Beschreibung des Oberamts Backnang/Kapitel B 18
« Kapitel B 17 | Beschreibung des Oberamts Backnang | Kapitel B 19 » | |||
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
| |||||
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
Gemeinde II. Kl. mit 953 Einw., wor. 2 Kath. a. Oberbrüden, Pfarrdorf, 529 Einw., b. Heslachhof, Weiler, 45 Einw., c. Mittelbrüden, Weiler, 187 Einw., d. Rottmannsberg, Weiler, 85 Einw., e. Schmollenmühle, Haus, 11 Einw., f. Tiefenthal, Haus 14 Einw., g. Trailhof, Weiler, 52 Einw., h. Trailhöfle, Haus, 11 Einw., i. Utzenhof, Haus, 19 Einw. – Ev. Pfarrei; die Kath. sind nach Ebersberg eingepfarrt. 11/2Stunden östlich von der Oberamtsstadt gelegen.
Im freundlichstillen, gegen Westen von sanft ansteigenden Feldungen, gegen Osten und Norden von bewaldeten Hügeln umkränzten Wiesenthale des südwärts ziehenden Brüdenbaches liegt Oberbrüden, ein schönes, reinliches, von üppigen Obstbäumen umgebenes Dorf. Die nahen Höhen, der obere Berg bei Oberbrüden, der Trailberg beim Trailhof, dann die Höhe im Eisach beim Hof Rottmannsberg u. s. w. gewähren einen Blick an die ganze Kette der schwäbischen Alb und westwärts bis an die Solitüde.
Die Kirche steht mitten im Ort hart am Bache, der bei seinem Anschwellen ihren Boden unter Wasser setzt, und gleicht mit ihrer Niedrigkeit und den unregelmäßigen Reihen ihrer Fensterchen auffallend einem gewöhnlichen zweistockigen Bauernhause; sie war vor 120 Jahren noch eine Kapelle und wurde durch Anbauten einigemale vergrößert; über dem vieleckigen Chorschlusse erhebt sich ein hölzerner achteckiger Thurm, der im Jahre 1866 um 10′ erhöht und mit einem Zeltdache versehen wurde. Am Südeingang steht 1724. Das flachgedeckte, starkverbaute Innere besitzt ein sehr altes Krucifix, einen schönverzierten gothischen Taufstein mit der später eingemeißelten Jahreszahl 1583 und an der Südwand ein hübsches gemaltes Renaissance-Epitaphium (vom Jahr 1582) der Gertrud, Gemahlin des Thomas Birckh, Pfarrers der Zeit zu oberen Brid. Er und seine Gemahlin und ihre sechs Kinder knieen vor dem Gekreuzigten. Am Schalldeckel der Kanzel steht 1672. Auf dem Thurm hängen zwei verzierte Glocken mit der Inschrift: Gottlib Jakob Rechlen gos mich in Stuttgardt. Anno 1745. Die Unterhaltung der Kirche ruht auf der Stiftungspflege. Der 1843/44 um die Hälfte vergrößerte Friedhof liegt nordöstlich vom Ort auf mäßiger Anhöhe; hier stand die früher zum Sonntagsgottesdienst benützte ziemlich ansehnliche Todtenkirche, sie wurde aber als baufällig 1812 und 1813 abgebrochen, ihr Thurm erst 1834.
Das schöne, große, zweistockige, von einem Garten umgebene Pfarrhaus wurde 1793/94 erbaut und ist vom Staat zu unterhalten. Das Rathhaus, früher im Privatbesitz, ward 1841 erbaut. Das Schulhaus enthält 2 Lehrzimmer und die Wohnung des Schulmeisters; außer diesem unterrichtet noch ein Lehrgehilfe. Auf der Gesamtmarkung stehen 2 Keltern mit je einem Baum; die in Oberbrüden hat auch eine Presse.
