Beschreibung des Oberamts Backnang/Kapitel B 16

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Murrhardt,[1]

Gemeinde II. Kl. mit 4318 Einw., wor. 19 Kath. und 41 eig. Konf. a. Murrhardt, Stadt, 2261 Einw., b. Eisenschmiedmühle, Hof, 14 Einw., c. Eschenstruet, Weiler, 150 Einw., d. Eulenhöfle, Weiler, 28 Einw., e. Frankenweiler, Weiler, 47 Einw., f. Gaisbühl, Weiler, 18 Einw., g. Harbach, Weiler, 60 Einw., h. Harnersberg, Hof, 10 Einw, i. Hasenhof, Weiler, 35 Einw., k. Hausen, Weiler, 111 Einw., l. Hinterbüchelberg, Weiler, 160 Einw., m. Hintermurrhärle, Weiler, 45 Einw., n. Hoffeld, Weiler, 35 Einwohner, o. Hördtermühle, Haus, 11 Einw., p. Hördthof, Weiler, 31 Einw., q. Käsbach. Weiler, 128 Einw., r. Karnsberg, Weiler, 63 Einw. s. Kieselhof, Weiler, 56 Einw , t. Klettenhöfle, Haus. 5 Einw., u. Klingen, Weiler, 53 Einw., v. Liemannsklinge, Weiler. 31 Einw., w. Lutzensägmühle, Weiler, 42 Einw., x. Neuhaus, Weiler, 13 Einw., y. Ober-Schafscheuer, Haus, 9 Einw., z. Sauerhöfle, Weiler, 27 Einw. aa. Schwammhof, Weiler, 36 Einw , bb. Siegelsberg, Weiler, 183 Einw., cc. Steinberg, Weiler, 294 Einw., dd. Streitweiler, Haus, – Einw , ee. Unter-Schafscheuer, Hof, 12 Einw., ff. Vordermurrhärle, Weiler, 41 Einw., gg. Vorderwestermurr, Weiler, 146 Einw., hh. Walkmühle, Haus, 15 Einw., ii. Walk-Sägmühle, Haus, 10 Einw., kk. Waltersberg, Weiler. 72 Einw., ll. Wolkenhof, Weiler, 31 Einw. – Ev. Pfarrei; die Kath. sind nach Oppenweiler eingepfarrt. Die ev. Einw. der Parzellen b. d. f – u. und w. – hh sind nach Murrhardt, die von Parz. e. nach Grab und die von Parz c. und v. nach Sulzbach eingepfarrt. 4 Stunden nordöstlich von der Oberamtsstadt gelegen.

Murrhardt war bis zum Jahr 1806 der Sitz eines Oberamts und bis 1838 der eines Kameralamts; gegenwärtig befindet sich daselbst ein Revieramt, ein Amtsnotariat, ein Postamt, ein prakticirender Arzt und eine altberechtigte Apotheke.

Das Wappen der Stadt war das des Klosters, ein aufrecht stehender Abtsstab; so erscheint es auf einem Siegel mit der Umschrift: S. Civium in Murhard im Jahr 1389. In der Abbildung bei Fromann ist der Abtsstab gelb, an ihm hängt eine weiße Fahne, der Schild ist schwarz. In einem Siegel von 1572 erblickt man in dem deutschen Schild allein den Abtsstab ohne Fahne und als Schildhalter zwei Wölfe mit der Umschrift: Sigill der Stadt Murhart. Im jetzigen Stadtschultheißenamts-Siegel halten diese zwei Wölfe innerhalb des getrennten Schildes einen Tannenbaum, der an die Stelle des Abtsstabs erst in neuester Zeit getreten zu sein scheint (s. auch Württ. Jahrbücher, Jahrg. 1854, Heft II. S. 152 und Jahrg. 1855, Heft II. S. 204).

Von seltener Anmuth und von holder Stille, den Wanderer mit hohem Frieden erfüllend, ist die Murrhardter Gegend. Am schönsten wohl, wenn man westwärts das Murrthal hinabblickt, in das Berge um Berge sanftgerundet herantreten, meist von dunkler Waldung bekrönt und an den grünen Gehängen von kleinen zwischen Obstbäumen versteckten Gehöften besetzt; weithin dehnt sich so das liebliche Thal und schließt erst in blauender Ferne mit dem tief ins | Waldgebirge sich hinaufziehenden Lauterthale. Aber auch sehr schön ist der Blick gegen Osten über die wohlgebaute Stadt her, zu der die stillen Waldthäler fächerförmig zusammenkommen, dazwischen steile Berge; reiche Gärten und Obstbaumpflanzungen umgeben die Stadt, ehrwürdig ragen aus ihr die Klostergebäude und die gothische Kirche mit ihren zwei Thürmen empor, und als besonderer Schmuck erhebt sich am Südwestende der Stadt auf sanftem grünem Hügel die hübsche Walderichskirche. – Zumal im Frühling ist es schön hier, wenn die Eichen und Buchen hellgrün aus den dunklen Tannenwäldern hervorschimmern und überall durch die blumigen Wiesen muntere Bergwasser der von glänzendem Erlengebüsch umsäumten Murr entgegen eilen. Durch die hier anstehende Gebirgsart bedingt, ist das Gebirg in eine Menge von Kuppen, Mulden, Rinnen und Schluchten verzweigt und bietet so ganz reizend-mannigfaltige und feine Formen, und weil die großen Waldungen eine Fülle von Wasser aufsammeln, so rauscht in allen diesen Schluchten und Thälchen ein klarer Bach, oft über hohe Sandsteinbänke, nieder. Der schönste und stärkste Wasserfall ist der des Hörschbaches in der malerischen Hörschklinge. – Bei so viel Feuchtigkeit herrscht überall freudiger Pflanzenwuchs und die weiche Luft, die über das grüne Thal herweht, ist daher auch frisch und herrlich erquickend. Auf den Höhen bieten sich Aussichten zum Theil in weite Fernen. In der Nähe des Murrthales sind zu nennen der östlich von der Stadt gelegene hohe Linders, zu dessen steilem felsig umrandetem Scheitel der dermalige Revierförster Hopfengärtner freundliche Spazierwege, an denen Ruhesitze angebracht sind, und hübsche Anlagen, auch eine schutzgewährende Hütte bei drei kleinen Bassins sinnig anlegen und mit verschiedenen Holzarten anpflanzen ließ; dann der Waltersberg und der Hofberg; auch den Weg zu dem ersteren hat Revierförster Hopfengärtner freundlich verschönern und verbessern lassen. Überraschend schöne Blicke auf die Stadt und in das Murrthal gestattet der um die Walderichskirche gelegene Friedhof; es sind die am Eingang beschriebenen. Vom Hoblersberg bei Fautspach und vom Hörnle bei Kießelhof sieht man bis an die Vogesen, in die Gegend von Stuttgart und an die schwäbische Alb. Beschränktere Aussichten, an den Staufen, Rechberg, Hohenneuffen u. s. w., gewähren die Höhen der Parzellen von Hoffeld, Westermurr, Karnsberg und Steinberg. Die sehr freundliche Stadt liegt eben auf dem linken Ufer der zunächst vorbeifließenden Murr, an der Stelle, wo von Norden her der Siegelsbach, und von Süden der Großkehbach in das muntere Flüßchen einziehen; sie zerfällt in die eigentliche ummauerte Stadt und in zwei Vorstädte, von diesen heißt die gegen Nordwesten auf beiden Ufern der Murr sich hinstreckende „die untere“ Vorstadt, die südöstliche „die obere“ Vorstadt, mit dem Graben; der auf dem | rechten Murrufer gelegene Theil der unteren Vorstadt wird „Kalabre“ genannt (vergl. hierüber württ. Jahrbücher, 1837, I, 97).

Im Jahr 1765 brannte die Stadt beinahe ganz ab (s. u.) und erhielt dann bei ihrem Wiederaufbau eine regelmäßige Anlage; die meisten Häuser stammen daher aus der Zeit gleich nach dem Brande, sie sind meist von Mittelgröße und haben zum Theil noch ein ländliches Ansehen; besonders große und schöne Privathäuser giebt es keine. Die ehemalige, fast noch ganz erhaltene Stadtmauer läuft vom untern Thor über den sog. Graben (östlich) bis zum obern Thor, von da, eine Ecke bildend, um die Klostergebäude und dann hinter der Schulgasse hin bis wieder zum unteren Thor. Neben der Stadtmauer lief bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts ein breiter Graben. Von den drei mit ihren Thürmen längst abgegangenen Thoren stand das obere an der Südseite, das untere an der Nordseite und das Brandthor an der Ostseite der Stadt; dann bestand noch das Schulthörle an der Westseite. Von Thürmen an der 5′ breiten, einst mit einem Umgang versehenen Stadtmauer weiß man nur den theilweise noch erhaltenen Hexenthurm an der Südwestecke der Stadt; in seinem untersten Geschoß ist das gewölbte Hexenverließ.

Beinahe in der Mitte der Stadt liegt der geräumige längliche Marktplatz, auf dem ein hübscher steinerner Brunnen mit der Bildsäule eines württembergischen Herzogs steht. Die breite und wohlgepflasterte Hauptstraße theilt die Stadt von Norden nach Süden beinahe in zwei gleiche Hälften; die Seitenstraßen sind regelmäßig angelegt, jedoch theilweise in Folge stark betriebener Viehzucht von Düngerstätten beengt.

Zu ganz besonderem Schmucke gereicht der Stadt die am Westende liegende Klosterkirche, welche in der an den Nordthurm angebauten Walderichskapelle ein Bauwerk ersten Ranges besitzt.

Die Kloster- oder Stadtkirche bildet ein zum größten Theil in gothischen Formen aus Keuperwerksteinen aufgeführtes stattliches Gebäude von 152′ innerer Länge, das Mittelschiff ist 28′ breit bei 36′ Höhe, die Nebenschiffe sind nicht ganz halb so breit, das Kreuzschiff mißt 54′. Von der ersten in sehr frühe Zeit zurückgehenden Anlage der Kirche steht noch der südliche Thurm und das unterste Geschoß des nördlichen; sie war eine dreischiffige romanische Basilika, deren Hauptschiff gegen Osten mit einer großen halbrund zwischen beiden Thürmen heraustretenden Abside schloß und welch letztere dieselbe Ausdehnung hatte, wie der jetzige vieleckige Chor; man sieht die Grundmauern dieser Abside innen an der Chorwand noch etwas aus dem Boden herausragen; die Seitenschiffe der alten Basilika schlossen einst mit den tonnengewölbten jetzt zugemauerten Erdgeschossen der beiden Thürme. Der südliche, bis zum vierten Geschoß, das neu und von Holz ist, frühromanische Thurm, zeigt noch Rundbogenfriese, | Lisenen und im dritten Stockwerke große, nun leider vermauerte Rundbogendoppelfenster mit starkverjüngten Würfelknaufsäulen, die breite mit Rollen geschmückte Aufsätze tragen. Vom nördlichen Thurm ist, wie schon bemerkt, nur das erste Geschoß ursprünglich, die übrigen wurden am Ende des vorigen Jahrhunderts ganz einfach und in gleichen Verhältnissen, wie am südlichen, aufgeführt. Die jetzige Kirche selbst entstand im Jahre 1434 als ein dreischiffiger durchaus gewölbter gothischer Bau mit Hochschiff, niedrigen Abseiten (Nebenschiffen), einem mit dem Mittelschiff gleichhohen Querschiffe im Westen, und dem vieleckig geschlossenen Chor im Osten. Das über drei Stufen erhöhte Querschiff, sowie der daran stoßende Westarm des Kreuzes, sind einschiffig. Zum Bau, namentlich des Chores, wurden, wie es Steinmetzzeichen ausweisen, die feingeschliffenen Quader der alten Basilika benützt. Die Kirche ist ringsum, selbst am Hochschiffe, mit schlichten Strebepfeilern besetzt; ihre Spitzbogenfenster sind leider ihrer Maßwerke beraubt und die Chorfenster wurden sogar in flachbogige verändert. Im Innern, das ganz von schönen gothischen Rippengewölben, in den Hochschiffen von Kreuz-, in den Seitenschiffen von Netzgewölben, überspannt wird, theilen spitzbogige Arkaden, deren weitgekehlte Bögen sich in kurze starke Rundpfeiler einschneiden, die Schiffe und tragen die auch von Spitzbogenfenstern erhellten Oberwände des Hochschiffes.

Das Verhältniß der Spitzbögen ist durchgehend ein breites. Die hohen Gewölbe haben Schlußsteine; die des Mittelschiffes enthalten von Westen nach Osten: das Lamm Gottes, drei sich an Händen und Füßen haltende nackte Männer, die h. Veronika mit dem Schweißtuch, drei leopardirte Löwen mit Krönlein auf den Köpfen, einen springenden gekrönten Löwen; auf dem Schlußsteine des nördlichen Kreuzarmes ist der heilige Geist dargestellt. Die Gewölbegurten der westlichen Theile ruhen zum Theil auf Fratzenkonsolen; im südlichen Arme des Querschiffes ist das Württembergische Wappen, das Zeichen des Baumeisters und das Jahr der Erbauung 1434 ausgehauen. Die für die Bevölkerung zu kleine, durch Emporen verbaute Kirche würde, gehörig ausgeräumt, einen wohlthuenden und harmonischen Eindruck machen.

Im Chore steht das aus der Zeit des gothischen Neubaues stammende steinerne Grabmal Kaiser Ludwigs des Frommen, des angeblichen Gründers des Klosters und der Kirche. Es wird an den vier Seiten mit hübschem gothischem Stabwerk verziert und gedeckt von großer Steinplatte, worin die Gestalt des Kaisers mit Scepter, Schwert und Wappenschild eingegraben ist; am schrägen Rand umher liest man: anno dni. octingentesimo. decimo. sexto. obiit. illustrissimus. romanorum. imperator. semper. augustus. ludwicus. filius. karoli. magni. cognomento. pius. fundator. huius. monasterii. | cuius. anima. requiescat. in. pace. amen. Das Wappen zeigt die drei hohenstaufischen leopardirten Löwen, ganz wie auf dem schon genannten Schlußsteine. Es ist dieses Grabmal ein Kenotaph, indem der Kaiser i. J. 840 (nicht 816, wie es hier heißt) auf einer Rheininsel unterhalb Mainz starb und in der S. Arnulfkirche zu Metz begraben wurde. An der Südwand des Mittelschiffes hängt ein treffliches, 1496 gefertigtes, nun wiederhergestelltes Bild aus der Ulmer Schule, das einst die zwei Flügel des jetzt in der Sakristei stehenden Altarschreines bildete. Es sind viele, etwa drei Fuß hohe, aus Goldgrund hervortretende Gestalten, mit langen schmalen Händen und Füßen und mit Gesichtern von feinem Fleischton und von schönem und tiefsinnigem Ausdruck. Auf dem rechten Flügel sieht man oben weibliche Heilige, in deren Mitte Katharina mit dem Schwerte und Barbara mit dem Kelche stehen; die Unterschrift lautet: Aell hailig junckfrowen; unten sind männliche Heilige, darunter Franziskus und Jakobus dargestellt. Auf dem linken Flügel sieht man oben das Pfingstfest mit der Unterschrift: Aell hailig XII boten und unser frau; unten männliche Heilige, darunter Johannes d. T. mit dem Lamm, Laurentius, Stephanus und Leo der Große, mit der Unterschrift: Aelle hailigen und XII martirer. Der in der Sakristei stehende Schrein dieses Altares enthält jetzt ein sehr verdorbenes, aber trefflich und edel gehaltenes Schnitzwerk: Maria mit dem Leichnam des Herrn auf den Knieen, daneben Joseph von Arimathia und Nikodemus; unten steht: Sanctus Sebastianus. S. Maria Mater Dei. Sanctus Vitus. 1496. Genannte Heilige stehen jetzt oben auf dem Schrank und dieser ruht noch auf der auch sehr gut gemalten Predella, darstellend den Auferstandenen im Garten mit Maria und Johannes, wie sie ihm die Wundenmale küssen, und den Stifter des Altars samt seinem Wappen, den Mönch Nikolaus Batzner, † 1474. (s. umstehende Seite über seinen wiederaufgefundenen Grabstein). Auf dem Altar der Kirche steht ein schönes altes 4′ hohes Krucifix. Auf dem Boden liegen zum Theil unleserliche Grabplatten, darunter mit nicht mehr ganz deutlicher Umschrift in gothischen Majuskeln: anno domini 1340 obiit nicolaus comes de löwenstein in crastino gregorii XIII m. martii. s. u. S. 249. Unter den Grabplatten des nördlichen Seitenschiffes ist die eines 1466 gestorbenen Geistlichen noch zu erkennen und an der westlichen Wand des nördlichen Querschiffes steht der Grabstein des Murrhardtschen Abtes Gaul, mit Abtsmütze, Abtsstab und dem Wappen des Verstorbenen geziert; die Umschrift lautet: Anno Domini 1508 obiit reverendus Pater ac Dominus D. Laurentius Gaul, Abbas hujus Coenobii Murhart: cujus anima requiescat in pace. Auf dem Boden des Mittelschiffes beim Altare liegen, von Brettern geschützt, die marmornen Grabplatten hiesiger Prälaten, | so die des Prälaten Georg Conrad Brotbeck, † 30. Juni 1714, des Wilhelm Conrad Haßelmaier, † 19. Dec. 1731, des Georg Remmelin, † 8. Nov. 1738, des Georg Reinhold Fronmüller, † 1751, des Petrus Scharffenstein von Mömpelgard, † im Nov. 1765. Dann hängt an der Wand des südlichen Seitenschiffes das Epitaphium des Joh. Christ. Breg, Prälaten allhier † 6. Nov. 1752. Das Grabmal des berühmten, 1782 gestorbenen, Prälaten Oettinger ist gegenüber der südlich am Triumphbogen des Westchores angebrachten Kanzel errichtet und wurde von dem Murrhardter Bildhauer C. L. Söhnle gefertigt. An der südwestlichen Ecke des nördlichen Thurmes ist eine große gothische Konsole eingemauert, geschmückt mit dem ausdrucksvollen Brustbilde eines reichgelockten Heiligen, der ein Spruchband hält. Beim Abreißen des östlichen Klosterflügels (s. u.) fand man alte Grabplatten, eine sehr lange und schmale, worauf ein Abtsstab eingeritzt, dann eine geziert mit Kreuz und Kelch und dem Wappenschilde des Begrabenen, worauf zwei gekreuzte Hämmer, und mit der Umschrift in gothischen Minuskeln: Anno domini 1474 obiit frater nicolaus batzner huius monasterii monachus … sancti burchardi. cuius anima requiescat in pace.

Die südlich an den Westarm der Kirche angebaute Sakristei enthält neben dem schon genannten Altarschreine ein hübsches kleines Krucifix vor einigen Jahren in Holz geschnitten von Spengler aus Murrhardt, und einen sehr alten schlanken Taufstein von rauher Bearbeitung und becherartiger Form. Über der Sakristei befindet sich ein gewölbtes Gemach, das frühere Laboratorium des Prälaten Oettinger. Auf dem Südthurm hängen drei Glocken, die größte wurde gegossen von Heinrich Kurtz in Stuttgart 1870 und trägt die Inschrift: Der Herr verleih’ uns Frieden immerdar. Die zweitgrößte hat in trefflichen gothischen Minuskeln die Umschrift: anno domini mccccxxxxv magister conradus gucihamer me fusit. ave maria grac. Die dritte Glocke wurde auch von H. Kurtz 1870 gegossen und trägt die Inschrift: Erhalt’ uns Herr bei deinem Wort. Entfernt und leider eingeschmolzen wurde die kleine uralte Glocke mit einer Inschrift in theilweise noch griechischen Majuskeln:

o rex chryste tuum signum procul omne malignum.

