Das Gutzkow-Denkmal in Dresden
[467] Das Gutzkow-Denkmal in Dresden. Dem Allgemeinen deutschen Schriftstellerverband gebührt das Verdienst, einem so namhaften Dichter, wie Karl Gutzkow es ist, ein Denkmal gegründet zu haben, und daß diese Anregung aus den Kreisen der Schriftsteller selbst hervorging, ist um so ehrenvoller für den gefeierten Dichter, dessen Verdienste um die Litteratur in andern Kreisen oft genug unterschätzt worden sind. Bei der Gutzkow-Feier am 13. December 1880 wurde der Grund zum Fonds für das Denkmal gelegt, auch die für diese Feier von dem Bildhauer Andresen in Dresden geschaffene überlebensgroße Büste wurde zur Ausführung bestimmt; die Dresdener Stadtverwaltung übernahm die Kosten der Aufstellung dieser Büste vor dem Kreuzgymnasium neben dem Standbilde Theodor Körners. Mit Recht haben namhafte Kunstgelehrte darauf aufmerksam gemacht, daß für Männer, die sich durch geistige Leistungen auf dem Gebiete der Kunst und Wissenschaft ausgezeichnet, die Büste eine geeignetere Form plastischer Verherrlichung ist als das Standbild, das sich mehr für Männer der That eignet, für große. Herrscher und Feldherren.
Man darf sich daher vollkommen mit der Gutzkow-Büste als einem plastischen Erinnerungszeichen seitens der Stadt, in der er so lange Jahre gelebt (von 1846 bis 1861), einverstanden erklären. Am 11. Juni wurde diese Büste enthüllt in Gegenwart der Vertreter der städtischen Behörden und des deutschen Schriftstellerverbandes, die Festrede hielt Professor Adolf Stern, der von seiner Beredtsamkeit oft genug schöne Proben abgelegt hat und die geistige Bedeutung eines Autors scharf zu charakterisiren versteht. Oberbürgermeister Stübel dankte im Namen der Stadt für das schöne, sie ehrende Geschenk, und Rudolf Doehn, von dem die erste Anregung zu dem Denkmale ausging, legte mit kurzer Ansprache einen Lorbeerkranz auf die Stufen desselben nieder.
Die Büste ist in Bronze ausgeführt und erhebt sich auf einem Porphyrpostament, zu welchem zwei graublaue Granitstufen emporführen. Man sieht dem Angesicht des Dichters den Ernst seines Strebens und die schweren Kämpfe an, die er zeitlebens durchgekämpft gegenüber den unausgesetzten Angriffen einer erbitterten Gegnerschaft. Niemals hat ihm die Gunst der Mode mit ihren wohlfeilen Erfolgen gelächelt, Auszeichnungen sind ihm versagt worden, die der Mittelmäßigkeit bereitwillig gespendet wurden; das Bänkelsängerthum, der leere Singsang hat bequeme Triumphe gefeiert, während er sich für ausgezeichnete Werke mühsam die Anerkennung erkämpfen mußte. Ein Mann von geistiger Bedeutung wie Wenige stand er zurück hinter den geistig Kleinen, denen zufällig ein glücklicher Wurf gelungen, die Summe seines Wirkens wurde nicht gewürdigt; man mäkelte am Einzelnen mit mißgünstigem Behagen. War es zu verwundern, daß sein reizbares Naturell aufs Aeußerste erregt wurde, daß sein Geist, sein Gemüth sich verdunkelten, daß er einem unheimlichen Verfolgungswahn verfiel und, auch von der Krankheit geheilt, immer ein müder verstimmter Dichter blieb bis zu seinem geheimnißvoll tragischen Lebensende?
Die Gutzkow-Büste in Dresden ist eine kleine Abschlagszahlung für
Alles, was das deutsche Volk dem Dichter des „Uriel Acosta" und der
„Ritter vom Geiste" verdankt. In Dresden hat er drei Jahre lang an
der Bühne als Dramaturg im Interesse der modernen Dichtung gewirkt,
hier hat er später seine großen Romane geschrieben, bedeutungs- und
stimmungsvolle Kulturgemälde, deren Werth um so mehr hervortritt,
wenn man sie mit den Werken der Nachfolger vergleicht, welche dieselben
Bahnen wandeln. Doch Berlin ist des Dichters Geburtsort, auch geistig
ist hier seine Heimath, von den Männern der Berliner Universität gingen
die nachhaltigsten Anregungen für sein ganzes Streben aus, seine ganze
Art zu denken und zu empfinden ist dem Berliner Naturell verwandt. Im
Boden der preußischen Hauptstadt wurzeln seine „Ritter vom Geiste". Wir
zweifeln daher nicht, daß die jetzige deutsche Reichshauptstadt dem Beispiele
Dresdens folgen und einem Schriftsteller ein würdiges Denkmal errichten
wird, der, an den Ufern der Spree geboren, Werke geschaffen hat, die
dem Genius des deutschen Volks zu dauernder Ehre gereichen. †