BLKÖ:Nigelli, Gottlieb

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
<<<Vorheriger
Nievo, Ippolito
Nächster>>>
Nigg, Joseph
Band: 20 (1869), ab Seite: 351. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
Gottlieb Nigelli in der Wikipedia
Gottlieb Nigelli in Wikidata
GND-Eintrag: 1117944050, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Nigelli, Gottlieb|20|351|}}

Nigelli, Gottlieb (Architekt, geb. zu Wien um das Jahr 1750, gest. ebenda, Todesjahr unbekannt). Die Anfangsgründe der Baukunst erlernte er bei Vallery und Fischer von Erlach, dann ging er nach Paris und wurde da ein Schüler des Architekten Chalegrin. Nach seiner Rückkehr aus Paris besuchte er in Wien die Akademie der bildenden Künste und ging dann im J. 1776 als k. k. Pensionär nach Rom, von wo er nach mehrjährigen Studien wieder nach Wien zurückkehrte und, durch mächtige Gönner gehoben, die Stelle eines Hofbauamts-Ingenieurs erlangte, ohne daß er früher [352] in die Lage gekommen, durch hervorragende Bauten sein Talent zu bethätigen. Seiner Kunstrichtung nach war N. ein Anhänger Vignola’s, streng sich an dessen antikisirenden Formcanon haltend. Sein und seines Nebenbuhlers, Ferdinand von Hohenberg, Name traten durch zwei gleichzeitige Bauten in den Vordergrund, welche einerseits zwei verschiedene Richtungen vertraten, andererseits Gegenstand öffentlicher Besprechung waren, die eben wieder das wahre Talent herabsetzte und die Mittelmäßigkeit mit der großen Glocke ausläutete. Nigelli führte den Bau des evangelischen Bethauses h. C. in der Dorotheergasse, Hohenberg jenen des Fries’schen Palais auf dem Josephplatze. Der Bau beider wurde im Jahre 1784 vollendet und nahm nun die öffentliche Aufmerksamkeit, die in mehreren periodischen Schriften, wie in der „Brieftasche“, in den „Provinzial-Nachrichten“, dann in Reisebriefen und Schilderungen über Wien auf beide Bauwerke gerichtet wurde, in Anspruch. Eine Partei stand zu Nigelli und konnte nicht genug sein Geschick bewundern: unter so ungünstigen Verhältnissen eine Kirche in Verbindung mit einem Wohnhause gebaut zu haben. Besonders ein Freund des Hofbauamt-Ingenieurs stimmte, während er den Fries’schen Palast Hohenberg’s nach allen Seiten herabsetzte, einen wahren Hymnus auf Nigelli’s Werk an. In demselben sei, wie dieser Parteigänger schrieb, in staunenswerther Weise das Nothwendige mit dem Angenehmen, nämlich das Wohnhaus mit dem Bethause, verbunden; dabei pries er besonders die Idee des Baumeisters, den eigentlichen Zweck des Baues erreicht zu haben, ohne dem Auge mehr als ein simple Wohnung vorzustellen. Das mag besonders für jene Widersacher der Toleranz in den damaligen Tagen des aufgeklärten, aber von Vielen perhorrescirten Josephinismus ein erfreuliches Zugeständniß gewesen sein, denen die Errichtung eines protestantischen Bethauses mitten in einer katholischen Residenz von vornherein ein Gräuel war und die nun in dieser Erfindung des Baumeisters dessen löbliche Absicht erkannten, ihnen durch Verdeckung des ketzerischen Baues mitten in der Stadt ein beständiges Aergerniß zu ersparen. Dann rühmt N.’s Lobhudler den auserlesenen Geschmack, der sich in der inneren Ausführung, in der merkwürdigen Form der zwei Halbkuppeln, in den schöngerieften Säulen, in der Pracht der Kanzel u. s. w. kundgibt. Allen diesen Wundern der Kunst entgegengehalten. findet der Fries’sche Palast keine Gnade. Auch die öffentliche Meinung über beide Bauten war in zwei Lager getheilt, die einen standen zu Nigelli, die wahren Kenner zu Hohenberg. Die alles läuternde Zeit hat nun auch in Sachen des Geschmackes ihren Ausspruch gethan, und während sie über das bedeutungslose evangelische Bethaus mit seiner hochgepriesenen und vor Allem regelwidrigen Doppelbestimmung, in dem sich ohne höhere künstlerische Inspiration nichts als ein gewisses technisches, in der Schule erlerntes Geschick kundgibt, einfach zur Tagesordnung übergegangen, hat sie die edle würdevolle Auffassung, die sich im Fries’schen Palais ausspricht und welche selbst durch die späteren, nichts weniger als immer glücklichen Restaurationen nicht verwischt werden konnte, stets anerkannt und räumt seinen weniger durch Originalität als durch die Traditionen, aus denen sie hervorgegangen sind, bemerkenswerthen [353] Formen noch heute die Giltigkeit für den Wiener Palastbau ein. Es weht daraus, wie ein neuerer Fachmann bemerkt, der warme südliche Hauch italienischer Renaissance aus dem Cinquecento, die eigenartige, nur für eine sociale Bestimmung gedachte Architectur. Die Vergleichung dieser beiden Richtungen in Bausachen in den letzten zwei Jahrzehenden des achtzehnten Jahrhunderts veranlaßt aber auch den ebengedachten Fachmann im Hinblicke auf die großartige Bauthätigkeit, welche zur Zeit in Wien herrscht, zu der Glosse: „Die Nigelli’s sterben niemals aus. Es gelingt ihnen in der Regel, zu einem bauamtlichen Einfluß zu gelangen, mögen die Spuren ihres Talentes in der bescheidenen Sphäre eines Ingenieurs oder eines Commissions-Mitgliedes zurückbleiben. Sie blicken auch stets mit großer Verachtung auf die Hohenberg herab und begreifen selten, daß auch das bedeutendste Talent zuweilen in Irrthümer verfallen, aber niemals ein mißrathenes Werk liefern wird.“ Welches andere bedeutendere Werk, als das evangelische Bethaus in der Periode seiner hofbauamtlichen Thätigkeit Nigelli noch geliefert, ist nicht bekannt, Hohenberg’s Name hat sich aber noch in manch anderem Baue in würdiger Weise erhalten. So sind unter anderen seine Werke: die Gloriette, die römische Ruine und der Obelisk in Schönbrunn, auch entwarf er den Plan zur Anlage des Parkes, das Portal bei der St. Michaelskirche und baute außer dem Fries’schen Palaste noch mehrere andere Paläste in Wien. Hohenberg war zuletzt an der k. k. Akademie der bildenden Künste Director der Architectur-Abtheilung, an deren Reform er auch wesentlichen Antheil genommen hatte. Die Namen Nigelli und Hohenberg bilden aber ein nicht unwichtiges Moment in der Baugeschichte Wiens und ein um so bezeichnenderes, als sich dasselbe mutatis mutandis in Personen und Zeit auch in der Gegenwart wiederholen mag.

(De Luca) Das gelehrte Oesterreich. Ein Versuch(Wien 1778, v. Trattnern, 8°.) I. Bandes 2. Stück, S. 334. – Neue freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1866, Nr. 790: „Beitrag zur Geschichte des Wiener Kunstlebens. Nigelly und Hohenberg“.