BLKÖ:Reuß, August Emanuel
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Reuß, Franz Ambros | ||
Band: 25 (1873), ab Seite: 350. (Quelle) | |||
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[BN 1] Sein Vater war der bekannte Mineralog und Geognost Franz Ambros Reuß [siehe dessen besondere Biographie]. Den ersten Unterricht erhielt er von demselben, erst in der vierten Grammatikalclasse trat er in die öffentlichen Studien in Prag über, und vollendete daselbst die Gymnasial-, philosophischen und medicinischen Studien. Während des fünften medicinischen Jahrganges fungirte er als Secundararzt am Cholerahospitale des Prof. Dr. Krombholz und wurde sodann in Folge Mangels an Aerzten in seine Vaterstadt Bilin [351] gesendet, um dort während der herrschenden heftigen Cholera-Epidemie die Behandlung der vielen Kranken zu übernehmen. Nach Ablauf der Epidemie wurde R. zum Assistenten der ophtalmologischen Klinik in Prag ernannt. Während dieser Function erlangte er im October die medicinische Doctorwürde. Im Jahre 1834 sah er sich durch seine mißlichen Gesundheitsverhältnisse genöthiget, den Aufenthalt in der Stadt mit jenem auf dem Lande zu vertauschen und die Stelle eines Brunnen-, Herrschafts- und Stadtarztes in Bilin zu übernehmen, welche er durch 15 Jahre unter Ausübung einer ausgebreiteten ärztlichen Praxis versah. Bei den dadurch herbeigeführten täglichen Excursionen in die nähere und fernere Umgebung wurde er während dieses Zeitraumes zuerst auf die höchst mannigfaltigen und interessanten geognostischen Verhältnisse seines Bezirkes aufmerksam und in ihm die wohl schon von seinem Vater ererbte Lust zur Mineralogie, Geologie und Paläontologie geweckt, so daß er seine freie Zeit den Studien dieser Wissenschaften widmete. Das Studium der Mineralogie, über welche er schon in Prag Vorlesungen bei Professor Zippe gehört hatte, wurde ihm durch die gestattete freie Benützung der in Bilin befindlichen prachtvollen fürstlich Lobkowitz’schen Sammlung ermöglicht. Dem Studium der Geologie und Paläontologie stellten sich aber bei der Abgeschlossenheit in einer kleinen Landstadt, bei dem Mangel aller Anleitung und jedes Hilfsmittels, große Schwierigkeiten entgegen, welche er jedoch durch Ausdauer und nach Benützung der reichen Sammlungen des böhmischen Museums, des k. k. Hof-Mineralien-Cabinets und später auch der k. k. geologischen Reichsanstalt überwand. Zuerst beschränkte er die Untersuchungen auf die nächste Umgebung von Bilin und Teplitz, und machte die Ergebnisse derselben zum ersten Male im Jahre 1837 bei der Naturforscher-Versammlung in Prag bekannt. Die ermunternde Aufnahme, welche diese Mittheilungen fanden, ermuthigte ihn, die Untersuchungen weiter auf das gesammte böhmische Mittelgebirge auszudehnen. Ihre Ergebnisse wurden zuerst 1840 in dem ersten Bande der geognostischen Skizze aus Böhmen veröffentlicht, welchem 1844 der zweite Band folgte. Die vorzüglichste Aufmerksamkeit wendete nun R. durch sechs Jahre den Versteinerungen der bisher völlig unbekannten böhmischen Kreideformationen zu, so daß 1845/46 bei Schweizerbart in Stuttgart eine umfangreiche Monographie derselben mit 51 Quarttafeln mit Abbildungen erscheinen konnte. Später durchforschte er Böhmen in weiterem Umfange und unternahm eine geologische Reise in die Alpen Steiermarks, Tirols und der Lombardie. Im weiteren[WS 1] Verlaufe veröffentlichte er Arbeiten über die Polyparien und Ostracoden des Wiener Beckens, die zum ersten Male genauer untersucht wurden, sowie über die mikroscopischen Foraminiferen dieser Schichten. Von da an behielt R. diese schwierige, von Zoologen und Paläontologen auf gleiche Weise vernachlässigte Thierclasse fest im Auge, stellte im Laufe der Zeit vielfache Untersuchungen darüber an, veröffentlichte zahlreiche Schriften darüber und hat auf diese Weise zur genaueren Kenntniß dieser winzigen Thiere wesentlich beigetragen. Die durch die immer weitere Ausdehnung der Forschungen und durch die erlangten Erfolge mehr und mehr gesteigerte