Die Unterhaltung der Kirche hatte bis 1867 der Staat, in Folge der Ablösung der Komplexlasten ist jedoch dieselbe in das Eigenthum der Gemeinde übergegangen und vom Staate zugleich für die Unterhaltungslast und den Fall einer Erweiterung der Kirche ein Kapital von 40.000 fl. bezahlt worden. Ebenso sind die seither dem Staate obliegenden Ausgaben für Kultuskosten abgelöst worden.

Die Walderichskapelle, eines der schönsten Kunstwerke spätromanischen Stiles, ist an die Nordseite des nördlichen Thurms angebaut und bildet in den Hauptformen einen in vier schlanke Giebel | ausgehenden, von hohem vierseitigem Rautendach bekrönten Würfel, an dem gegen Osten ein niedrigeres halbrundes kegelbedachtes Chörchen und gegen Westen das reiche Portal sich vorbaut. Das ganze gar zierliche bis zur Spitze 45′ hohe Gebäude steht auf sehr hohem, noch lange nicht tief genug bloß gelegtem Sockel und wird jetzt, statt der ursprünglichen zärteren Steindächer, von Ziegeldächern bedeckt. Innen überspannt ein hohes Rippenkreuzgewölbe den Hauptraum, ein glattes Dreiviertelskugelgewölbe das Chörchen. Diese ganz einfache Anordnung ist nun aber in einem Reichthum, einer Lebhaftigkeit und Schönheit durchgeführt, und hat einen so wunderbaren Einklang der Verhältnisse, daß sich der Beschauer nur schwer von diesem Kleinode der Kunst loszureißen vermag.
| Betrachten wir zuerst das Äußere: die Westseite zeichnet sich aus durch das aus der Mauerflucht 2′ 7″ weit vortretende rundbogige Prachtportal, das nicht in der Mitte, sondern um 3′ zu weit rechts (südlich) steht. Es ist viermal abgetreppt und in den ein- und ausspringenden Ecken mit schlanken Säulen besetzt. Die Kapitelle der Säulen, mit dem Würfel zur Grundform, sind umhüllt von herrlichen, oft mit phantastischen Thiergestalten durchschlungenen Pflanzenmustern, die als ein prachtvolles Zierband alle Eintreppungen wagrecht umziehen. Aber auch die senkrecht aufsteigenden Flächen zwischen den Schäften der Säulen sind auf das Reichste von wechselnden Ziermustern belebt und dieses ganze so glänzend und üppige Leben schwingt sich auch oben im Halbkreis umher. Im Bogenfelde des innen ganz engen Portales (im Lichte nur 2′ 9″ breit und 6′ 3″ hoch) thront, in erhabener Arbeit, Christus, mit der rechten Hand segnend, mit der andern das Evangelium haltend; das etwas verletzte Bildwerk ist einfach und würdig behandelt. Das Portal besteht aus weislichem Keuperwerkstein, während fast die ganze übrige Kapelle aus rothem erbaut ist und erscheint trotz seiner verhältnißmäßigen Kleinheit durch seine Tiefe, die Menge der Säulen und die Fülle des Zierraths, großartig und feierlich.

Nicht weniger schön, ja vielleicht noch feiner, ist die ganze Kapelle behandelt. Ihre vier Kanten werden gefaßt von starken Halbsäulen-Bündeln, aus deren reichen Kapitellen die hohen Giebel aufruhen, und diese sind geschmückt mit dem Zickzackband und darunter mit großem schön diamantirtem Rundbogenfriese. Die Nordseite wird durch zwei schlanke Wandsäulen, von denen zwei zum Rundbogenfries steigende Lisenen ausgehen, in drei Felder getheilt und zeigt in der Höhe des mittleren zwei reichprofilirte nah aneinander gerückte Rundbogenfensterchen. Das an der Ostwand heraustretende Chörchen wird auch von Halbsäulen belebt und hat in der Mitte ein rundbogiges Prachtfenster. Dieses ist in den reichsten Formen gehalten, wird von einem breitem Zierband umgeben, schrägt sich mit zweimal erscheinender Hohlkehle samt Rundstäben tief ein und in den Kehlen prangen muschelartig oben umgeschlagene Blätter. Zwei erst in neuerer Zeit verstümmelte kleine Löwen hocken auf der Schräge der Fensterbank, die an der Untenseite von Blättern gesäumt und von zwei kurzen Halbsäulen gestützt wird. Die anderen längeren Halbsäulen gehen bis zur Kämpferhöhe des Fensters und von ihren figurirten Kapitellen laufen hohe giebelartige Zacken empor und berühren, gleich wie der Scheitel des Fensters, den Rundbogenfries, der – in den Halbrunden mit prächtigem Blattwerk erfüllt – breit über sie hinzieht und von hoher auch mit Blättern geschmückter Schräge bekränzt wird. Aus dem mittelsten Halbrunde des Frieses ragt ein Löwenkopf samt Vordertatzen heraus, in den Rahmen des Fensters sich einbeißend und einkrallend.

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Ebenso reich und schön und bis ins Kleinste mit klarem harmonischem Geiste durchgebildet ist das Innere, das sich noch vollkommen erhielt und fast durchaus die kräftige Farbe des dunkelrothen Keuperwerksteins zeigt (s. auch den Grundriß). Die Ostseite öffnet sich in das mehr als halbrunde Chörchen, und die andern drei Wände sind aufgelöst in flache, rechteckige Nischen, die Nord- und die Südwand in je zwei, die westliche, wo neben der bescheidene Eingang hereinführt, in eine. Je drei schlanke Säulen tragen mit ihren großen auf das schönste verzierten würfelartigen Knäufen die tiefen Kleeblattbögen der Nischen, darüber ruht ziemlich hoch die glatte Mauer, oben ringsum wagrecht geschlossen von breitem mit palmettenartigem Blattwerk erfülltem Friese, der auch in die Abside | sich hineinzieht und, schmäler werdend, über den Rundbogen des östlichen Fensters als ein zarter Blätterkranz sich herlegt. In den vier Ecken der Kapelle wird der Fries getragen von je drei Säulen mit hohen prachtvollen Kapitellen, die ganz verwachsen sind, während die Schäfte freistehen. Auf den platten und weichgebildeten attischen Füßchen der Säulen liegen Eckknollen, als abenteuerliche Masken oder als reizende, tiefeingeschaffte Blätter. Die Kreuzrippen, über dem Friese so leicht als kühn in steilen Spitzbögen sich aufschwingend, wiederholen, nur schlanker und etwas zugeschärft (birnförmig), die kraftvoll aufschießende Bildung der Ecksäulenbündel. Statt des Schlußsteins sind die beiden äußeren feineren Rundstäbe der Gewölbrippen zierlich in einen Knoten zusammengeschlungen.

Auch die Kappen des sehr hohen korbartigen Gewölbes bestehen aus starken Quadersteinen; ebenso, und von merkwürdigem Fugenschnitt, ist das als reines Kugelgewölbe aufgeführte Gewölbe des mehr als halbrunden Chörchens.

Die Herrlichkeit des kleinen Bauwerkes in die Einzelnheiten zu verfolgen, wäre Sache des Zeichners; jedes Kapitell und jedes Zierband ist wieder anders und zeigt eine im höchsten Grad bewunderungswürdige Kraft, Schönheit und Schärfe; ihre Muster stammen alle aus dem Pflanzen- und dem Thierreiche. Das Auge genießt hier stundenlang, ohne fertig zu werden, und dies Alles in halber Dämmerung und mit der Beleuchtung von oben her, was den Eindruck des ganzen Raumes wie der einzelnen Zierden und Glieder noch steigert.

Im Chörchen steht ein alter steinerner Altartisch und hierauf die im Renaissancestil gehaltene Bildsäule des heiligen Walderich. An der Südseite führt ein altes Rundbogenpförtchen in den bedeutend älteren Thurm (s. o.). Die Verhältnisse des Innern sind einfach, durch 3 theilbar und in runden Zahlen: ganze innere Länge 30′, Breite 18′, Höhe 36′; die ganze äußere Höhe beträgt 45′. s. auch Jahreshefte des Württ. Alterthumsvereins, H. V. und VI.

Das schöne Bauwerk ging an mehreren Stellen etwas aus den Fugen und es wäre hohe Zeit, dasselbe mit aller Sorgfalt und mit aller Umsicht wieder herzustellen. Schon im vorigen Jahrhundert wurde einiges daran erneuert, hauptsächlich an der Nordwest- und an der Südostecke, leicht kenntlich am weißen Keupersandstein und an der eigenthümlichen Behandlung der Ornamente, welche das Romanische nachahmen, so gut es damals ging, – aber es beweist doch die große Liebe und Aufmerksamkeit, die man selbst in dieser Zelt für die Kapelle hegte. Am ganzen Bau befindet sich kein einziges Steinmetzzeichen und auch nirgends eine Inschrift; dem Stile nach stammt die Kapelle aus dem letzten Viertel des zwölften Jahrhunderts und könnte unter dem damals lebenden Abte Herbort erbaut | worden sein; jedenfalls ist es nicht, wie Crusius (ps. 2, 24) schreibt, das von dem ersten Abt Walderich benützte Kirchlein. Die Unterhaltung der Kapelle hat der Staat.

Von dem einst so herrlichen, im Stil der Walderichskapelle gebauten Kreuzgange, der an der Südseite der Kirche stand, sind nur noch einige jetzt in der Kapelle selbst aufgestellte Säulenkapitelle zu sehen; sie waren in dem 1870 abgerissenen neueren Kreuzgang eingemauert; dieser bildete nur einen östlichen an den Südthurm stoßenden Arm und wurde, nachdem der alte nach der Nördlinger Schlacht unter Abt Emmerich abgerissen worden, ganz einfach als ein rundbogiger Pfeilergang aufgeführt. Damals wurden auch die schönen Stühle aus der Kirche entfernt und manche der Klostergebäude durch Feuer beschädigt. Einige Inschriften sind hier zu erwähnen: am Sockel des Südthurmes steht in altgothischer Schrift: obiit d. de hohenstain; und an der innern Wand des (jetzt abgerissenen) Kreuzganges las man neben einer schönen Kleeblattthüre in derselben Schrift: anno domini 1420 obiit Johannes de sunthain. prb. et ms. (presbyter et monachus).

Auf der Südseite steht noch das alte Refektorium, jetzt Wohnung des Revierförsters (Eigenthum des Staats), und zeigt gegen Süden, auf den Platz heraus, eine Reihe von 10 ganz schmalen tiefeingeschrägten frühgothischen Fenstern; ferner auf der Südostecke der sog. Fürstenbau, früher ein Jagdaufenthalt der württembergischen Fürsten, er zeigt an Wänden und Decken noch Spuren alter Bemalung. Südöstlich hievon steht, lang an der Helferatgasse hinlaufend, ein altes Kloster-Ökonomiegebäude; über dem Eingang seiner schmalen Nordseite sieht man eine Steintafel mit der Inschrift: Anno domini 1551 Thomas abbas Murhartensis hoc aedificium fecit, darunter sein Wappen mit einem Widder in dem Schilde.

Die Walderichskirche steht auf dem schönen, grünen Hügel südwestlich an der Stadt, auf dem der Sage nach der heilige Walderich seine Zelle hatte; sie wurde an der Stelle eines alten romanischen Kirchleins, das vielleicht auf den Trümmern eines römischen Tempels errichtet ward, erbaut. Die Jahreszahl ihrer Erbauung 1489 steht in prächtiger Schrift über den drei spitzbogigen Thüren eingehauen. Das erste Geschoß des niedern, zweistockigen, mit vierseitigem Zeltdach bedeckten Thurmes, der im Osten steht und den Chor bildet, stammt aus frühgothischer Zeit. Die Kirche hat schöngefüllte Spitzbogenfenster, und an der Nordwand zwei sehr merkwürdige Steine aus frühromanischer Zeit eingemauert. Der eine ist 6′ lang, 1′ hoch, und enthält in flacher Arbeit zwei gegen einander springende Löwen, er diente ohne Zweifel als Thürsturz an der ursprünglichen Kirche und trug einst den zweiten eingemauerten Stein, | ein halbrundes Bogenfeld (Lünette), das drei Kreise mit Flachreliefs enthält, im mittleren großen das Lamm Gottes und auf dem Rand umher nach einigen nicht mehr zu entziffernden Buchstaben die Worte: fides spes caritas, die 3 theologischen unter den 7 Haupttugenden, und sodann den Spruch aus dem Prediger 12, 13: Deum time et mandata eius observa.

Unten an der Lünette steht eine Inschrift, von der nur der Anfang und das Ende erhalten ist: (d) omini temp(lum) .... tua et in aeternum non peccabis. Ein hübsches auch flachgehaltenes von Drachen durchschlungenes Pflanzengewinde zieht sich außen im Halbkreis umher und endigt in einen Heidenkopf (eine Maske). In dem Kreise rechts vom Beschauer sieht man eine schöne achtblätterige Rosette, in dem andern das Brustbild eines Kaisers, der in der Linken ein Scepter hält, die rechte Hand wie segnend erhoben hat. Am Rand umher steht folgende nicht zu entziffernde Inschrift:

Unter dem östlichen Fenster des Thurmes sieht man folgende Grabinschrift: Anno. dni. 1370. obiit. walterus. rect. huius. ecclesie, und darunter einen Kelch eingemeißelt. Am Westeingang links sind als Opferstock noch Theile des wunderthätigen Walderichsteines eingemauert.

Das Innere der Kirche wurde in den letzten Jahren hübsch erneuert, hat eine flache Decke und auf der Westempore eine Orgel; den Thurm überspannt ein starkes frühgothisches Rippen-Kreuzgewölbe, das auf vier Ecksäulen ruht. An der rechten Ostwand des Schiffes steht eine große, dick übertünchte Inschrift: Anno domini 1450. da starb. hans. bernhart . . . ist zu. wissen dass hans bernhart hat gemacht sin ewig. iarlzeit im und zweien meinen hausfraven und allen seinen altvordern und nochkomen und von dem es herkomen ist. elle. iar. zu geben. am nechsten montag nach martini mit einer vigily. und 5 selmes em pfarrer und em priester: do. von. sol em heilgen pfleger geben der pfister 6 Schilling und ieglichen heren 3 Schilling. dem mesner 5 Schilling.

Auf dem Thurme hängen 3 Glocken; eine gegossen von C. Neubert 1813; die zweite, die Apostelglocke, mit gothischer Majuskelinschrift: anno domini 1451 lucas. marcus. mattheus. iohannes. und die aus der Klosterkirche hierher versetzte mit der Umschrift: gos mich Hans Jakob Ernst 1676 und an der Schweifung steht: Paulus Achatius Daser, Abt zu Murrhardt, Joh. Christoph Harprecht, Vogt allda. Außen an der Nordseite der Kirche sind Grabsteine aus dem siebenzehnten Jahrhundert: 1) der Margaretha Höchin von Heimshaim, † 1542, Frau des Jacob Hofseß, Vogtes von Murrhardt, 2) der Anna Hofmännin, † 19. Jan. 1567, der ersten Frau, und 3) der zweiten Frau des Abtes Otto Leonhardt Hofseß, einer Magdalena | Schmeckhin von Canstatt, † 1607. Die Unterhaltung der Kirche hat die Gemeinde. An der Nordseite des Thurmes steht der große hölzerne Ölberg, aus der ersten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts stammend, und erst kürzlich etwas zu farbig erneuert; er stellt mit zum Theil burlesken und oft auch mittelmäßigen Gestalten die Leidensgeschichte dar. Die besten Figuren sind der betende Christus, der schlafende Petrus und der schlafende Johannes.

Am nördlichen Fuße des wohlgerundeten Walderichshügels fließt eine eiskalte Quelle. Zwei große steinerne Treppen, eine mit 73 Stufen, führen auf seine Höhe und zu dem schon tausendjährigen Friedhofe hinan; dieser wurde i. J. 1833 erweitert, und geht, von einer Mauer umhegt, rings um die Walderichskirche. Er ist mit einer Menge schöner Grabsteine und mit vielen blühenden Grabgärtchen geschmückt und gibt zusammen mit der stillen Waldlandschaft ein reingestimmtes, reizendes Bild.

Von weiteren öffentlichen Gebäuden nennen wir: das an der südwestlichen Ecke der Stadtmauer schrägüber der Revierförsterswohnung gelegene Stadtpfarrhaus, die frühere Prälatur oder neue Abtei, ein gutgehaltenes zweistockiges Gebäude, das 1770 neu errichtet wurde; südlich dabei steht der schon erwähnte Hexenthurm.

Das neuerbaute Helferathaus steht in der sog. Helferatgasse an der Stadtmauer; beide Gebäude sind vom Staat zu unterhalten.

Die ebenfalls im Eigenthum des Staats stehende Wohnung des Revierförsters, ursprünglich das Refektorium später des Herrenküfers Haus, s. o. S. 225.

Das dreistockige Knabenschulhaus, 1814 erbaut, enthält drei Lehrzimmer und die Wohnung des Schulmeisters; das 1770 erbaute dreistockige Mädchenschulhaus drei Lehrzimmer und die Wohnungen der beiden Schulmeister. Die lateinische Schule ist vorläufig in einem gemietheten Gebäude, bis das im Bau begriffene neue Schulgebäude vollendet sein wird. Früher war dieselbe in dem ehemaligen Kameralamtsgebäude (alten Oberamtei), das jetzt noch die Wohnung des Präzeptors und eines Schulmeisters enthält. Über dem Eingang hat das ansehnliche, auf dem Marktplatz stehende Gebäude das Württ. Wappen mit der Aufschrift: Soli deo gloria 1767.

Das gegenwärtig (1871) im Bau begriffene neue Schulhaus, das dem Fürstenbau gegenüber in den ehemaligen Kameralsamtsgarten zu stehen kommt, wird dreistockig und mit sechs Lehrsälen zu sämtlichen Schulen eingerichtet werden.

Ein Turnplatz besteht am westlichen Ende der Stadt.

Weitere Schulhäuser mit Lehrerwohnungen sind in den Parzellen Eschenstruet, Vordermurrhärle, Steinberg, Siegelsberg, Hinterbüchelberg, Hausen und Vorderwestermurr; sie wurden sämtlich in | neuerer Zeit gebaut oder wiederhergestellt. An den hiesigen Volksschulen unterrichten dermalen vier ständige Lehrer, und an der lateinischen Schule ein Präzeptor und ein Kollaborator. An den Filialschulen unterrichtet je ein ständiger Lehrer, mit Ausnahme von Vorderwestermurr, wo noch ein Lehrgehilfe beigegeben ist.

Der Zeichnungsunterricht wird in der Stadt von zwei Lehrern ertheilt.

Das sehr stattliche dreistockige Rathhaus, an der südlichen Schmalseite des Marktplatzes stehend, wurde in den Jahren 1780/87 erbaut. Es enthält im untern Stockwerk die Wag- und Fruchthalle und eine Wachstube, im zweiten die Kanzlei und die Gelasse für den Gemeinderath und den Amtsnotar, im dritten die Wohnung des Stadtschultheißen. Auf dem Giebel sitzt ein Thürmchen mit einer Uhr und zwei Glocken. An der Rückseite des Rathhauses sieht man das Württembergische und das Murrhardter Wappen samt der Jahreszahl 1558, die sich wohl auf die Erbauung des früheren Rathhauses bezieht.

