Beschreibung des Oberamts Backnang/Kapitel B 17

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Neufürstenhütte,

Gemeinde III. Kl. mit 347 Einw., wor. 1 Kath. a. Neufürstenhütte, Dorf, 316 Einw., b. Klein-Erlach, Weiler, 31 Einw. – Filial von Groß-Erlach; die Kath. sind nach Oppenweiler eingepfarrt. 4 Stunden nordöstlich von der Oberamtsstadt gelegen.

Der kleine Ort liegt zerstreut auf einsamer rauher Höhe zwischen den Thälern der Roth, des Rabbaches und des Großerlachbaches. Verschiedene kleine Bäche, zu einem Zufluß des Großerlachbaches | sich sammelnd, durchfurchen in leichten Thälchen diese Höhe, auf der gegen Westen der Wald bis nahe an die einfachen mit rothangestrichenen Brettern vertäfelten Holzhäuser herantritt, daneben aber gedeihen noch viele Obstbäume um das Dorf her. Der Ort ist nach Groß-Erlach eingepfarrt; ein Friedhof ward 1865 außerhalb angelegt. Das in einem Gebäude vereinigte, 1842 erbaute Rath- und Schulhaus enthält neben den Gemeinderathsgelassen ein Lehrzimmer und die Wohnung des Schulmeisters. Eine Industrieschule für Mädchen besteht auf Kosten des Staats.

Gutes Trinkwasser liefern hinreichend ein durch eine Leitung von Thonröhren laufender Brunnen, ein Schöpf- und 6 Pumpbrunnen. Auch auf der Markung gibt es verschiedene lautere Brunnquellen, dann fließen darüber die Roth, der Rabbach und einige ganz kleine Bäche. Ein künstlicher Weiher besteht im Ort.

Eine Vicinalstraße führt von hier nach Groß-Erlach.

Die Einwohner sind ein schöngewachsener gesunder Menschenschlag. Ihre Haupterwerbsquelle ist neben dem Feldbau und der Viehzucht der Besenhandel, der gerade keinen günstigen Einfluß auf den Charakter der Bewohner ausübt. Außer Besen werden auch viele Schindeln verfertigt; der Absatz, geht meist nach Stuttgart und Umgegend; auch wird noch Weberei, Schusterei und Schreinerei betrieben. Zwei Schildwirthschaften und zwei Kramläden bestehen.

Die Vermögensverhältnisse sind meist wenig befriedigend, der reichste Bürger besitzt 25 Morgen Feld und ebensoviel Wald, der Mittelmann 15 Morgen Feld und 6 Morgen Wald, der ärmere 2 Morgen Feld.

Auf den angrenzenden Markungen von Vorder-Büchelberg, Groß-Höchberg und Altfürstenhütte besitzen die Ortsbürger etwa 200 Morgen, meistens Wald.

Die kleine, ganz am nördlichen Ende des Oberamtsbezirks gelegene Markung bildet eine von Thälchen und Rinnen mäßig durchfurchte Hochebene und hat größtentheils einen unergiebigen, mageren Sandboden, der mit wenig Ausnahme aus den Zersetzungen des Stubensandsteins besteht.

Das Klima ist rauh und wegen der hohen Lage die Luft meist bewegt, nicht selten stürmisch; auch schaden zuweilen Frühlingsfröste, dagegen kommt Hagelschlag selten vor. Es ist daher die Landwirthschaft etwas zurück und von landwirthschaftlichen Neuerungen haben nur die Brabanter- und Suppinger Pflüge Eingang gefunden, auch eine Walze ist im Ort und die Düngerstätten sind meist nach besseren Grundsätzen angelegt.

Vorherrschend werden gebaut Roggen, Haber und Gerste, weniger Dinkel, Einkorn und Weizen; dann Kartoffeln, etwas Flachs, Hanf und Wicken. Früchte müssen noch von außen bezogen werden.

| Der Wiesenbau ist nicht beträchlich, das Futtererzeugniß gering, theilweise sauer; die Wiesen sind einmähdig, mit Ausnahme von etwa 10 Morgen, die bewässert werden können. Futter wird noch zugekauft.

Schöne Baumgärten sind vorhanden und die verhältnißmäßig ausgedehnte Obstzucht ist im Zunehmen; es gerathen vorzugsweise Luiken, Holzbirnen, Zwetschgen. Die Jungstämme werden durch den landwirthschaftlichen Verein in Backnang bezogen. Das Obst wird theils vermostet, theils gedörrt; in guten Jahren verkauft man 400 bis 500 Simri nach außen.

Es gibt hier keine Schafweiden, nur Ödungen, die zum Theil als Wald angelegt sind.

Die Rindviehzucht ist wegen Futtermangels und wegen der Armut der Einwohner nicht bedeutend, man bezieht das Vieh meist aus dem Bayerischen; im Spätjahr wird es ausgetrieben; etwas Handel findet auf benachbarten Märkten statt.

Von Stiftungen besteht hier seit 1854 die J. D. Schuler’sche Stiftung für Ortsarme, welche, ursprünglich 500 fl. betragend, bereits nach der 1867 gestellten Rechnung auf 1092 fl. 42 kr. angewachsen ist. Die Zinsen werden nach vorangegangenem kirchenkonventlichem Beschluß unter die Ortsarmen vertheilt.

Neufürstenhütte verdankt seine Entstehung einer in den Jahren 1695 und 1696 hier errichteten Glashütte, welche ihren Namen im Gegensatze zu Altfürstenhütte (O.A. Weinsberg) erhielt. Im Jahre 1771 wurde dem verstorbenen Glasfabrikanten Melchior Wenzel vergantet und hörte die Glashütte auf. Der aus Veranlassung dieser Hütte entstandene Ort gehörte ursprünglich zum Amte Böhringsweiler, wurde nach dessen Auflösung im Jahr 1812 dem Gemeindebezirk Spiegelberg (O.A. Backnang) zugetheilt und 1820 zu einer eigenen politischen Gemeinde erhoben. Er war früher Filial der Pfarrei Wüstenroth, wurde aber im Jahr 1854 der neugegründeten Pfarrei Groß-Erlach zugetheilt.

Die früheren Lehengefälle der v. Gemmingenschen Herrschaft zu Maienfels allhier sind jetzt abgelöst.

Zu der Gemeinde gehört:

b. Klein-Erlach, d. h. die nördliche Hälfte des Weilers Klein-Erlach, nur 1/8 Stunde südlich vom Orte gelegen; dieselbe erscheint schon im Jahr 1835 mit ihm vereinigt, während die südliche Hälfte des Weilers damals bei der Gemeinde Sulzbach, zu welcher er früher gehörte, blieb und seit 1848 zur Gemeinde Groß-Erlach gehört.


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