Beschreibung des Oberamts Backnang/Kapitel B 10

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Groß-Erlach,

Gemeinde II. Kl. mit 819 Einw., wor. 8 Kath. a. Groß-Erlach, Pfarrdorf, 261 Einw., b. Erlach, Glashütte, Weiler, 57 Einw , c. Klein-Erlach, Weiler, 39 Einw., d. Liemersbach, Weiler, 315 Einw., e. Mittel-Fischbach, Weiler, 43 Einw., f. Ober-Fischbach, Weiler, 48 Einw., g. Unter-Fischbach, Weiler, 26 Einw. – Ev. Pfarrei; die Kath. sind nach Oppenweiler und die ev. Einwohner von Unter-Fischbach nach Sulzbach eingepfarrt. 31/4 Stunden nordöstlich von der Oberamtsstadt gelegen.

Hoch auf den südlich vom Roththal gelegenen Vorhöhen des Mainhardter Waldes liegt an sommerlichem gegen Südost geneigtem Hange, längs der Staatsstraße hin, das reinliche Örtchen mit seinen netten niederen Bauernhäusern. Schöne Obstbäume, namentlich Nußbäume, umsäumen das friedliche Dorf. Auf der südlich gelegenen „Schanze“ überblickt man einen großen Theil des Landes. In der sog. Mordklinge, einer tiefeingerissenen Keuperschlucht, trifft man Felsen und kleine Wasserfälle.

Die frei am Westende des Dorfes gelegene, 1857 nach dem Entwurf des Bauraths Nieffer in sehr ansprechendem Rundbogenstile ganz aus trefflichen Sandsteinen erbaute Kirche hat auf dem Westgiebel einen steinernen Dachreiter und gegen Osten eine schöne hohe Apsis. Auch das Innere, dreischiffig mit hölzernen Pfeilern, welche die Emporen und die hübsche flache Holzbalkendecke tragen, macht einen recht angenehmen Eindruck. Die Fenster haben farbige Scheiben, das Gewölbe der Chornische ist mit goldenen Sternen auf blauem Grunde geschmückt, auch Orgel, Kanzel und Stuhlwerk sind sehr hübsch gehalten. Die zwei Glocken sind neu und von Neubert in Ludwigsburg gegossen. Die Unterhaltung der Kirche hat der Staat, der sie auch erbaute.

Der Friedhof ward 1849 außerhalb des Ortes angelegt.

Das zweistockige, 1860 ganz aus Sandsteinen erbaute, sehr freundliche Pfarrhaus steht westlich bei der Kirche in einladendem Gärtchen. Seine Unterhaltung hat ebenfalls der Staat; die Gemeinde schießt jährlich für Kirche und Pfarrhaus 30 fl. zu. Das Schulhaus, früher ein Bauernhaus, enthält ein Lehrzimmer und die Wohnung des Schulmeisters. Das sehr hübsche Rathhaus ward 1848 erkauft und zu seinem gegenwärtigen Zweck eingerichtet.

Gutes Trinkwasser liefern 9 Pumpbrunnen; in trockenen Jahrgängen tritt Mangel ein und das Wasser muß dann aus der | 1/2 Stunde entfernten Roth geholt werden. Die Markung ist reich an guten Quellen; dann fließt darüber der Fuchsbach, der Fischbach, der Dachsbach, das Heubächle und der Großerlachbach und an der Grenze hin die Roth, die zuweilen verheerend austritt. In der Richtung gegen Oberfischbach, sowie südlich beim Ort sind Hungerbrunnen. Ferner besteht der einen Morgen große Fuchsbachsee, der abgelassen werden kann, früher bestanden mehrere Weiher, die jetzt in Wiesengrund verwandelt sind. Ein Feuersee liegt am Ort.

Die Staatstraße von Backnang nach Hall geht hier durch, über die Glashütte führt eine Vicinalstraße nach Grab. Über die Roth geht eine steinerne vom Staat zu unterhaltende Brücke und ein hölzerner Steg.