Liebe zur Wissenschaft bewog Reuß, die ärztliche Praxis aufzugeben, und um sich ganz der Wissenschaft [352] widmen zu können, folgte er dem an ihn im Jahre 1849 ergangenen Rufe als ordentlicher Professor der Mineralogie an der Prager Universität. R. bekleidete diese mit Ernennung vom 16. November 1849 ihm verliehene Stelle durch vierzehn Jahre. Während dieser Zeit hielt er neben seinen mineralogischen Vorlesungen zum ersten Male an der Prager Universität Vorträge über Geognosie ab und half dem Mangel einer entsprechenden Mineraliensammlung an der Universität durch die Gründung einer umfangreichen, sorgfältig ausgewählten Sammlung ab; in den Mußestunden aber setzte er seine wissenschaftlichen Arbeiten fort. Aus den zahlreichen, in diese Periode fallenden Publicationen sind insbesondere zu erwähnen: die umfangreiche Monographie der Kreideschichten der Gosau mit 31 Quarttafeln Abbildungen, die Beiträge zur Kenntniß der fossilen Krabben mit 24 Quarttafeln Abbildungen, der Versuch eines Systems der Foraminiferen, und die Darstellung der Entwicklungsgeschichte der Přibramer Gangmineralien in zwei Abhandlungen. Ueberdieß hielt Reuß auch am Prager Polytechnicum stark besuchte Vorlesungen, im Wintersemester über Geognosie, im Sommersemester über Paläontologie, die ersteren durch neun Jahre unentgeltlich. Mit Allerh. Entschließung vom 24. August 1863 nach dem Tode des Regierungsrathes Prof. Zippe wurde Reuß an dessen Stelle als ordentlicher Professor der Mineralogie an die Universität in Wien berufen. Daselbst war er zunächst bedacht, das sehr lückenhafte mineralogische Museum auf einen dem Stande der Wissenschaft entsprechenden Grad der Vollständigkeit zu heben, auch hat er zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten in den Schriften der Akademie veröffentlicht, unter denen die Monographie des Steinfalzlagers von Wieliczka besonders zu erwähnen ist. Gleich nach seiner Berufung nach Wien wurde Reuß zum Mitgliede des k. k. Unterrichtsrathes ernannt, in welcher Stellung er an den zahlreichen Arbeiten der Gymnasialsection sich betheiligte. Diese ersprießliche und umfassende Wirksamkeit fand auch mannigfache Anerkennung und Würdigung. Schon während seines Aufenthaltes in Prag hatte R. bei Gelegenheit der Jubelfeier der Breslauer Universität von dieser Hochschule das Ehrendoctorat der Philosophie erhalten. Ebenso wurde er bei dem Jubiläum der Wiener Universität honoris gratia, unter die Zahl der Mitglieder des Wiener philosophischen Doctoren-Collegiums aufgenommen. In Prag wurde er zweimal zum Decan des philosophischen Professoren-Collegiums gewählt und einmal versah er die Würde des Rectors der Prager Universität. Mehrere gelehrte Gesellschaften des In- und Auslandes nahmen ihn unter ihre Mitglieder auf, und gleich nach der im Jahre 1847 erfolgten Gründung der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften am 5. Februar 1848 wurde R. zum wirklichen Mitgliede derselben ernannt und in Würdigung seiner Verdienste um Lehramt und Wissenschaft im Jahre 1854 von Sr. Majestät mit dem Ritterkreuze des Franz Joseph-Ordens und später mit dem Orden der eisernen Krone 3. Classe ausgezeichnet.
Reuß, August Emanuel (Naturforscher, geb. zu Bilin in Böhmen 8. Juli 1811).- I. Uebersicht der von August Emanuel Reuß erschienenen Werke und Abhandlungen. – a) Selbstständig herausgegebene: „Die Umgebungen von Teplitz und Bilin in Beziehung auf ihre geognostischen Verhältnisse“ (Prag 1840, 8°.) [auch unter dem Titel: „Geognostische Skizzen aus Böhmen“, I. Theil]. – „Die Kreidegebilde des westlichen Böhmens“ (Prag 1844, 8°.) [auch unt. d. Tit.: „Geognostische Skizzen aus Böhmen“, II. Theil]. [353] – „Die Thermen von Teplitz“ (2. Auflage, Prag 1844, 8°.). – „Die Versteinerungen der böhmischen Kreideformation“ (Stuttgart, I. Abthlg. 1845, II. Abthlg. 1846, 4°.). – „Kurze Uebersicht der geognostischen Verhältnisse Böhmens“ (Prag 1854, 8°.), – „Geognostische Skizze der Umgebungen von Karlsbad, Marienbad und Franzensbad“ (Prag 1863, Lex. 8°.).
