BLKÖ:Spaur, Therese Gräfin

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Spaventi, Philipp
Band: 36 (1878), ab Seite: 114. (Quelle)
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Spaur, Therese Gräfin (geb. in Rom, Geburtsjahr unbekannt, gest. zu Innsbruck 27. März 1873). Gräfin Therese war die Gemalin des königlich bayerischen Gesandten Karl Grafen Spaur und mit demselben bei der Flucht des Papstes Pius IX. wesentlich betheiligt. Ihre letzten Lebensjahre brachte sie in Tirol zu, wo sie in der Nähe von Innsbruck ein Schlößchen gekauft, welches sie den größeren Theil des Jahres bewohnte. Sie war eine geborene Giraud, entstammte einer im vorigen Jahrhundert in Rom ansässig gewordenen, zu hohen kirchlichen Ehren, wie zu ansehnlichem aber nicht bleibendem Besitz gelangten französischen Familie, welche mit ihrem Ableben erloschen sein soll. Sie war längere Zeit Besitzerin des von Bramante für den Cardinal von Corneto erbauten Palastes in der Leostadt zu Rom. Ihr Oheim war der Lustspieldichter Giovanni Giraud, dem seine Freunde unter dem kleinen Porticus der Kirche San Eustachio ein [115] Denkmal setzen ließen. Alfred von Reumont, dem wir allein die eingehenden Nachrichten über die Gräfin und ihre Familie verdanken, bemerkt über Giovanni Giraud, daß er der Einzige war, der seit Goldoni eine wirkliche und dauernde Bedeutung für die komische Bühne Italiens erlangt hat. Gräfin Therese Giraud stand in erster Jugendblüthe, als sie Sir Eduard Dodwell, einen um griechische Topographie und Kunst verdienten Archäologen, heirathete, der sich bleibend in Rom niedergelassen hatte. Der Altersunterschied zwischen Gräfin Therese und Sir Edward überschritt selbst das liberalste Maß und da die Verschiedenheit von Charakteren und Neigungen mit demselben gleichen Schritt hielt, so wurde die Ehe sehr bald zu einem bloßen Beisammenwohnen, in einem Theile der dem Palazzo di Venezia gegenüber liegenden Hälfte des Palazzo Pamphili Doria. In den späteren Jahren des Papstes Pius VII, und in der Regierungszeit Leo’s XII. (1823–1829), war Mistreß Dodwell die gefeiertste Schönheit Roms. Da wir das Geburtsjahr der Gräfin nirgends angegeben finden, so bieten uns die vorerwähnten Umstände einigermaßen einen Anhaltspunct zur beiläufigen Bestimmung, und wir werden kaum fehl gehen, wenn wir ihre Geburt mindestens um den Beginn des laufenden Jahrhunderts ansetzen. Denn Papst Pius VII. ist am 20. August 1823 gestorben. Und damals war Gräfin Therese bereits etliche Jahre Mistreß Dodwell. In der damaligen Zeit, wo sich seit der Restauration den Engländern der lange verschlossene Continent wieder öffnete, hatte das höhere gesellschaftliche Leben in Rom seinen Höhenpunct erreicht. Namentlich waren es englische Größen, welche damals das gesellschaftliche Scepter führten, wie, um nur Namen zu nennen: die Herzogin von Devonshire (Lady Elisabeth Forster), die Gräfin Blessington u. A. Der Gemal der Gräfin Therese, Sir Edward Dodwell (geb. 1767), starb 65jährig am 14. Mai 1832, und seine Witwe heirathete im Herbst des folgenden Jahres den Grafen Karl von Spaur. Ihre erste Ehe war kinderlos geblieben; mit dem Grafen Spaur hatte sie zwei Söhne, von denen der jüngere als Kind starb. Als Gesandtengattin öffnete sich auch ihr Haus der größeren Gesellschaft. Diplomaten und ausgezeichnete Fremde fanden sich in ihrem Salon ein, in welchem ebenso das geistige wie fashionable