BLKÖ:Wilczek, Johann Nepomuk

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 56 (1888), ab Seite: 118. (Quelle)
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Wilczek, Johann Nepomuk (Hans) Graf (erbliches Mitglied des Herrenhauses des österreichischen Reichsrathes, Mäcen der Wissenschaften und Künste, geb. 7. December 1837). Graf Johann, oder wie er gewöhnlich genannt erscheint, Hans, ist zur Zeit der Chef der älteren Linie dieser Familie. Das vierte von fünf Kindern und der einzige Sohn des Grafen Stanislaus aus dessen Ehe mit Gabriele geborenen Freiin von Reischach, erhielt er eine sorgfältige Erziehung und zeichnete sich frühzeitig durch vorzügliche Anlagen, vornehmlich durch eine bewundernswerthe Geistesgegenwart aus, eine Eigenschaft, welche ihn zu den Unternehmungen, die er später ausführte, ganz besonders befähigte. Mit der Ausbildung seiner geistigen Talente ging jene der körperlichen Fähigkeiten Hand in Hand, und zum Jüngling herangereift, besaß er als Schütze bereits einen seltenen Grad von Geschicklichkeit. Diese körperliche Gewandtheit, seine ungewöhnliche Muskelkraft, seine kaltblütige, doch rasche Ueberlegung und sein ruhiger durchdringender Blick kamen schon zu öfteren Malen seinem persönlichen Muthe auf den von ihm unternommenen gefährlichen Jagden in Afrika zu Hilfe. Zuerst machte er öffentlich von sich reden, als er im Vereine mit Grafen Breuner den Wienern den Thiergarten ins Leben rufen half, der leider durch unreelle Gebarung der mit der Fürsorge für denselben Betrauten ein vorschnelles Ende fand. Als dann 1866 der österreichische Krieg ausbrach, trat er [119] als Freiwilliger in das 9. Feldjäger-Bataillon. Er war damals schon verheiratet und Vater von mehreren Kindern. Als erblichem Reichsrathe und k. k. Kämmerer wurde ihm bei seiner Anmeldung zur Aufnahme in die Armee eine Officiersstelle angeboten, doch schlug er dieselbe mit der Bitte aus, sich dieselbe erst verdienen zu dürfen. Als dann 1872 die Nordpolarforschung, welche Payer und Weyprecht sich zur Aufgabe gestellt hatten, auf die Tagesordnung kam, war es Graf Wilczek, welcher mit reichen Mitteln dieses Unternehmen unterstützte. Bevor noch die beiden Reisenden aufbrachen, unternahm er selbst eine Reise, um auf Nowaja Semlja eine Niederlage von Kohlen und Lebensmitteln zu errichten, welche der österreichischen Nordpolexpedition zum Rückhalt dienen sollte. Als Schiff verwendete der Graf die kleine Dacht „Isbjörn“, dieselbe, welche im Sommer 1871 zur Recognoscirungsfahrt Payer’s und Weyprecht’s in das offene Meer zwischen Spitzbergen und Nowaja Semlja benutzt worden war. Die Ausrüstung erfolgte in dem norwegischen Hafen Tromsö, und außer dem Grafen befanden sich noch 13 Mann an Bord, womit der enge Raum des Fahrzeuges vollends angefüllt war. Die nautische Führung übernahm der österreichische Fregattencapitän Freiherr von Sterneck [Bd. XXXVIII, S. 301], die strenge Wissenschaft war durch Professor Höfer, Director der Bergschule in Klagenfurt, vertreten, den Graf Wilczek als geologischen Begleiter geworben, und obgleich selbst ein guter Photograph, nahm er doch den tüchtigen Wiener Photographen Burger mit, und so gelang es, von dieser Expedition die schönste je im arktischen Norden gemachte Sammlung von Photographien, weit über hundert Platten, heimzubringen. Unter den übrigen Gefährten, welche er für die Reise ausgewählt, befanden sich der Gebirgsjäger Mühlbacher, der schon mit dem Grafen in den Gebirgen Nordafrikas gejagt hatte, und der beste der Großglocknerführer, Paierl. Capitän und Mannschaft bestanden aus Norwegern. Am 20. Juni 1872 verließ der „Isbjörn“ Tromsö; am 30. Juni wurde beim Hornsund die Westküste von Spitzbergen erreicht. (Wir verweisen auf die schöne Schilderung dieser Fahrt und Begegnung mit Weyprecht in der Zeitschrift „Daheim“ 1873, S. 764.) Am 30. Juli ging der Graf mit seiner Yacht beim Matotschkin-Schor, wie die schmale Meeresstraße heißt, welche die große Insel Nowaja-Semlja in zwei Hälften trennt, vor Anker. Von da wurden bedeutende Excursionen in das Innere des Landes unternommen. Ain 5. August segelte er weiter nach Norden zu, um Cap Nassau zu erreichen, wo das Proviantdepot errichtet werden sollte und man auf ein Zusammentreffen hoffte mit dem Schiffe „Tegetthoff“, welches eben Weyprecht und Payer führten. Am 12. August wurde wirklich ein Schiff – es war das erwartete – signalisirt. Der Graf fuhr ihm entgegen. Wie groß die Freude über ein wenn auch gewünschtes, so doch überraschendes Zusammentreffen war, dafür eine Thatsache zum Beleg. Der alte Capitän Carlsen aus Tromsö, der an Bord des „Tegetthoff“ sich befand, nahm im Selbstvergessen der Freude über diese Begegnung sogar die Perrücke statt der Mütze ab. Der Graf schreibt über diesen Moment die einfachen Worte, die aber Alles ausdrücken: „Ich kann nicht sagen, was in diesem Augenblicke Alles in mir vorging. Das Unternehmen, welches das Ziel meines Strebens seit [120] Jahren gewesen, sah ich nun hier verkörpert, in voller Lebenskraft, in der Erreichung seiner ernsten Mission begriffen. Hier nahm es sich anders aus als bei den vielen Worten, welche man darum gesprochen und darüber geschrieben hatte. Wie erschienen mir hier die Männer, welche es führten, imponirend im Kampfe mit den Hindernissen, welche sie zu überwinden hatten.“ Als dann am 23. August der Nordwind einsetzte, welcher zur Fahrt nach Süden einlud und mahnte, ging es ans Scheiden, welches sich im Eismeer etwas anders gestaltet und empfindet als nach einem Diner oder an der Eisenbahn. Nun wurde der Kiel nach Süden gewandt. Am 31. August langte man nach mühevoller Fahrt wieder an der russischen Küste an, wo man mit Samojeden zusammentraf. Einer von diesen lootste den „Isbjörn“ in die Petschora hinein, wo der Graf mit dem berühmten sibirischen Großhändler Sidorow und dem Capitän Mathiesen zusammentraf. Während nun der „Isbjörn“ auf dem Seewege nach Tromsö zurückkehrte, schlug Graf Wilczek mit seinen .Begleitern den Landweg durch das ganze weite Rußland ein, wobei er durch unwirthliche Tundra und durch Steppen von einem Strome in den anderen in kleinen Booten fuhr und oft wochenlang nichts Anderes als den Urwald sah, bis er in Nischnej-Nowgorod die Eisenbahn erreichte. Wir verweilten bei dieser Expedition länger, weil es eine That im Leben des Grafen ist, die den Edelmann ebenso in seiner Eigenart, wie in der glatten Ausführung eines zweckbewußten Zieles mit Hintansetzung aller Gedanken an unausbleibliche Gefahren darstellt. Früher noch hatte er gezeigt, welch hohes Interesse er empfand an Allem, was Wissenschaft und Erweiterung der Kenntnisse betraf, und wie er sogar den Sport zu benützen weiß, um wissenschaftliche Zwecke zu fördern. Der Graf nämlich ist ein großer Freund des Jagdsports, und Seine Majestät der Kaiser wie andere Fürsten haben ihn wiederholt zu Jagden auf Gemse und Steinbock eingeladen. Als nun im December 1869 sich die anthropologische Gesellschaft in Wien bildete, gehörte Graf Wilczek zu ihren Mitgliedern. Und als er dann im Februar 1870 auf eine Reise zur Löwenjagd in Afrika sich begab, verband er damit auch den Zweck, die anthropologische Gesellschaft, welche es sich zur Aufgabe gestellt, die Studien über den Menschen in physischer und psychischer Beziehung zu fördern, darin bestens zu unterstützen. Um diese Zeit wurde bei Constantine ein Leichenfeld entdeckt, und mit Land und Leuten von früheren Reisen her bekannt, übernahm er es, den noch jungen Verein bei den betreffenden Ausgrabungen zu vertreten und ihm über jene Funde Bericht zu erstatten, welche ethnographischen, anthropologischen und die Urgeschichte des Menschen betreffenden Werth haben. Zu diesem Zwecke nahm er einen Maler mit, welcher die nöthigen Zeichnungen anfertigte. So finden wir dann den Grafen auch später nicht nur bei allen humanen, gemeinnützigen, sondern auch künstlerische und wissenschaftliche Zwecke fördernden Unternehmungen immer in erster Reihe. Um Künstler mit ihrer Bedeutung entsprechenden Aufgaben zu beschäftigen, errichtete er in seinem Sommerschlosse Seebarn, unweit Kreuzenstein bei Korneuburg, eine Galerie seiner in Oesterreichs Geschichte öfter in hervorragender Weise eingreifenden Ahnen und berief dann unsere besten Künstler, wie Canon, der den Bischof Leopold Kolonics im erbeuteten Türkenlager vor Wien darstellte, [121] Rudolf Huber, welcher Gilbert Saint Hilaire malte, Makart, von dessen Meisterhand wir Eck von Reischach finden, Matejko, der den Heerführer Georg Podiebrad’s, den berühmten Wenzel Wilczek, Lenbach, welcher