- b) In Sammelwerken und wissenschaftlichen Zeitschriften gedruckte, und zwar: in den Naturwissenschaftlichen Abhandlungen, gesammelt und herausgegeben von W. Haidinger (Wien, 4° ), 1847: „Die fossilen Polyparien des Wiener Tertiärbeckens“; – 1849: „Die fossilen Entomostraceen des österreichischen Tertiärbeckens“; – 1850: „Die Foraminiferen und Entomostraceen des Kreidemergels von Lemberg“. – In den Denkschriften der k. k. Akademie der Wissenschaften in Wien (Wien, 4°.) 1849: „Neue Foraminiferen aus den Schichten des österreichischen Tertiärbeckens“; – 1853: „Ueber CIytia Leachi Rss., einen langschwänzigen Dekapoden der Kreideformation“, – 1854: „Beiträge zur Charakteristik der Kreideschichten in den Ostalpen, besonders im Gosauthale und am Wolfgangsee“; – 1855: „Ueber zwei Polyparien der Raststädter Schichten“; – „Paläontologische Miscellen“; – 1857: „Neue Fischreste aus dem böhmischen Pläner“; – „Die Bryozoen, Anthozoen, Spongiarien des braunen Jura von Balin bei Krakau“; – 1859: „Zur Kenntniß fossiler Krabben“; – 1864: „Die fossilen Foraminiferen, Anthozoen und Bryozoen von Oberburg in Steiermark“; – 1866: „Die Foraminiferen, Anthozoen und Bryozoen des deutschen Septarienthons. Ein Beitrag zur Fauna der mitteloligozänen Tertiärschichten“. – In den Sitzungsberichten der k. k. Akademie der Wissenschaften (Wien, 8°.) 1849: „Ueber die fossilen Thierreste im Salzstock von Wieliczka“; – „Ueber neue Foraminiferen aus den Tertiärschichten des österreichischen Beckens“; – 1853: „Ueber einige noch nicht beschriebene Pseudomorphosen“; – „Beiträge zur Charakteristik der Kreideschichten in den Ostalpen“; – „Kritische Bemerkungen über die von H. Zekeli beschriebenen Gasteropoden der Gosaugebilde in den Ostalpen“; – „Ueber zwei neue Rudistenspecies aus den alpinen Kreideschichten der Gosau“; – 1854: „Pyroretin, ein fossiles Harz der böhmischen Braunkohlenformation“; – 1855: „Paläontologische Miscellen“; – „Ueber Koprolithen in Rothliegenden Böhmens“; – „Beitrag zur Charakteristik der Tertiärschichten des nördlichen und mittleren Deutschlands“; – 1856: „Fragmente zur Entwickelungsgeschichte der Mineralien“; – „Vorkommen des fossilen Harzes und geognostische Verhältnisse von Brandeisl bei Schlan in Böhmen“; – 1857: „Mineralogische Notizen aus Böhmen“; – „Ueber silurische Schalsteine und das Eisenerzlager von Auval bei Prag“; – „Zur Kenntniß fossiler Krabben“; – „Ueber die geognostischen Verhältnisse des Rakonitzer Beckens in Böhmen“; – 1858: „Ueber kurzschwänzige Krebse im Jurakalke Mährens“; – 1859: „Ueber einige Anthozoen aus den Tertiärschichten des Mainzer Beckens“; – 1860: „Die marinen Tertiärschichten Böhmens und ihre Versteinerungen“; – „Die Foraminiferen der westphälischen Kreideformation“; – „Die fossilen Mollusken der tertiären Süßwasserkalke Böhmens“; – „Beitrag zur Kenntniß der tertiären Foraminiferen-Fauna“; – 1862: „Die Foraminiferen der norddeutschen Hils und Gault“; – „Die Foraminiferen-Familie der Lagenideen“; – 1863: „Ueber die Paragenese der auf den Erzgängen von Přibram einbrechenden Mineralien“; – „Beitrag zur Kenntniß der tertiären Foraminiferen-Fauna, II. Folge“; – 1864: „Ueber fossile Lepadiden“; – „Ueber einige Anthozoen der Kößner Schichten und der alpinen Trias“; – „Ueber Anthozoen und Bryozoen des Mainzer Tertiärbeckens“; – „Zur Fauna des deutschen Oberoligocäns“, 2 Abtheilungen; – 1865: „Ueber einige Anthozoen der Kößner Schichten in der alpinen Trias“; – „Zwei neue Anthozoen aus den Hallstädter Schichten“; – „Die Foraminiferen und Ostracoden der Kreide am Kanara-See bei Kustendsche“. Viele der in den Denkschriften und Sitzungsberichten enthaltenen Abhandlungen sind mit Tafeln versehen. – In den Berichten der Freunde der Naturwissenschaften, gesammelt und herausgegeben von Haidinger in Wien (Wien, 8°.), 1848: „Polyparien des Wiener Beckens“; – 1849: „Cytherinea des Wiener Beckens“; – 1850: „Entomostraceen des Wiener Beckens“; – 1851: „Entomostraceen und Foraminiferen von Lemberg“. – Im Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt in Wien (Wien, 4°.) 