BLKÖ:Wolny, Gregor

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
<<<Vorheriger
Wollrabe, Ludwig
Band: 58 (1889), ab Seite: 73. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
Gregor Wolny in der Wikipedia
Gregor Wolny in Wikidata
GND-Eintrag: 132136422, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Wolny, Gregor|58|73|}}

Wolny, Gregor (Geschichtsforscher und Geschichtsschreiber, geb. in der Stadt Freiberg in Mähren am 20. December 1793, gest. daselbst im Stifte Raygern am 3. Mai 1871). Der Sohn eines wohlhabenden Tuchmachers zu Freiberg, erhielt er in der Taufe den Namen Thomas, den er bei seinem Eintritt ins Kloster mit Gregor vertauschte. Mit reichen Geistesgaben ausgestattet, besuchte er 1805–1811 das Gymnasium in seiner Geburtsstadt mit ausgezeichnetem Erfolge. Schon damals lenkte Schwoy’s „Topographie von Mähren“ die Aufmerksamkeit des Jünglings auf die Geschichte seines Vaterlandes. 1811 begann er in Brünn die philosophischen Studien, wo Männer wie Hallaschka und Likawetz nicht ohne fördernden Einfluß auf den strebsamen Schüler blieben. Nach beendeten Vorbereitungsstudien ging er 1812 nach Olmütz, um sich dort, ebenso einem Zuge seines eigenen Herzens, wie dem sehnlichsten Wunsche seiner Mutter folgend, dem [74] geistlichen Stande zu widmen, in welchem infolge der Befreiungskriege, die alle wehrhafte Jugend zu den Waffen riefen, der Mangel an Priestern sich allgemein fühlbar machte. Auch das Benedictinerstift Raygern litt unter den erwähnten Verhältnissen, und dies umsomehr, als dasselbe nach einem 1809 mit dem Staate getroffenen Uebereinkommen aus seinen Ordensmitgliedern die Lehrkräfte zur philosophischen Lehranstalt in Brünn beizustellen hatte. Wolny, der 1813 bis 1815 sich für den geistlichen Stand vorbereitet hatte, trat 1816 in das Stift. Da er die theologischen Studien bereits beendet hatte, erhielt er am 29. März 1818 die heilige Weihe. Nun widmete er sich als Aushilfscooperator zu Kanitz der praktischen Seelsorge, da er sich aber schon vorher um eine Professur der Weltgeschichte beworben, wurde ihm mit Beginn des Schuljahres 1821 dieselbe nebst jener der Philologie am Gymnasium zu Brünn verliehen. Hier war der junge Priester an seinem rechten Platze, und bald sammelte er einen Kreis strebsamer Jünglinge um sich, welche, dem Meister folgend, an die Pflege der vaterländischen Geschichte gingen. Das von Wolny begründete „Taschenbuch für Geschichte Mährens und Schlesiens“ wurde das Organ dieses Kreises, und in den Jahrgängen 1826, 1827 und 1828 begegnen wir bereits jenen Männern, die später unter den Forschern in Mährens Geschichte obenan stehen, wie d’Elvert, Czikann, Körner, Schön und Andere. In diese Zeit fällt auch Wolny’s Bekanntschaft mit Freiherrn von Hormayr, mit dem er im regen Briefwechsel blieb, bis dieser Historiker in bayrische Dienste überging und feindselig gegen Oesterreich auftrat, und mit Dobrowsky, mit welchem ihn bald ein inniges Freundschaftsverhältniß verband. Da es damals an einem guten Lehrbuch der allgemeinen Weltgeschichte gebrach, arbeitete er ein solches aus und gab es in Druck. (Die bibliographischen Titel seiner wissenschaftlichen Arbeiten folgen am Schlusse der Lebensskizze.) Auch begann er mit den Vorarbeiten zur Verwirklichung seiner längst geplanten Idee, eine ausführliche Landeskunde Mährens zu schreiben. Zu diesem Zwecke unternahm er von 1830 ab Wanderungen nach allen Theilen des Landes, sammelte alle auf dessen Kenntniß bezügliche Materialien, und in stetem brieflichen Verkehr mit Männern, wie Hormayr, Boczek, Richter, Knoll und Anderen, lernte er das Gefundene und Gesammelte verwerthen, und so entstand allmälig seine topographisch-statistisch-historische Beschreibung von Mähren, durch welche Schwoy’s seinerzeit sehr verdienstliches Werk entbehrlich wurde. Indessen setzte er seine Wanderungen durch Mähren unablässig fort und gewann so die Materialien zu seinem zweiten Hauptwerke, der kirchlichen Topographie