BLKÖ:Taaffe, Ludwig Patrick Graf

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Taaffe, Karl Graf
Band: 42 (1880), ab Seite: 308. (Quelle)
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Taaffe, Ludwig Patrick Graf (Staatsmann, geb. zu Brünn am 23. Dec. 1791, gest. in Wien 21. December 1855). Sohn des Grafen Rudolph aus dessen Ehe mit Josepha Gräfin Haugwitz. Nachdem er seine Studien theils am Theresianum (1799 bis 1801), theils an der Universität mit glänzendstem Erfolge zurückgelegt hatte, betrat er im Alter von 20 Jahren die Laufbahn des öffentlichen Dienstes. 1811 erhielt er in Folge der mit vorzüglicher Befähigung bestandenen Richteramtsprüfung eine Auscultantenstelle bei dem niederösterreichischen Landrechte, und schon im nächsten Jahre sah er sich ob seiner ausgezeichneten Verwendbarkeit zum niederösterreichischen Landrechts-Secretär befördert. Noch während er diesen Dienstposten bekleidete, unterzog er sich den strengen Prüfungen zur Erlangung der juridischen Doctorwürde, welche ihm auch nach öffentlicher sub auspiciis Imperatoris abgehaltener Disputation unter Ueberreichung des mit dem Namenszuge des Kaisers gezierten Brillantringes feierlich verliehen wurde. In demselben Jahre, 1813, erwarb er sich durch seine besondere Verdienstlichkeit eine Landrathstelle in Brünn. Auch wurde er durch Verleihung der k. k. Kämmererwürde ausgezeichnet und von den Ständen Mährens und Schlesiens in die Landschaft aufgenommen. Gleichzeitig fungirte er als Beisitzer bei der mährisch-schlesischen Erbsteuer-Hofcommission, als Referent bei dem judicium delegatum militare mixtum und als Director bei dem Leihversatz- und Zeitungsamte. In Berücksichtigung der in so verschiedenen Beziehungen bewährten Leistungen erfolgte 1814 seine Berufung zum Appellationsrathe in Venedig, im nächstfolgenden Jahre aber wurde er in gleicher Eigenschaft zu dem neu zu organisirenden Appellationsgerichte in Mailand übersetzt. Der neue Wirkungskreis bot ihm Gelegenheit, sein Organisirungs- und Verwaltungstalent zu bethätigen, und in Anerkennung seiner Verdienste wurde er 1818 zum Präsidenten des Mercantil- und Wechselgerichtes [309] zu Mailand und gleichzeitig zum Vicepräsidenten des dortigen Civil-Tribunals ernannt. Schon im folgenden Jahre, 1819, wirkte er als Vicepräsident des steirisch-kärnthnerischen Guberniums. 1820–21, zum geheimen Rath ernannt, als Gubernialpräsident in Galizien, 1822 als Landesgouverneur in Steiermark und Kärnthen, 1823 als Landesgouverneur in Galizien, womit die Würde eines Präsidenten der galizischen Stände vereinigt war. So stand Graf Taaffe im Alter von 32 Jahren an der Spitze der Verwaltung der zweitgrößten Provinz des Kaiserstaates. Durch strenge Unparteilichkeit, staatsmännische Berücksichtigung der verschiedenen Nationalitäten und wahrhaft tactvolles Auftreten in den Berührungen mit dem mächtigen Grenzstaate, in einer kritischen bewegten Zeit, in welche auch der Tod des Kaisers Alexander I. und die Thronbesteigung des Kaisers Nicolaus fiel, erwarb er sich ebenso die Liebe und das Vertrauen der Bevölkerung, welche, wie Schreiber dieses es selbst erfuhr, noch nach Jahrzehnten segnend seinen Namen nannte, wie die Anerkennung seines Kaisers, der ihn im Jahre 1826 zum zweiten Präsidenten der allgemeinen Hofkammer ernannte. Es verliehen ihm auch die Stände von Steiermark und Kärnthen, dann jene von Galizien, zuletzt die von Niederösterreich aus eigener Bewegung und seine Verdienste um diese Provinzen anerkennend, das Incolat. Jenes von Böhmen befaß seine Familie schon seit 1676, und 1829 ward ihm auch das Indigenat von Ungarn verliehen. Mit voller Energie und der ihm eigenen, wo es das Interesse des Landes galt, alle Nebenrücksichten hintansetzenden Hingebung widmete er sich nun der Finanzverwaltung, bis er im Jahre 1830 nach vierjähriger