1850: „Bericht über geologische Untersuchungen [354] in der Umgegend von Franzensbad und Eger“; – 1851: „Geologische Untersuchungen im Gosauthale im Sommer 1851“; – 1852: „Die geognostischen Verhältnisse des Egerer Bezirkes und des Ascher Gebietes in Böhmen“; – „Ueber den Kupfergehalt des Rothliegenden der Umgegend von Böhmisch-Brod“; – 1854: „Beiträge zur geognostischen Kenntniß Mährens. I. Abtheilung“. – In den Abhandlungen der kön. böhm. Gesellschaft der Wissenschaften in Prag (Prag, 4°.) 1855: „Loliginidenreste in der Kreideformation“; – 1861: „Vorträge über neue Species von Foraminiferen“. – In Lotos, Zeitschrift für Naturwissenschaften in Prag (Prag, 8°.) 1852: „Ueber den Süßwasserquarz von Littnitz“ – und eine fortlaufende Reihe von mineralogischen Notizen. – In der Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft in Berlin (Berlin, 8°.) 1851: „Ueber die fossilen Foraminiferen und Entomostraceen der Septarienthone der Umgegend von Berlin“; – „Ein Beitrag zur Paläontologie der Tertiärschichten Oberschlesiens“; – 1855: „Ein Beitrag zur genaueren Kenntniß der Kreidegebirge Mecklenburgs“; – 1858: „Ueber die Foraminiferen von Pietzpuhl“. – Im Bulletin de l’Académie des Sciences de Bruxelles (Bruxell., 8°.) 1863: „Les foraminiféres du crag d’Anvers“. – In den Paläontographica, herausgegeben von Dunker und Meyer (Cassel, 4°.) 1854: „Ueber drei Polyparienspecies aus dem oberen Kreidemergel von Lemberg“; – „Ueber zwei neue Euomphalus-Arten der alpinen Lias“. – In Leonhard und Bronn’s Jahrbuch u. s. w. 1844: „Bemerkungen über die geognostischen Verhältnisse der südlichen Hälfte des Königgrätzer Kreises in Böhmen, mit besonderer Berücksichtigung der Kreideformation“; – „Einige Zweifel über die Altersverschiedenheit der Granite von Marienbad“; – „Geognostische Beobachtungen, gesammelt auf einer Reise durch Tirol im Jahre 1834 bis 1840“. – In den Beiträgen zur Paläontographie von Oesterreich, herausgegeben von Hauer (Olmütz und Wien, 4°.), 1858: „Ueber fossile Krebse aus den Raibler Schichten in Kärnthen“. – Im wissenschaftlichen Theile der Beschreibung der Novara-Reise (Wien, 4°.) 1866: „Ueber fossile Korallen von Java“. – In Karsten’s Archiv für Mineralogie, Geognosie, Bergbau und Hüttenkunde 1838: „Die geognostischen Verhältnisse von Teplitz und über das Vorkommen des Pyropes in Böhmen“.
- II. Biographische Quellen. Jelinek (Carl Dr.), Das ständisch-polytechnische Institut zu Prag. Programm zur fünfzigjährigen Erinnerungsfeier an die Eröffnung des Instituts, 10. November 1856 (Prag 1856, G. Haase Söhne, 8°.) S. 251. – (Frauenfeld) Bericht über die österreichische Literatur der Zoologie, Botanik und Paläontologie aus den Jahren 1850, 1851, 1852, 1853 (Wien 1855, Braumüller, 8°.) S. 204, 206, 224, 227, 233, 237 u. 241. – Poggendorff (J. C.), Biographisch-literarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exacten Wissenschaften (Leipzig 1859, Joh. Ambr. Barth, gr. 8°.) Bd. II, Sp. 615.
- III. Porträt. Facsimile des Namenszuges: Dr. Aug. Em. Reuß, Professor der Mineralogie in Prag. Ohne Angabe des Zeichners (J. Rauh’s Kunstanstalt in Wien, kl. Fol.).
Berichtigungen und Nachträge
- ↑ † Reuß, August Emanuel [Bd. XXV, S. 350], gestorben zu Wien 26. November 1873.
- Neue freie Presse 1873, Nr. 3327 vom 28. November. [Band 26, S. 400]
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: weieren.