Der vierröhrige Marktbrunnen trägt auf der steinernen Brunnensäule das Standbild eines württembergischen Herzogs, nach der Tracht zu schließen aus dem 16. Jahrhundert stammend. Die Brunnensäule selbst wurde laut Inschrift 1790 gefertigt von G. Söhnle (einem Bruder des oben genannten Murrhardter Bildhauers).

Die Stadt ist mit gutem Trinkwasser hinlänglich versehen, doch wäre noch für sehr trockene Jahrgänge und zu größerer Bequemlichkeit der Bewohner die weitere Benutzung einer der vorhandenen Quellen zu wünschen. Nur in einigen der hochgelegenen Parzellen, wie in Hinter-Büchelberg und in Steinberg, reicht das Trinkwasser in heißen Sommern nicht aus.

In der Stadt und den zur Stadt selbst gehörenden Parzellen sind 10, meist ein- bis zweiröhrige laufende, 19 Pump- und 2 Schöpfbrunnen. In den Amtsparzellen zusammen 39 meist einröhrige laufende und 99 Pump- und Schöpfbrunnen. Die bedeutendste Wasserleitung, welche die 4 laufenden, zusammen aus 8 Röhren springenden Brunnen der Stadt speist, ist zum größten Theil in hölzernen, zum kleinsten in bleiernen Deucheln geführt. Ferner ist die Markung der Stadt reich an guten Quellen und ebenso sind es die übrigen Markungen an den Abhängen der Thaleinschnitte. Die bedeutendste Quelle ist die bei Vorderwestermurr, wo aus sieben Felsenritzen die Murr entspringt und schon in geringer Entfernung vom Ursprung eine Mühle treibt, dann die Quellen des Kehbaches, Siegelsbaches, Seebaches, Harbaches und des Fehlbächles, die sämtlich in ihrem Laufe zur Murr Mühlwerke treiben, sowie noch andere sehr reiche Brunnquellen. Nördlich bei der Stadt entspringt eine schwefelhaltige | Quelle, die in früherer Zeit als Bad benützt wurde. Mehrere hiesige Häuser besaßen in alter Zeit Badgerechtigkeit. Ein Hungerbrunnen findet sich im städtischen Waldtheile Rießberg. – Von Bächen fließen über die Markung die Murr, der Fornsbach, Neustettenbach, Hörschbach, Trauzenbach und andere schon oben genannte; die meisten treten, jedoch ohne viel zu schaden, aus, auch wurde die Gefährlichkeit der Murr und des Hörschbaches auf städtischer Markung durch Korrektion der Bette vermindert. Die Stadt Murrhardt hat das Recht, von Martini bis Georgii auf der Murr und ihren Seitenbächen alljährlich bis zu 3000 Klaftern Scheiterholz zu flößen und die Angrenzer, Werkbesitzer und Gemeinden, sind verflichtet, diese Last ohne Entschädigung zu dulden. Bis vor 32 Jahren waren bei der Stadt 3 Seen, darunter der Klostersee hinter der Prälatur, vorhanden, von denen jetzt nur noch der 21/2 Morgen große Walderichs-See südwestlich von der Stadt besteht; letzterer kann im Falle eines Brandes abgelassen und durch die Straßen der Stadt geleitet werden. In sämtlichen Parzellen befinden sich kleinere künstlich angelegte Weiher und Feuerseen.

Dann lag im städtischen Waldtheil Kohlhau bei Hinterbüchelberg ein 10–12 Morgen großer See, dessen Grund jetzt mit Wald bestockt ist; außerdem führen die städtischen Waldtheile am Fuchsenberg und eine Wiesenfläche in den Steinäckern den Namen „Römersee“.

Die Staatsstraße von Backnang nach Gaildorf geht durch Stadt und Markung, Vicinalstraßen führen von ihr ab nach Mettelberg und Welzheim, sowie nach Kirchenkirnberg. Neben vielen hölzernen Stegen über die verschiedenen Seitenbäche gehen über die Murr 9 steinerne und 5 hölzerne Brücken, ferner über den Trauzenbach und den Hörschbach je eine steinerne Brücke. Von den steinernen gehören dem Staate 1, der Gesamtgemeinde 2, der Parzelle Hausen 1, der Parzelle Klingen 2, der Parzelle Sauerhöfle 1, die übrigen, sowie die meisten hölzernen Brücken, der Stadt.

Die Einwohner der Gemeinde, namentlich in den Bergorten, sind im allgemeinen ein kräftiger Menschenschlag; nur in der Parzelle Siegelsberg ist eine Neigung zum Kretinismus einheimisch. Auch die weibliche Jugend in der Stadt und in den Parzellen ist meistens kräftig und blühend und hübsche Mädchen sind nicht selten. Die beschwerliche Bearbeitung des wenig dankbaren Bodens, in Verbindung mit den harten Arbeiten der bäuerlichen Waldwirthschaft und den Strapazen, welche in dem bergigen, mit schlechten Wegen versehenen Terrain die Parzellenbewohner zu überwinden haben, gewöhnt diese an Ausdauer, Anstrengung, Fleiß und Sparsamkeit. Der westliche Theil des Gemeindebezirks, der an das ehemalige Franken grenzt, unterscheidet sich auch jetzt noch vom südlichen durch die Mundart | und in gewisser Beziehung auch durch den Charakter, während der frühere Unterschied der Trachten mehr und mehr verschwindet. Auch in der Stadt selbst hat der Charakter der Einwohner in Vergleichung mit andern altwürttembergischen Orten immer noch eine etwas fränkischere Färbung beibehalten, die sich, wenn möglich, in Lebhaftigkeit, Heiterkeit und Geselligkeit äußert. Im allgemeinen sind die Bewohner der Stadt und der Parzellen fleißig und geordnet.

Die Haupterwerbsmittel sind in der Stadt der Gewerbebetrieb, der Holzverkehr und die Viehzucht, während der Feldbau untergeordnet ist; in den Parzellen ebenfalls der Holzverkehr, dann Feldbau und Viehzucht; auch nimmt die Fertigung von Weinbergpfählen, wovon alljährlich viele Hunderttausende abgesetzt werden, viele Hände in Anspruch. Eigentliche Kunstgewerbe werden nicht betrieben, auch bestehen hier außer dem Filialgeschäft einer Korsettenweberei keine Fabriken, wohl aber viele Mühlwerke, ein Eisenhammerwerk (in Klingen), zwei Ziegeleien, eine Potaschensiederei. Zur Stadt gehören 6 Mahlmühlen je mit 2 Mahlgängen und einem Gerbgang, und vier davon mit kunstmäßigen Einrichtungen; in den Parzellen befinden sich 5 Mahlmühlen größtentheils mit 2 Mahlgängen und einem Gerbgang, zwei davon mit Hanfreibe, eine dritte mit Sägmühle; ferner zwei kleinere Ölmühlen, zwei Schleifmühlen und eine Lohstampfe. Sägmühlen bestehen im Ganzen 11, wovon 4 auf die Stadt kommen. Im übrigen zählt die Stadt nach dem Stand von 1871 folgende mechanische Künstler und Handwerker:[2]

Meist. Geh. Meist. Geh.
Apotheker 1 1 Messerschmiede 2 1
Bäcker 17 6 Mehlhändler 2
Bierbrauerei 5 7 Metzger 12 5
Branntweinbrenner 13 Nagelschmiede 5 2
Buchbinder 2 Nätherinnen 6 2
Buchdrucker 1 Ölmüller 2
Drechsler 4 3 Potaschensieder 3
Feilenhauer 1 Putzmacherinnen 3 2
Flaschner 2 Rasirer 1 2
Frachtfahrer 2 2 Rothgerber 6 12
Gipser 4 6 Sägmühlen 6 5
Glaser 6 4 Seiler 4 1
Hafner 6 Sattler 4 2
Holzhändler 24 10 Schäfer 26 10
Hufschmiede 7 2 Schleifer 1 1
Hutmacher 1 Schlosser 7 3
Kammmacher 2 Schneider 13 4
Kaminfeger 1 1 Schönfärber 2 3
Kaufleute 10 3 Schreiner 21 9
Kleinhänder u. Krämer 9 Schuster 33 6
Korbmacher 4 2 Seckler 1
Kübler 14 10 Seifensieder 4
Küfer 4 2 Siebmacher 1
Kupferschmiede 1 1 Strumpfstricker 2
Leinen- und Baumwollenweber 12 5 Tuch- u. Zeugmacher 7 6
Lohmüller 1 1 Uhrmacher 2 3
Mahlmüller 7 6 Wagner 5 3
Maler 1 1 Wirthschaften 17 6
Maurer u. Steinhauer 8 14 Ziegler 2 2
Mechaniker 1 1 Zimmerleute 13 14
| Außer den Bäckern und Metzgern arbeiten die meisten Handwerker nach außen, besonders die Möbelschreiner, deren Arbeiten sehr gesucht sind. In Verbindung mit der Landwirthschaft wird die Weberei und auch die Branntweinbrennerei als Nebengewerbe betrieben; in Verbindung mit dem Handwerk die Viehzucht, der Wiesen- und der Hopfenbau. In den Parzellen beschäftigt das Zurichten von Weinbergpfählen, Schindeln, Wagnerholz, das Gartensessel- und Korbflechten, Besenbinden und die Köhlerei viele Hände; der Absatz geht in die Gegenden von Stuttgart bis Heilbronn.

Aktiv-Handel findet statt mit Brennholz, Werk- und Nutzholz, Säg- und Bauholz, Holländerstämmen, Stangen, Pfählen, Wagnerholz, Eisenbahnschwellen, Schnittwaren und Kohlen; dieselben Gegenstände werden auch durchgeführt. Den kaufmännischen Verkehr mit Heilbronn vermittelt ein hiesiger, den mit Stuttgart der durchfahrende Gaildorfer Frachtfuhrmann; für den Holzhandel befinden sich dagegen viele Frachtfuhrwerke in Stadt und Parzellen.

Die Stadt hat jetzt 6 stark besuchte Viehmärkte, mit denen 4 Krämermärkte und ein Holzmarkt in Verbindung stehen; auch der neu errichtete Schafmarkt gewinnt an Bedeutung.

Bei dem Vorherrschen des Gewerbebetriebs in Stadt und theilweise auch in den Parzellen und bei dem Mangel eines lohnenden Ackerbaues ist die Größe des Güterbesitzes, wenn solcher nicht zum größten Theil aus ertragsfähigen Waldungen und Wiesen besteht, für das gute Auskommen nicht gerade maßgebend. Der Vermögensbesitz nach dem Geldwerthe ist vergleichungsweise nur ein mittelmäßiger zu nennen. Der Privatgüterbesitz der Stadtbewohner ist | gering und besteht bei den Wohlhabenderen neben Wohnung und gewerblicher Einrichtung hauptsächlich in einigen Morgen Wiesen und Baumgärten. Die begütertsten Einwohner der Parzellen besitzen 150 Morgen Güter und mehr, darunter etwa die Hälfte Wald, das andere sind Äcker, ein- bis zweimähdige Wiesen, Baumgärten und Weiden. Der Mittelmann besitzt 40–50 Morgen in demselben Verhältniß, die ärmere Klasse entweder nichts als eine Wohnung oder einige Viertel schlechter Äcker, und nährt sich von Holzmachen, Taglohnen und Weben. Gemeindeunterstützung erhalten in der Stadt 60–70, in den Parzellen gegen 300 Personen.

Die bäuerlichen Hofgüter (Höfe) gehen fast immer vom Vater auf den erstgeborenen Sohn oder aus eines, selten auf mehrere der Kinder, in diesem Falle getheilt, über. Bei solchen „Kindskäufen“ erscheinen die Preise der Morgenzahl gegenüber äußerst gering, erreichen oft nur die Hälfte des eigentlichen Werthes, aber die abtretenden Eltern behalten sich ein lebenslängliches Ausgeding an Früchten und andern Naturalien, sowie das Wohnungsrecht vor, was sehr oft den Mindererlös nahezu aufwiegt, aber nicht selten zu Streitigkeiten und Feindschaften zwischen Alten und Jungen führt.

Die Bürger der Stadt besitzen Äcker in nicht bedeutender Zahl auf den Nachbarmarkungen von Hausen und Siegelsberg, dagegen die vermöglicheren Bürger fast sämtlicher Parzellen Thalwiesen auf der Stadtmarkung und zwar in steigender Ausdehnung. Einzelne Bewohner des Weissacher Thales haben Theil an dem fast ganz städtischen Streitweilerwalde.

Die Markung der politischen Gemeinde Murrhardt ist die größte im Oberamtsbezirk und besteht aus der Stadt und 35 Parzellen, von denen 9 zur Stadt selbst gehören, während die übrigen Parzellen meistens für sich je eine eigene Markung bilden. Die Gesamtmarkung besteht aus einem großen Theil des Murrhardter Waldes, ist mit Ausnahme der Thalebene und einiger nur wenig ausgedehnter Hochflächen durchaus sehr bergig und von tiefen Thälern und Schluchten vielfältig durchzogen.

Der Boden ist im allgemeinen mittelfruchtbar, theilweise unergiebig und besteht im Murrthal aus sandigen Alluvionen, die von Thon und Lehm unterlagert werden und ein vortreffliches Futter erzeugen; auf den Anhöhen und an den oberen Theilen der Thalabhänge erscheinen die mageren, nicht tiefgründigen, steinigen Zersetzungen des weißen Stubensandsteins, und an den unteren Theilen der Gehänge die thonigen Zersetzungen des Keupermergels.

Das Klima gehört gerade nicht zu den rauhen, im Murrthal ist es sogar mild, jedoch sind kühle Nächte auch den Sommer über nicht selten und schädliche Frühlingsfröste, wie auch kalte Nebel, stellen sich im Thale häufiger ein als auf den Höhen. Die Richtung des | Murrthales von Südost – nach Nordwest begünstigt eine starke Luftströmung, dagegen ist dasselbe vor Nordwinden geschützt; bewegter Luft und nicht selten starken Winden sind die Höhen ausgesetzt. Hagelschlag gehört zu den Seltenheiten.

Trotz dieser ungünstigen natürlichen Verhältnisse wird die Landwirthschaft mit vielem Eifer betrieben und dem Boden das möglichste abzugewinnen gesucht; günstiger ist die Beschaffenheit des Terrains und des Bodens für die Waldwirthschaft, die denn auch in neuerer Zeit von einigen Privatwaldbesitzern rationell betrieben wird. Neben dem Brabanter Pflug wird auch wegen des bergigen Terrains der deutsche Wendepflug noch angewendet und eiserne Eggen haben häufig und die Walzen bisweilen Eingang gefunden.

Von Getreidearten werden hauptsächlich gebaut Haber, Dinkel und Roggen, dann Gerste, Weizen und Einkorn; von Brach- und Handelsgewächsen kommen zum Anbau Kartoffeln, Futterkräuter (dreiblättriger Klee und Luzerne), Rüben, Heidekorn, selten Reps und Mohn, dagegen sehr viel Flachs und Hanf; von dem Ertrag der letzteren wird etwa die Hälfte entweder als Gespinnst oder als Leinwand nach außen abgesetzt. Auch mit dem Hopfenbau wurde begonnen und es verbreitet sich dieser mehr und mehr. Nur wenige Güterbesitzer können, mit Ausnahme von Haber, von ihren Getreideerzeugnissen nach außen verkaufen, da diese häufig nicht einmal das häusliche Bedürfniß befriedigen und daher weit mehr Früchte, namentlich in die Stadt, von außen eingeführt werden müssen.

Im Murrthal ist der Wiesenbau vorherrschend und sehr ausgedehnt, das Futter gut und nur an einigen Stellen sauer; auf den Bergen und an ihren Abhängen ist derselbe beschränkter und das Erzeugniß mittelmäßig. Im Thal sind die Wiesen meist drei-, an den Bergen ein- und zweimähdig; im Thal können 15–20 Morgen, in den Parzellen 50–60 Morgen bewässert werden und zwar hauptsächlich in Hinterbüchelberg und Vorderwestermurr. Von den Stadtbewohnern wird Futter nach außen verkauft, das meiste aber für die Schafe den Winter über verbraucht.

In der Nähe der Stadt befinden sich einige schöne Gartenanlagen. Die meisten Gemüsegärten, in denen jedoch nur für den eigenen Bedarf der Gemüsebau getrieben wird, liegen auf der „Burg“. Weinbau treibt man in der Nähe der Stadt nur auf wenigen Morgen versuchsweise.

Die Obstzucht hat seit 20 Jahren bedeutend zugenommen und geht auch jetzt noch nicht zurück, obgleich man vom früheren Übermaß abgekommen ist. Das Obst geräth wegen der starken Fröste und Nebel nicht besonders gerne, Steinobst noch seltener als Kernobst und von letzterem gedeihen am besten die Äpfel und zwar Luiken, Rosenäpfel, Goldparmäne, von den Birnen die Wolfs-, Brat- und | Palmischbirnen. Zwetschgen werden viele gezogen. Das Obst wird meist gemostet, einiges auch gedörrt und gebrannt, nach außen aber nur selten verkauft.

Die Stadt besitzt 2700 Morgen Waldungen (zumeist Nadelwald), welche von einem Stadtförster rationell bewirthschaftet werden; die Parzellen zusammen haben 4100 Morgen Privatwaldungen, auch vorherrschend Nadelwald. Nach dem Nutzungsplan werden jährlich aus den Stadtwaldungen 1600 Klafter und 1000 Wagen Reisach geschlagen, bei den Privatwaldungen kann man jährlich 1/2 Klafter vom Morgen annehmen. Nach der bestehenden „Waldordnung“ haben an dem Ertrag des Stadtwaldes die meisten hiesigen Häuserbesitzer das nöthige Bauholz, das Holz zu Brettern für Böden, Dachrinnen u. s. f., beim Neubau und bei Reparationen, roh im Walde anzusprechen; ebenso vier der hiesigen Mühlen das Holz zum Hoch- und Wasserbau und zu den Mühlwerken. Der Rest des Holzertrags ist unter die Bürger und Bürgerswittwen gleichmäßig als Holzgabe alljährlich zu vertheilen; auch selbstständige ledige Personen, wenn sie das vierzigste Jahr zurückgelegt haben, sollen berücksichtigt werden. Seit 1846 ist die Zahl der Empfänger von Bürgerholzgaben auf 450 festgesetzt und es können die jüngeren Bürger nur durch den Abgang der älteren der Reihe nach in dieses Recht eintreten. Bis vor etwa 30 Jahren wurde das Bau- und Gabholz in natura vertheilt, in 21/2–3 Klaftern Scheiterholz oder theilweise auch in Wellen. Seither wurde aber der gesamte Waldertrag, und zwar das Tannenholz hauptsächlich in Stämmen, im öffentlichen Aufstreich verkauft, von dem Erlös die zu Geld berechneten Bauholzentschädigungen bezahlt und die Gemeinde-Ausgaben bestritten, der Rest des Erlöses aber als Ersatz für die Bürgerholzgabe gleichmäßig unter die berechtigten Bürger und Witwen vertheilt. Im Durchschnitt stellt sich diese Geldgabe gleich dem Werth von 21/2–3 Klaftern tannenem Scheiterholz. Außerdem wird für andere städtische Zwecke jährlich noch ein Stadtschaden von 1000–1500 fl. umgelegt. Mit Verminderung der Bauholzgerechtigkeiten wurde in den fünfziger Jahren durch den Ankauf feiler Häuser von Seiten der Stadtpflege und Wiederverkauf derselben ohne dieses Recht begonnen, auch wurde das Bauholzrecht bei einer der vier berechtigten städtischen Mühlen abgelöst. In die Stadtkasse fließen aus den Waldungen zu den angegebenen städtischen Zwecken durchschnittlich jährlich 5000 fl.