| Sehr gutes Wasser liefern stets hinlänglich: für Oberbrüden 4 laufende Brunnen, deren Wasser durch hölzerne Deuchel geleitet wird, 5 Pump- und ein Schöpfbrunnen; in Mittelbrüden 8 Pump- und 5 Schöpfbrunnen; auf dem Heslachhofe 3 Pumpbrunnen; auf Rottmannsberg 3 Schöpfbrunnen, dem Trailhof 4 Pumpbrunnen und ein laufender; in Tiefenthal ein Pumpbrunnen, auf dem Utzenhof ein laufender und auf der Schmollenmühle ein Pumpbrunnen. Auch die Markung ist ziemlich reich an guten Quellen, die bedeutendste der kalte Bronnen, der im Staatswald Mangoldshölzle entspringt, dann der Heslachbach, ferner drei Nebenquellen des kalten Bronnens, der Altenhau-, Krebs- und Widdumbach, dieser und der Heslachbach fließen im Orte zusammen und bilden von da an den Brüdenbach; von Westen her kommt noch der in heißen Jahrgängen versiegende Warzenbach und bei Mittelbrüden der Ziegelgraben. Hungerbrunnen kommen einige vor, dann sind 3 kleine Weiher auf der Markung, die abgelassen werden können, einer im Pfarrgarten, einer auf dem Trailhof und einer bei Rottmannsberg. Früher lag ein See am Widdumbache.Vicinalstraßen gehen nach Murrhardt, Sechselberg, Steinbach und Unterbrüden. Auf der Markung des Mutterortes bestehen 6 steinerne Brücken und eine hölzerne, ferner ein steinerner und zwei hölzerne Stege; dann beim Heslachhof eine steinerne Brücke, sie gehen sämtlich über den Kaltenbronnen oder den Heslachbach. In Mittelbrüden führen 2 hölzerne Stege über den Brüdenbach. Die Unterhaltung hat die Gemeinde.
Die im allgemeinen fleißigen und sparsamen Einwohner sind ziemlich kräftige Leute, von denen gegenwärtig 4 über 80 Jahre zählen; der frühere häufigere Kretinismns beschränkt sich jetzt nur noch auf 6 Personen, die in einem Alter von 40–60 Jahren stehen.
Haupterwerbsquellen sind Feldbau, Viehzucht, Obst- und Weinbau; die nöthigsten Handwerker sind vorhanden, von denen Schreiner und Weber theilweise auch nach außen arbeiten. In Mittelbrüden besteht eine kleine Ziegelei, zwischen Ober- und Mittelbrüden die Schmollenmühle mit 2 Mahlgängen und einem Gerbgang. Dann sind im Mutterort 2 Schildwirthschaften und 2 Kramläden.
Die Vermögensverhältnisse gehören zu den mittleren: die reichsten Bürger (sie wohnen auf den Parzellen) besitzen 30–50 Morgen Feld und 20–30 Morgen Wald, der Mittelmann 10–20 Morgen Feld, die ärmeren 1–10 Morgen Feld, einige haben auch gar keinen Grundbesitz. Gemeindeunterstützung erhalten in Oberbrüden 18, in der Gesamtgemeinde im Ganzen 23 Personen.
Die mittelgroße Gemeindemarkung, von der indessen ein namhafter Theil aus Wald besteht, ist mit Ausnahme des westlichen Theils und einiger, wenig ausgedehnter Hochplatten sehr bergig und | hat im allgemeinen einen mittelfruchtbaren bis guten Boden, der, soweit er für den Feldbau benützt wird, in Oberbrüden theils aus den schweren, thonreichen Zersetzungen des unteren Keupermergels, theils aus Lehm besteht, während auf den hochgelegenen Parzellen Rottmannsberg und Trailhof ein etwas magerer sandiger Boden (Zersetzung des weißen Stubensandsteins) erscheint. Der Weinbau wird auf Keupermergel getrieben.Brüche, aus denen Werksteine und harte grobkörnige Stubensandsteine gewonnen werden, sind angelegt.
Das Klima ist mild und begünstigt den Anbau von feineren Gewächsen und der Rebe; dagegen ist die Gegend um Oberbrüden dem Westwind ausgesetzt, während auf den hochgelegenen Parzellen die Winde von allen Seiten leichten Zutritt haben. Frühlingsfröste kommen zuweilen, Hagelschlag selten vor.
