunde Johann A. Schmidt begann er die Herausgabe der „Bibliothek der neuesten medicinisch-chirurgischen Literatur“ (Wien 1791–1793, Blumauer, gr. 8°.), welche mit des 4. Bandes 1. Stück zu erscheinen aufhörte. Auch war er fleißiger Mitarbeiter an der Jenaischen Literatur- und Wiener Real-Zeitung, verließ aber später ganz das schriftstellerische Gebiet. In Handschrift sind seine „Erfahrungen in der Chirurgie“ und „Beobachtungen über die Spitäler Italiens“ verblieben. Als Operateur war er ausgezeichnet und im Ganzen glücklich, aber ein paar Operationen, ungeachtet welcher die Operirten nicht zu retten waren, hatten ihn ängstlich gemacht und er wich später in zweifelhaften Fällen allen über Leben und Tod entscheidenden großen Operationen aus. Seine Charakteristik als Mensch liefert in geistvoller Weise sein Freund und Fachcollege Schmidt in der dem Andenken Hunczovsky’s gewidmeten Rede. Der Tod ereilte ihn im schönsten Mannesalter von 46 Jahren, u. z. starb er in seinem Berufe an den Folgen einer Fingerverletzung, die er sich bei einer chirurgischen Operation zugezogen hatte. In seinem Nachlasse befanden sich kostbare Sammlungen von selbst verfertigten Präparaten, von Büchern, Mineralien, und da er ein großer Freund der Kunst war, von Gemälden und Kupferstichen.

Schmidt (Joh. Adam), Rede zum Andenken des k. k. Raths und Professors Hunczovsky (Wien, 1798). – Schlichtegroll (Friedrich), Nekrolog auf das Jahr 1798 (Gotha 1803, Justus Perthes, kl. 8°.) Neunter Jahrgang, 2. Bd. S. 299, – Oesterreichische National-Encyklopädie herausg. von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. II, S. 666. – Hecker (J. F. C. Dr.), Geschichte der neueren Heilkunde (Berlin 1839, Enslin, 8°.) S. 549. – E. M. Oettinger in seiner „Bibliographie biographique“ (Bruxelles 1854, Stiènon, Lex. 8°.), S. 791, gibt den 25. Mai 1752 als H.’s Geburtstag an. – Oesterreichische Biedermanns-Chronik. Ein Gegenstück zum Fantasien- und Prediger-Almanach (Freiheitsburg [Akademie in Linz] 1785, 8°.) S. 104. – Salzburger medicinisch-chirurgische Zeitung, redigirt von Hartenkeil, 1798, Juni. – Ersch und Gruber, Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste, II. Section. 12. Theil, S. 46. – Meusel (Johann Georg), Lexikon der vom Jahre 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller (Leipzig 1806, Gerh. Fleischer, 8°.) Bd. VI, S. 179. – Allgemeiner[WS 1] literarischer Anzeiger 1800, S. 1990. – Porträt. H. Füger p., F. Wrenk sc. 1792 (Schwarzk., Fol.). – Aus Hunczovsky’s Leben. Während seines Aufenthaltes in London wohnte H. einer öffentlichen Criminalverhandlung bei. Ein 17jähriges Mädchen wurde des vorsätzlichen Kindesmordes beschuldigt, es war ihr nämlich im siebenten Monate ihrer Schwangerschaft während einer Diarrhöe die Frucht entgangen; diese wurde dann vor ihr selbst todt aus dem Nachtstuhle hervorgezogen und versteckt. Einer der Geschwornen, den sich das Mädchen, die des Todesurtheils schon gewärtig war, zu [430] ihrem Sprecher gewählt, wendete sich an das anwesende zahlreich versammelte Publikum mit der Frage: „Ob nicht etwa ein anwesender Arzt Wissenschaft und Erfahrung genug habe, gründlich zu beweisen, daß eine Frau in einer Nacht und auf eben die Art wie die gegenwärtige Delinquentin, gebären könne, ohne daß sie zuvor sichere Zeichen der nahe bevorstehenden Geburt gehabt habe“. Mehrere britische Aerzte sprachen zu Vertheidigung der Unglücklichen, dann ein alter italienischer Arzt, der seit 30 Jahren in London lebte; aber keiner von Allen genug überzeugend. Hunczovsky, durchdrungen von Mitleid und ergriffen von Schauer, das Mädchen könnte ein Opfer der Justiz werden, da die Wissenschaft nicht genügend vertreten war, drängte sich hastig durch den Zuschauerraum vor die Stühle der Richter und nahm das Wort. Er führte dasselbe in so geistvoller, beredter und überzeugender Weise, daß das Gericht den edlen Vertheidiger der Unschuld fragte, wer er sei? Er nannte sich und setzte hinzu, daß er auf Kosten Kaiser Joseph’s II. reise. Nach einer stillgepflogenen Unterredung stellte der älteste des Gerichtes die Frage, ob Hunczovsky im Stande sei, alles, was er eben zur Entschuldigung der Angeklagten vorgebracht habe, auch durch einen Eidschwur zu bekräftigen. Als H. ein entschlossenes Ja hören ließ, wurde der Proceß auf der Stelle kurz reassumirt und das dem Henkertode so nahe Geschöpf sogleich auf freien Fuß gesetzt. Britische Blätter verkündeten diese schöne That des edlen Fremdlings durch ganz Großbritannien. Sein Vaterland erfuhr sie damals nicht.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Allgegemeiner