BLKÖ:Walterskirchen, Georg Wilhelm (III.) Freiherr von
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Waltl, Franz Xaver | ||
Band: 53 (1886), ab Seite: 40. (Quelle) | |||
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Georg Wilhelm (II.) (geb. 1752, gest. 1811) aus dessen Ehe mit Eleonore Freiin von Perényi. Er genoß eine standesmäßige Erziehung und an der Rechtsakademie seiner Geburtsstadt Preßburg die nöthige Vorbildung, um einen an sich bedeutenden, jedoch durch die Kriegsjahre in Unordnung gerathenen Familienbesitz persönlich verwalten zu können. Er hatte eben, als das Vaterland in neuer Bedrängniß zu den Waffen rief, die Absicht, als Freiwilliger in die k. k. Armee einzutreten, als er durch einen unglücklichen Sturz vom Pferde den rechten Arm derart verletzte, daß er sein Vorhaben aufgeben mußte. Unter solchen Umständen [41] konnte er sich ausschließlich der Aufgabe unterziehen, die ihm nach dem frühen Tode des Vaters als 18jährigem Jünglinge zufiel, da er nach unseren Gesetzen als solcher großjährig erklärt worden war. Auf diesem Gebiete sollte es ihm nun vorbehalten sein, mit seinen hervorragenden Geistesgaben, seinem scharfen praktischen Blicke und einer seltenen Thatkraft zu eigenem Besten und zu dem seiner Umgebung wohlthätig und nachhaltig fördernd zu wirken, indem er ebenso alte gern gehegte Theorien, wie deren in dem abgeschlossenen sich selbst für den Globus haltenden Ungarn noch heute oft genug vorkommen, wenn sie von Zeit und Erfahrung verurtheilt werden, aufopferte und Neues, das den Umständen entspricht und lohnend zu werden verheißt, mit Energie durchführte. So dankt ihm die dortige Gegend die Einführung des Kartoffel- und Kleebaues im Großen, die Errichtung von Melkereien und Brennereien, den Uebergang von der ausschließlichen Körnererzeugung zu ausgedehnterem Grünfutterbau, und andere landwirthschaftliche Verbesserungen, wie sie der Fortschritt der Cultur und der Wissenschaft mit sich bringen, und in welcher Beziehung er für einen großen Theil Niederösterreichs und Ungarns, da sein Familienbesitz an der ungarischen Grenze liegt, bahnbrechend wirkte. In einem ihm gewidmeten Nachrufe heißt es treffend: Zunächst kamen diese Verbesserungen wohl seiner Familie zugute, aber nicht blos, daß sein Beispiel wirkte, sondern er förderte auch das Wohl seiner Unterthanen, und zu einer Zeit, da das Verhältniß zwischen Gutsherrn und Unterthan ein noch nicht durch die Grundlasten-Ablösung völlig verändertes geworden. Seinen eigenen Unterthanen, so wie den Nachbargemeinden ließ er direct die großartigsten Unterstützungen zukommen. „Mit dem Hoch steht Klein in dem sichersten Schutz“ konnten seine Unterthanen in Wahrheit sagen, wie er auch sein Glück mit dem der Kleinen verknüpft erkannte. Für sich selbst jede unnütze Ausgabe vermeidend, weil, wie er zu sagen pflegte, „man sie doch nur dem Armen entziehe“, machte er nicht mehr Aufwand, als sein Rang ihn unumgänglich erforderte, unterließ aber nie, das ein für alle Mal festgesetzte Minimalpercent seiner Einkünfte regelmäßig seiner Armencasse zuzuführen, die daher stets versorgt war, wenn auch seine anderen Cassen Ebbe hatten, da er aus jener nur die regelmäßigen wohlthätigen Gaben bestritt, aus diesen aber, ohne die Höhe der Summe lange anzusehen, gab, was eben nothwendig schien, um wohlthätige Anstalten ins Leben zu rufen, einer armen Familie aufzuhelfen u. s. w. Der Gedanke, daß die Großen und namentlich die Gutsherren den Unterthanen schützend und helfend unter die Arme greifen müßten – gewiß einer der sichersten und