Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren/Fünftes Capitel

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Viertes Capitel Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren (1877)
von Charles Darwin
Sechstes Capitel


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Fünftes Capitel.
Specielle Ausdrucksformen der Thiere.
Der Hund. — Verschiedene ausdrucksvolle Bewegungen desselben. — Katzen. — Pferde. — Wiederkäuer. — Affen, deren Ausdrucksweise für Freude und Zuneigung; — für Schmerz; — Zorn; — Erstaunen und Schreck.

Der Hund. — Ich habe bereits früher (Fig. 3 und 7) die Erscheinung eines Hundes beschrieben, der sich einem andern Hunde mit feindseligen Absichten nähert. Er hat nämlich dann aufgerichtete Ohren, scharf nach vorn gerichtete Augen; das Haar im Nacken und auf dem Rücken sträubt sich. Der Gang ist merkwürdig steif und der Schwanz wird aufrecht und steif getragen. Es ist diese Erscheinung uns eine so geläufige, daß man von einem zornigen Menschen zuweilen im Englischen sagt, „er sträubt seinen Rücken.“ Von den oben erwähnten Punkten bedarf nur der steife Gang und der aufrecht gehaltene Schwanz weiterer Erörterung. Sir Ch. Bell bemerkt,[1] daß wenn ein Tiger oder ein Wolf von seinem Wärter geschlagen und plötzlich zur Wuth getrieben wird, „jeder Muskel in Spannung geräth und die Gliedmaßen in einer Haltung höchster Anstrengung sich befinden, bereit zum Einspringen.“ Diese Anspannung der Muskeln und der davon abhängige steife Gang können nach dem Principe associirter Gewohnheit erklärt werden; denn Zorn hat beständig zu heftigen Kämpfen und in Folge dessen dazu geführt, daß alle Muskeln des Körpers heftig angestrengt wurden. Es ist auch Grund zur Vermuthung vorhanden, daß das Muskelsystem eine kurze Vorbereitung oder einen gewissen Grad von Innervation bedarf, ehe es zu starker [106] Thätigkeit gebracht werden kann. Meine eigene Empfindung führt mich zu diesem Schlusse. Ich kann aber nicht finden, daß es eine Schlußfolgerung wäre, zu welcher auch Physiologen gelangt sind. Doch theilt mir Sir J. Paget mit, daß, wenn Muskeln plötzlich mit der größten Kraft ohne irgend welche Vorbereitung zusammengezogen werden, sie sehr leicht zerreißen, [WS 1] so z. B. wenn ein Mensch unerwartet ausgleitet, daß dies aber nur selten eintritt, wenn eine Handlung, so heftig sie auch sein mag, mit Vorbedacht ausgeführt wird.

Was die Aufrechthaltung des Schwanzes betrifft, so scheint sie (ob dies aber wirklich der Fall ist, weiß ich nicht) davon abzuhängen, daß die Hebemuskeln kräftiger sind als die herabziehenden, so daß, wenn alle Muskeln des hinteren Körpertheils im Zustande der Spannung sich befinden, der Schwanz gehoben wird. Wenn ein Hund in einer gemüthlichen Stimmung ist und vor seinem Herrn mit hohen elastischen Schritten einhertrabt, so hält er gewöhnlich seinen Schwanz in die Höhe, obschon er nicht entfernt so steif gehalten wird, als wenn das Thier zornig ist. Wenn ein Pferd zum ersten Male in ein offenes Feld frei gelassen wird, so kann man sehen, wie es mit langen elastischen, weitausgreifenden Schritten, den Kopf und den Schwanz hoch in die Höhe gehalten, dahin trabt. Selbst wenn Kühe aus Vergnügen umherspringen, werfen sie ihre Schwänze in einer lächerlichen Art in die Höhe. Dasselbe ist auch bei verschiedenen Thieren in den zoologischen Gärten der Fall. Indeß wird in gewissen Fällen die Haltung des Schwanzes durch specielle Umstände bestimmt. Sobald z. B. ein Pferd in großer Schnelligkeit zum Galop übergeht, senkt es immer den Schwanz, um der Luft so wenig Widerstand als nur möglich darzubieten.