Wirksamkeit auf diesem Gebiete zur Leitung des höchsten Gerichtshofes der außerungarischen Provinzen, anfänglich als zweiter, mit dem Jahre 1834 als Oberster Justizpräsident berufen wurde. Der edle Graf hatte seine öffentliche Thätigkeit in dem Richterstande begonnen. Zwölf Jahre hindurch war er in andere hochwichtige Stellungen der politischen und finanziellen Administration versetzt worden. Und in der vollsten Kraft des Mannesalters ward er der richterlichen Wirksamkeit wieder gegeben, in welcher er schon als Jüngling so rühmliche Erfolge errungen. In dem Jahre 1834, welches ihn an die Spitze der österreichischen Judicatur und in eine Stellung brachte, welche die Attribute des Justizministeriums mit den Functionen der obersten rechtsprechenden Behörde und zwei Jahre später auch mit denen eines Präsidenten des neu errichteten obersten Gefällsgerichtes vereinigte, ward er durch ah. Handschreiben vom 6. April zum Curator der Theresianischen Ritter-Akademie bestellt, in welcher er einst seine Studien begonnen hatte. An dieser zu jener Zeit einer energischen Leitung bedürfenden Anstalt leistete der Graf Unvergeßliches durch Hebung des Studienwesens, zumal in der juridischen Abtheilung durch Berufung tüchtiger Lehrer, und durch Emporbringung der finanziellen Lage dieser großartigen kaiserlichen Bildungsanstalt mit liebevollem Eingehen in den Plan der unsterblichen Stifterin. Im Jahre 1836 ward er als Mitglied der juridischen Facultät der Wiener Universität von dieser zum Rector Magnificus erwählt. Er verewigte sein Rectoratsjahr, indem er die in dieser Eigenschaft ihm zufließenden [310] Einkünfte zu einer Stiftung für unadelige talentvolle und unbemittelte Studirende der Rechte verwendete. In demselben Jahre erhielt er, der Auszeichnungen fremder Souveräne dankbar abgelehnt hatte, von Sr. Majestät das Großkreuz des österreichischen Leopoldordens. 1840 fand seine Beförderung zum Präses der Hofcommission in Justizgesetzsachen statt. Bei der im Jahre 1848 erfolgten Neugestaltung der Administration ernannte ihn Seine Majestät am 20. März zum Minister der Justiz, aber schon am 22. April wurde der Graf über sein dringendes Ansuchen dieser Stelle wieder enthoben und seiner früheren Wirksamkeit zurückgegeben. Als Vorstand des Obersten Gerichtshofes war es ihm vorbehalten, eine Aufgabe zu lösen, die seinem Namen in der Geschichte der österreichischen Justizverwaltung einen Nimbus verleiht, der Keinem vor ihm zutheil geworden und auch Keinem nach ihm zutheil werden dürfte, nämlich die schwierige Aufgabe: die Rechtseinheit des geeinten Reiches in der Judicatur zu verwirklichen, was er mit einer von überraschend schnellem Erfolge gekrönten Festigkeit durchführte. Fortan war er bis zu seinem Lebensende in Wahrheit Präsident des Obersten Gerichts- und Cassationshofes für den gesammten österreichischen Kaiserstaat. Der erste und einzige! Seine angestrengten Berufsbeschäftigungen indeß griffen seinen Körper an, und im Jahre 1849 suchte er Heilung im Bade Grafenberg. wo er sie auch theilweise fand; aber den von neuem seinem Beruf mit rastloser Thätigkeit sich Hingebenden befiel nun ein neues und längeres Leiden, dem er auch im Alter von 64 Jahren erlag. Etliche Charakterzüge dieses seltenen Staatsmannes mögen das Bild desselben vervollständigen. Als er noch Vice-Präsident in Steiermark war, brach zu Graz eines Tages Feuer in der Nähe des Pulverthurmes aus. Die Bewohner der Hauptstadt geriethen darüber in furchtbarste Aufregung. Niemand wagte sich in die Nähe der Gefahr. Nun begab sich der junge Präsident in eigener Person in das Magazin, traf die nöthigen Anordnungen und entfernte sich nicht eher aus demselben, als bis man das letzte Faß Pulver herausgeschafft hatte. Unbeugsam in seinen Grundsätzen, hielt er an denselben mit unerschütterlichem Pflichtgefühl, unbekümmert, ob