Die Landwirthschaft wird mit Anwendung verbesserter Ackergeräthe (Brabanter- auch noch Wendepflug, Walze, eiserne Egge) gut und fleißig betrieben und der Boden durch kräftige Düngung, namentlich auch mit der in meist gut angelegten Düngerstätten fleißig gesammelten Jauche, zu verbessern gesucht. Von Getreidefrüchten wird vorherrschend gebaut Dinkel und Haber, dann Roggen, Weizen, Gerste und Einkorn. Außerdem pflanzt man Kartoffeln, Futterkräuter (dreiblättrigen Klee, Luzerne und etwas Esparsette) Rüben, Reps, Mohn, Flachs, Hanf und Hopfen; die Gemeinde besitzt eine Hopfenanlage von 6000 Stöcken, einige Bürger haben auch solche von 400–1500 Stöcken. Der Getreideverkauf gleicht sich mit dem Bezug von außen so ziemlich aus.
Der Wiesenbau ist nicht besonders ausgedehnt, das Futter theils gut, theils mittelmäßig, theils sauer; die Wiesen sind ein-, zwei- und dreimähdig.
Der Weinbau umfaßt im Ganzen 60 Morgen, in Mittelbrüden 10 Morgen; auf einen Morgen kommen 2400 Stöcke, die theilweise bezogen werden. Die besten Lagen sind die höheren, der obere Berg und der Trailberg; weil man die Traubensorten gemischt pflanzt und keltert, so ist das Erzeugniß meist ein sog. Rothschiller; die Preise eines Eimers waren in den Jahren 1860 15 fl., 1861 56–58 fl., 1862 45–50 fl., 1863 32–40 fl., 1864 23–31 fl., 1865 70–84 fl., 1866 45–52 fl. Der Verkauf des Weins geht in die umliegenden Orte.
Die Obstzucht wird ausgedehnt betrieben und ist im Zunehmen; das Obst geräth gerne und in günstigen Jahren können 1000 bis 1500 Sri. nach außen abgesetzt werden. Man zieht vorherrschend Luiken, Goldparmäne, Brat- und Plattbirnen, und Zwetschgen.
Die Gemeinde besitzt 40 Morgen gemischten Wald, der nach dem Nutzungsplan jährlich 4 Klafter und 200 St. Wellen abwirft. | Der Erlös, etwa 50 fl., fließt in die Gemeindekasse und wird zum Geldgrundstock geschlagen.Die meist gute Brach- und Stoppelweide wird verpachtet und mit fremden Schafen befahren; sie trägt in Oberbrüden jährlich 100 fl., in Mittelbrüden 70 fl., und die Pferchnutzung 200 fl. der Gemeindekasse ein.
Allmanden sind vorhanden und an die Bürger lebenslänglich ausgegeben, sie tragen jährlich 38 fl. Nutznießzinse. Die kleinere Fläche der Allmanden verwaltet die Gemeinde selbst und zieht daraus jährlich 90–100 fl. Dann besitzt die Gemeinde zur Haltung von Farren ein Gut von 6 Morgen Äckern und Wiesen, das um 36 fl. verpachtet wird.
Die Rindviehzucht ist nicht gerade bedeutend, doch im Vergleich mit andern Orten nicht zurück. Man zieht Simmenthaler- und Limpurger-Schlag, der durch 2 Simmenthaler Farren nachgezüchtet wird. Handel mit Vieh wird auf den inländischen Märkten und nach Frankreich getrieben. Die Viehmastung ist nicht unbedeutend, das gemästete Vieh kommt an Metzger und Händler zum Verkauf.
Die Schafzucht wird in Ober- und Mittelbrüden von fremden, in Rottmannsberg und Trailhof von Ortsschäfern betrieben. Die Schafe, größtentheils Bastarde, werden im Ort überwintert; in Oberbrüden laufen von der Ernte an 150–200 auf der Markung. Die Wolle und der Abstoß der Schafe geht auf die Märkte.
