Das Werk Zschopenthal

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Titel: Das Werk Zschopenthal
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aus: Album der Sächsischen Industrie Band 2, in: Album der Sächsischen Industrie. Band 2, Seite 173–176
Herausgeber: Louis Oeser
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Louis Oeser
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Erscheinungsort: Neusalza
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Gottlob Wunderlich’s Fabrik in Zschopau.

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Das Werk Zschopenthal.
Fabrikgrundstück des Herrn Gottlob Wunderlich in Zschopau.


Verlassen wir die alte in industrieller Hinsicht höchst regsame Stadt Zschopau, so gelangen wir durch ein romantisches, von der hier noch schmalen Zschopau durchströmtes und unstreitig zu den schönsten Parthien des Erzgebirges gehörendes Thal wandernd, nach einer halben Stunde zu dem Werke Zschopenthal mit den es umgebenden, an beiden Ufern der Zschopau liegenden Häusern, die eben diesem Werk ihre Entstehung verdanken.

Zschopenthal ist von Chemnitz drei Stunden, von Augustusburg zwei und von Marienberg drei Stunden entfernt und überaus freundlich zwischen Waldung und Wiesen an der von Zschopau nach Augustusburg und Lengefeld führenden Chaussee und an dem Fuß des durch seine bedeutenden Spielwaarenfabriken – gleich einigen andern Ortschaften der Umgegend – weit und breit bekannten Dorfes Waldkirchen gelegen. – Nach Waldkirchen ist das Werk auch eingepfarrt. Die Meereshöhe des Werkes Zschopenthal ist auf 960 pariser Fuß berechnet, einige der dazu gehörigen Häuser liegen aber selbst 1060 Fuß hoch.

Ehemals, als noch die ganze Umgegend mit dichter Waldung bedeckt war und somit das reichste Feuerungsmaterial bot, stand hier ein ganzes Eisenhammerwerk, über dessen Ursprung nichts Näheres mehr bekannt ist; das auf dem linken Ufer der Zschopau gelegene, eigentlich zur Gemeinde Witzschdorf gehörige Wirthshaus, gewöhnlich der alte Hammer genannt, erinnert noch an die ursprüngliche Bestimmung dieses Werks, welcher es auch bis 1684 fortwährend angehörte, aber zuletzt wahrscheinlich nur noch im schwachen Betrieb sich befand, wovon Mangel geeigneten Erzes in der Nähe und vielleicht [174] auch mit der immer höher sich stellende Holzpreis Ursache gewesen sein mag, Umstände, welche schon zu jener Zeit Eingehen manches der sonst so zahlreichen Eisenwerke des Erzgebirges bewirkten.

In dem böhmischen Städtchen Platten waren seit 1611 nach und nach nicht weniger als eilf Blaufarbenmühlen entstanden, welche ihren Bedarf an Kobalt vorzüglich von Schneeberg aus bezogen. Auf einer dieser Mühlen arbeitete ein Frießländer, Namens Paul Nordhof, der sich durch seine besondere Geschicklichkeit auszeichnete, aber eben dadurch sich den Neid seiner von ihm weit überflügelten Gewerbsgenossen zuzog, die nun Alles aufboten, den gehaßten Concurrenten zu entfernen; in seinem Glaubensbekenntniß fanden sie endlich ein Mittel dazu und 1638 wurde Nordhof aus Böhmen vertrieben.

Nordhof ging nach Sachsen und zunächst zu dem ihm bekannten reichen Schneeberger Handelsherrn Veit Hans Schnorr, welcher den geschickten Arbeiter mit Freuden aufnahm und ihn zehn Jahre lang in seiner 1638 zu Pfannenstiel bei Aue errichteten Farbenmühle beschäftigte. – Hier wurde Nordhof mit Sebastian Oeheim oder Oehme, einem Kaufmann aus Leipzig, welcher beim Kobalthandel stark sich betheiligte, bekannt und er verband sich endlich mit ihm zur Anlage eines eigenen Farbenwerkes.