segensreichsten Wege zur Lösung der immer dringender auftretenden socialen Frage – war in ihm so fest gewurzelt, daß er demselben gemäß auch nach Aufhebung des Patrimonialverhältnisses handelte, für seine ehemaligen Gemeinden zwei Armenhäuser für erwerbsunfähige Individuen baute und ausgiebig dotirte und außerdem ein Capital von 28.000 fl. zu dem Zwecke widmete, daß die Interessen desselben jährlich am St. Georgstage an bestiftete ohne eigenes Verschulden in Noth gerathene ehemalige Unterthanen vertheilt werden. Wie auf seinen Gütern, so wirkte er in Preßburg. wo er den Winter über zuzubringen pflegte, im gleichen Geiste; seit drei Decennien hatte er seinen Hausarzt in Stand gesetzt, alle [42] Armen der Stadt und Umgebung unentgeltlich mit Arzeneien zu versehen; ferner organisirte er das Armenwesen der Stadt, indem die Gründung des städtischen Lazarethes, dessen innere Organisation auch ganz und gar von ihm herrührte, größtentheils sein Werk war; er förderte den großartigen Bau in der Neustadt für Wohnungen unbemittelter Leute, die rationelle Bewirthschaftung der städtischen Gründe, den Bau der Preßburg-Tyrnauer Bahn, überhaupt war er einer der Wenigen, die schon in den Dreißiger-Jahren die jetzt brennend gewordenen Uebelstände der socialen Frage voraussehend, in ihrem Wirkungskreise dem Uebel vorbeugen wollten: so stammen von ihm unter dem Motto „Armut verhindern ist ebenso vorzüglich, als Armut unterstützen“ groß angelegte bis ins Detail ausgearbeitete Vorschläge eines wechselseitigen Versorgungsvereines für die ärmere vom Taglohne lebende Menschenclasse, welchen er vorerst für die landesfürstlichen Städte Hainburg und Bruck, für seine Fideicommißherrschaft Wolfsthal und die nachbarlichen Herrschaften Rohrau, Petronell und Deutsch-Altenburg und später für die königliche Freistadt Preßburg ins Leben rufen wollte. Doch scheiterte sein Vorhaben an der geringen Beachtung, deren die sociale Frage in jener Zeit gewürdigt wurde. Walterskirchen war nicht nur nominelles, sondern wirklich thätiges und stets opferwilliges Mitglied aller gemeinnützigen Vereine dieser Stadt, die ihn im Jahre 1830 zum Obersten ihrer Bürgerwehr wählte und seit Decennien kaum je etwas, ohne seinen gewichtigen Rath einzuholen, beschloß. Auf diese Art, heißt es in dem ihm gewidmeten Nachrufe, hat er die Kluft, welche in Deutschösterreich zwischen Herrn und Unterthan, in Ungarn zwischen Adel und Stadt bestand, überbrückt; er war das Ideal eines Landlords, durchdrungen vielleicht noch mehr vom Bewußtsein seiner Pflichten, als von dem seiner Rechte, die er übrigens als Mitglied des niederösterreichischen Herrenstandes in den Landtagen vor 1848 in hervorragender Weise in dem Sinne geltend machte, um einerseits an die Stelle des als unfruchtbar bewiesenen Absolutismus eine frische rührige Selbstverwaltung[WS 1] zu setzen, während er anderseits als Magnat des Königreichs Ungarn bei der immer höher gestiegenen radicalen Opposition mit den Conservativen stimmte. Er war kein Mann, der Alles über einen Kamm schor, sondern er prüfte genau und eindringlich und wählte nur das, was den Bedürfnissen und den Umständen zunächst und am wirksamsten entsprach. Dabei wuchs sein Ansehen nicht nur in den unteren Volkskreisen, die ihn wie einen Vater verehrten, sondern auch bei den Männern, welche damals das Staatsruder führten, so daß ihn nach dem Jahre 1849 der Ministerpräsident Felix Fürst Schwarzenberg wiederholt bei wichtigen Anlässen zu Rathe zog. So war er denn in der That ein Liberal-Conservativer, als welcher er sich später auch im