Element vertreten war. König Ludwig brachte bei seinen öfteren Besuchen in Rom seine Abende großentheils im Salon der Gräfin Spaur zu, welche, wie ihr Biograph meldet, „durch Geist und Schönheit glänzte und Leben und Heiterkeit um sich verbreitete“. Die revolutionären Bewegungen Italiens hatten bereits seit der Erhebung Gregor XVI. zum Papst (1831–1846) begonnen, allmälig aber hatte sich mit der Festigung seiner Regierung auch die Harmonie in dem gesellschaftlichen Verhältniß wieder gefunden, und namentlich bewahrte der Spaur’sche Salon seinen zwangsfreien, von Heiterkeit und Ernst in gleich rechtem Maße durchgeistigten Charakter. Aber allmälig verdüsterte sich der politische Horizont. Pius IX. setzte sich die Tiara auf, der Umwälzungstaumel ergoß sich immer weiter und breiter, bis die Februar-Revolution und der mailändische Aufstand dem Fasse den Boden ausschlugen. Bon dem Momente, als der Graf Spaur von seiner Wohnung aus [116] eine wüste Bande den kaiserlichen Wappenschild über dem großen Thore des venetianischen Palastes vernichten und die Trümmer durch den Corso schleppen sah, war es ihm klar, daß ein gleiches Loos des päpstlichen Wappens harrte, und damals schon hat er nicht gesäumt, seinen König um Verhaltungsbefehle für einen äußersten Fall zu bitten, der Novembermonat des Jahres 1848 sollte seine geahnten Besorgnisse wahr machen. Die Ermordung Rossi’s, die Erstürmung des Quirinals, das dem Papste aufgedrungene republikanische Ministerium ließen noch Schlimmeres fürchten. Der Graf und die Gräfin waren einig, daß den Papst nur eine Flucht retten könne. Graf Spaur wurde der Vertraute des Papstes Pius IX., und in das Geheimniß des Fluchtplanes wurde nur noch der französische Gesandte gezogen. Die Gräfin Therese von S. hat über diese Flucht ein höchst interessantes, für die’ Geschichte wichtiges Schriftchen veröffentlicht: „Papst Pius IX. Fahrt nach Gaëta“ (Schaffhausen 1852). Die Flucht fand am 24. November 1848 gegen Abend Statt. Es war zu wiederholtem Male daran, daß die Flucht entdeckt worden wäre. Aber die Entschlossenheit und Geistesgegenwart des Grafen und der Gräfin machten das gefahrvolle und schwierige Unternehmen gelingen. Der Graf Spaur und sein deutscher Jäger hatten auf dem Bock des Wagens, in welchem der Papst im gewöhnlichen Gewande eines einfachen Priesters mit Gräfin Spaur, ihrem Sohne und dessen Hofmeister, dem Priester Sebastian Liebl, sich befanden, Platz genommen. Nun ging es unaufgehalten fort. Gegen sechs Uhr Morgens des 28. November war Terracina und bald darauf die neapolitanische Grenze erreicht. In Mola di Gaëta schrieb der Papst an den König von Neapel, und Graf Spaur überbrachte den Brief. So hatte denn die Gräfin in einem in seiner Art welthistorischen Ereignisse, eine das Gelingen desselben fördernde Rolle mitgespielt und bleibt die Erinnerung an die muthige Frau aller Zukunft vorbehalten. Die oberwähnte Schrift der Gräfin S. hat, wie Herr von Reumont bemerkt, durch die wiederholte Revision nicht gewonnen. Es ist leider alles Persönliche ängstlich entfernt, jedes Wort des Papstes ausgemerzt, das Memoirenartige in trockene Pragmatik umgewandelt worden. Trotz alledem bleibt sie noch ein werthvoller und zuverlässiger Beitrag zur Zeitgeschichte. Von dem Tage der Ankunft des Papstes in Gaëta, wo Cardinal Antonelli und der spanische Botschaftssecretär d’Arnac schon verkleidet angelangt waren, bis zu