ihm aus seinem Handeln Gunst oder Mißgunst, sei es von oben oder von unten, erwuchsen. Seinem Kaiser und dem Vaterlande mit unentwegbarer Treue zu dienen, darin sah er seine vornehmste Lebensaufgabe. Als er nun im Jahre 1826 zum zweiten Präsidenten der allgemeinen Hofkammer ernannt wurde, galt es, einen Augiasstall von Mißbräuchen zu reinigen, zahlreiche und radicale Reformen vorzunehmen. So verlangte er vor Allem die Publication des Budgets, die Reduction der Beamten in allen Zweigen der Verwaltung und veranlaßte die Entfernung von sieben Hofräthen, welche er durch zwei tüchtige und ausgezeichnete Männer (Purkhardt und Kraus, nachmaligen Finanzminister) ersetzte. Dieses energische Vorgehen trug ihm Dank der vormärzlichen Willkür seine Abberufung und Versetzung auf einen anderen Posten ein. Als Gouverneur von Galizien erwarb er sich aber die oben erwähnte Liebe der Bevölkerung, dadurch, daß er der allmächtigen Bureaukratie daselbst rücksichtslos klar legte, daß ihre Interessen, als jene einer Kaste, den wichtigen [311] und allein maßgebenden des Staates und seiner Unterthanen weichen müßten. In Folge dessen hatte der Graf nun einen freilich mächtigen Feind, eben die Bureaukratie, welche ihn unaufhörlich verfolgte und auch den damaligen Staatskanzler gegen ihn, aber nur vorübergehend, einzunehmen wußte. Während seiner Wirksamkeit als Gouverneur in Galizien übersandte ihm Kaiser Alexander durch den Grafen Grabowski den weißen Adlerorden. Graf Taaffe schlug diese Gnade dankend aus. Noch sei des nicht uninteressanten Umstandes gedacht, daß er es war, der bei Ausbruch der Revolution von 1848 den Staatskanzler Fürsten Metternich vor der entfesselten Volkswuth rettete, indem er ihn lange Zeit in seinem Hause verborgen hielt und ihm damit die Gelegenheit zur Flucht verschaffte. Graf Taaffe hatte sich im Jahre 1822 mit Amalie, der Erbtochter Karl Augusts Fürsten Bretzenheim-Regécz (früher reichsunmittelbaren Fürsten von Lindau), der Letzten ihres Geschlechts, vermält. Aus dieser Ehe entsprangen zwei Söhne: Graf Karl, bereits (1873) gestorben, und Graf Eduard, der gegenwärtige Minister-Präsident, dann drei Töchter, sämmtlich aus der Stammtafel ersichtlich.

Notice nécrologique sur le comte Louis Taaffe par E. de Saint Maurice Cabany (Paris 1856, 8°.). – Abendblatt der österreichischen Wiener Zeitung, 1856, Nr. 16, im Feuilleton: „Ludwig Graf Taaffe“. – Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta. 4°.) 2. Jänner 1857. Beilage Nr. 2, S. 30: „Ludwig Graf Taaffe“. – Allgemeine Theater-Zeitung. Von Adolph Bäuerle (Wien, gr. 4°.), 3. Mai 1848. – Brünner Anzeiger, 1856, Nr. 21 und 22. – Genealogie der Grafen Taaffe (Wien 1862, F. B. Geitler, 4°.) S. 18 u. f. – Maasburg (M. Friedrich v.), Geschichte der obersten Justizstelle in Wien (1749–1848) (Prag 1879, Joh. B. Reinitzer und Comp., gr. 8°.) S. 20, 41, 43, 44, 48, 49, 52, 76, 90, 217, 257 und 265. – Oesterreich und seine Staatsmänner (Leipzig 1844, Reclam, 8°.) Bd. II, S. 83 [in diesem vormärzlichen oppositionellen Werke wird Taaffe als ein Staatsmann bezeichnet, der von einer Gerechtigkeitsliebe erfüllt ist, welche ihn zu einer seltenen Perle der höheren österreichischen Staatswürdenträger erhebt. Das zu jener Zeit von ihm bekleidete Amt eines Präsidenten der obersten Justizstelle ist aber auch der einzige Posten, in welchem ein Staatsmann die ganze reiche Fülle seiner Wahrheit und Gerechtigkeitsliebe mit den besonderen Rücksichtsverhältnissen in Einklang bringen kann, welche mehr als irgendwo in Oesterreich beobachtet werden müssen, wenn man sich über dem Niveau des öffentlichen Staatslebens erhalten sehen will.
Porträte. 1) Kriehuber lith. (Wien, Neumann, Fol.). – 2) Unterschrift: „Lord Lewis Taaffe present and ninth Viscount“ (Lithogr. ohne Angabe des Zeichners und Lithographen, 8°.).