Eigentliche Weiden sind nicht vorhanden, nur in den Parzellen wird mitunter die Brach- und Stoppelweide benützt; sie gehören nicht zu den guten und werden meist nur mit einheimischen Schafen befahren. Die Winterweide der Stadt, welcher die sämtlichen Privatwiesen dieser Markung unterlegt sind, wird zum großen Theil von fremden hier überwinternden Schafherden benützt. In den verschiedenen | Parzellen zusammen bewegt sich die jährliche Pachtsumme einschließlich der Pferchnutzung, welche nicht besonders verpachtet wird, zwischen 440–460 fl. In der Stadt, wo das Winterweidgeld für alle hier überwinternde Herden dem Kopf nach eingezogen wird, beträgt die jährliche Einnahme durchschnittlich 450 fl. Hiesige Bürger hatten bisher 5 Köpfe frei. Nach Ablösung des Weiderechts der hiesigen ehemaligen Klosterschäferei ist es Sache der einzelnen Parzellengemeinden.

Die Stadt besitzt etwa 150 Morgen Allmandboden, wovon der größte Theil in derselben Reihenfolge wie bei der Waldnutzung den Bürgern in Gemeindetheilen von etwa 1/4 Morgen zur lebenslänglichen Nutznießung überlassen ist. Die Stadtkasse bezieht von den Nutznießern jährlich im Ganzen eine Gebühr von 65 fl. Außerdem besitzt die Stadt noch 9 Morgen Wiesen, welche ihr vom Staat mit der Farrenhaltung überlassen wurden und hiezu auch verwendet werden.

Die Pferdezucht steht der im Weissacher Thale nach; man züchtet vorzugsweise die Land- und Burgunder-Race, die Stuten werden auf die Beschälplatten Winnenden und Hall geführt. Die Pferdehaltung ist nicht bedeutend, doch in der Stadt namhafter als in den Parzellen.

Die Rindviehzucht ist dagegen sehr bedeutend, es wird Neckar-, Limpurger-, Leinthaler- und Allgäuer-Schlag gezogen. In der Stadt stehen 4 Farren zur Nachzucht, die auch von den meisten Parzellen benützt werden; in Büchelberg und Steinberg befindet sich je einer. Die Farren sind vom Neckar- und Limpurger-Schlag, werden von den betreffenden Farrenhaltungspächtern angeschafft und unterhalten. In der Stadt ging die Farrenhaltung vom Kloster mit Stallung und Scheune und 9 Morgen Wiesen auf die Stadtgemeinde über. Von den Bergorten wird das Vieh im Spätjahr noch ausgetrieben. Der bisher sehr bedeutende Viehhandel leidet je länger je mehr unter der Konkurrenz des Eisenbahnverkehrs. Der Verkauf geht hauptsächlich nach Baden und Frankreich. Die Viehmastung ist von geringerer Bedeutung; Mastvieh geht nach Stuttgart und Ludwigsburg. Milch wird in der Stadt verkauft. Die Viehzucht bildet einen Haupterwerbszweig für die Bauern sowohl als für einen großen Theil der Handwerker. Ein großes Hinderniß für ihre weitere Ausdehnung ist der stehend gewordene Mangel an Streu.

Die Schafzucht wird von einheimischen Gutsbesitzern und von fremden Schäfern betrieben; man hält zumeist Bastard-Racen. Die Schafe finden in der Stadt und in den Parzellen Überwinterung; den Winter über laufen in diesen 1800–2000, in der Stadt 3000–4000 Stücke, im Sommer in den Parzellen einige hundert Stücke, in der Stadt keine. Die Wolle geht auf die Märkte nach | Kirchheim und Heilbronn, der Abstoß der Schafe auf die Märkte zu Heidenheim, Göppingen, Aalen, Heilbronn und hier.

Die Schweinezucht ist nicht unbedeutend, ein großer Theil der Ferkel wird aber von Hall bezogen, oder aus Hessen, Bayern und Böhmen eingeführt. Man züchtet die hällische, halbenglische, und eine Bastard-Race von Hessen- und Landschweinen. Der Absatz von Ferkeln nach außen ist nicht stark, dagegen ist der von gemästeten Schweinen beträchtlich.

Die Fischzucht bedeutet nicht viel; künstlich wird sie nur in einigen Seen und Weihern, besonders im hiesigen Feuersee, betrieben. In der Murr und ihren Seitenbächen hat der Staat das Fischrecht, in den Seen und Weihern die Ortsgemeinden. Die Fischerei im hiesigen Feuersee ist jährlich um 11 fl. verpachtet, in der Murr und den Seitenbächen zu 5 fl. 30 kr. In der Murr und den Bächen kommen nur Forellen und Schuppfische vor, im hiesigen Feuersee zieht man Karpfen, Schleihen und Hechte; in den Waldbächen gibt es Edel- und Steinkrebse.

Die Gesamtmarkung ist überaus reich an Steinbrüchen, namentlich in dem weißen grobkörnigen Keupersandstein, welche gute Bau- und Werksteine wie auch Straßenmaterial liefern; auf städtischer Markung werden überdieß Kalkmergel in den oberen rothen Keuperletten abgebaut, aus denen ein sehr haltbarer schwarzer Kalk bereitet wird. Am Rießberg 1/4 Stunde südöstlich von Murrhardt werden Mühlsteine (harter, grobkörniger Keuper) und bei Steinberg und Hördthof Schleifsteine gewonnen. Ein Gipsbruch ist im Gaisbühl 1/2 Stunde westlich von der Stadt angelegt, auch Lehm- und Mergelgruben sind vorhanden.

Im Jahr 1790 ließ eine Gesellschaft im städtischen Waldtheil „Fehl“ ein Salzwerk eröffnen und bergmännisch abbauen; dasselbe wurde 15 Jahre mit einem Aufwande von 40.000 fl. fortgesetzt, allein das Unternehmen mißlang und löste sich in ein Vitriol- und Alaunwerk auf, dieses konnte die Unkosten nicht abwerfen und wurde deshalb wieder aufgegeben. Ebenso brachte eine vor 26 Jahren unternommene Nachgrabung auf Steinkohlen im städtischen Wald „Siebenknie“ nur Vitriolschiefer und Schwefelkies zu Tage. Am Hallberg nordöstlich von Siegelsberg befindet sich ein tiefer Schacht, der auch hier auf einen ehemaligen Bergbau schließen läßt.

Sehr reichhaltige Eisensteine werden los herumliegend auf den nahe bei der Stadt gelegenen Forstäckern, wie auch in der Hardt und und am Siebenknie gefunden.

Die einzelnen Stiftungen für Armenzwecke sind von geringerem Betrag und stammen von einer Anzahl Gemeindeangehöriger aus alter Zeit; sie betragen etwa 1700 fl. Das Gesamt-Stiftungsvermögen besteht aus dem Fonds des früheren „armen Kastens“ und | des „Heiligen“ und beträgt 22.000 fl. an Kapitalien, deren Zinsen bis jetzt größtentheils zur Unterhaltung der Walderichskirche, der Klosterkirche, des Gottesackers, zu Besoldungen der Kirchen- und Stiftungsdiener und zur Unterstützung der Armen verwandt worden.

Was nun die älteste Anlage der Stadt betrifft, so reicht diese nachweisbar bis in die Zeit, in der die Römer einen Theil von Württemberg, der zum römischen Zehentland (agri decumates) gehörte, inne hatten; sie haben uns zunächst der Stadt und ihrer Umgegend untrügliche Spuren von ihrem frühern Aufenthalt hinterlassen, und zwar stand auf der südöstlich an die Stadt grenzenden Flur „Burg“ eine namhafte römische Niederlassung, die noch ziemlich weit in das gegenwärtige Murrhardt hereinragte. Auf dieser sog. Bürg, die jetzt meist für Gemüsegärten benützt wird, stößt man nicht nur häufig auf Gebäudereste, sondern findet auch von Zeit zu Zeit römische Münzen und Bruchstücke römischer Gefässe, Ziegel etc.; auch entdeckte Kupferschmied Jäger daselbst eine römische Wasserleitung und grub viele irdene Deuchel von derselben aus. Eine Fortsetzung dieser Wasserleitung fand man auf der an die Burg grenzenden Kochswiese. Auch in dem südöstlichen Theil der Stadt, welcher zunächst an die Burg sich anlehnt, entdeckte man schon öfters römische Überreste, z. B. unter dem Hause des Schuhmachers Spengler römische Ziegel, Backsteine, einen mit Thonplatten belegten Fußboden, Bruchstücke römischer Gefässe, worunter mehrere von Siegelerde; unter der Wohnung des Glasermeisters Vogel einen Estrichboden, Fragmente römischer Gefässe etc.; neben dieser Wohnung unter dem Hause des Hafnermeisters Rößle eine römische Wasserleitung; in der Hauptstraße bei dem mittlern Brunnen 6′ tief unter der Oberfläche ein altes Straßenpflaster; unter der Wohnung des Maurermeisters Kübler bei Grabung eines Kellers Bruchstücke römischer Gefässe von Siegelerde und eine römische Münze; bei dem Hause des Bäckermeisters Horn eine Bronzemünze von Hadrian; bei der Wohnung des Metzgermeisters Maier eine silberne Münze von Antoninus Pius; bei Grabung eines Bierkellers von Kronenwirth Horn eine Bronzemünze von Hadrian; in der Gasse, welche von der Hauptstraße gegen die obere Mühle führt, bei Anlegung eines Kanals, ein Gewicht zu einer römischen Schnellwage, einen mit Epheukranz gezierten weiblichen Kopf vorstellend, u. s. w.

Auch außerhalb der Stadt finden sich noch einige Punkte, auf denen römische Gebäude gestanden haben, wie auf dem 1/4 Stunde nördlich von Murrhardt am Einfluß des Trauzenbachs in den Siegelsbach gelegenen Steinmäuerle wo man noch entschiedene Spuren von römischem Mauerwerk findet. Auf einem kleinen Hügel einige 100 Schritte südlich von der Stadt wurde ein römischer Estrichboden aufgedeckt.

| Die interessantesten Belege zu der bei Murrhardt gestandenen römischen Niederlassung liefern aber 3 römische mit Inschrift versehene Denksteine, von denen übrigens nur einer noch vorhanden und seit vielen Jahren im K. Antiquarium in Stuttgart aufbewahrt ist; dieser Stein wurde in der oberen Vorstadt beim Ausgraben des Mühlbachs gefunden, hernach vom Müller in sein Haus eingemauert, im Jahr 1675 wieder herausgenommen und an die alte Abtei versetzt und kam später, wann ist nicht bekannt, in das K. Antiquarium. Von den zwei übrigen Denksteinen sind nur noch die Inschriften in Abschrift vorhanden; der eine wurde zur Zeit Abts Johann Schradin, welcher ums Jahr 1500 dem Kloster vorstand, im See hinter der alten Abtei gefunden, der andere war noch zu Sattlers Zeiten an der Walderichskapelle befindlich, und ist später zerschlagen worden.

Aus den Inschriften erfahren wir, daß in Murrhardt ein dem Sonnengott Mithras geweihter Tempel stand, welcher durch den Obersten der 24. Kohorte der freiwilligen römischen Bürger, Sextus Julius, zu Lösung eines von ihm dieser Gottheit gebrachten Gelübdes, wieder hergestellt wurde. Auch die Inschrift eines weiteren hier gefundenen Denksteins bestätigt, daß hier die 24. römische Kohorte der Freiwilligen Standquartier hatte (s. hierüber den allgemeinen Theil, Abschnitt „Römische Alterthümer“ S. 118).

Nachdem nun eine römische Niederlassung bei Murrhardt hinlänglich nachgewiesen ist, bleibt uns nur noch über den Zweck derselben einiges zu bemerken übrig: der römische Grenzwall (Limes transrhenanus) lief 1/4 Stunde östlich von Murrhardt von Köchersberg herunter auf den Linders quer über das Murrthal und zwar gerade zwischen der Lutzensägmühle und der obern Schafscheuer hindurch (s. hierüber den allgemeinen Theil, Abschnitt „Römische Alterthümer“ S. 116.)

Wir haben es demnach hier mit einer namhaften römischen Grenzgarnisonsstadt zu thun, die nicht zunächst an dem Limes, sondern 1/4 Stunde im Rücken desselben auf der sog. Bürg bei Murrhardt angelegt wurde, weil hier an einer sehr anmuthigen, fruchtbaren, wasserreichen Stelle, an der mehrere Thäler zusammentreffen, die Anlage einer Niederlassung schon in bürgerlicher, besonders aber in militärischer Beziehung gebotener war, als an dem Punkte, an welchem der Limes das dort noch schmale Murrthal überschreitet.

Der nordöstlich von Murrhardt sich erhebende Berg, auf welchem der Sage nach die Wolkenburg gestanden haben soll, und die Verschanzung auf dem Linders, sind zwei gegenüber liegende Punkte, die nicht nur Murrhardt selbst, sondern hauptsächlich den Zutritt von dem Siegelsbachthal her vertheidigten. Möglich, daß diese festen Punkte, sowie die außerhalb des römischen Grenzwalls eine Viertel-Stunde | Stunde östlich von Hausen gelegene Hunnenburg mit ihren zwei Nachbarburgen, die in einem Dreieck gestanden sein sollen, und von denen nur von der ersten einige schwache Spuren vorhanden sind, von den Römern als befestigte Stellen zur Vertheidigung des Murrthals, das sich hier mit dem Fornsbachthal vereinigt, angelegt wurden. Über diese Befestigungen wie auch über die Schanze und die Verschanzung auf dem Hornberg s. Ortsbeschreibung von Fornsbach.

Was endlich die römischen Straßen betrifft, so führte eine von Waltersberg herab nach der römischen Niederlassung bei Murrhardt und weiter über Hoffeld, Murrhärle nach Grab, eine andere das Murrthal herauf von Sulzbach her; an beiden findet man noch Überreste des ehemaligen Pflasters. Die Straße, welche dem Limes entlang angelegt ward, überschreitet des Terrains wegen die Grenzlinie 1/4 Stunde westlich von Mettelberg zwischen Hausen und Fornsbach das Murrthal und läuft das Katzensteigle hinauf an der Hunnenburg vorüber nach Karnsberg, Wolfenbrück bis Grab, wo sie den Grenzwall wieder erreicht. Die oben berührten Befestigungen bei der Hunnenburg etc. mögen nun auch theilweise zur Deckung des Straßenübergangs über die Murr gedient haben (s. auch den allgemeinen Theil, Abschnitt „Römische Alterthümer“ S. 120).

Erwähnenswerth sind noch folgende Volkssagen: Die Hunnenburg und ihre zwei Nachbarburgen sollen drei Brüdern gehört haben, von denen der eine eine „Goldfluth“, der andere eine „Eisenfluth“ und der dritte eine „Salzfluth“ hatte. So lange die Brüder einig waren, beherrschten sie die ganze Umgegend, allein der Neid wegen des größern oder geringern Vortheils aus den Fluthen entzweite sie, so daß sie sich gegenseitig bekämpften und am Ende verwünschten und zu Grunde gingen. Noch zu Anfang dieses Jahrhunderts konnte man Leute von Hausen erzählen hören, wie um Mitternacht, ja selbst bei Tag verwunschene Fräulein und Ritter von den ehemaligen Burgen ins Thal herabkommen und wie letztere am Brunnen ihre Rößlein tränken.

An die Stiftung und Gründung des Klosters Murrhardt knüpft sich folgende Sage: als der von seinen Söhnen vertriebene Kaiser Ludwig der Fromme auf der Flucht in das Murrthal kam, fand er Schutz in der festen Hunnenburg; von Kummer und Sorgen gequält flehte er Gott um Hilfe an, da erschien ihm im Traume ein Engel, der ihm bedeutete, er solle das Murrthal hinabreiten und da werde er auf einem Hügel die Zelle eines frommen Einsiedlers (Walderich) finden, der für ihn beten und ihm helfen werde. Der Kaiser folgte und fand auf dem Hügel, wo die jetzige Walderichs-Kirche steht[3], | den Einsiedler betend in seiner Zelle; Walderich habe den Kaiser getröstet und ihm nach längerem Aufenthalt wirklich auch die eingetretene Hilfe verkündigen können, indem die Söhne des Kaisers sich selbst entzweiten und bekriegten. Bei seinem Abschiede von dem Einsiedler habe dieser den Kaiser um die Erlaubniß gebeten, an dieser Stelle ein Klösterlein errichten zu dürfen, was der Kaiser nicht nur gerne gewährte, sondern ihm auch Land, 1000 Schritte im Gevierte, schenkte und ihn zum Abt des zu errichtenden Klosters ernannte. Das Kloster soll nun theilweise von den Steinen der zu diesem Zweck abgebrochenen Hunnenburg erbaut worden sein (s. u.). Eine weitere Volkssage haftet an dem Grabstein Walderichs, nach andern dem Stein, auf welchem Walderich gewöhnlich gesessen und von wo aus er Kranke geheilt und Wunder verrichtet. Walderich sei als sehr frommer Mann in der ganzen Umgegend bekannt gewesen und nach seinem Tode als Heiliger verehrt worden; er wurde an der Stelle seiner Zelle beerdigt und jener Stein hatte die Wunderkraft, Kranke, die an demselben beteten, zu heilen. Die Mönche des Klosters seien später über diese Verehrung Walderichs neidisch geworden und hätten den Grabstein auf den Waltersberg schaffen lassen, allein so oft sie es versucht, sei der Stein jedesmal wieder über Nacht auf dem Grabe Walderichs gelegen; derselbe sei ein Schwebstein gewesen und habe beim Berühren nachgegeben, was nach Widmanns Chronik des Klosters Murrhardt (s. unten) davon herrührte, daß er in der Mitte auf einem „Gewerb“ ruhte. Ein eiserner Pfahl sei mitten unter ihm auf gutem Fundament angebracht gewesen, daß der Stein sich bewegen konnte, wie man auf ihn trat. Hierauf haben sie den Stein in Stücke zerschlagen und in die Walderichskirche einmauern lassen, aber auch die Bruchstücke behielten ihre Wunderkraft und so sei alsdann der jetzt noch bestehende Opferstock entstanden, bei welchem schon seit 800 Jahren die Gläubigen Heilung und Hilfe für ihre Leiden gefunden hätten. Nach anderer Version der Sage habe eine andere Stadt den Stein wegen seiner Heilkräfte zu besitzen getrachtet, was ihr nicht gelungen, weil der Stein, so oft er weggeführt, immer des andern Tages wieder auf seiner alten Stelle gewesen sei, so daß die Fuhrleute ihn endlich in des Teufels Namen beschworen, worauf er sogleich zersprang. Aus dem Bruchstücke machte man den Opferstock, der die heilenden Kräfte ererbte. Auch bis auf den heutigen Tag erscheinen, besonders am Charfreitag, Scharen von Wallfahrern (Katholiken und Protestanten) an dem Walderichs-Opferstock, legen ein Opfer für die Armen ein und sprechen dabei knieend das Vaterunser. Diese Opfergaben bilden eine bedeutende Einnahme des Murrhardter Heiligen und betrugen in früheren Zeiten manchmal jährlich 200–300 fl., neuerdings scheint die Frequenz etwas nachzulassen (Kirchenbl. 3, 30). | Nach dem weit verbreitenden bis ins Ausland reichenden Volksglauben sollen schon Blinde, Lahme, wie überhaupt körperlich und geistig Kranke hier Heilung gefunden haben. Früher sollen Unsinnige und Besessene zu diesem Grabe gebracht worden, auf dasselbe in ein eigenes darauf gemauertes Häuslein in Ketten gelegt und eine Nacht daselbst gelassen worden sein, worauf einige wieder zu Sinnen gekommen seien. Im Jahre 1598 wurde der Grabstein gehoben und man fand darunter die Reliquien der Gebeine Walderichs ordentlich eingemacht.