mit seinem Meisterpinsel den Grafen Hans selbst abconterfeite, u. A. Als nach der oben erwähnten, im Sommer 1871 ausgeführten Vorexpedition am 13. Juni 1872 die Ausfahrt des „Tegetthoff“ zur großen Polarexpedition stattfinden sollte, ermöglichte dies wieder nur die Munificenz des Grafen Wilczek, der aus seinen eigenen Mitteln zu diesem rein privaten Unternehmen die ansehnliche Summe von 30–40.000 fl. beisteuerte. Auf einer neuen Jagdreise im Juli 1874, auf welcher er einer 1873 an ihn ergangenen Einladung des Königs Victor Emanuel zu einer Steinbockjagd nach Aosta folgte, bereicherte er seine Reisemappe mit geographischen Aufnahmen der Gletscherwelt des Monte Rosa. Als dann bei den großartigen Fortschritten, welche durch die Verbindung der Electricität mit der Technik, Mechanik und dem Beleuchtungswesen ins Leben traten, sich das Bedürfniß aufdrängte, dem Publicum ein übersichtliches Bild des bis dahin Geleisteten zu bieten, und eine electrische Ausstellung geplant wurde, finden wir ihn wieder unter den Matadoren dieses Unternehmens, welches in überraschender Vollendung zur Ausführung gelangte. – Am Tage nach der entsetzlichen Ringtheater-Katastrophe, am 9. December 1881, rief nun Graf Wilczek wieder ein großes und gemeinnütziges Werk ins Leben, die Wiener freiwillige Rettungsgesellschaft, welche, ohne die geringste financielle Unterstützung vom Staate anzusprechen, bloß aus den Mitteln, welche ihr von Gönnern und Freunden gespendet worden, sofort sich constitutete und ein bereits für mehr als 50.000 fl. versichertes Material aufzuweisen hatte. So sehen wir den Grafen immer und überall im Vordergrunde bei allen Unternehmungen, welche die Wissenschaft und Kunst fördern, welche die Milderung der Leidenszustände der Menschheit bezwecken. In Würdigung und Anerkennung dessen wurde er von Seiner Majestät im October 1873 mit dem Commandeurkreuze des Leopoldordens ausgezeichnet, überdies ist er wirklicher Geheimrath, erbliches Mitglied des Herrenhauses des österreichischen Reichsrathes, Ehrenmitglied der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Mitglied des Curatoriums des k. k. österreichischen Museums für Kunst und Industrie, der k. k. Centralcommission für Erforschung der Kunst, und historischen Denkmale und Mitglied des orientalischen Museums. Hans Graf Wilczek verheiratete sich am 16. Mai 1858 mit Emma geborenen Gräfin Emo-Capodilista (geb. 18. August 1833), aus welcher Ehe drei Töchter und ein Sohn, Graf Joseph Johann Nep. entstammen, welch Letzterer, seit 21. Jänner 1884 mit Elisabeth geborenen Gräfin Kinsky von Wchinitz und Tettau vermält, auch schon Vater eines am 17. November 1884 geborenen Sohnes, Johann Nepomuk, ist.

Daheim (illustr. Blatt) IX. Jahrg. (1873/74), S. 764: „Deutsche Reisende der Gegenwart. VII. Graf Hans Wilczek“. – Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik. V. Jahrg., 5. Heft: „Berühmte Geographen u. s. w. Hans Graf Wilczek“. – Deutsche Zeitung (Wien) 1872, Nr. 329 im Feuilleton: „Die Nordfahrt des Grafen Wilczek nach Spitzbergen und Nowaja-Semlja“. – Embacher (Friedrich Dr.). Lexikon der Reisen und Entdeckungen (Leipzig 1882, [122] Bibliographisches Institut, br. 12°.) S. 297 und 388. – Fremden-Blatt. Herausgegeben von Gust. Heine (Wien, 4°.) 1866, Nr. 179; 30. December 1876, Nr. 359, im Feuilleton: „Von Schloß Seebarn“. – Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber) 59. Bd. (1872), S. 27; 63. Bd. (1874), S. 290. – (Münchener) Allgemeine Zeitung, 2. Februar 1884, Nr. 33: „Die Wiener freiwillige Rettungsgesellschaft“. – Neue Freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1872, Nr. 2949: „Wilczek-Berg“; 1874, Nr. 3556 in der „Kleinen Chronik“. – Neue illustrirte Zeitung (Wien, Zamarski, kl. Fol.) 1875, S. 4. – Presse (Wiener polit. Blatt) 1870, Nr. 39.
Porträts. Holzschnittbildnisse in der „Illustrirten Zeitung“ 1872 und 1874. – Holzschnitt von Angerer im „Illustrirten Wiener Extrablatt“ 1872, Nr. 133. – Holzschnitt von Paar und Biberhofer nach Zeichnung von F. W.(eiß) in der (Wiener) „Neuen illustrirten Zeitung“ 1875. – Holzschnitt nach einer Zeichnung von (Muttenthaler?). [Der Graf in ganzer Figur, die Linke auf sein Gewehr gestützt, ihm zu Füßen der erlegte Eisbär] im „Daheim“. IX. Jahrg. (1873/74), S. 765.