Die Fischerei wird vom Staat verpachtet, ist aber unbedeutend, Forellen, auch Steinkrebse kommen in geringer Zahl vor; neuestens hat man eine kleine Probe mit künstlicher Forellenzucht gemacht.
Von Stiftungen bestehen
- 1) die Thomas Haas’sche in Gmünd, die jährlich 13/4–2 Ellen graumelirtes Tuch und 41/2 kr. Macherlohn spendet.
- 2) Das Herzog Ludwig’sche Legat, mit jährlich 3 fl.
- 3) Das Herzog Eberhard’sche Gestift von 3 Scheffeln Dinkel jährlich zur Austheilung unter die Armen; jetzt von der Finanzverwaltung abgelöst.
- 4) In der Theilgemeinde Mittelbrüden die Stiftung der verst. Christine geb. Hägele von da, gewesener Ehefrau des Schulmeisters Martin in Altenberg, vom 12./19. December 1851 mit 80 fl. und der Bestimmung, daß der Zins jährlich zu Schulbüchern verwendet werde. Von den übrigen Stiftungen werden die Zinsen an die Ortsarmen vertheilt.
Von den zur Gemeinde gehörigen Parzellen nennen wir:
Mittelbrüden; der aus ziemlich ansehnlichen Bauernwohnungen bestehende, hinter Obstbäumen versteckte, freundliche Ort, hat eine angenehme stille Lage 1/6 Stunde südlich von Oberbrüden an den rechten, ganz flachen Gehängen des Brüdenbachthälchens. Die Einwohner treiben ausgedehnten Hanfbau.
Rottmannsberg; der in zwei Häusergruppen getheilte Ort liegt 1/2 Stunde östlich vom Mutterort hoch und frei zwischen den Thälern des Brüdenbachs und des Hörschbachs.
Trailhof; ist 1/4 Stunde nordöstlich von Oberbrüden auf dem gleichen Gebirgsstock wie Rottmannsberg gelegen.
Bei den ältesten Erwähnungen von Brüden kommt noch keine Unterscheidung der heutigen 3 Brüden vor: Um 1100 schenkte Gunso von Hundersingen dem Kloster Hirschau eine Hube in Brüden (Cod. Hirsaug. 42 b) und den 11. April 1245 bestätigte Pabst Innocenz IV. dem Stift Backnang seine Güter in Brüden und Rottmannsberg. In späterer Zeit hatte übrigens das Stift Besitzungen bloß in Mittel- und Unterbrüden, nicht aber in Oberbrüden, und zwar in ersterem ein jährliches Geld für einige Heuzehenten, 2 Erblehenhöfe und Hellerzinsen, wie es denn auch noch weiter 2 solche Höfe zu Rottmannsberg und ein zum Heslachhof gehöriges Erblehengut besaß (Lagerb. v. 1568/9).
Mittelbrüden und Rottmannsberg wurden im Jahr 1439 mit der Feste Reichenberg von den Grafen Ludwig und Ulrich von Württemberg an die Gebrüder Nothaft verpfändet. Mittelbrüden war in der Folge zum Theil Reichenberger zum Theil Ebersberger Amtes; Oberbrüden und Heslachhof gehörten zum letzteren, Rottmannsberg zum ersteren Amte. (Lagerbuch von 1528. Landbuch von 1624).
Der Kymenhof zu Brüden gehörte den Herren von Urbach, den 29. November 1426 verkauften ihn Georg von Urbach und seine Gattin Ursula von Schellenberg an den Grafen Ulrich von Württemberg (Steinhofer 2, 735); denselben löste im Jahr 1439 Anselm von Yberg samt Gütern zu Hohnweiler und Schnarrenberg unter Einwilligung der Herrschaft Württemberg von den Erben des Truchseßen Wilhelm von Stetten (Gabelk.)
In kirchlicher Hinsicht nennt schon das speirische Diöcesanregister aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts eine Pastorie in „Breuden“ (s. oben VII, 2).
« Kapitel B 17 | Beschreibung des Oberamts Backnang | Kapitel B 19 » | |||
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|