Christliche Symbolik/Eva
Vergl. die Artikel Adam, Apfel, Baum, Rippe, Schlange. Als erstes Weib in der Welt sollte Eva das Vorbild aller Weiber seyn, wie Adam das Vorbild aller Männer; aber wie dieser in die Sünde fiel und als Urbild der Menschheit, das er nicht mehr war, durch Christo hergestellt werden musste, so fiel auch, und sogar schon vor ihm, Eva in die Sünde, [259] und das somit verdunkelte Urbild der Weiblichkeit musste in der Jungfrau Maria hergestellt werden. Man bezieht daher den Engelgruss bei der Verkündigung Ave auf Eva. Insofern nun wurde Eva vorzugsweise nur zum Vorbild aller weiblichen Reize und Schwächen und wurde deshalb von jeher gerne mit einem gewissen Humor aufgefasst, unbeschadet des tiefen Ernstes, der in der Lehre vom Sündenfalle liegt. Maler und Dichter haben in feiner Charakteristik der Eva gewetteifert. Auf allen alten Kirchenbildern, welche die Erschaffung Eva's aus der Seite des schlafenden Adam darstellen, blickt sie mit betend erhobenen Händen zuerst auf Gott, nicht auf Adam. Nach einer muhamedanischen Legende frug Gott den Adam, ob er die Eva liebe? Adam antwortete laut mit Ja. Dann frug Gott die Eva, ob sie den Adam liebe? Aber sie antwortete nicht, sondern senkte die Augen und erröthete. Seitdem machen es alle Jungfrauen so. Rosenöl II. 292.
Die Bilder Eva’s zeigen häufig einen ungewöhnlich starken Haarwuchs, sey es, um ihre Blösse besser zu bedecken, sey es, um die Kraft der menschlichen Urmutter auszudrücken, die so vielen Generationen das Daseyn geben sollte. Der Typus ihrer Mienen ist nach stillschweigender Uebereinkunft aller Maler eine liebliche Naivetät, durchaus natürlich, mädchenhaft, ohne Heiligkeit, aber auch ohne List, nur leichtsinnig. Ihr Attribut ist der Apfel, nachher das Feigenblatt, endlich die Spindel (weil sie nach ihrer Verbannung aus dem Paradiese spinnen und Adam hacken muss). Theils wegen dieses (Woll-) Spinnens, theils auch in tieferer Beziehung auf das Lamm Gottes, das einst in ihrer Nachkommenschaft geboren werden soll, hat sie ein Lamm neben sich, wie Adam Aehren. Didron, icon. 100. Die Aehre bedeutet zugleich das Brodt, das Blut des Lammes den Wein im heiligen Abendmahle. In der Tragicomedia des Dr. Klein, die 1570 zu Esslingen aufgeführt wurde, trug Eva zum Kennzeichen ein Bäumchen mit Apfel und Schlange. Scheible, Schaltjahr II. 67.
[260] Eva wurde oft mit der griechischen Pandora verglichen, die durch neugieriges Oeffnen der verbotenen Büchse, in der alle Uebel eingeschlossen waren, die Welt verdarb.
Nach jüdischer Fabel buhlte der Teufel Sammael mit der neugeschaffenen Eva und zeugte mit ihr den Kain, wie denn auch Adam mit der Teufelin Lilith gebuhlt haben soll. Eben so willkührlich und abgeschmackt ist die Fabel, die Marchand in einer geistlichen Comedie behandelte, wonach Lucifer, der erstgeschaffene und schönste der Engel, erst gefallen seyn soll, nachdem er sich in die Eva verliebt hatte. Flögel, Gesch. des Groteskkomischen 106.
Nach einer altdeutschen Legende hatte Eva schon eine Menge Kinder geboren, als Gott der Herr einmal zu ihr kam, um nach ihr zu sehen. Aus Scham, schon so viele oder zum Theil so hässliche Kinder zu haben, versteckte sie die hässlichsten in einen dunklen Winkel und zeigte nur die schönen vor. Gott theilte gnädig unter sie die künftigen Würden und Reichthümer der Stände aus. Endlich entdeckte er auch noch die verborgenen Kinder, für die nun nichts mehr übrig blieb, als die Armuth und das Elend der niedrigsten Klassen. Diese Legende wurde von Hans Sachs auf die Bühne gebracht, findet sich auch in einer alten christlichen Comedie, ist von Melanchthon und in Widmanns Buch von Dr. Faust erwähnt. Vgl. Grimm in Haupts Zeitschrift II. 257.