Die im allgemeinen kräftigen Einwohner, von denen gegenwärtig zwei über 80 Jahre zählen, sind fleißig und ordnungsliebend, was bei den unter Staatsaufsicht stehenden Liemersbachern weniger zutrifft.

Haupterwerbsquellen sind Feldbau und Viehzucht, Gewerbe werden wenig betrieben; fünf Leineweber befinden sich hier, dann ein Glasschleifer und ein Glasgraveur; letztere arbeiten auch nach außen. In Liemersbach bestehen 3 Wichseschachtelfabriken mit einem jährlichen Umsatz von 8000 fl., dann ist dort eine Mahlmühle mit zwei Mahlgängen und einem Gerbgang, und eine Sägmühle mit Loch- und Rundsäge und einer Hanfreibe; ferner besteht in Mittelfischbach eine Mahlmühle mit zwei Mahlgängen und einem Gerbgang, dazu ein kleines Mühlwerk mit einem Mahlgang, einer Hanfreibe und einer Glasschleiferei. Im Mutterort sind 4 Schildwirthschaften und 2 Kaufläden, in Liemersbach eine Schildwirthschaft. Die Vermögensverhältnisse sind mit Ausnahme von Liemersbach und Ober-Fischbach befriedigend; der Besitz des Höchstbesteuerten (auf der Glashütte) beträgt 160 M. Feld und 100 M. Wald, der des Mittelmauns 50, der ärmeren Klassen 5–6 Morgen. Auf angrenzenden Markungen besitzen hiesige Bürger etwa 60 Morgen. Gemeindeunterstützung erhalten in Groß-Erlach eine, in Liemersbach zwei Personen.

Die nicht große Gemeidemarkung ist mit wenig Ausnahmen sehr bergig und von Thälern und Schluchten vielfach durchzogen; ihr mittelfruchtbarer Boden besteht meist aus den thonigen, schweren Zersetzungen der oberen Keuperletten, theilweise auch aus den Zersetzungen des weißen Stubensandsteins und des untern Liassandsteins. Ein Steinbruch ist im Stubensandstein angelegt. Töpferthongruben, die sehr gutes Material, namentlich auch für die Thonwarenfabrik in Bietigheim liefern, sind in den Stumpfenäckern, Steinbuckeläckern und Hüttenwiesen angelegt; sie tragen den Besitzern erkleckliche Summen ein.

Das Klima ist rauh und die Nächte sind auch den Sommer über kühl; schädliche Frühlingsfröste und kalte Nebel kommen häufig | vor, auch ist die Gegend heftigen Winden sehr ausgesetzt, dagegen gehört Hagelschlag zu den Seltenheiten. Die Anhöhe westlich vom Ort bildet eine Wetterscheide.

Von Halmfrüchten werden Haber, Dinkel und Roggen gebaut, von Brach- und Handelsgewächsen besonders Kartoffeln, dreiblättriger Klee, dann Flachs und Hanf, jedoch nur für den eigenen Bedarf. Hopfen werden in Erlach-Glashütte gebaut. In manchen Jahren müssen noch etwa 50 Scheffel Getreidefrüchte von außen bezogen werden.

Der Wiesenbau ist ausgedehnt und liefert mittelgutes, zum Theil auch saures Futter; von den 1–2mähdigen Wiesen können nur 5 Morgen bewässert werden.

Die Obstzucht ist im Zunehmen; das Obst geräth gerne, man pflegt Luiken und Bietigheimer, ferner Knausbirnen, Bratbirnen, Eierbirnen, auch Zwetschgen.

Die Gemeinde hat auf Allmanden etwa 700 Obstbäume pflanzen lassen, die jedoch noch zu jung sind, um einen erheblichen Ertrag abzuwerfen. In günstigen Jahrgängen können von dem Obst etwa 500–600 Simri ausgeführt werden.

Von Waldungen besitzt die Gemeinde nur 10 Morgen. Dagegen sind etwa 1000 Morgen Privatwaldungen vorhanden, die sowohl auf Groß-Erlacher, als auch aus Ober-, Mittel- und Unter-Fischbacher Markung liegen.