Spuck- und Geistergeschichten waren früher viele im Umlauf; dieselben verlieren sich aber allmählig und nur einige sollen hier noch angeführt werden: der Vogt Jakob Hofseß, welcher im Jahre 1575 wegen Betrügereien enthauptet wurde, geht um Mitternacht nach einigen als großes Kalb, nach anderen als großer schwarzer Pudel in gewissen Straßen der Stadt umher.

Hinter dem Kirchhof am Waltersberg herum bekämpfen sich die Geister zur Adventzeit, indem man bei Nacht gaukelnde Lichter bald da, bald dort mit einander streiten sieht.

Auch am Katzensteigle, am Steinmäuerle und am Forstbühl soll es nicht geheuer sein und an diesen Stellen sollen die Wanderer durch blendende Lichter irre geführt werden.

Als vor Zeiten die Pest wüthete und es in Folge deren an Leuten für die Feldgeschäfte fehlte, sollen auf den Brennäckern nahe bei der Stadt Erdmännlein erschienen sein, die den Leuten dienstfertig bei der Heuernte halfen und ihnen zuriefen:

„Eßt Knoblauch und Bibernelle,
So werdet ihr nicht sterben älle.“

Dieses Mittel soll nun auch geholfen haben.

Über die noch auf der Markung Murrhardt liegende Hunnenburg s. die Ortsbeschreibung von Fornsbach.


Geschichte der Stadt.

Über die Entstehung und allmählige Weiterentwicklung der Stadt Murrhardt fehlt uns jegliche Nachricht; ihr Aufkommen hing vielleicht zusammen mit dem gleichnamigen Benediktinerkloster, dessen Geschichte unten genauer angegeben wird. In den noch erhaltenen ältesten Originalurkunden wird der Name Murraharht, Murehart, Murrehart geschrieben. Als „civitas“ wird die Stadt erstmals im Anfange des 14. Jahrhunderts bezeichnet. Ein Ulricus miles de Murrehart wird i. J. 1261 als Zeuge in einer Urkunde des Klosters Schönau aufgeführt (Gudenus Sylloge 236).

Murrhardt bildete mit der dortigen Klostervogtei ursprünglich einen Bestandtheil der Grafschaft Löwenstein und kam mit dieser den | 21. Oktober 1277 an das Bisthum Würzburg und den 15. Augnst 1281 von diesem an König Rudolf I. („omne jus quod nobis et ecclesiae nostrae competit in advocatia de Murreharta“ Acta Theod.-palat. 1, 355), welcher seinen unehelichen Sohn Albrecht von Schenkenberg mit der Grafschaft als einem Reichslehen belehnte (s. oben VII, 1). In den Lehens-, beziehungsweise Bestätigungsbriefen Kaiser Ludwigs des Bayern für den Grafen Nikolaus von Löwenstein vom 7. Oktober 1328 und 14. Juni 1332 (obige Acta 1, 358. 360) wird die Stadt Murrhardt ausdrücklich erwähnt. Vorübergehend und ohne daß das Verhältniß genauer bekannt wäre, erscheint sie mit der Grafschaft Löwenstein im Besitze (vielleicht Pfandbesitze) des Markgrafen Rudolf VI. von Baden, als diesen der Kaiser Karl IV. den 9. August 1365 mit der Grafschaft belehnte (Schöpflin Hist. Zaringo-bad. 5, 479). Allein schon i. J. 1369, als Graf Albrecht von Löwenstein die Gräfin Udelhild von Werdenberg heirathete und Graf Eberhard der Greiner ihr das Heirathgut mit 2000 fl. gab, verschrieb Graf Albrecht den 20. September für solche 2000 fl. und für 1000 fl. Morgengabe seiner Gemahlin die Stadt Murrhardt mit allen Zugehörden und Nutzungen (Sattler Topogr. 517), sie muß somit wieder in löwensteinischem Besitze gewesen sein. Durch obige Darreichung erwarb nun aber Graf Eberhard wohl auch Rechte an die Stadt, denn den 23. September 1388 verschrieben sich deren Bürger, daß sie ihn und seine Erben zu einem Vogt und Schirmer ewiglich aufgenommen haben und 20 Pfund Geld und 20 Scheffel Haber auf Martini zu Vogtrecht geben, auch Öffnung halten wollen. Den 16. November 1389 stellten Kloster und Stadt eine ähnlich lautende Urkunde aus und sagten zu, daß, wenn diese Artikel nicht gehalten werden, die Stadt Württemberg eigenthümlich heimfallen solle, wogegen Graf Eberhard einen Schirmbrief für Kloster und Stadt ausstellte (St.-A.). Nach dem Tode ihres Gemahles übergab Udelhild den 12. Februar 1393 vor dem Landgerichte zu Rotenburg wegen jenes Geldes all ihr Recht zu der Stadt an den Grafen Eberhard den Milden von Württemberg und seine Erben und den 12. April 1395 verzichteten ihre Söhne, die Grafen Heinrich, Georg und Rudolf, ebenfalls auf alle ihre Ansprüche an das Kloster und die Stadt, sowie an die Vogtei daselbst. So kam Murrhardt in württembergischen Besitz; zu der Urkunde vom 19. Januar 1407, in welcher K. Ruprecht den Grafen Heinrich von Löwenstein mit Burg und Stadt Löwenstein und Sulzbach belehnt, findet sich in dem Reichsregistraturbuche beigesetzt: „Murrhardt die Stadt geht auch von dem Reich zu Lehen, die hat der von Wirtemberg inne“ (Chmel Regest. Rupert. reg. Rom. nro. 2252). Die Stadt war nach Sattler (Topogr. 517) lange „gering und schlecht“, erst der Vogt Jakob Hofseß verschaffte ihr ein besseres | Ansehen, indem er gute Brunnen dahin leiten (früher hatte man sich mit dem Wasser aus den Cisternen und Senklöchern beholfen), ein Pflaster anlegen und eine Schule und ein Rathhaus erbauen ließ. Aus der Geschichte der Stadt[4] sind folgende Einzelnheiten hervorzuheben. Im Bauernkrieg standen Stadt und Kloster im April 1525 in großer Gefahr, von den Hallischen Bauern, welche durch Bauern vom Gmünder Wald verstärkt waren, zerstört zu werden, allein ihr Hauptmann, Jakob Müller von Hall, wendete dies durch die Vorstellung ab, daß sie sich die Nothdurft an Lebensmitteln durch diese Zerstörung selbst benähmen (Widmann, s. S. 246); Unterthanen des Klosters traten dem Wunnensteiner Haufen bei. Als i. J. 1546 Kaiser Karls Kriegsvolk über Hall in das Land einrückte, wurde aller Vorrath an Früchten weggenommen und erlitten die Stadt sowie das Kloster bedeutenden Schaden, daher das letztere den 20. December für sich und die Stadt nebst allen Leuten, Unterthanen, Hintersassen und aller Habe und Gut einen Schirm-, Schutz- und Sicherungsbrief vom Kaiser erlangte. – Im dreißigjährigen Kriege nahmen die Schweden im April 1634 Quartier in Stadt und Amt, im August desselben Jahres sollen die Kaiserlichen bis in die Nähe von Murrhardt gekommen sein, das französisch-weimaranische Heer, welches gegen Ende des Jahres 1642 im Lande einrückte, plünderte die Stadt und das Kloster, und im April 1648 hausten die schwedischen Truppen in der ganzen Gegend wie Feinde. (v. Martens 229, 348, 354, 431, 457. Sattler Topogr. 517): Den 22. Oktober 1648 ging von Murrhardt die klägliche Nachricht ein, daß seit der Nördlinger Schlacht die Stadt und das Amt | in den äußersten Ruin gekommen und sich anstatt der vormaligen 300 Einwohner im Städtlein nur noch 77 und im Amt 24 Personen befinden, die dahin gehörigen Weiler meistens verwüstet und ungebaut liegen, auch im Städtlein und Amt nur noch 37 Ehehalten seien, welche zu den Besatzungen in Schorndorf und Asperg kontribuiren müßten, so daß sie bei Einziehung der schwedischen Gelder Haus und Hof verlassen müßten; nichtsdestoweniger erboten sich dieselben, ihr Möglichstes zu thun, sofern nur dem Klosterinhaber nicht gestattet würde, in diese Kontribution einzugreifen (Sattler, Herzoge 9, 11). – Im österreichischen Erbfolgekrieg hielt eine Abtheilung des von dem Marschall von Belleisle geführten französischen Heeres am 31. August 1741 einen Rasttag zu Murrhardt (v. Martens 623).

Den 24. August 1765 wurde die Stadt mit allen Gebäuden innerhalb der Ringmauer, 119 Häusern und 34 Scheuern, in 5 Stunden in einen Aschenhaufen verwandelt, wobei in dem Hause, in welchem das Feuer durch Unvorsichtigkeit ausgekommen, fünf Kinder ein Raub der Flammen wurden. Es befanden sich hiebei an herrschaftlichen Gebäuden: die Oberamtei samt Scheuer, das Oberdiakonathaus, der sog. lange Bau, das Klostersthorhäusle, an städtischen Gebäuden: das Rathhaus, die Stadtschreiberei und Scheuer, das Unterdiakonathaus und der obere und untere Thorthurm. Der verunglückten Familien waren es 178. Der Schaden belief sich nach einer Angabe auf 138.887, nach einer anderen auf über 200.000 fl. Nur die alte und die neue Abtei, die Klosterkirche und der Fruchtkasten nebst 4 Klosterscheuern wurden verschont. Es wurde eine eigene Brand- und Bau-Deputation eingerichtet, eine Kollekte im Lande veranstaltet und die Stadt nach dem Plane des Baumeisters Groß wieder aufgebaut.

Als geistlicher Besitz in der Stadt ist vor allem hervorzuheben derjenige des Klosters Murrhardt. Dieses hatte wenigstens nach seinem Lagerbuch von 1698/1710 außer den mit einer Mauer umgebenen Klostergebäuden namentlich das Diakonat- oder Pfarrhaus oben an der Stadtmauer und die Amtsbehausung auf dem Markt, Äcker, Weingärten, Wiesen, Baum- und Fruchtgärten, mehrere Seeen, so den Walderichs-, den Fornsbach-, den großen, den Guthannsen-See, den Stadtgraben, Fisch- und Krebsbäche, mehrere Wälder, die obere, die untere, die Rümelins Mahlmühle (die Bürgermühle, ein Erbgut der Stadt, aus dem Ende des 16. Jahrhunderts stammend), das obere und das untere Bad, beide als Erblehen hinausgegeben, den großen und kleinen Frucht-, den Wein- und Heuzehenten, sowie den lebendigen Zehenten, welcher jedoch i. J. 1574 den württembergischen Unterthanen erlassen wurde, Hellerzinsen und Gülten. – Das Stift Backnang besaß hier Hellerzinsen (Lagerbuch von 1568/9).

| Hinsichtlich der kirchlichen Verhältnisse Murrhardts, soweit dieselben nicht im Verlauf der Geschichte des Klosters dargestellt werden, ist folgendes hervorzuheben.

Seit unvordenklichen Zeiten erscheinen in Murrhardt zwei Kirchen, die Klosterkirche und die Walderichskirche, eine dritte Kirche bestand hier nie. Die Klosterkirche wurde der Gemeinde erst in Folge der Reformation zur Benützung überlassen, allein bis zum Jahr 1867 hatte dieselbe nur das Gastrecht allda. Hingegen gehörte die Walderichskirche von jeher der Gemeinde, sie wurde auch nach der Reformation während des dreißigjährigen Krieges eine kürzere Zeit wieder als evangelische Pfarrkirche benützt (s. unt. S. 255), heutzutage dient sie zu Leichengottesdiensten und am Charfreitag zur Predigt. Sie ist die ecclesia parochialis sanctae Mariae virginis, in welcher i. J. 1520 Abt Oswald und Convent, sowie die Einwohner von Murrhardt die schon in älterer Zeit zum Zweck von Todtenfeiern für die Verstorbenen gestiftete Sebastiansbrüderschaft wieder erneuerten und vermehrten.[5]

Da der erste evangelische Abt Hofseß nicht predigen konnte, so wurden ein Stadtpfarrer und ein Diakon angestellt. Von 1574–1634 versahen die evangelischen Äbte die Stadtpfarrstelle, von 1634–1649, wo das Kloster in katholischen Händen war, blieb sie unbesetzt, von 1649–1671 waren wieder eigene Stadtpfarrer, ebenso von 1706–1711 (weil die Abtsstelle solange nicht besetzt war), sonst aber versahen die Äbte diese Stelle. Der erste Diakon war zugleich Pfarrer von Fornsbach, der zweite, dessen Stelle 1628 errichtet wurde, Präceptor an der lateinischen Schule der Stadt. Als diese letztere i. J. 1807 aufhörte, Sitz eines evangelischen Prälaten zu sein, wurde eine eigene Stadtpfarrei errichtet, neben welcher noch ein Jahr lang ein Diakonat fortbestand, mit dem das Lehramt an der lateinischen Schule verbunden war. Seit 1808 wurden statt des Diakones dem Stadtpfarrer ein oder zwei Vicare beigegeben, die Schule aber durch einen besonderen Lehrer versehen, der nicht gerade Theolog sein mußte. Im J. 1822 wurde wieder ein Diakonat errichtet, seither bestehen die Stadtpfarrei und das Diakonat neben einander und der Stadtpfarrer ist zugleich Pfarrer von Fornsbach. (Vgl. Binder 136 ff.)

Die Parochie ist eine sehr umfangreiche; es gehörten in sie sämtliche jetzige Filialen, soweit die Kirchenbücher zurückgehen, d. h. bis zum Jahr 1618, und sie selbst nicht neueren Ursprungs sind. | Einige ältere Filialen sind jetzt anderen Pfarreien zugetheilt, so seit 1825 Glashofen und Ernstenhöfle, O.-A. Gaildorf, der Pfarrei Ober-Roth, seit 1851 Grab, Schönbronn u. s. w. der Pfarrei Grab. Heutzutage gehören in die Pfarrei Murrhardt: 1) im O.-A. Backnang: a. Murrhardt mit 32 seiner Parzellen, nur Frankenweiler gehört zur Pfarrei Grab, Eschenstruet und Liemannsklinge zur Pfarrei Sulzbach, b. Fornsbach mit seinen 6 Parzellen, c. von der Gemeinde Sechselberg die Parzellen Fautspach und Hörschhof; 2) im O.-A. Gaildorf: a. Von der Gemeinde Vichberg die Parzellen Hornberg, Retzenhof, Rupphof, b. von der Gemeinde Ober-Roth: Wolfenbrück theilweise; 3) im O.-A. Welzheim von der Gemeinde Kirchenkirnberg: Bruch, Gänshof, Göckelhof, Marxenhof, Mettelbach, Mutzenhof, Schloßmühle, Unter-Neustetten, Weidenbach und Weidenhof.

Das Kloster Adelberg mußte in alten Zeiten der Kirche zu Murrhardt 20 Lämmer liefern, kaufte aber diese Abgabe den 24. August 1338 mit 20 Pfund Heller ab (St.-A.).

Geschichte des Klosters.[6]
Die Anfänge des Benediktiner Mannsklosters Murrhardt, welches dem h. Januarius gewidmet war, gehen bis in die frühesten Zeiten zurück. Es gibt eine doppelte Erzählung seiner Gründung. Nach der einen schenkte schon Pippin der Kleine († 768) die Zelle Murrhardt zusamt den Zellen Amorbach (im K.-R. Bayern) und Schlüchtern (in Kurhessen) und den Städten Neustadt und Homburg (im K.-R. Bayern) an die Kirche zu Würzburg und bestätigten diese | Schenkung K. Karl der Große im Oktober 788 in der Kilianskirche zu Würzburg auf Bitte seiner Gemahlin Fastrada und des h. Bonifacius, Erzbischofes zu Mainz, sowie K. Otto III., indem er den 12. December 993, noch minderjährig, auf Bitten seiner Großmutter Adelheid und seiner Schwester Sophie, Äbtissin zu Gandersheim, obige Besitzungen, welche in der Zwischenzeit dieser Kirche entfremdet worden waren, derselben zurückgab. Die Pippin’sche Schenkungsurkunde ist nun jedenfalls nicht mehr vorhanden und diese Erzählung gründet sich nur auf die im Wirt. Urkundenbuch (1, 36 u. 229) abgedruckten Urkunden K. Karls des Großen und K. Otto’s III., welche der Pippin’schen Schenkung Erwähnung thun. Die aus Copialbüchern des Stiftes Würzburg stammende Urkunde K. Karls ist sicherlich unächt, denn von den in ihr als mitwirkend genannten Personen starb Burkhard, der erste würzburgische Bischof, 753, Pabst Zacharias 752, der h. Bonifacius 753, während die Königin Fastrada um 783 mit K. Karl vermählt wurde, dagegen ist die Urkunde K. Otto’s III. in einem Originale vorhanden, an dessen Ächtheit zu zweifeln kein Grund vorliegt. Es ergibt sich daraus eben, daß die „praecepta regum Pippini et Karoli“, welche Bischof Bernward von Würzburg damals dem Kaiser Otto III. präsentirte, unächt waren, wogegen die Annahme nicht ausgeschlossen ist, das Kloster Murrhardt habe damals schon längere Zeit bestanden und obige Besitzungen seien schon in älteren Zeiten würzburgisch gewesen, in der Zwischenzeit aber in andere Hände gekommen. – Die andere Erzählung von der Gründung des Klosters, welche in ihrer reicheren Ausschmückung schon oben (S. 239) mitgetheilt worden, beruht auf dem sog. Stiftungsbriefe K. Ludwigs des Frommen von 817. Nach ihm hätte dieser Kaiser dem Einsiedler Walderich, den er zugleich zu seinem Beichtvater angenommen, Land gegeben, um mit 12 Brüdern ein Kloster zu gründen, mit den Steinen der zu diesem Zwecke niedergerissenen Hunnenburg die Kirche erbaut und sie zu Ehren der Jungfrau Maria und des h Januarius weihen lassen, derselben die Pfarreien Murrhardt, Sulzbach und Vichberg und in der Folge noch andere Güter geschenkt, das Kloster feierlich in seinen Schutz genommen und ihm gestattet, seine Äbte und Vögte frei zu wählen und nach Umständen absetzen zu können. Daß diese Urkunde unächt ist, wird heutzutage nicht mehr bezweifelt, wenn sie gleich vom Pabst Honorius II. den 10. Juli 1225, sowie den deutschen Kaisern: K. Karl IV. den 13. August 1358, K. Friederich IV. den 26. September 1444 und K. Karl V. den 16. September 1550 bestätigt wurde. (Nur die letzte Urkunde ist noch im Original vorhanden und gedruckt in Würdtwein Subs. dipl. 4, 308. Vrgl. Wirt. Urkundenbuch 1, 89, wo das Datum der päbstl. Bulle jedoch zu berichtigen ist, und Chmel Regest. Friderici IV. nro 1761).

| Die erste ächte Urkunde, in welcher das Kloster genannt wird, stammt etwa aus dem Jahre 873; es ist in ihr von Besitzungen des Klosters zu Bottwar die Rede (Wirt. Urkb. 1, 173).