Mährens, einer Arbeit einzig in ihrer Art und wie eine zweite kein Kronland des Kaiserstaates bisher noch besitzt. Um aber die daran gewendete Mühe nur einigermaßen würdigen zu können, bemerken wir, daß Wolny nicht weniger denn 5000 Stück Urkunden des Kremsierer Archivs durcharbeitete, zu geschweigen der mehr als anderthalb Tausend des Olmützer Domcapitels, dessen Durchforschung ihm der geistvolle und edle Cardinal Erzbischof Freiherr von Sommerau-Böckh in liberalster Weise gestattete. Doch diese Arbeiten nahmen so sehr die Thätigkeit des gelehrten Priesters in Anspruch, daß er im April 1840 um Enthebung von seiner Professur ansuchte, [75] welche er durch nahezu zwanzig Jahre versehen hatte. Erst 1843 konnte seine Bitte gewährt werden, und sein Schüler P. Beda Dudik wurde der würdige Nachfolger in diesem Lehramte. Nachdem er sich nun in die Einsamkeit des Klosters zurückgezogen, übernahm er daselbst das Amt eines Novizenmeisters mit der Würde des Subpriors. Jedoch setzte er mit unablässiger Sorgfalt die Veröffentlichung seiner kirchlichen Topographie fort, die er auf eigene Kosten drucken ließ, und von welcher der letzte Band im Jahre 1866 erschien. Von da ab ruhte die Feder des gelehrten Greises, bis er ungetrübten Geistes im Alter von 78 Jahren der Natur ihren Tribut zollte. Wolny’s theils in periodischen Sammelwerken, theils selbständig erschienene Arbeiten sind nach ihren Titeln: a) die selbständigen: „Taschenbuch für Geschichte Mährens und Schlesiens“, 3 Jahrgange (Brünn 1826, 1828 und 1829, gr. 12°.); dasselbe brachte von Anfängern, die sich darin ihre ersten Sporen verdienten und deren Namen oben in der Lebensskizze genannt sind, und von bereits anerkannten Forschern, wie Boczek, Heinrich, Richter, Monographien erlauchter Familien des Landes, wie der Pernstein, Schaffgotsche, Zierotin, dann historische Skizzen aus der Profan- und Kirchengeschichte, sowie aus der vaterländischen Sagenwelt u. d. m.; – „Geschichte des Benedictinerstiftes Raigern in Mähren“ (Prag 1829, J. A. Pospišil, 4°., 31 S.); – „Lehrbuch der allgemeinen Weltgeschichte, mit steter Rücksicht auf die Fortschritte in den Wissenschaften und Künsten, mit 3 synchronistisch-ethnographischen Tabellen“ (Wien 1830, Fr. Ullrich, 8°., 572 S.); – „Die königl. Hauptstadt Brünn und die Herrschaft Eisgrub sammt der Umgebung der letzteren, topogr., statist, und historisch geschildert“ (Brünn 1836, R. Rohrer, 8°., 147 S.); – „Die Markgrafschaft Mähren, topogr., statist, und historisch geschildert“, 6 Bände (Brünn 1835–1842, R. Rohrer, gr. 8°., 486, 434 und 587, 582, 552, 912, 770 S.), mit einem Anhang: „Syllabus dominiorum et locorum et mappa“, 58 S.; das nach der damaligen Kreiseintheilung des Landes abgetheilte Werk hat Wolny seinem Mäcen, dem obersten Kanzler Anton Friedrich Grafen Mittrowsky gewidmet; – „Kirchliche Topographie von Mähren, meist nach Urkunden und Handschriften:“, 9 Bände. Erste Abtheilung: Erzdiöcese Olmütz, 5 Bände, 8°., 454, 484, 480, 398 und 366 S.; zweite Abtheilung: Diöcese Brünn, 4 Bände, 8°., 470, 436, 512 und 362, Generalindex 64 S. (Brünn 1855–1866, Fr. Gastl auf eigene Kosten), Wolny’s Haupt- und ein wahres Musterwerk; eine Fundgrube für Mährens Cultur-, Kirchen-, Personen- und Kunstgeschichte, das Ergebniß wahren Bienenfleißes und sorgfältigster Durchsicht von vielen tausend Urkunden; b) in periodischen Sammelwerken: in der „Zeitschrift der k. k. mährisch-schlesischen Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues“, 1821: „Ueber die Verdienste, welche die Stifte um die Urbarmachung Deutschlands gehabt“; – 1823: „Begründung und Ausbreitung des Christenthums, sowie Verbreitung der Benedictiner in Mähren“; – in Hormayr’s „Archiv für Geschichte u. s. w.“ 1822, Nr. 54 und 57: „Gelehrte Mitglieder der Benedictinerabtei Raigern“, Nr. 101: „Wissenschaftliche Leistungen der mährischen Abteien unter Franz I.