niederösterreichischen Landtage und im Abgeordnetenhause des österreichischen Reichsrathes bewährte. Vorher noch übernahm er aus reiner Loyalität und um mit dem Beispiel voranzugehen, das schwierige und mißliche Amt eines Präsidenten der oberungarischen Steuer-Regulirungs-Commission, in welcher er unentwegt den Grundsätzen des Rechtes und der Billigkeit ebenso mit Sachkenntniß wie mit Gewissenhaftigkeit Ausdruck gab. Als endlich nach dem politischen Umschwung, der nach dem Jahre 1859 eintrat, die Verwirklichung der längst verheißenen, aber durch schlimme Verhältnisse [43] immer vorenthaltenen vollen Theilnahme des Volkes an Gesetzgebung und Besteuerung in Angriff genommen wurde, da war Walterskirchen mit dem Fürsten Hugo Salm, dem Fürsten Joseph Colloredo, den Grafen Karl Wolkenstein, Heinrich Clam-Martinitz und Egbert Belcredi einer der Gründer der im Jahre 1860 ins Leben gerufenen conservativen Zeitung „Das Vaterland“, er wurde vom niederösterreichischen Großgrundbesitz in das Abgeordnetenhaus und in den niederösterreichischen Landtag gewählt, wo er auf Grund seiner umfassenden vornehmlich volkswirthschaftlichen Studien und in langjähriger landwirthschaftlicher Verwaltung eines großen Gütercomplexes gewonnenen Erfahrungen danach strebte, daß der Großgrundbesitz eine seiner würdige Stellung und reellen Einfluß nicht blos im eigenen, sondern im Interesse der Gesammtheit gewänne. Aus dieser und der nächstfolgenden Zeit stammen seine über Selbstverwaltung, über die Gemeindefrage, die Gutsgebiete, die Personal-, Classen- und Luxussteuer und Anderes handelnden Flugschriften, die selbst bei seinen Gegnern Würdigung finden, weil aus ihnen nicht beschränkter Kastengeist, sondern redlicher Wille, Verstand und Erfahrung sprechen. Leider sind dieselben nicht in den Buchhandel gekommen, sondern nur in großen Mengen vertheilt worden, so daß wir ihre Titel in den Bücherkatalogen vergeblich suchen. Seine politische Meinung ist in diesen Schriften klar niedergelegt, wie er dieselbe in jenen Tagen des Ueberganges und der Unklarheit in den Verhältnissen öffentlich auf einer großen Versammlung niederösterreichischer Gutsbesitzer und anderer hervorragender Personen in einer glänzenden aus dem Stegreif gehaltenen Rede aussprach. Diese Versammlung war nämlich von einzelnen Stimmführern ohne Angabe des Zweckes in der Absicht einberufen worden, um die Theilnehmer zu veranlassen, einem Staatsmanne, der sein Programm noch nicht bekannt gegeben hatte, im vorhinein ein unbedingtes Vertrauensvotum als dem Einzigen, der in dieser Zeit der Noth dem Staate Hilfe bringen könnte, zu ertheilen. Aber Freiherr von Walterskirchen ging den Glaubensseligen nicht auf den Leim, sondern vielmehr erhob er sich gegen ein solch unpassendes die freie Willens Meinung eines jeden Einzelnen einschränkendes Ansinnen und erklärte in einer wahrhaft glänzenden von sittlicher Wärme durchdrungenen Rede: daß er trotz seiner persönlichen Freundschaft für den Genannten doch nie beistimmen könne, daß man sich, ohne dessen wahre Pläne zu kennen, also blind ihm ergebe und so eventuell auf wohl erworbene Rechte verzichte. Ein solcher Vorgang sei weder vernünftig, noch würdig; der Großgrundbesitz habe vielmehr seine Stellung im eigenen wie im Interesse des Volkes zu wahren und nicht vor unbekannten Mächten kampflos die Waffen zu strecken. Es war, schreibt Einer, der dieser Versammlung als Berechtigter angewohnt, ein herrlicher Anblick, wie das silberhaarige Haupt auf dem mächtigen Körper, mir blitzenden Augen und ergreifender Rede sich erhob, um den