Wenn ein Hund im Begriff ist, auf seinen Gegner loszuspringen, so stößt er ein wildes Knurren aus, die Ohren werden dicht nach hinten gedrückt und die Oberlippe wird den Zähnen aus dem Wege gezogen, besonders über den Eckzähnen (Fig. 14). Dieselben Bewegungen sind bei erwachsenen und bei jungen Hunden auch während ihrer Spiele zu beobachten. Wenn aber ein Hund beim Spiele böse wird, so ändert sich sein Ausdruck sofort. Indeß ist dies einfach eine Folge davon, daß die Lippen und Ohren mit viel größerer Energie zurückgezogen werden. Wenn ein Hund einen andern nur anknurrt, so werden die Lippen gewöhnlich nur auf einer Seite, nämlich an der wo sich sein Gegner findet, zurückgezogen.

[107] Die Bewegungen eines Hundes, welcher Zuneigung zu seinem Herrn zu erkennen gibt, sind in unserem zweiten Capitel (Fig. 6 und 8) beschrieben worden. Sie bestehen darin, daß der Kopf und der ganze Körper sich niedriger stellt und gewundene Bewegungen ausführt, während der Schwanz ausgestreckt und von der einen zur andern Seite gewedelt wird. Die Ohren hängen herab und werden ein wenig nach hinten gezogen, was eine Verlängerung der Augenlider verursacht; dadurch wird das ganze Ansehen des Gesichts verändert. Die Lippen hängen lose herab und das Haar bleibt glatt. Alle diese Bewegungen oder Geberden sind wie ich glaube dadurch erklärbar,

Fig. 14. Kopf eines fletschenden Hundes. Nach dem Leben gez. von Mr. Wood.

daß sie in vollkommenem Gegensatze zu denjenigen stehen, welche naturgemäß ein bösgewordener Hund unter einem direct entgegengesetzten Seelenzustande annimmt. Wenn man seinen Hund anredet oder eben nur bemerkt, so sehen wir die letzte Spur dieser Bewegungen in einem leichten Wedeln des Schwanzes, ohne daß der Körper irgend eine andere Bewegung machte und ohne daß selbst die Ohren herabhiengen. Hunde geben ihre Zuneigung auch dadurch zu erkennen, daß sie sich an ihren Herren zu reiben und von ihnen gerieben oder geliebkost zu werden wünschen.

Gratiolet erklärt die eben angeführten Geberden der Zuneigung [108] in der folgenden Art. Der Leser mag beurtheilen, ob ihm die Erklärung befriedigend erscheine. Wo er von den Thieren im Allgemeinen mit Einschluß des Hundes spricht, sagt er:[2] „C'est toujours la partie la plus sensible de leurs corps, qui recherche les caresses ou les donne. Lorsque toute la longueur des flancs et du corps est sensible, l'animal serpente et rampe sous les caresses; et ces ondulations se propageant le long des muscles analogues des segments jusqu'aux extrémités de la colonne vertébrale, la queue se ploie et s'agite.“ Weiterhin bemerkt er, daß wenn Hunde sich zuneigungsvoll fühlen, sie ihre Ohren herabhängen lassen, um alle Laute abzuschließen, so daß ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Liebkosungen ihrer Herren concentrirt werden kann!

Hunde haben noch eine andere und auffallende Weise, ihre Zuneigung erkennen zu geben, nämlich dadurch, daß sie die Hände oder das Gesicht ihrer Herren lecken. Sie lecken auch zuweilen andere Hunde und dann immer am Maule. Ich habe auch gesehen, daß Hunde Katzen leckten, mit denen sie befreundet waren. Diese Gewohnheit entstand wahrscheinlich daraus, daß die Weibchen ihre Jungen, die theuersten Gegenstände ihrer Liebe, um sie zu reinigen, beleckten. Nach einer kurzen Abwesenheit lecken sie auch oft ihre Jungen ein paar Mal schnell im Vorübergehen, allem Anscheine nach aus Zuneigung. Hierdurch wird die Gewohnheit mit der Erregung der Liebe associirt worden sein, auf welche Weise diese auch später erregt werden mag. Sie ist jetzt so fest vererbt oder angeboren, daß sie gleichmäßig auf beide Geschlechter überliefert wird. Einer meiner weiblichen Pintscher warf vor Kurzem Junge, welche sämmtlich getödtet wurden; und trotzdem die Hündin schon zu allen Zeiten eine sehr zärtliche Creatur war, so war ich doch über die Art und Weise überrascht, in welcher sie nun versuchte, ihre instinctive mütterliche Liebe dadurch zu befriedigen, daß sie sie auf mich wandte; und ihre Begierde, meine Hände zu lecken, wuchs zu einer unersättlichen Leidenschaft.

