Das Gespenst (Lenau)

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Autor: Nikolaus Lenau
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Titel: Das Gespenst
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aus: Nicolaus Lenau’s dichterischer Nachlaß, Seite 95–97
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Erscheinungsdatum: 1858
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Erscheinungsort: Stuttgart und Augsburg
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[95]

Das Gespenst.

Dies war einmal ein Edelhaus,
Nun ist es trauriglich zerfallen,
Es schneit und regnet in die Hallen,
Nur Räuber gehn dort ein und aus.

5
Der Sohn einst mit dem Vater stritt,

Wer auf der Jagd die Ent’ erschossen;
Da ist des Alten Blut geflossen,
Der wilde Sohn zum Teufel ritt.

Weib, Knecht und Dirne flohn den Ort,

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Hat Keins das Blut nur aufgescheuert;

Nun heißt’s: bei Nacht auf Enten steuert
Des Alten Geist durch’s Fenster dort.

[96]

Der Hirte sieht im Mondschein hell
Von fern das Hemd des Geistes flattern,

15
Hört in der Luft die Enten schnattern,

Den Schuß – und kriecht in’s Lämmerfell.

Er staunte jüngst in dunkler Nacht,
Die Lichter im Gemäuer brannten,
Den wilden Lärm von Musikanten

20
Der Heidewind ihm zugebracht.


Hei! lustig klang’s im alten Nest,
Von Schmaus und Saus, Zigeunergeigen;
Die Räuber tanzen tollen Reigen,
Der Hauptmann hält sein Hochzeitfest.

25
Doch leuchtet nicht am Firmament

Dem Räubersmann und seinem Schatze
Der Brautnacht Mond, des Pfaffen Glatze;
Die Lust vereint, der Scherge trennt.

Ein Räuber spukt im Haus umher,

30
Den todten alten Grafen spielend,

Im weißen Hemd, auf Enten zielend,
Durch’s Fenster feuernd sein Gewehr.

[97]

Den Hirten lockt es Schritt um Schritt,
Er spürt beherzt in diesen Tönen

35
Das warme Blut von Erdensöhnen;

Er trinkt und tanzt und jubelt mit.

Des alten Edelmannes Geist
Spielt nun der Hirte gern vor allen,
Er läßt die Entenflinte knallen,

40
Sein weites Hemd im Monde gleißt.


Der Alte übte Raub und Trutz
Im Dickicht finstrer Adelsbräuche;
Nun dient er als Pandurenscheuche
Den Räubern noch zu gutem Nutz.