“ (Raigern und Neureisch]. – 1826, Nr. 89 und 90: „Erläuterung des Stiftsbriefes von Raigern“; – in den „Sitzungsberichten der k. Akademie [76] der Wissenschaften philosophisch-historischer Classe“, VI, 26: „Bericht über d’Elvert’s Geschichte von Iglau und dessen historische Literaturgeschichte von Mähren und Schlesien“; – VIII, 112: „Excommunication des Markgrafen Prokop von Mähren im Jahre 1399“; – „Inventarium der Olmützer Domkirche vom Jahre 1435“; – „Urkundliche Beiträge zur Geschichte von Mähren, Böhmen, Ungarn und Oesterreich“; – IX, 222: „Urkundenverzeichniß zur Geschichte von Böhmen, Mähren, Ungarn u. s. w.“. Sein Nachlaß enthielt aber mehrere ungedruckte Arbeiten, die sich auf die Geschichte von Mähren und Schlesien beziehen. Diese reiche wissenschaftliche Thätigkeit fand auch höchsten Ortes und in gelehrten Kreisen verdiente Würdigung. Schon im Gründungsjahre 1822 hatte ihn auf Chmel’s Empfehlung die mährisch-schlesische Gesellschaft für Natur- und Landeskunde in die Reihe ihrer ersten Mitglieder gewählt; 1840 that dasselbe der Verein für Geschichte der Mark Brandenburg; 1844 folgte die Wahl in die königlich dänische Gesellschaft für nordische Alterthumskunde in Kopenhagen; 1848 die Wahl zum correspondirenden Mitgliede der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften; die Universität Prag schickte ihm das Ehrendoctordiplom der Philosophie; der Bischof von Brünn ernannte ihn zum Titularconsistorialrathe; Seine Majestät der Kaiser verlieh ihm 1850 das Ritterkreuz des Franz Josephordens, und anläßlich seines fünfzigjährigen Priesterjubiläums wurde Wolny zum wirklichen Consistorialrathe und zum kaiserlichen Rathe ernannt. Bei dieser Gelegenheit überreichte ihm ein Comité, das aus den Herren Julius Ritter von Schröckinger-Neudenberg, Domcapitular Augustin Kiowsky, Hofrath Dr. Anton Ritter von Beck und Oberlandesgerichtsrath Dr. Jos. von Beck bestand, ein prachtvolles Album, welches die Lichtbilder aller seiner damals noch lebenden Schüler – 700 an der Zahl – enthielt; die mährisch-schlesische Gesellschaft für Ackerbau übergab dem Jubelgreise ein von Rabending meisterhaft ausgeführtes Porträt; seine Ordensmitglieder widmeten ihm einen lateinischen Odencyclus, und seine Vaterstadt Freiberg übersandte ihm durch eine eigene Deputation das Ehrenbürgerdiplom. Ueberdies hatte Wolny im Laufe der Jahre noch Diplome verschiedener gelehrter, und wissenschaftlicher Vereine und Gesellschaften erhalten.

Oesterreichischer Volksfreund (Wiener polit. Blatt. Fol.) 1868, Nr. 212 im Feuilleton: „Ein gelehrter Priester“. Von M. K. – Die feierliche Sitzung der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften am 30. Mai 1871 (Wien, Staatsdruckerei, 8°.) S. 31. – d’Elvert (Christian Ritter). Geschichte der mährisch-schlesischen Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde, mit Rücksicht auf die bezüglichen Culturverhältnisse Mährens und Oesterreichisch-Schlesiens (Brünn 1879, M. Rohrer, Lex.-8°.) in den Beilagen, S. 342. – Derselbe. Historische Literaturgeschichte von Mähren und Oesterreichisch-Schlesien (Brünn 1850, R. Rohrer’s Witwe, gr. 8°.) S. 333, 339, 343, 351 bis 355, 489. – Derselbe. Geschichte des Bücher- und Steindruckes, des Buchhandels, der Büchercensur und der periodischen Literatur, sowie Nachträge zur Geschichte der historischen Literatur in Mahren und Oesterreichisch-Schlesien (Brünn 1854, R. Rohrer’s Erben, gr. 8°.) S. 306. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1852, 8°.) Bd. VI, S. 186. – Gratzer Volksblatt, 1868, Nr. 100. – Přecechtel (Rupert M.). Rozbled dejin českoslovanské literatury a životopisy českoslovanských výtečníkův, d. i. Ueberblick auf die Geschichte der čechoslavischen Literatur und Lebensbeschreibungen čechischer Koryphäen. Zweite Ausgabe [77] (Kremsier 1872, Joseph Sperlin, 12°.) Seite 243.
Porträt. Unterschrift: „Gregor Wolny, | Professor der Weltgeschichte | in | Brünn“. Unter dem Bildrande: Nach der Natur gezeichnet von L. Burckart. In Stahl gest. von Franz Xav. Eißner in Wien (8°.) [nicht häufig].