An die genannten Kaiserurkunden schließen sich noch einige weitere aus älterer Zeit an: K. Otto III. erneuerte, volljährig geworden, den 13. April 999 zu Rom obige Rückgabe Murrhardts an die S. Kilianskirche zu Würzburg; denselben Besitz bestätigten dem Bischofe von Würzburg und dessen genannter Kirche K. Heinrich II. auf Bitte seiner Gemahlin Kunigunde zu Cöln den 9. Februar 1003 und K. Konrad II. auf Verwendung seiner Gemahlin Gisela zu Tribur den 20. Mai 1025 (Wirt. Urkb. 1, 234, 235, 258). Wiederum auf Bitte seiner Gemahlin schenkte der letztgenannte Kaiser zu Ulm den 16. Juli 1027 an Würzburg den Wald um Murrhardt innerhalb beschriebener Grenzen samt dem Banne darüber (s. oben VII, 1). K. Heinrich VII. bestätigte zu Speier den 13. März 1309 dem Kloster alle von seinen Vorfahren am Reiche demselben verliehenen Rechte und Freiheiten (St.-A.).

Von päbstlichen Schutz- und Schirm-Bullen für das Kloster kennen wir nur wenige, und auch diese nur in Abschriften aus dem Ende des 15. Jahrhunderts: von Pabst Bonifacius VIII. d. d. 12. Juni 1301 und Pabst Martin V. d. d. 12. März 1418; den 10. März 1418 gebot der letztgenannte Pabst dem Dekan von Öhringen, die unrechtmäßiger Weise veräußerten Güter des Klosters demselben wieder zurückzuerwerben.

Im Zusammenhange mit obigen Schenkungen an Würzburg erwarb dieses Bisthum wohl auch zuerst die Vogtei über das Kloster. Allein schon die Grafen von Löwenstein ältesten Geschlechtes verwalteten die Schirmvogtei, wahrscheinlich als Lehen von Würzburg, und zwar zunächst der Nebenzweig dieser Grafen: die Grafen von Wolfsölden, wenigstens werden in einer Urkunde von 1182 Gr. Berthold von Wolfsölden und im Jahre 1191 (Chron. Murrh.) Ulrich, wohl derselben Familie angehörend, als Kastvögte des Klosters aufgeführt. Den 21. Oktober 1277 verkaufte Gr. Gottfried von Löwenstein die Grafschaft an den Bischof Berthold von Würzburg, und dieser verkaufte dieselbe den 15. August 1281 an den K. Rudolf, der sie sofort seinem natürlichen Sohne Albrecht von Schenkenberg als ein Reichslehen verlieh (s. oben VII, 1). Zwar kam es darauf zu Streitigkeiten zwischen dem Kloster und dem Grafen Albrecht, allein den 1. Januar 1289 verglich K. Rudolf die beiden Theile dahin, daß das Kloster im ruhigen und friedlichen Besitz aller seiner Güter und Rechte bleiben, der Graf sich aber der Vogtei über das Kloster in derselben Weise zu erfreuen haben sollte, wie dies seine Vorfahren, die Grafen von Löwenstein, in früheren Zeiten gethan | hätten.[7] Den 4. Januar 1300 stellten Abt Heinrich und Convent des Klosters eine Urkunde aus, wornach sie dem Grafen, welcher ihnen eine Jahresrente von 2 Pfund Heller zukommen lassen, alle Beschädigungen verziehen, die er dem Kloster wissentlich oder unwissentlich zugefügt (St.-A.). Derselbe Graf erwählte sein Begräbniß in der Klosterkirche vor Unserer Frauen Altar und setzte zu einem Seelgeräthe eine jährliche Gült von 20 Pfund Heller, wofür alle Tage bei dem Altar ein Seelenamt gehalten werden sollte; sein Sohn und Nachfolger, Graf Nicolaus, wies die Gült auf sichere Gefälle an, bestimmte mit dem Abt Heinrich den 25. April 1320 ihre Verwendung etwas genauer und setzte als den feierlichen Tag solcher Begängniß den 11. Juni fest. Auch dieser Graf wurde in der Klosterkirche begraben (s. o. S. 219), und der genannte Abt ordnete für ihn eine Jahreszeit also an, daß sie alle Jahre den 3. Tag nach S. Georgientag gehalten werden sollte (Acta Theod.-palat. 1, 337, 338, 341). Nachdem K. Karl IV. bereits den 11. August 1358 die Privilegien des Klosters bestätigt hatte (s. oben), nahm er es den 20. August 1365 in seinen Schutz und bestellte an seiner Statt zu Schirmern und Pflegern die Grafen Eberhard und Ulrich von Württemberg, gebot auch an demselben Tage Jedermann, namentlich aber den Reichsstädten in Ober- und Nieder-Schwaben, das Kloster wegen dieses Schirmes nicht zu irren, sondern es zu schützen und zu schirmen (Sattler Grafen 1. Forts. Beil. Nr. 133), worauf Abt Konrad und Convent des Klosters sich den 30. d. M. den Grafen verschrieben und eidlich bekräftigten, sie wie ihre Nachfolger wegen besonderer Gnade und guter Zuversicht, die sie zu ihnen haben, und wegen der von ihnen empfangenen Wohlthaten als Schutzvögte und Schirmherren anzuerkennen (Gabelk.). Dagegen aber that Graf Albrecht von Löwenstein Einsprache, das Kloster mußte ihn den 26. November 1367 als Landesherren anerkennen und versprechen, daß es ihn und seine Nachkommen, die Besitzer der Grafschaft Löwenstein seien, immer und ewig für ihre rechten Herren und Vögte halten und sich mit keinem anderen Herrn mehr bevogten wolle, und den 23. Juni 1369 schwuren Abt Konrad und Convent dem Grafen, seinen Anordnungen ohne Widerrede Gehorsam zu leisten (Acta Theod.-palat. 1, 343); jedoch schon den 16. November 1389 erkannten Abt Eckart und Convent, sowie die Bürger der Stadt – | im Anschluß an die i. J. 1388 von der letzteren ausgestellten Urkunde – den Grafen Eberhard von Württemberg und seine Erben wieder als Schirmherrn und Vögte an, und den 12. April 1395 verzichteten die Grafen von Löwenstein auf alle Ansprüche an das Kloster (s. ob. S. 242). Auch der folgende Abt Heinrich verschrieb sich den 6. März 1391 in derselben Weise wie sein Vorgänger, und Bischof Gerhard von Würzburg gab den 16. d. M. zu all dem seine Einwilligung. Überhaupt blieb seitdem die Schutzvogtei bei Württemberg (Verschreibungen der Äbte Johannes vom 15. December 1406, Herbort vom 30. Oktober 1456, Johannes vom 20. Juni 1489, im St.-A.). So konnte namentlich auch von einer landesfürstlichen Obrigkeit und weltlichen Jurisdiktion des Bischofs von Würzburg nicht die Rede sein, worauf eine Inschrift von 1528 auf einem Fenster der alten Abtei mit den Worten hinwies: „Ferdinando König und Fürst – Ist dieß Kloster Murrhardt zugethan, – doch Würzburg ist hier Diöcesan – das Herzogthum Franken gehts nicht an“ (Rothes Buch. Ferdinand war bekanntlich damals Inhaber des Herzogthums Württemberg; mit dem Herzogthum Franken wird die weltliche Herrschaft des Bischofs von Würzburg bezeichnet).

Als Kurfürst Ludwig IV. von der Pfalz i. J. 1441 die Grafschaft Löwenstein von den letzten Gliedern der mittleren Linie des Hauses vollends erkauft hatte, erhob er auch Ansprüche an das Kloster, weil es zu dieser Grafschaft mit Schirm und Vogtei gehöre, und in den deßhalb entstandenen Händeln wandte sich Graf Ulrich von Württemberg selbst an den Herzog Karl den Kühnen von Burgund, allein in dem Vergleiche vom 25. August 1457 begab sich Kurfürst Friederich I. aller Ansprüche an diesen Schirm und die Vogtei, und sollte der Schaden, den er dem Kloster zugefügt und den er von dem Grafen und dem Kloster erlitten, gegen einander aufgehoben sein (vgl. Sattler, Grafen 2. Forts. 234). Bald darauf gerieth Graf Ulrich in die Gefangenschaft des Kurfürsten Friederich und da Gefahr vorhanden war, das Kloster möchte von diesem verleitet werden, hielt Kaiser Friederich IV. den 13. Oktober 1462 für rathsam, es durch eine zeitliche Aufhebung des württ. Schutzes in seinen und des Reiches Schutz zu nehmen, jedoch mit dem Vorbehalte, daß es nach der Befreiung des Grafen dem württ. Schutze wieder überlassen werden und wie zuvor bei der Herrschaft Württemberg bleiben solle (Sattler Grafen 2. Forts. 28 u. Beil. Nro 21).

Im Beginne des 16. Jahrhunderts wünschte das Kloster, welches in bedeutenden sittlichen und ökonomischen Zerfall gekommen war, nach dem Vorgange Ellwangens und Comburgs, in ein weltliches Chorherrenstift verwandelt zu werden, und Herzog Ulrich von Württemberg gab hiezu, wie es scheint, seine Einwilligung für den Fall, daß die geistlichen und weltlichen Lehen Württemberg zugewandt | würden. Demgemäß reisten im Auftrage des Klosters, welches zu diesem Zwecke den Zehenten in Oßweil verpfändete, der Prior Wilhelm Ker und der Dekan Oswald Batzer von Öhringen nach Rom zum Pabste Julius II., allein dieser gab seine Einwilligung zu jener Zuwendung der Lehen an Württemberg nicht, sondern ließ die Bulle über die Verwandlung des Klosters in ein weltliches Stift vom 9. Juli 1509[8] in der Weise ausfertigen, daß jene Lehen dem Stift inkorporirt werden sollten. Die Gesandten aber hatten über den langen Verhandlungen ihr Geld zu Rom verzehrt und versetzten die Bulle bei den Fuggern in Augsburg. Dort ließ sie der Herzog, welcher in der durch sie angeordneten Weise die Verwandlung nicht zulassen wollte, auslösen, den Prior aber auf dem Asperg einige Jahre gefangen setzen. Die Verwandlung des Klosters in der angestrebten Weise unterblieb somit, dafür aber nahm der Herzog in Verbindung mit dem Bischofe Lorenz von Würzburg eine Reformation desselben vor.

Den 8. December 1510 erschienen deßhalb zu Murrhardt als Bevollmächtigte des Bischofes die Äbte Konrad zu St. Stephan und Johannes (der bekannte Schriftsteller und strenge Benediktiner Trithemius) zu S. Jakob in Würzburg und Claus von Tettelbach als Anwalt, von Seite des Herzogs: die Äbte Georg von Zwiefalten, Johannes von Hirschau, Sebastian von Lorch, der Hofmeister Philipp von Nippenburg und ein Stuttgarter Chorherr. Der Abt Philipp und der Convent von Murrhardt mußten auf alle Ansprüche aus obiger Verhandlungsurkunde vor Notar und Zeugen verzichten, mit dem Abte hatte man seiner „Blödigkeit und Alters halber“ ein Einsehen, dagegen wurden aus dem Kloster Lorch ein neuer Prior, Oswald Binder, ein Großkeller und zwei geistlich reformirte Conventualen ins Kloster und 4 alte aus demselben zur Besserung ihres Lebens in andere Klöster versetzt. Zu weiteren Verhandlungen über die bessere Einrichtung des Klosteraufenthaltes, die Bewerkstelligung der Heimzahlung der bei 1400 Gulden baaren Geldes über alle jährliche Zinsen und Leibgedinge betragenden Schulden, die bessere Ausnützung des Klosterhofes zu Bottwar etc. etc. wurde ein neuer Termin anberaumt. Zugleich gaben diese Abgeordneten den 10. December dem Kloster eine neue Ordnung unter Einschärfung der Regeln des Benediktinerordens.[9]

| Allein trotz dieser Reformation wollte der Zustand des Klosters nicht besser werden, weder „im Göttlichen“, noch „im Zeitlichen“; der Herzog ließ es daher durch seine Räthe untersuchen und bestimmte den Präsidenten und etliche Prälaten des Benediktiner Ordens, sich in dasselbe zu begeben, worauf der Abt ihnen gegenüber auf seine Würde verzichtete, der Convent obigen Oswald zum neuen Abt wählte und die alten Conventualen bis auf zwei, welche der Reformation gemäß leben wollten, abgefertigt wurden. (Schreiben Herz. Ulrichs an den Bischof von Würzburg vom 15. April 1511). Der neue Abt war zwar „ein frommer, geistlicher, andächtiger, gottesfürchtiger Mann, aber in bürgerlichen Sachen und Haushaltung nicht ganz laufenlich“. Um der Schuldenlast des Klosters aufzuhelfen, namentlich sich den Gastereien und Atzungen zu entziehen, „ließ er sich mit seinen Conventualen von den württembergischen Räthen aus dem Kloster thädingen“; er selbst begab sich wieder nach Lorch zurück und seine Conventualen gingen als Gäste in andere Benediktinerklöster, während zwei Laienbrüder als Verwalter im Kloster selbst zurückblieben, ohne daß freilich die ökonomischen Verhältnisse desselben sich gebessert hätten. Im Lager vor Reutlingen (1519) wurde jedoch Herzog Ulrich von den Mönchen gebeten, sie wieder einzusetzen, was auch geschah; das Kloster wurde in den alten Stand zurückgeführt, von der Atzung befreit, wofür jährlich 100 fl. zu zahlen waren, und dem Abte Oswald in Martin Mörlin ein geschickter Großkeller beigegeben.[10]

So waren die Verhältnisse des Klosters wieder leidlich geordnet, als i. J. 1525 der Bauernkrieg kam: entging das Kloster nach Obigem auch der Zerstörung, so zerschlugen die Bauern doch Fenster und Öfen, eigneten sich an, was sie an Früchten und Wein fanden, und vernichteten die Bücher und Dokumente; von diesen Schätzen soll manches auch erst bei dem Brande des Klosters Lorch zu Grunde gegangen sein, wohin das Betreffende geflüchtet worden war.

Bei der Einführung der Reformation[11] im Lande nach Herzog | Ulrichs Rückkehr i. J. 1534 mußte mit dem Abt Martin von Murrhardt „certas ob causas“, wie sich Ulrich in einem Schreiben an den Landgrafen von Hessen vom 18. Oktober 1536[12] ausdrückt, gelinder verfahren werden, es wurde ihm „durch die Gunst benachbarter Edelleute“ (Widmann, Rothes Buch) gestattet, daß er mit den Mönchen in ihrem Habitus im Kloster bleiben durfte, allein das Klostervermögen wurde durch die herzoglichen Abgesandten Hans Friederich Thumb und Erhard Schnepf inventirt und eine neue kirchliche Ordnung eingeführt. Gegen Ende des Jahres 1535 und später wiederholt wurde dem Abt durch den abgesandten Obervogt zu Schorndorf, Friederich von Schwarzenberg, der Antrag gestellt, sich dem Herzoge eidlich zu lebenslänglichem Dienst zu verschreiben, herzoglicher Rath zu werden und von seiner Verwaltung Rechenschaft abzulegen, als er sich dessen mit Berufung auf die entgegenstehende Stiftung des Klosters und auf seinen dem Bischofe von Würzburg geleisteten Eid weigerte, erließ der Herzog scharfe Maßregeln, um jede Veräußerung oder Verschleuderung des Klosterguts zu verhindern. Vom Jahre 1536 an mußte aller Überschuß nach Stuttgart geliefert werden, der von dem Herzog zum Klostervogt und Mitverwalter verordnete Jakob Hofseß von Heimsheim hatte nunmehr die Wirthschaft zu führen und der Abt behielt nur die Einsicht in die Rechnungen. Als Abt Martin den 13. Juni 1548 starb, war im Kloster allein noch der Prior Thomas Karlin übrig. Dieser wurde vom Herzoge „als ein frommer Mann, der des Klosters Nutzen zu fördern begierig, auch einen Convent zu versammeln erbötig sei“, zum Prälaten verordnet (Schreiben des Herzogs an den Bischof von Würzburg vom 17. September 1548, worin er um die Konfirmation desselben bittet). Allein er mußte dem Herzog eine, wie die Mönche später behaupteten, ihnen gänzlich unbekannt gebliebene Kapitulation ausstellen, in welcher er den Herzog als seinen erblichen und einigen Kastvogt anerkannte, herzoglicher Rath wurde und versprach, auf den Landtagen zu erscheinen, an den Lasten des Landes entsprechenden Antheil zu nehmen, die Entscheidung über peinliche Vergehen, die auf dem Gebiet des Klosters begangen, dem württ. Gerichte zu überlassen, den Instanzenzug an das württ. Hofgericht zu gestatten, einen von den herzoglichen Räthen ernannten evangelischen Geistlichen ins Kloster | aufzunehmen und auf dessen Kosten zu unterhalten, von den Einkünften gemeinschaftlich mit dem Verwalter Rechnung abzulegen u. s. w. Der neue Abt wurde sofort in Gegenwart des Bischofs von Würzburg eingesetzt und von dessen Weihbischof konsecrirt. Nicht lange nachher starb Herzog Ulrich den 6. November 1550, worauf die Unterthanen des Klosters wegen der Erbhuldigung für Herzog Christoph Schwierigkeiten machten, indem sie erst vor einem Jahre ihrem Abte gehuldigt hätten, doch legten sie dieselbe bald willig ab (Sattler, Herzoge 4, 4).

Den 21. Juni 1552 starb Abt Thomas, worauf Herzog Christoph den 8. August seine Räthe Johannes Landschad von Steinach und Sebastian Hormold nach Murrhardt sandte, um die Nachfolge in seinem Sinne zu regeln; diese fanden im Kloster vor: 5 Conventualen im Alter von 19–22 Jahren, welchen sie in geistiger und sittlicher Beziehung sehr schlechte Zeugnisse gaben, 3 Novizen, den Schulmeister und einen rechtsgelehrten Syndicus aus Hall; zum Verbande gehörten auch noch 2 ältere Conventualen, die in Österreich und bei Würzburg Pfarreien inne hatten. Es wurden nun Verhandlungen gepflogen mit dem Klostervogt Jakob Hofseß und dessen Sohne Otto Leonhard, welch letzterer 19 Jahre alter Conventual des Klosters auf die vom Herzoge gestellten Bedingungen hin für die Abtswürde bestimmt wurde. Der Convent erklärte sich bereit, denjenigen als Abt anzuerkennen, den auf des Herzogs Präsentation hin der Bischof von Würzburg konfirmiren würde. Zu diesem reisten nun Landschad und der alte Hofseß, und derselbe willigte ein, daß der junge Hofseß die Verwaltung der Abtei unter der Autorität des Abts von Lorch führe, bis er das gesetzliche Alter erreiche und dann der Ordnung gemäß konfirmirt werden könne. Den 25. August wurde der junge Hofseß zu Murrhardt als Abt promulgirt und stellte dem Herzoge eine, zunächst wohl jedenfalls geheim gehaltene Kapitulation aus, worin er denselben als seinen Landesherrn anerkannte und versprach, während seiner Verwaltung werden die katholischen Ceremonien abgeschafft und der Gottesdienst dafür möglichst nach der vom Herzoge zu Trient übergebenen Konfession und dessen sonstigen Anordnungen gehalten werden, er werde ohne des Herzogs Vorwissen weder sich noch einen seiner Conventualen ordiniren lassen, Pfarreien und Kaplaneien, welche das Kloster zu verleihen habe, mit evangelischen Personen besetzen, die Conventualen nach Tübingen schicken und selbst einige Zeit dorthin gehen, um sich in der neuen Lehre zu unterrichten.