Dasselbe Princip erklärt es wahrscheinlich, warum Hunde, wenn sie sich zuneigungsvoll fühlen, es gern haben, sich an ihren Herren zu reiben oder von ihnen gerieben oder geklopft zu werden; denn von dem Warten ihrer Jungen her ist die Berührung mit einem geliebten Gegenstande in ihrer Seele fest mit der Erregung der Liebe associirt worden.

[109] Das Gefühl der Zuneigung eines Hundes gegen seinen Herrn ist mit einem starken Gefühle der Unterwürfigkeit verbunden, welches mit dem der Furcht verwandt ist. Daher senken Hunde nicht bloß ihre Körper und kriechen ein wenig, wenn sie sich ihrem Herrn nähern, sondern werfen sich zuweilen auf den Boden, mit der Bauchseite nach oben gekehrt. Dies ist eine Bewegung, welche jedem Anzeichen von Widerstand so vollständig als möglich entgegengesetzt ist. Ich besaß früher einen großen Hund, der sich nicht im geringsten fürchtete, mit andern Hunden zu kämpfen. Aber ein wolfartiger Schäferhund in der Nachbarschaft besaß, trotzdem er nicht so wild und nicht so kraftvoll war wie mein Hund, einen merkwürdigen Einfluß auf ihn. Wenn sich beide auf der Straße begegneten, so pflegte mein Hund ihm entgegen zu rennen, den Schwanz zum Theil zwischen die Beine genommen und das Haar nicht aufgerichtet, und dann warf er sich auf den Boden, den Bauch nach oben. Durch diese Handlung schien er deutlicher als es durch Worte hätte geschehen können, sagen zu wollen: „Siehe, ich bin dein Sclave!“

Ein vergnüglicher und erregter mit Zuneigung associirter Seelenzustand wird von manchen Hunden in einer sehr eigenthümlichen Weise ausgedrückt, nämlich durch Grinsen. Somerville hat dies schon vor längerer Zeit bemerkt, wenn er sagt:

„Und mit höflichem Grinsen grüßt dich der schwänzelnde Hund
Kauernd, seine sich weit öffnende Nase
Wirft er auf, und seine großen kohlschwarzen Augen
Schmelzen in sanften Liebkosungen und demüthiger Freude.“
Die Jagd. Buch 1.

Sir Walter Scott's[WS 2] berühmter schottischer Windhund, Maida, hatte diese Gewohnheit, und sie ist bei Pintschern gewöhnlich. Ich habe sie auch bei einem Spitze und bei einem Schäferhunde gesehen. Mr. Riviere, welcher dieser Ausdrucksweise besondere Aufmerksamkeit geschenkt hat, theilt mir mit, daß sie selten in einer vollständigen Weise entfaltet wird, aber in einem geringeren Grade ganz gewöhnlich ist. Während des Actes des Grinsens wird die Oberlippe wie beim Knurren zurückgezogen, so daß die Eckzähne sichtbar werden, und auch die Ohren werden zurückgezogen; aber die allgemeine Erscheinung des Thieres zeigt deutlich, daß kein Zorn gefühlt wird. Sir Ch. Bell bemerkt,[3] „Hunde bieten bei ihrer Ausdrucksweise der [110] Zuneigung ein geringes Aufwerfen der Lippen dar und grinsen und schnüffeln während ihrer Sprünge in einer Weise, die dem Lachen ähnlich ist.“ Manche Personen sprechen vom Grinsen, als wäre es ein Lachen. Wenn es aber wirklich ein Lachen wäre, so würden wir eine ähnliche, indessen noch ausgesprochenere Bewegung der Lippen und Ohren sehen, wenn Hunde ihr Freudengebell ertönen lassen; dies ist aber nicht der Fall, obschon ein Freudengebell oft auf ein Grinsen folgt. Auf der anderen Seite thun Hunde, wenn sie mit ihren Kameraden oder Herren spielen, beinahe immer so, als wenn sie einander bissen, und dann ziehen sie, wenn auch nicht energisch, ihre Lippen und Ohren zurück. Ich vermuthe daher, daß bei manchen Hunden eine Neigung vorhanden ist, so oft sie ein lebendiges mit Zuneigung verbundenes Vergnügen empfinden, durch Gewohnheit und Association auf dieselben Muskeln einzuwirken, als wenn sie im Spiele einander oder die Hände ihrer Herren bissen.