Dieses Werk entstand 1649 an dem Ufer der weißen Sehma bei Annaberg (im Sehmagrunde unter Buchholz). Oeheim trug die Kosten und Nordhof übernahm die Oberleitung, in welcher er sich auch besonders tüchtig zeigte, denn die von ihm bereiteten Farben erlangten durch ihre Güte und Schönheit bald besonderen Ruf und den anderen Farbenwerken erwuchs gefährliche Concurrenz. Er benutzte zu seinen Farben besonders die im annaberger Reviere gewonnenen Kobalte. Die Eifersucht der anderen Werke schuf Nordhof eine Menge Hindernisse, allein er konnte diesen Anfeindungen um so mehr trotzen, als er jährlich 10,000 Thaler Vorschuß erhielt, damals eine höchst bedeutende Summe, mit der sich schon Etwas beginnen ließ; so arbeitete er mit dem glücklichsten Erfolge fort. 1659 hatte Nordhof achttausend Centner Smalte auf dem Lager, aber damit erlitt er großen Verlust, denn die gewaltige Concurrenz hatte große Massen Farbe auf den Markt gebracht – fast mehr, als man in damaliger Zeit brauchte – und zugleich die Preise tief herabgedrückt; da mußten Oeheim und Nordhof zuletzt auch losschlagen und trotz anerkannter Güte der Waare wurde diese nicht höher bezahlt, als die anderer Werke.

Empfindlicher als die Concurrenz wirkte endlich der Holzmangel auf das Gedeihen des Farbenwerks im Sehmagrunde, die Bergwerke mit ihren Schmelzhütten, die zahlreichen Eisenwerke verzehrten bei ihrer damaligen unpraktischen Einrichtung eine ungeheure Menge Holz und in Folge dessen steigerte sich dieses für Privatwerke immer höher im Preise, so daß, als erst Oeheim und dann auch Nordhof gestorben war, und die neuen Besitzer, denen der Geist der beiden Gründer fehlte, immer mehr von der Concurrenz zu leiden hatten, diese endlich auf Verlegung des Werkes nach einer geeigneteren Localität dachten. Eine solche fanden sie endlich in Zschopenthal, wo das Hammerwerk seinem Erlöschen nahe war. Dieses wurde jetzt angekauft und zum Blaufarbenwerke eingerichtet, während das Werk im Sehmathal außer Betrieb kam. Dieses geschah 1684.

Von da an war das Werk in Zschopenthal in ununterbrochenem Betrieb und der Staat betheiligte sich später bei demselben mit 148/10 Kux; ein anderer Hauptinteressent war das triersche Geschäft in Leipzig. Es stand unter einem Factor und zwei Farbenmeistern und hatte einen eigenen Gerichtsverwalter. Den Kobalt bezog es aus Schneeberg, da selbst die näheren im Marienberger und Annaberger Revier gefundenen Kobalterze zum Sortiren erst nach Schneeberg geschafft wurden. Es mußte also das Material aus einer Entfernung von mehr als zehn Stunden herbeigeschafft werden. – Dieses war gewiß eine sehr bedeutende Unbequemlichkeit und zugleich ein sehr kostspieliger Transport. Das nöthige Holz erhielt das Werk größtentheils aus den Augustusburger Forsten, und es wurden auf der Zschopau jährlich über tausend Klaftern herbeigeflößt.

Im Jahre 1815 wurde das große Fabrikgebäude gebaut, welches lange Zeit für das schönste Hüttengebäude Sachsens galt und als Fabrikgebäude für einen wahren Prachtbau angesehen wurde.

Schon die starken Transportkosten für den Kobalt verursachten aber, daß dieses Werk sich weit [175] weniger rentirte als die übrigen, und dieses ließ denn endlich den Entschluß entstehen, das Farbenwerk ganz aufzuheben und mit dem Pfannenstieler zu einem doppelten Werk zu vereinigen, da Letzteres für den Betrieb die vortheilhafteste Lage hat. Im Jahre 1851 erfolgte dann auch diese längst beabsichtigte Vereinigung, das Blaufarbenwerk in Zschopenthal hatte nach einhundert und sieben und sechszigjährigem Bestehen seine Endschaft erreicht.

Die Gebäude des Werkes erstanden in demselben Jahre noch (1851). Herr Gottlob Wunderlich in Zschopau war es aber, der im Jahre 1832 unter sehr beengenden Verhältnissen, mit sehr bescheidenen Mitteln und nur allein auf eigene Kraft gestützt hier ein Fabrikgeschäft begründet und es unter vieler mühevollen Arbeit und manchem harten Kampfe mit ungünstigen Verhältnissen zum endlichen fröhlichen Aufblühen gebracht hatte. Von Jahr zu Jahr hob sich durch Umsicht und Thätigkeit des Herrn Gründers das Geschäft, bis es endlich durch Ankauf der Gebäude des Werkes Zschopenthal einen größeren Umfang gewann, denn jetzt wurde der Handweberei noch die mechanische Weberei beigesellt, die anfangs nur zwanzig Stühle zählte, jedoch in kurzen Zwischenräumen bis auf hundert Stühle herangewachsen ist.