Im Jahre 1558 heirathete Hofseß mit Einwilligung des Herzogs, wodurch er jedenfalls – wenn nicht schon früher – seinen Austritt aus der alten Kirche öffentlich kundgab, und erhielt vom Klostereinkommen als Ehesteuer 200 fl., ein jährl. Deputat von 130 fl. und für den Fall, | daß er Kinder bekommen sollte, noch ein größeres Deputat zugesagt. Allein er entsprach des Herzogs Erwartungen nicht, wurde später auf dessen Befehl nach Neuffen in Haft gebracht, einem strengen Verhör unterworfen und den 22. September 1574 „von wegen Nit-Versehung der Kirche mit Predigen und unterlassener Inspection über die Schule, auch ungetreuer Haushaltung halber“ von der Amtei entsetzt, erhielt jedoch als jährliches Leibgeding 80 fl. Geld, 2 Scheffel Roggen, 20 Scheffel Dinkel, 4 Scheffel Haber, 2 Eimer Wein und 120 Büschel Stroh. Vielleicht war er auch in die Sache seines Vaters etwas verwickelt, welcher wegen verschiedener Untreue, insbesondere einer Restsetzung im Betrage von 7000 fl., die er sich in seinem Amt als Vogt gegen die Herrschaft zu Schulden kommen ließ, i. J. 1575 hingerichtet wurde. Übrigens nahm Herzog Christoph durch dieses erste Beispiel eines evangelischen Abtes etwas eingeschüchtert, längere Zeit keine Ernennung eines solchen mehr vor.

Zu Hofseß Zeiten wurde hier eine Klosterschule eingerichtet, aber nur ein Lehrer dabei angestellt; i. J. 1594 wurde sie wieder aufgehoben und die 9 noch vorhandenen Klosterschüler nach Blaubeuren versetzt (Binder, Kirchen- und Lehrämter 1, 93).

Die evangelischen Äbte des Klosters waren wie die anderen Äbte des Landes Landstände, eine Generalsuperintendenz wurde mit der Abtei nicht verbunden, dagegen war der Abt für die Regel erster Ortsgeistlicher (s. ob. S. 245). Nach einer Verordnung vom 8. Juni 1594 betrug seine Besoldung neben einigen sonstigen Nutzungen insbesondere: an Geld 220 fl., 4 Sch. Roggen, 40 Sch. Dinkel, 10 Sch. Haber, 1 Sch. Erbis, 1 Sch. Gerste, 9 Eimer Wein, 30 Klafter Holz (Rothes Buch).

Im 30jährigen Kriege wurde das Kloster in Folge des bekannten Restitutionsediktes vom 26. April (6. Mai n. St) 1629, den 13. September 1630 von den kaiserlichen Kommissären in Besitz genommen (v. Martens 303), die congregatio Sueviae bestimmte Zwiefalter Mönche für dasselbe, allein der Bischof von Würzburg widersetzte sich dem und schickte Mönche aus seiner Diöcese, drang auch durch, so daß die Zwiefalter nach Gottesau abzogen (Sulger Ann. Zwifalt. 2, 232). Zunächst wurde Phil. Heinr. von Stuben Administrator. Den 15./25. Oktober wurde der evangelische Abt Leipzig durch den Backnanger Vogt mit den Kirchen- und Schuldienern wieder zurückgeführt und ihm die Walderichskirche eingeräumt, die Unterthanen wurden bei Strafvermeidung ermahnt, sich wieder bei der evangelischen Predigt einzustellen, wogegen der Administrator protestirte, allein in der Folge doch mit seinen Ordensleuten das Kloster räumte, so daß sich Herzog Administrator Julius Friedrich von Württemberg den 12. Januar 1632 wieder in dessen Besitz setzte (St.-A.). Allein in Folge der Schlacht von Nördlingen und | der Wendung des Kriegsglücks zu Gunsten der katholischen Partei kam das Kloster wieder in deren Besitz und wird nunmehr als erster katholischer Inhaber der Abt Emmerich von Stade genannt, welcher nicht bloß im Kloster, sondern auch gegenüber der Stadt, den Dorfschaften und Unterthanen sehr gewaltsam auftrat, den schönen Kreuzgang des Klosters rasiren, die Bögen und andere gehauene Steine wegführen ließ, auch durch ein Bierbrauereiwesen die neue Abtei, die Wohnung der evangelischen Äbte, in Brand brachte (Nachträge im Rothen Buch). Als im Jahr 1642 die weimaranischen Truppen sich näherten, flohen der Abt und seine Conventualen, und als sie wieder zurückkamen, wurden sie durch eine weimaranische Partei aus dem Kloster aufgehoben und weggeführt. Allein es war dies nur vorübergehend und das Kloster kam wieder in den katholischen Besitz. In der letzten Zeit des Kriegs war murrhardtischer Prior Adam Adami, aus Mühlheim bei Cöln am Rhein, von den württembergischen Klosterinhabern in ihre Gemeinschaft aufgenommen, um bei den Friedensverhandlungen ihre Rechte gegen den Herzog von Württemberg zu verfechten. Zwar wurde sein Auftreten in Münster als deren Abgeordneter von dem Herzog damit abgewiesen, daß diese Ordensleute auf dem Reichstag von 1641 ebenfalls abgewiesen worden seien, allein er erschien dann als Abgeordneter von Corvey und entwickelte als solcher die angestrengteste, aber vergebliche Thätigkeit gegen Württemberg. Nach Abschluß des westphälischen Friedens erklärte sich der Bischof von Würzburg bereit, das Kloster zu räumen, der Abt machte zwar noch Schwierigkeiten und protestirte, allein der württembergische Abgeordnete, Kirchenkastensadvokat Faber, bewirkte seine Entfernung und ließ sogleich wieder die ordentlichen Predigten und die Austheilung der Sakramente in der Klosterkirche vornehmen. (Sattler Herzoge B. 8, S. 41, 127 ff. B. 9, S. 14 ff. 31). Mit Rücksicht auf die obengenannte Erzählung über die Gründung des Klosters wird Walderich öfters als der erste Abt desselben aufgeführt, in der Folge kommen folgende Äbte innerhalb der angegebenen Zeit vor: Engelbert 906 (Chron. Murrh.). Adolf 1027. (Wirt. Urkb.). Wizo 1064 (Chron. Murrh.). Heinrich 1139–1156 (Wirt. Urkb.). Herbort 1182 (Wirt. Urkb.). Milo 1291 (Khamm Hier. Aug. Auct. cap. 3. p. 20) –1300 (St.-A.) und wieder 1309 (Urk. K. Heinrichs VII. s. oben). Heinrich 1300 (s. oben). Konrad 1308 (Mencken script. 1, 406). Albert 1314 (St.-A.). Heinrich 1329 (Mencken 422) –1342 (Crusius ps. 2, 240). Konrad 1365–1369 (s. oben). Heinrich 1381 (Crusius ps. 2, 297). Eckart 1389 (s. oben). Heinrich von Enslingen 1391 (St.-A.) –1397 (O.A. Gaildorf 202). Johannes 1406 (s. oben) –1423. (Mencken 469). Paul 1424–1435 (St.-A.). Johannes 1435 (St.-A.) † 1444 (Crusius ps. 2, 23). Johannes 1453 (St.-A.). | Herbort 1456, 1457 (St.-A.) † 3. Juni 1463 (nach einer Grabinschrtft zu Murrhardt bei Gabelk. Miscell. 1, 396); er führte den Beinamen „Güeti Gott“ und soll ein etwas sonderbarer Mann gewesen sein (s. Steinhofer 1, 151. 2, 871 und Crusius ps. 3, 380). Wilhelm Egen 1469–1483 (St.-A.). Johannes Schradin 1489–1501 (St.-A.); er hat nach Widmann „soweit das Kloster begriffen, das Städtlein mit Zinnen ummauert und erneuert.“ Lorenz Gaul 1501 (St.-A.) † 1508. Johannes Bayh[13]. Philipp Renner 1509 (z. B. in der gen. Pabstbulle vom 9. Juli) resignirte im Frühjahr 1511 (s. ob. S. 251. u. 252). Oswald, welcher den 2. Juli 1511 als electus abbas den Bischof von Würzburg um Bestätigung bat (St.-A.) und sein Amt mit den obengenannten Unterbrechungen fortführte, bis er den 19. December 1527 starb. Ihm folgten die schon erwähnten Martin Mörlin † 13. Juni 1548 und Thomas Karlin † 21. Juli 1552 (Grabinschr. beider bei Crusius ps. 2, 23). Aus der Reihe der evangelischen Äbte, welche bei Binder Kirchen- und Lehrämter 1, 94 und bei Sattler Topogr. 520–522 (hier namentlich im Anfang etwas unrichtig, übrigens mit weiteren kurzen Nachrichten über das Leben der einzelnen) angegeben ist, ragt hervor Friedr. Christ. Oetinger † 10. Februar 1782, der größte schwäbische Theosoph des 18. Jahrhunderts, der „Magus aus Süden“ genannt; Joh. Mayer † 1713 war Verfasser einer vielgebrauchten Karte des Herzogthums Württemberg; der letzte war Jos. Friedr. Schelling, Vater des Philosophen, 1801–1807.

Was die Besitzungen des Klosters betrifft, so stand es an Reichthum anderen württembergischen Klöstern beträchtlich nach; so trafen z. B. bei einer Anlage von 36.000 fl. auf 3 Jahre, welche Erzherzog Ferdinand im Jahr 1525 auf 12 Klöster vertheilte, Bebenhausen 2300 fl., Hirschau und Maulbronn je 1325 fl, Murrhardt und St. Georgen am Wenigsten: je 350 fl. (Sattler, Herzoge 2, 150). Im Einzelnen gestalteten sich diese Besitzungen folgendermaßen:[14]

1. Im Oberamt Backnang: Zu Murrhardt selbst und in den meisten seiner Parzellen; Fornsbach, Hinter-Westermurr, Köchersberg, Mettelberg, Schloßhof; Grab, Schönbronn, Mannenweiler, Morbach, Trautzenbach; Groß-Erlach, Fischbach; Hörschhof, Fautspach; Sulzbach samt allen Parzellen; Dresselhof. S. hierüber die Ortsbeschreibungen.

| 2. Im Oberamt Gaildorf: Zu Eichenkirnberg: die Hälfte an 11/12 des großen Fruchtzehentens (Lgb. v. 1698/1710). Eutendorf: 4 Feldlehen mit hoher malefizischer und aller anderer Obrigkeit. Altdorf (? Groß-, Klein-)Zinsen. Hausen an der Roth: nach dem Chron. Murrh. schenkte schon K. Heinrich IV. † 1106 ein Gut ans Kloster; den 21. Juli 1607 vertauschte dieses, vorbehaltlich des Neubruchzehentens, seine 2/3 am großen Fruchtzehenten an Limpurg. Erlenhof: einige Güter. Hankertsmühle und Scherbenmühle: großer und kleiner Fruchtzehente diesseits der Roth (Lgb. v. 1698/1710). Laufen am Kocher: schon alter Besitz wenn auch die Schenkung eines praedium in Lafen (prope fluvium Kocher sagt das Chron. Murrh.) durch K. Ludwig im Jahr 817 (s. oben) nicht nachweisbar ist; 1410 verkaufte Chr. Kochenzer, Bürger zu Hall, an Limpurg das Eigenthum an 1 Hof und 4 Gütern dahier, die Mühle zu Werben (d. h. die Eisenschmiede), 1 Hof zu Krasberg, 3 Güter zu Haslach, die Hälfte der Zehenten hier, zu Schönbrunn, Weiler, Wengen, sowie (Gem. Sulzbach am Kocher) Aichenrain, Egelsbach, Haslach, Mühlenberg und Uhlbach, alles das, wie er es vom Kloster Murrhardt zu Leibgeding hatte, worauf 1414 das Kloster seine Rechte an diesen Gütern nebst dem Kirchensatze und der Lehenschaft der Kirche zu Laufen um 330 fl. an Limpurg abtrat. Ober-Roth: das Kloster hatte schon in alten Zeiten Kirchensatz und Kastvogtei, Patronat und Advokatie der Pfarrei, welche Rechte erst später an Limpurg übergingen; 8. März 1563 verzichten Limpurg zu Gunsten des Klosters und der Pfarrei Ober-Roth auf alle Neubruchzehenten in der Pfarrei und deren Flecken; unter Vorbehalt dieser Zehenten vertauschte das Kloster 21. Juli 1607 an Limpurg 2/3 des Fruchtzehentens, den ganzen Weinzehenten und gewisse Heuzehenten dahier, ferner Zehenten, insbesondere den großen und kleinen, in den Parzellen Ebersberg, Kornberg, Konhalden und Obermühle, sowie 2/3 am Neubruchzehenten und einen Hof, das Conventsgut genannt, zu Glashofen. Zu Frankenberg hatte das Kloster den großen, kleinen und lebendigen Zehenten (unter Betheiligung der Pfarrei Westheim) und 7 Güter, die theils in die Pflege Westheim, theils ins Amt Murrhardt gehörten. Hohenhardtsweiler: 3 Lehengüter. Ernstenhöfle, Jaghaus und Seehölzle entstanden auf des Klosters Boden. Marhördt: großer Fruchtzehente und Hellerzinsen. Zu Wolfenbrück schenkte nach dem Chron. Murrh. Simon von Roth schon im 12. Jahrhundert 5 Pfd. Hellerzinsen an das Kloster, das in der Folge die beiden vorderen Höfe mit aller Obrigkeit, dem großen und kleinen Zehenten, sowie Hellerzinsen besaß. Ödendorf: Widmanns Angabe, um 1378 habe das Kloster durch den letzten Grafen des Kochergaus die Pfarrei dahier nebst den Zehenten erhalten, ist geschichtlich nicht nachweisbar, dagegen bewilligte 1397 Abt Heinrich, daß die Güter, welche Arnold von Ödendorf vom Kloster zu Lehen trage, nach seinem Tode an seine Wittwe und Kinder fallen; 1432 verkaufte das Kloster seinen Antheil an der Burg Ödendorf an Heinrich von Vohenstein, welcher auch 1442 3 hiesige Murrhardt lehnbare Güter mit Vogtei erwarb, erscheint aber 1439 wieder im Besitz von 1/3 und später von 2/3 dieser Burg. Das niedere Gericht, in welches auch Niederndorf gehörte und das 1442 aus 12 Richtern bestand, besetzte Murrhardt zu 2/3, Limpurg zu 1/3; nach dem Lgb. von 1575/82 besaß das Kloster zu Ödendorf den Kirchensatz und die Kastvogtei, Patronat und Advokatie der Pfarrei, hier sowie zu Niederndorf und Spöck im Allgemeinen den großen und kleinen Frucht- und Weinzehenten, erbliche Höfe und Lehengüter, Zinsen und Gülten; 24. Februar 1592 wurde die hohe Obrigkeit zwischen Württemberg wegen des Klosters und Limpurg an den 2 erstgenannten Orten so geordnet, daß die Ausübung Fall um Fall wechselte. Zu Hägenau und Hohenklinge trat das Kloster 8. März 1563 seine Zehentantheile an Limpurg ab, besaß aber an ersterem Orte noch 1804 ein Gut. Vichberg: das Kloster besaß seit unbekannter Zeit Kirchensatz und | Kastvogtei, Patronat und Advokatie der Pfarrei, wenngleich die Schenkung an dasselbe urkundlich sich nur auf den unächten Stiftungsbrief K. Ludwigs von 817 gründet; 8. März 1563 verzichtete Limpurg zu Gunsten des Klosters und der Pfarrei auf alle Neubruchzehenten in derselben und ihren Flecken; unter Vorbehalt dieses Neubruchzehentens vertauschte das Kloster 21. Juli 1607 an Limpurg seine Hälfte des großen Fruchtzehentens allhier sowie in den Parzellen Michelbächle, Mittel-Roth (wo es schon 1338 begütert war), und Stöckach an der Roth oder Waldeck, sowie am 2. Ort einen Hof, am 3. zwei Höfe. Hornberg und Vorder-Langert entstanden auf des Klosters Boden. Ebenso wohl auch Retzenhof. Plapphof oder Stockach an der Murr und Rupphof gehörten mit Ober- und Herrlichkeit, großem und kleinem Fruchtzehenten, Zinsen und Gülten dem Kloster.

3. Im Oberamt Hall: Zu Hall: die St. Katharinakirche war ursprünglich Filial der dem Kloster inkorporirten Kirche zu Westheim, im Jahr 1405 wurde eine ständige Pfarrverweserei hier gegründet, deren Patronat dem Kloster zustund; im Jahr 1472 wurden die Zehenten der Pfarrei St. Katharina und dem Kloster Murrhardt je zur Hälfte zuerkannt; im Jahr 1526 trat das Kloster jenes Patronat nebst dazu gehörigen Zehenten an die Stadt ab, welche ihm ein im Bauernkrieg aufgenommenes Darlehen von 410 fl. nachließ; nach dem Lagerb. von 1575/82 hatte das Kloster hier noch gewisse Weinzehenten und Hellerzinsen. Bibersfeld: früher ein Filial von Westheim stund die Pfarrei später dem Kloster zu, welches nach dem Lagerb. von 1575/82 hier Kirchensatz und Kastvogtei, Patronat und Advokatie der Kirche, den großen und kleinen Frucht-, den Wein- und lebendigen Zehenten, ein Lehengut besaß. Hagenbach: sämtliche Zehenten mit einigen Modifikationen (Lagerb. v. 1575/82). Sittenhardt: das Kloster, das schon zuvor 1/3 des großen Zehentens besaß, kaufte 1550 die übrigen 2/3, um 290 fl. von den v. Rothischen Erben. Rieden: großer und kleiner Frucht- und Weinzehente (Lagerb. v. 1575/82). Sanzenbach: 2/3 an den übrigen Zehenten, für den Heuzehenten ein Bestimmtes in Geld (eb.). Comburg: gewisse Weinzehenten (eb.). Thalheim: 1429 erwarb das Kloster Güter von Walther von Bachenstein, welche es 1480 wieder an Wilhelm von Vellberg veräußerte. Uttenhofen: großer, kleiner, Wein-Zehente, ein Erblehengut, Hellerzinsen (eb.). Raibach: großer und kleiner Fruchtzehente. Tullau: 5/6 des großen und kleinen, des Weinzehentens (eb.). Noch bis zur allgemeinen Ablösung der Zehenten hatte das Spital zu Hall als murrhardtische Lehen inne den großen und kleinen Zehenten zu Raibach, 1/3 dieser Zehenten zu Sanzenbach und 1/6 derselben zu Tullau. Westheim: nach dem Chron. Murrh. schenkte schon K. Heinrich III. im Jahr 1054 auf Bitten seiner Gemahlin Agnes dem Kloster regale alodium in Westheim in pago Kochengowe; die Angabe Widmanns, die Pfarrei sei um 1378 mit dem Hof und Gütern daselbst und allen Zehenten des Rosengartens durch den letzten Grafen des Kochergaus an das Kloster gekommen, ist zwar geschichtlich nicht nachweisbar, allein im Jahr 1396 wurde dieselbe ihm inkorporirt; nach der Reformation wurde hier eine eigene Pflege des Klosters gebildet und besaß dasselbe den Kirchensatz, die Kastvogtei, das Patronat und die Advokatie der Kirche, den großen und kleinen Frucht-, den Wein- und lebendigen Zehenten, den Klosterhof, 1 Kelter und Kelterweine, erbliche Sölden und Lehengüter, Zinsen und Gülten, eine Badstube, eine Mahlmühle, Wälder und ein Gut zu Vohenstein (Lagerb. von 1575/82).