Das Weiderecht ist im Streite mit dem Fürsten von Löwenstein; etwa 15 Morgen sind unentgeltlich verliehen. Die vorhandenen Gemeindegüter sind um etwa 20 fl. jährlich verpachtet.

Der Pferdebestand ist unbedeutend; die Rindviehzucht dagegen in sehr gutem Zustande und bildet einen besonderen Erwerbszweig; man hält die Simmenthaler Race und einen Simmenthaler Farren. Mit Vieh wird lebhafter Handel getrieben.

Das Fischrecht in der Roth und den Zuflüssen hat der hiesige Schultheiß Rösler und Kronenwirth Bilfinger. Es gibt Forellen, auch Edelkrebse; der Absatz geht nach Hall.

In Liemersbach besteht die Johann David Schuler’sche Stiftung mit 700 fl., wovon die Zinsen an arme Kranke vertheilt werden müssen.

Das fürstliche Haus Löwenstein-Wertheim-Rosenberg besitzt heutzutage auf Groß-Erlacher Markung noch 110 Morgen Waldungen als Mannlehen.

Etwa 1/4 Stunde südöstlich von Groß-Erlach wird eine Flur „auf der Schanz genannt“; Spuren von Verschanzungen finden sich keine. Im Walde Dörnicht soll es geisten.

Zu der Gemeinde gehören:

| b) Erlach, Glashütte, 1/2 Stunde südöstlich vom Mutterort gelegen. Näheres s. unten.

c) Klein-Erlach, auch Unter-Gmachreich genannt, liegt 1/4 Stunde nordwestlich von Groß-Erlach, gehört theilweise zu Groß-Erlach und theilweise zu Neufürstenhütte (s. unten).

d) Liemersbach, hat 1/2 Stunde östlich von Groß-Erlach eine freie Lage oben an dem Thalabhang gegen die Roth. Der unter Staatsaufsicht stehende Ort ist unbemittelt und die Einwohner, die zusammen nur etwa 150 Morgen Feld besitzen, suchen hauptsächlich durch Taglohnarbeit ihr spärliches Auskommen zu sichern. Eine Schule, an der ein Lehrer unterrichtet, ist vorhanden.

e) Ober-Fischbach, auch Gmachreich genannt, liegt nur 1/4 Stunde westlich von Groß-Erlach, die Einwohner sind ganz unbemittelt und nähren sich meist durch Taglohnarbeit.

f) Mittel-Fischbach, auch Ranzenhof genannt, liegt abgeschieden im engen, waldigen Fischbachthal, 1/2 Stunde südwestlich vom Mutterort und

g) Unter-Fischbach, nur 1/8 Stunde unterhalb letzteren Orts.

Wenn in der Urkunde vom 2. Jan. 1441, in welcher die Grafen Georg und Heinrich von Löwenstein ihre Grafschaft an Kurpfalz verkaufen (Act. Theod. palat. 3, 366), zwischen Trauzenbach und Berwinkel auch „das Weiler Erbach ein Theil“ aufgeführt wird, so kann hier wohl nur an eines der beiden Erlach gedacht werden, welche zu Ende des vorigen Jahrhunderts auch unter dem Namen Ober- und Unter-Erlach vorkommen. Auch in der Folge gehörten Groß- und Klein-Erlach, die Glashütte und Liemersbach zur Grafschaft Löwenstein und bildeten einen Bestandtheil der Gemeinde Sulzbach; jedoch erscheint in Staatshandbüchern des vorigen Jahrhunderts Klein-Erlach oder Neu-Erlach auch als Theil des Böhringsweiler Stabs vom Amt Weinsberg, es ist dies wohl derselbe Theil von Klein-Erlach, welcher im Staatshandbuch von 1835 und seit dieser Zeit mit der Gemeinde Neufürstenhütte vereinigt vorkommt.