Allerdings war da erst noch viele Mühe und Arbeit nöthig, denn Zschopenthal hat unter den Händen des neuen Besitzers gegen früher jetzt eine ganz andere Gestalt angenommen. Nach verschiedenen Neubauten, Umbauen, sowie Vergrößerungen der Gebäude und Räume mußten, um die grade hier vorhandene große und andauernde Wasserkraft der Zschopau, welche jetzt bei dreizehn Fuß Gefälle über hundert Pferdekraft beträgt, dem Betriebe dienstbar zu machen, auch weitere größere Wasserbauten unternommen werden.

Da Zschopenthal von der bereits im Bau begriffenen Chemnitz-Annaberger Eisenbahn in unmittelbarer Nähe berührt wird, auch eine Güterexpedition erhält, und später wohl sicher mit einer neuen massiven, dem starken Frachtverkehr entsprechenden Brücke über die Zschopau bedacht werden wird, so dürfte eine noch weitere industrielle Ausdehnung Zschopenthals nicht in dem Bereich der Unmöglichkeit liegen, um so weniger, als zur Fabrik noch weiteres Areal gehört, wie eine circa 11 Dresdner Scheffel große Wiese (i. J. 1860) zu einer Kunstwiese umgeschaffen, sowie ein größerer und zwei kleinere Gärten.

Die Fabrikation Zschopenthals erstreckt sich bis jetzt auf:

1) Mechanische Weberei roher baumwollener Tuche, als: Cambric, Shirting, Köper, Diagonal, Satin u.s.w., wozu hundert mechanische Webestühle, dann Treibmaschinen, Zettelmaschinen, Schlichtmaschinen und diverse kleinere Hilfsmaschinen in Betrieb sind;
2) Baumwollspinnerei mit 4000 Spindeln, mit Maschinen theils älterer, theils neuerer Construktion, als: Selfactor, Spreadingmaschinen u.s.w.; sie producirt die Woche 6000 Pfund Garn von Nr. 6–24;
3) Fertigung von Stoffen mit baumwollener Kette und rein wollenen Einschlag, als: Cassinets, Chamchilla, Velours und Doublestoffen.

Dieser letztere Fabrikationszweig liegt in den Händen der Herrn Mettler und Kretschmar in Zschopenthal und Chemnitz, als Pächter und umfaßt, da aus dem Rohmaterial die fertige Waare hervorgeht, verschiedene Manipulationen, als: Färberei, Spinnerei, Weberei und Appretur, und es sind hierbei verschiedene Maschinen thätig, als: Waschmaschinen, Spinnmaschinen, Spuhl-, Treib-, Zettel- und Schlichtmaschinen, mechanische Webestühle (darunter Musterstühle mit Wechsellade), Walkmaschinen, Scheer-, Rau- und Bürstmaschinen, Waarenpressen u.s.w.

Im Ganzen beschäftigt das Etablissement bis jetzt circa 300 Arbeiter und zwar außer dem männlichen Personal, als: Direktor, Expedienten, Werkführer, Spinnmeister, Schlichter, Bäumer, Tischler, Schlosser u.s.w., zumeist Mädchen, von denen eine geübte Arbeiterin in der Cattunweberei zwei Webemaschinen bedient.

In den beiden großen Fabrikgebäuden befinden sich acht Arbeitssäle, deren Maschinen durch zwei Wasserräder in Bewegung gesetzt werden; ein drittes Wasserrad treibt die Walken, Waschmaschinen [176] und andere Werke. In den Nebengebäuden befinden sich die Sortir-, Stopp- und Belesestuben, Waarenniederlagen, sowie die Wohnungen der Herren Pächter und der Fabrikbeamten u.s.w.

Die Heizung der Säle, sowie die der Schlichterei erfolgt mittelst Luftheizung.

Das Lager gebleichter und gefärbter Futterzeuge, sowie das Comptoir der gleichnamigen Firma:

Gottlob Wunderlich

befindet sich in der Stadt Zschopau, woselbst auch noch eine Anzahl Handweber mit der Weberei roher baumwollener Tuche beschäftigt ist.

Der Vertrieb der Waaren geschieht nach allen Richtungen hauptsächlich vom Hause aus, ferner aber auch auf den Leipziger Messen und den nicht unbedeutenden Dresdner Märkten.

Einer öffentlichen Anerkennung der Güte seiner Fabrikate erfreute sich Herr Gottlob Wunderlich bereits auf der Gewerbe- und Industrieausstellung zu Leipzig im Jahre 1850.