des Papstes Rückkehr nach Rom im April 1850 blieb die Gräfin Spaur anfänglich in der Festung, die spätere Zeit wohnte sie an der Chiaja Neapels. Daß sich dort, wo sich allmälig die römische Prälatur, die Diplomatie, der Adel und viele Ausländer eingefunden hatten, aller Blicke auf die herzhafte Gräfin Spaur, welche in dieser Gesellschaft längst gekannt war, richteten, ist begreiflich. Die politischen Verhältnisse, welche nun folgten, in Rom französische, in Bologna österreichische Besatzung, in Turin steigernde, von Frankreich geschürte Begierde, die Scharten von 1848/49 auszuwetzen, und von den sich mehrenden Schwierigkeiten der Stellung Oesterreichs in Lombardo Venetia Vortheil zu ziehen: dieß Alles machte die Situation am römischen Hofe nicht amüsanter. Graf Spaur begann zu kränkeln, im Herbst 1854 wollte die Gräfin mit dem kranken Gemal [117] nach seiner Heimat Südtirol sich begeben, aber sie kam damals nicht weiter als nach Florenz, wo die Schwäche des Grafen alsbald so zunahm, daß er in wenigen Wochen seinen Leiden erlag. Die Gräfin kehrte im Anbeginn nach Rom zurück, verließ aber später die ewige Stadt, wo ihre Wiege gestanden, nachdem sich ihr durch die völlig veränderten Verhältnissen dieselbe, so zu sagen, entfremdet hatte, um ihren bleibenden Aufenthalt wo anders zu nehmen. So lebte sie einige Zeit in München, dann in den Niederlanden, wo ihr Sohn Maximilian Attaché bei der k. k. österreichischen Gesandtschaft am königlich niederländischen Hofe im Haag war, welche Stellung er jedoch in der Folge verließ. Zuletzt hatte sie ein Schlößchen bei Innsbruck gekauft, wo sie theilweise in Gesellschaft von Sohn und Schwiegertochter, einer Holländerin Namens Mathilde Freiin von Verschuer, und Enkeln einen großen Theil des Jahres zuzubringen pflegte. Den Winter 1872 bis 1873 brachte sie trotz der Abmahnung von mehreren Seiten, welche im Klima Gefahr für sie ahnten, in Innsbruck zu und erlag auch dort kürzester Krankheit. „Alfred von Reumont schildert die Gräfin als eine Natur von nicht gewöhnlicher Begabung mit geistigen Anlagen, denen nur die rechte Schule, und in der Jugendzeit durch Schuld einer für sie völlig unpassenden Ehe, die Harmonie zwischen inneren und äußeren Verhältnisse mangelte, die zu ihrer vollen Entwicklung nothwendig gewesen wäre. Rasch im Auffassen, lebendig im Begegnen und Entgegnen, eben so lebendig, ja heftig im Empfinden, doch ohne die Gewalt über sich zu verlieren, heiter und witzig, doch ohne Schaden für die Anmuth der Erscheinung und die Annehmlichkeit der Unterhaltung, mit tieferem und nachhaltigerem Gefühl als Manche, die ihr in der großen Gesellschaft nahten, ahnen mochten. Der Ernst des Lebens hatte sie berührt, ohne die Elasticität des Geistes zu schmälern; das kosmopolitische Leben, in welches persönliche Verhältnisse sie, die dem Mädchenalter kaum entwachsen, brachten, hatte ihrem ganzen Sein große Vielseitigkeit gegeben, ohne ihre nationale Eigenthümlichkeit in Wesen und Aeußerung abzuschwächen.“

Neue illustrirte Zeitung. Redigirt von Johannes Nordmann (Wien, Zamarski, kl. Fol.), 1873, Nr. 14 [nach dieser gestorben am 30. März 1873]. – Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta, 4°.) 1873, Nr. 193, S. 2959: Therese Gräfin Spaur (von Reumont) [nach diesem gestorben am 27. März]. – Porträt. Unterschrift: Contessa di Spaur. Holzschnitt, ohne Angabe des Zeichners und Xylographen (8°.).