banalen Phrasenliberalismus zur Besinnung zu bringen. So steht die Eiche im Sturme, der das niedrige Gestrüpp hin und her schaukelt. In diesem Sinne machte er auch später seinen Einfluß bei den Wahlen des Großgrundbesitzes und in den Vertretungskörpern selbst geltend, wenn er auch nur selten öffentlich sprach und seine Thätigkeit auf die Ausschüsse concentrirte, in denen er die Interessen der Landbevölkerung, der Gemeinden [44] und der Gutsbesitzer eifrig und erfolgreich vertrat. Es kam ihm dabei in nicht geringem Maße die Form, in welcher er seine Ansichten verfocht, zustatten: denn von der Natur mit einer imponirenden Persönlichkeit und einem geistvollen edlen Antlitz ausgestattet, besaß er die kostbaren Gaben des Gedächtnisses, seltener Geistesschärfe und umfassender Kenntnisse, welche sich mit den Vorzügen feiner Bildung, reicher Phantasie und eines edlen Gemüthes verbanden. Dazu gesellte sich noch eine nicht gewöhnliche Bewandertheit in der schönen Literatur – hatte er sich doch selbst nicht selten im Dichten versucht – dies Alles vereint gab seinen Worten einen eigenthümlichen Zauber, dessen Eindrücke sich auch seine Gegner nicht zu entziehen vermochten. Mild und tolerant gegen Andere, war er für seine eigene Person von strenger Sittlichkeit, welche in seiner ganzen zahlreichen Familie als oberstes Gesetz galt. Seine letzten Lebensjahre waren von schweren Leiden getrübt, aber schwere Operationen, die öfter nöthig wurden, ertrug er, der sein ganzes Leben hindurch ein überzeugungstreuer Katholik und ergebener Sohn seiner Kirche war, mit christlicher Ergebung und männlicher Stärke. Als er aber, fast ein Siebenziger, umgeben von seiner Gattin und neun Kindern, die ihn von zwölf überlebten, die Augen zum letzten Schlummer schloß, war die Trauer und Theilnahme in Preßburg eine allgemeine, und als man seinen Leichnam nach seiner letztwilligen Anordnung in die neuerbaute Gruft zu Wolfsthal übertrug, gab ihm Hoch und Nieder das Geleite. Die „Preßburger Zeitung“ aber faßte in wenige Worte, die als Inschrift seines Grabsteines gelten können, seinen Nachruf: „Ausgezeichnet durch Geist und Bildung, so wie durch jede ritterliche Tugend, eifriger Förderer des Bürger und Gemeinwohles, pflichtgetreu als Familienvater, unvergleichlich aber als Menschenfreund, ist sein Verlust ein unersetzlicher zu nennen.“ Freiherr Georg Wilhelm von Walterskirchen war seit 24. Jänner 1829 mit Ida Gräfin Fries vermält, welche ihm zwölf Kinder schenkte. Von diesen pflanzten die Söhne Ernst Wilhelm, Otto Wilhelm und Richard Wilhelm das Geschlecht fort, wie aus der Stammtafel ersichtlich.
Walterskirchen, Georg Wilhelm (III.) Freiherr von (k. k. Kämmerer , geheimer Rath und niederösterreichischer Landtags-Abgeordneter, geb. zu Wolfsthal am 26. September 1796, gest. zu Preßburg am 25. Mai 1865). Aeltester Sohn des Freiherrn- Nach brieflichen Mittheilungen meines mir unvergeßlichen zu früh hingeschiedenen Freundes Johann Ritter von Hoffinger (gest. 7. April 1879), der dieselben, wie er mir schrieb, in seiner „Oesterreichischen Ehrenhalle“, die er mehrere Jahre hindurch in dem von Prandel und Ewald in Wien herausgegebenen „Volks- und Wirthschaftskalender“ erscheinen ließ, veröffentlichen wollte und wohl auch veröffentlicht hat. Nach einer verunglückten Fortsetzung derselben durch Ludwig Bowitsch hörte dieser „Oesterreichische Nekrolog“ zum Bedauern Aller auf, welche für das Leben und Schaffen denkwürdiger Persönlichkeiten des Kaiserstaates Interesse haben.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Selstverwaltung.