Den 13. Mai 1848 wurde aus Groß-Erlach in Verbindung mit dem bisher mit Sulzbach vereinigten Theile Klein-Erlachs, der Glashütte und Liemersbach, sowie den früher zum Amte, beziehungsweise zur Gemeinde Reichenberg gehörig gewesenen drei Fischbach eine eigene politische Gemeinde gebildet. Daran schloß sich den 19. Dec. 1854 die Errichtung der Pfarrei Groß-Erlach. Die Bestandtheile derselben gehörten bisher theilweise in die Pfarrei Sulzbach: Groß-Erlach, die Hälfte von Klein-Erlach, die Glashütte, Ober- und Mittel-Fischbach (Unter-Fischbach blieb bei der Pfarrei Sulzbach) und Liemersbach, theilweise in die Pfarrei Wüstenroth, Dek. Weinsberg: Neufürstenhütte und die Hälfte von Klein-Erlach. Anfänglich von | einem ständigen Pfarrverweser versehen, wurde die Pfarrstelle im Spätjahr 1861 zu einer definitiven erhoben.

Die Erlacher Glasfabrik, die Grundlage der Parzelle: Erlacher Glashütte, ist i. J. 1737 erbaut worden und war eine Reihe von Jahrzehnten im Besitz der Familie Wenzel, bis sie in neuerer Zeit auf Kaufmann Rominger von Stuttgart überging; sie ernährte 100 Arbeiter und hat viele Fremde, darunter die auf der Hütte und in Liemersbach wohnenden Katholiken hereingezogen. Im März 1865 wurde sie von Rominger nach Zuffenhausen verlegt, was den Abgang von 6 Familien mit 26 Personen in der Glashütte und von 11 Familien mit 49 Personen in Liemersbach zur Folge hatte.

Liemersbach, in früherer Zeit auch Lämmersbach geschrieben und bisweilen unter dem Namen Ludwigshof vorkommend, wurde erst im Jahr 1726 gegründet, damals siedelten sich 3 Familien an, die, wie auch ihre Nachkommen und solche, die sich später hier niederließen, bis zum Jahr 1817 Leibeigene der Grafen v. Löwenstein waren. Die Ansiedlung wurde dadurch ermöglicht, daß die Grafen v. Löwenstein den Bewohnern allmählig Wald zur Ausrodung anwiesen, und zwar in den Jahren 1753, 1768, 1773 und 1797; nach diesen Jahrgängen werden auch die Felder benannt. Das fürstliche Haus Löwenstein-Wertheim-Freudenberg besitzt heutzutage noch über 200 Morgen Waldes auf Liemersbacher Markung, welche zum Fideicommiß dieses Hauses gehören.

Unter den von Württemberg mit der Feste Reichenberg i. J. 1439 an die Gebrüder Nothaft verpfändeten und i. J. 1455 an Erenfried von Schöchingen als Lehen hinausgegebenen Besitzungen wird auch Fischbach aufgeführt; es war dies nach dem Lagerbuch von 1528 ein einiger Hof, welcher mit aller Ober- und Herrlichkeit Württemberg zustund und in das Reichenberger Amt gehörte. Um 1568 wurde hier (in Mittel-Fischbach) auf herrschaftlichem Boden eine Glashütte angelegt, welche längere Zeit im Erblehensbesitze der Familie Greiner war und mit welcher am Ende des 16. Jahrhunderts auch eine Mahl- und Stampfmühle verbunden wurde, allein sie war nach Andreäs Landbuch von 1736/44 bereits vor vielen Jahren eingegangen.

Das Kloster Murrhardt hatte zu Erlach den großen Fruchtzehenten, trat ihn jedoch in einem Vergleiche vom 1. Sept. 1595 an die Grafen von Löwenstein ab; dasselbe und die Vogtei Backnang hatten ihn auch zu Fischbach. Den kleinen und den lebendigen Zehenten zu Erlach und zu Fischbach, sowie gewisse Gülten für den Heuzehenten in ersterem genoß die Pfarrei Sulzbach wegen obigen Klosters (Lagerb. von 1698/1710). Zu Liemersbach war der große Zehente löwensteinisch, den kleinen Zehenten aus dem alten Feld bezog | die Pfarrei Sulzbach vom Kloster Murrhardt her, denjenigen aus dem neuen Feld Löwenstein.


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