Ich habe im zweiten Capitel die Gangart und die äußere Erscheinung eines Hundes in gemüthlicher Stimmung beschrieben und den auffallenden Gegensatz erwähnt, den dasselbe Thier darbietet, wenn es niedergeschlagen und enttäuscht ist, wobei der Kopf, die Ohren, der ganze Körper, der Schwanz und das Maul herabsinken und die Augen matt werden. Bei der Erwartung irgend eines großen Vergnügens hüpfen und springen die Hunde in einer extravaganten Manier umher und bellen vor Freude. Die Neigung, in diesem Seelenzustande zu bellen, wird vererbt oder ist Eigenheit der Rasse. Windspiele bellen selten, wogegen die Spitzhunde so unablässig beim Ausgehen zu einem Spaziergange mit ihren Herren bellen, daß sie geradezu störend werden.

Der äußerste Schmerz wird von Hunden in nahezu derselben Weise ausgedrückt, wie bei vielen anderen Thieren, nämlich durch Heulen, Winden und Zusammenziehen des ganzen Körpers.

Aufmerksamkeit wird gezeigt durch Erhebung des Kopfes mit aufgerichteten Ohren, wobei die Augen intensiv auf den Gegenstand oder die Seite, worauf sich die Beobachtung lenkt, gerichtet werden. Ist es ein Laut, dessen Quelle nicht bekannt ist, so wird der Kopf häufig schräg von einer zur andern Seite in einer äußerst bezeichnenden Art und Weise gewendet, allem Anscheine nach, um mit größerer Genauigkeit zu beurtheilen, von welchem Punkte der Laut ausgeht. Ich habe aber einen Hund gesehen, der über ein neues Geräusch sehr [111] überrascht war und seinen Kopf in Folge der Gewohnheit nach der einen Seite hindrehte, obschon er die Quelle des Geräusches deutlich wahrnahm. Wenn die Aufmerksamkeit der Hunde in irgend einer Weise erregt wird, während sie irgend einen Gegenstand beobachten oder auf irgend einen Laut aufmerken, so heben sie, wie früher bemerkt wurde, häufig die eine Pfote in die Höhe (Fig. 4, S. 39) und halten dieselbe oben, als wenn sie sich langsam und verstohlen annähern wollten.

Bei extremem Erschrecken wirft sich ein Hund nieder, heult und entleert seine Excretionen; das Haar wird aber, wie ich glaube, nicht aufgerichtet, wenn nicht etwas Zorn dabei empfunden wird. Ich habe einen Hund gesehen, der über eine Musikbande, die außerhalb des Hauses laut spielte, stark erschrocken war, wobei jeder Muskel seines Körpers zitterte, sein Herz so schnell pulsirte, daß die Schläge kaum gezählt werden konnten und er mit weit geöffnetem Munde nach Athem rang, in derselben Weise, wie es ein erschreckter Mensch thut. Und doch hatte sich dieser Hund nicht angestrengt, er war nur langsam und ruhelos im Zimmer umhergewandert und der Tag war kalt.

Selbst ein sehr unbedeutender Grad von Furcht zeigt sich unabänderlich dadurch, daß der Schwanz zwischen die Beine eingezogen wird. Dieses Einziehen des Schwanzes wird immer von einem Zurückziehen der Ohren begleitet; diese werden aber nicht dicht an den Kopf angedrückt, wie bei dem Knurren, und werden nicht herabgelassen, wie wenn ein Hund vergnüglich oder zuneigungsvoll gestimmt ist. Wenn zwei junge Hunde einander beim Spielen jagen, so hält der eine, welcher davonläuft, immer seinen Schwanz eingezogen. Dasselbe ist auch der Fall, wenn ein Hund in gemüthlicher Stimmung in weiten Kreisen oder in Achterfiguren wie wahnsinnig rings um seinen Herrn herumkariolt. Er handelt dann so, als wenn ein anderer Hund ihn jagte. Diese merkwürdige Art zu spielen, welche Jedem geläufig sein muß, der nur irgend Hunde mit Aufmerksamkeit beobachtet hat, wird besonders gern dann angeregt, wenn das Thier ein wenig erschreckt oder zum Fürchten gebracht worden ist, so wenn sein Herr plötzlich im Dunkeln auf ihn zuspringt. In diesem Falle eben sowohl wie wenn zwei junge Hunde im Spiele einander jagen, möchte es fast scheinen, als wenn der eine, welcher davon läuft, sich davor fürchtet, daß der andere ihn beim Schwanze faßte. So viel ich aber ausfindig machen kann, fangen Hunde einander nur sehr [112] selten in dieser Weise. Ich frug einen Herrn, welcher sein Leben lang Fuchshunde gehalten hatte, und derselbe wandte sich noch an andere erfahrene Jäger, ob sie je gesehen hätten, daß diese einen Fuchs auf diese Weise ergriffen; sie hatten es aber niemals gesehen. Es scheint, wenn ein Hund gejagt wird oder wenn er in Gefahr ist, hinten geschlagen zu werden oder daß irgend etwas auf ihn falle, daß er in diesen Fällen wünscht, so schnell wie möglich sein ganzes Hintertheil weg zu bringen und daß dann in Folge der Sympathie oder des Zusammenhangs zwischen den Muskeln auch der Schwanz dicht nach innen gezogen wird.