4. Im Oberamt Welzheim: Kirchenkirnberg: der Ort wurde den 2. Mai 1182 mit allen Rechten vom Kloster Murrhardt dem Kloster Adelberg abgetreten (Wirt. Urkb. 2, 221). Die jetzigen Parzellen dieser Gemeinde: Bruch, Gänshof oder das obere und das untere Mutzenhöfle, Göckelhof, Marxenhof oder Plapphöfle, Mettelbach, Unter-Neustetten, Weidenhof, Weidenbach, woselbst | das Kloster 1424 von dem Gmünder Bürger Paul von Rinderbach das Vogtrecht und alle seine Rechte (Lehen des Klosters) um 31 fl. kaufte, waren Besitzungen des Klosters oder wenigstens auf seinem Grund und Boden erstanden. Zu Spielhof hatte es Zinsen, zu Diebach oder Buschhöfle Novalzehenten.

5. Im Oberamt Marbach: Zu Erdmannshausen: das Kloster führte seinen, jedenfalls sehr alten Besitz auf die Schenkung der parochia et curia, durch K. Ludwig im Jahr 817 zurück; den 24. August 1555 verkaufte es die Kollatur der Kirchenpfarre, Kaplanei und Frühmeßpfründe an Württemberg unter Vorbehalt des Klosterantheiles am Frucht- und Weinzehenten. Groß-Bottwar: schon gegen Ende des 9. Jahrhunderts war das Kloster hier begütert (Wirt. Urkb. 1, 173); nach dem Chron. Murrh. schenkte den 19. Aug. 906 die nobilis matrona Dedda dem Kloster praedium Botawar mit Zugehörungen; die Kirche wurde ihm den 8. Juli 1348 durch Pabst Clemens VI. inkorporirt, allein es verkaufte den 24. August 1555 die Kollatur der Kirchenpfarre, zweier Kaplaneien und Frühmeßpfründen an Württemberg unter Vorbehalt des Klosterantheils am Frucht- und Weinzehenten; in der Folge besaß es noch im Allgemeinen den großen und kleinen Frucht- den Wein- und Heu-Zehenten, 1 Pflegbehausung mit einer Kelter, mehrere erbliche Lehengüter, Zinsen und Gülten (Lagerb. von 1572). In Hof und Lembach, sowie auf den beiden neuen Höfen unter Lichtenberg (der Sauserhof hieß früher auch Neuhof unter Lichtenberg) hatte das Kloster den großen und kleinen Frucht-, den Wein- und Heuzehenten. Kirchberg: Zinsen und Gülten. Klein-Bottwar: den 26. November 1365 verkaufte das Kloster an Sigfrid Gondnägelin Vogt zu Bottwar den Zehenten, groß und klein, an Wein und Korn und allen Dingen um 460 Pfd. (St.-A.), gewisse Frucht-, Wein- und Heuzehenten hatte es jedoch noch nach dem Lagerb. v. 1572. Rielingshausen: Erblehenhof. Wintzerhausen: großer Zehente in einem gewissen Bezirke.

6. Im Oberamt Ludwigsburg: Zu Oßweil: wenngleich die Schenkung eines Hofes mit der Kirche ans Kloster durch K. Ludwig im Jahr 817 nicht als urkundlich begründet erscheint, so ist doch dessen Besitz hier sehr alt; den 24. Aug. 1555 verkaufte es an Württemberg die Kollatur der Kirchenpfarre, Allerheiligenkaplanei und Frühmeßpfründe unter Vorbehalt des Klosterantheiles am Frucht- und Weinzehenten, besaß aber noch nach dem Lagerb. von 1572 1/12 des großen und des Weinzehentens, ein Widdumgut, einen Erblehenhof, Zinsen und Gülten.

7. Im Oberamt Neckarsulm: Den 10. Juli 1314 eignete das Kloster dem Romung Kätel alle Güter, welche derselbe bisher von ihm als Lehen innegehabt hatte, zu Jagsthausen (1 Mühle und 1 Weinberg), zu Pfüzich, (d. h. Pfitzhof) und zu dem Forst, und erwarb dafür die Advokatie über den Fronhof zu Jagsthausen, verkaufte aber am gleichen Tage alle seine dortigen Güter, insbesondere den Fronhof, an das Kloster Schönthal (St.-A.).

8. Im Oberamt Weinsberg. Nach dem Chron. Murrh. schenkte ein Graf Berthold von Löwenstein dem Kloster einen Weinberg und einen Hof zu Willsbach.

9. Im Oberamt Öhringen: Den 10. Juli 1314 verkaufte das Kl. Murrhardt an das Kl. Schönthal die Hälfte des Gerichts, seine Einkünfte und einen Weinberg mit Zugehörungen zu Orendelsall, seine Güter in Westernbach und Maßholderbach, und behielt sich nur das Patronatrecht der Kirche zu Orendelsall vor, allein den 31. Juli 1563 trat Herzog Christoph von Württemberg dieses Recht mit dem Zehenten zu Orendelsall, Wohlmuthausen, Zweiflingen und Arbachshof, Zinsen und sonstigen Gerechtsamen zu Zweiflingen u. s. w. an die Grafen von Hohenlohe ab. Den 7. December 1521 verkaufte das Kloster seine Hälfte am großen und kleinen Zehenten zu Schwarzenweiler an Hohenlohe (St.-A.)

| 10. Im Oberamt Künzelsau: Wenn das Kloster in der öfters genannten Urk. von 1314 Güter zu Rossebach verkauft, so dürfte hierunter wohl Rossach zu verstehen sein.

Ein eigenes Gericht des Klosters auf seinem Besitzthum erwähnt Besold (s. ob. S. 243 Anm.).


Parzellen.

Von den zu der Gesamtgemeinde gehörigen Parzellen, die theils in den Thälern, theils auf den Höhen, zum Theil in namhafter Entfernung von der Stadt, liegen (s. hier. die Karte), nennen wir nur die bedeutendsten und zwar:

Eschenstruet, hat 11/2 Stunden nordwestlich von Murrhardt eine hohe freie Lage auf dem Bergrücken zwischen den Thälern des Haselbachs und des Harbachs. Eine Gruppe von Häusern bei Eschenstruet führt den Namen Bußhof.

Hausen, Harmersberg, auch Reutenhof genannt, 3/4 Stunden östlich von Murrhardt; an dem rechten Ufer der Murr liegt angenehm der ziemlich große, meist aus ansehnlichen Bauernhäusern bestehende Ort, aus dem schöne Pappeln sich stolz erheben und zur Zierde der Gegend beitragen. Ein einfaches Schulhaus ist vorhanden, das ein Lehrzimmer und die Wohnung des Schulmeisters enthält. Oberhalb des Orts stehen zwei ansehnliche Mühlen. Die Einwohner sind meist wohlhabende Bauern. Bei der Hausener Sägmühle findet man römische Ziegel und Backsteine, die eine hier gestandene Römerwohnung vermuthen lassen.

Hinterbüchelberg, eine Stunde nordöstlich von Murrhardt auf der Höhe zwischen dem Fornsbach und dem Beilsbach frei gelegen.

Käsbach; der ansehnliche Weiler liegt 3/4 Stunden südöstlich von Murrhardt ziemlich zerstreut auf beiden Seiten eines Nebenthälchens des Murrthals.

Siegelsberg, hat 1/2 Stunde nordöstlich vom Mutterort eine stille, wohlgeschützte Lage in dem tief eingeschnittenen Siegelsbach-Thal. Am nördlichen Ende des ziemlich ansehnlichen, in die Länge gebauten Weilers lief der römische Grenzwall vorüber. Hier sollen der Sage nach die Alemannen den Grenzwall durchbrochen haben.

Steinberg; der zerstreut angelegte Ort hat eine hohe Lage zwischen den Thälern des Trauzenbachs und des Seebachs. Zunächst am Ort erhebt sich der Steinberg, von dem man eine weitgedehnte Aussicht genießt und über den der römische Grenzwall lief; daselbst stand auch ein römisches Wachhaus. Ein zu dem Weiler gehöriges einzeln stehendes Haus heißt der Gutmachhof.

Vorderwestermurr, liegt abgeschieden 3/4 Stunden südlich von Murrhardt, unfern der hier entspringenden Murr.

Waltersberg, hat 1/2 Stunde südwestlich vom Mutterort eine hohe freie Lage über den linken Gehängen des Murrthals. Durch | den Ort lief eine römische Straße und in der Nähe desselben wurden Grundmauern von römischen Gebäuden aufgefunden.

Wie schon oben (VII, 1) angegeben, sind die meisten dieser Parzellen altmurrhardtische Klosteramtsorte; es gibt hievon nur die wenigen im Folgenden genannten Ausnahmen. Hinterbüchelberg, Liemannsklinge (woselbst früher eine Glashütte) und einige Höfe von Eschenstruet waren Weinsberger Amtes, Hinter-Westermurr löwensteinisch. Zu Käsbach besaß das Kloster nur einen Lehenhof, einen anderen als Zugehörde des Ritterguts Oppenweiler die Familie Sturmfeder mit der niedergerichtlichen Obrigkeit und dem Novalzehenten, die Steuer aus ihm betrug im Jahr 1759 7 fl. 24 kr. (Lagerb. von 1759); die an Sturmfeder zu entrichtende Gült ist in Folge der Ablösungsgesetze abgelöst worden.

Aus der Geschichte dieser Parzellen ist nur Weniges hervorzuheben. Nach dem Chron. Murrh. besaß das Kloster Murrhardt schon im Jahr 1191 Zehenten zu Hinter-Büchelberg. Wenn Pabst Innocenz IV. den 11. April 1245 dem Stift Backnang Besitzungen zu Murre und im späteren Verlaufe der Urkunde zu Murr (O.A. Marbach) bestätigt, und Graf Ulrich von Württemberg den 23. Februar 1459 diesem Stifte Zinsen in 2 Mürrlin erläßt, so mag hier immerhin an Vorder- (Hinter-) Westermurr, Vorder-, Hinter-Murrhärle gedacht werden. Den 4. Juli 1371 kaufte Graf Albrecht von Löwenstein die Weiler Vorder-Westermurr und Streitweiler von Heinz und Wolflin Kun, den ersteren verkaufte Graf Heinrich von Löwenstein unter Anderem im Jahr 1438 an das Kloster Murrhardt, der letztere befand sich nach Lehensbriefen des Klosters Murrhardt von 1483 damals im Besitze des Klosters (Acta Theod.-palat. 1, 342. 347). Sauerhöfle wurde im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts von des Klosters Waldungen, im Gieß genannt, aufgerichtet.

Das Kloster Murrhardt hatte so ziemlich in allen Parzellen den großen und kleinen Fruchtzehenten, in Eschenstruet und Liemannsklinge jedoch nur 1/3, während 2/3 der Kellerei Weinsberg zustunden und des Klosters Antheil am kleinen Zehenten die Pfarrei Sulzbach zu beziehen hatte, ferner in manchen derselben den Heuzehenten und bis zum Jahre 1574, in welchem er abgeschafft wurde, auch den lebendigen Zehenten, bisweilen noch besondere erbliche Hof- und Lehengüter, Hellerzinsen und Gülten (Lagerbuch von 1698/1710).



  1. Sehr reichhaltige Beiträge lieferte Stiftungspfleger Nägele in Murrhardt.
  2. Über die Gewerbelisten aus den Jahren 1736, 1762 und 1787 s. in Hausleutner Schwäb. Archiv 1, 247 ff.
  3. Nach andern stand die Zelle des Einsiedlers Walderich unterhalb der Lutzen-Sägmühle.
  4. Über das Verhältniß zwischen ihr und dem Kloster in älteren Zeiten sagt zwar Besold (Prodromus vind. 105, 107, 112): der Abt habe zu Murrhardt nicht nur das Recht gehabt, das aus 12 Beisitzern bestehende Gericht zu besetzen, ohne seinen Willen habe es nicht zusammengerufen werden können, dem Abte haben die Gemeinderechnungen vorgelegt und wegen des Überschusses habe sein Befehl erwartet werden müssen, sondern er habe auch das Recht gehabt, peinlich zu strafen, was der alte Name Galgenacker noch heutzutage beweise; erst nach der Reformation habe Thomas Karlin i. J. 1548 bei seiner Gelangung zur Abtswürde die Untersuchung und Bestrafung peinlicher Vergehen dem Vogt zu Marbach überlassen. Allein die sonstige Geschichte der Stadt, ihre Beziehungen zu den Grafen von Löwenstein und Württemberg sprechen nicht hiefür. Besold ist bei seiner bekannten Tendenz gerade in solchen Fragen kein durchaus zuverlässiger Gewährsmann und in der oben genannten, von ihm (a. a. O. 233) behandelten Kapitulation des Abts Thomas spricht er selbst nur von Verbrechen, welche auf des Klosters Territorium begangen worden, dagegen ist nicht gesagt, daß die Stadt als solche selbst einen Theil dieses Territoriums ausgemacht habe. In der späteren Zeit, nach der Reformation, bildeten übrigens Stadt und Klosteramt zusammen ein Ganzes, und war der Vogt, später der Oberamtmann zugleich Klosterverwalter.
  5. Das Gesuch, welches Abt und Convent, sowie die Parochianen von Murrhardt den 2. Juli 1520 wegen der Bestätigung dieser Neustiftung an den Bischof Konrad von Würzburg richteten, befindet sich im Original im Archivconservatorium zu Würzburg, in Abschrift im kgl. Staatsarchiv.
  6. Quellen und Literatur: Chronicon Murrhardtense, von Gabelkhover aufbewahrte Bruchstücke einer alten Schrift des Klosters, welche Nachrichten von dessen Gründung und etlichen Schenkungen enthalten, im St. Archiv, freilich zum Theil von etwas zweifelhafter Glaubwürdigkeit. – Georg Widmanns Chronik der Stadt Hall, des Klosters Murrhardt u. s. w. Der Verfasser, früher in Diensten des Klosters Murrhardt, später Syndicus zu Comburg, verfaßte zuerst eine Geschichte der Herzogthümer Schwaben und Franken unter dem Titel: Murrhardtische Chronik, und widmete sie dem Abte Oswald den 24. März 1525, dieselbe wurde von den Bauern im Bauernkrieg vernichtet. Darauf schrieb er obiges neue Werk und widmete es den 23. April 1550 dem Abt Thomas und der Stadt Hall; es ist in mehreren Handschriften, so auf der k. öff. Bibliothek, erhalten. – Das (nach seinem Einbande) sog. rothe Buch des Klosters, eine Beschreibung desselben und seines Einkommens, somit ein kurzes Lagerbuch mit geschichtlicher Einleitung, verfaßt von dem protest. Abte Joh. Himmel 1600, im St. Archiv. – Jahreshefte des württ. Alterthumsvereins Heft 5 u. 6, 1848/51. – [Roth v. Schreckenstein] im Organ für christliche Kunst von Baudri 1854, 186-190. – Lorent, Denkmale des Mittelalters im Kgr. Württemberg, mit photographischen Abbildungen Abth. II. 1862, S. 115–117.
  7. Abschrift dieser Urkunde d. d. „Wissenburg Kal. Januar. indict. 2, anno Domini 1289, regni nostri anno 16“ im Pfälzer Copialbuch nro. 461/2, fol. 155 b des Carlsruher Generallandesarchivs. Nach Datum und Inhalt unrichtig wird sie benützt in den Acta Theod.-palat. 1, 329, denn hier ist irriger Weise das Jahr 1280 angegeben und Graf Albrecht von Löwenstein mit Graf Albrecht von Hohenlohe verwechselt.
  8. Orig. früher in Carlsruhe, jetzt im St. Archive, abgedr. in Mones Zeitschr. 11, 368 ff.
  9. Hier hieß es unter Anderem: der Pförtner solle sonderlich verpflichtet sein, kein Frauensbild in das Kloster zu lassen, Frauen sollten den Eingang überhaupt vermeiden, und wenn eine etwas daselbst zu verrichten habe, es in der Thorstube öffentlich vor Zeugen thun, die Pfarrei sollte mit allen Gefällen ins Kloster gezogen werden und ihr Inhaber seinen Tisch daselbst bekommen. Abt und Großkeller sollten für Anfertigung eines gründlichen Inventariums besorgt sein, auch die Verwaltung des Klosterguts so führen, daß sie zu gebührlicher Zeit Rechnung davon thun mögen, der Abt sollte aus den oben genannten Gründen hinsichtlich des Fleischessens und der Fasten an die strenge Regel nicht gebunden sein, aber von seiner Vergünstigung so viel möglich verborgenen Gebrauch machen. – Die Akten über diese, sowie auch über die folgenden Verhandlungen befinden sich im Archivconservatorium zu Würzburg, Abschriften von ihnen im St. Archive.
  10. Zu diesen Begebenheiten aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts s. namentlich Widmann a. a. O., Crusius pars 2, 519 u. 545 und Trithemius Annales Hirsaug. 2, 567 u. Opp. histor. 2, 434.
  11. Die folg. Geschichte der Reformation des Klosters und des Abts Leonh. Hofseß behandelt ausführlich, z. Th. unter Mittheilung von Urkunden in lateinischer Übersetzung, aber von seinem Parteistandpunkt aus Besold in s. Prodromus vindiciarum etc. etc. pg. 95 ff. 219 ff. S. auch Herzog Ulrichs Instruktion für den Obervogt von Schorndorf, Friedr. v. Schwarzenberg, zu dessen Verhandlung mit Lorch und Murrhardt in Besolds Doc. rediv. 773.
  12. Seckendorf Comm. de Lutheranismo 3, 76.
  13. Crusius (a. a. O) nennt als Äbte den Johannes Bayh für 2 Jahre –1510 und Philipp Renner ebenfalls für 2 Jahre –1512, allein der letztere wird nicht nur in der gen. Urk. vom 9. Juli 1509, sondern auch in einer anderen vom 10. Sept. 1509 als Abt genannt und war den Quellen zufolge im Jahr 1512 nicht mehr Abt. Nach Widmann u. a. ist Philipp Renner für den erblindeten Abt Lorenz Verwalter des Klosters und Urheber des mißglückten Reformationsplans gewesen, vielleicht daher schon als Abt bezeichnet, während er noch bloß Verwalter der Abtei war und erst nach einer kurzen Zwischenregierung des Johannes Bayh wirklicher Abt wurde.
  14. Vgl. hiezu die betr. Oberamtsbeschreibungen.


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