Ein ähnlicher Zusammenhang zwischen den Bewegungen des Hintertheils und des Schwanzes ist bei der Hyäne zu beobachten. Mr. Bartlett theilt mir mit, daß wenn zwei dieser Thiere mit einander kämpfen, sie wechselseitig sich der wunderbaren Gewalt des Gebisses des andern bewußt und in Folge dessen äußerst vorsichtig sind. Sie wissen recht gut, daß wenn eins ihrer Beine ergriffen würde, der Knochen im Augenblicke in Atome zermalmt werden würde. Sie nähern sich daher einander knieend, wobei ihre Beine so viel als möglich nach innen gewendet sind und der ganze Körper gebogen, so daß er keinen irgendwie vorspringenden Punkt darbietet. Der Schwanz ist zu derselben Zeit dicht zwischen die Beine eingezogen. In dieser Stellung nähern sie sich einander von der Seite oder selbst theilweise von hinten. Dies ist ferner auch bei Hirschen der Fall, von denen mehrere Species, wenn sie böse sind und kämpfen, ihre Schwänze einziehen. Wenn ein Pferd auf der Weide das Hintertheil eines andern im Spiele zu beißen versucht, oder wenn ein roher Bursche einen Esel von hinten schlägt, so wird das Hintertheil und der Schwanz eingezogen, obschon es hier nicht so scheint, als würde dies nur deshalb gethan, um den Schwanz vor Beschädigung zu schützen. Wir haben auch das Umgekehrte dieser Bewegungen schon gesehen. Denn wenn ein Thier mit hohen elastischen Schritten einhertrabt, so wird beinahe immer der Schwanz emporgetragen.

Wie ich gesagt habe, hält ein Hund, wenn er gejagt wird und davon läuft, seine Ohren nach hinten gerichtet, aber immer offen; und dies wird offenbar gethan, um die Fußtritte seines Verfolgers zu hören. Aus Gewohnheit werden die Ohren häufig in dieser selben Stellung und der Schwanz eingezogen getragen, wenn die Gefahr offenbar vor dem Hunde liegt. Ich habe wiederholt an einer furchtsamen [113] Pintscherhündin beobachtet, daß, wenn sie sich vor irgend einem vor ihr befindlichen Gegenstande fürchtete, dessen Natur sie vollständig kannte, wo sie also nicht nöthig hatte, erst zu recognosciren, sie doch eine lange Zeit ihre Ohren und ihren Schwanz in dieser Stellung hielt, ein wahres Abbild der Traurigkeit. Ungemüthlichkeit oder irgend welche Furcht werden ähnlich ausgedrückt. So gieng ich eines Tages aus dem Hause hinaus, gerade zu derselben Zeit, wo dieser Hund wußte, daß sein Mittagsbrod gebracht werden würde. Ich rief ihn nicht, aber er wünschte doch sehr, mich zu begleiten und gleichzeitig sehnte er sich nach seiner Mahlzeit; und da stand er da, zuerst nach der einen Richtung, dann nach der andern hinblickend, mit eingezogenem Schwanze und die Ohren zurückgeschlagen, eine unverkennbare Erscheinung einer verwirrten ungemüthlichen Stimmung darbietend.

Beinahe alle die jetzt beschriebenen ausdrucksvollen Bewegungen, mit Ausnahme des Grinsens vor Freude, sind angeboren oder instinctiv, denn sie sind allen Individuen, Jungen wie Alten, und zwar aller Rassen, gemeinsam. Die meisten von ihnen kommen auch in gleicher Weise den ursprünglichen Eltern, nämlich dem Wolfe wie dem Schakale zu, einige von ihnen sogar noch andern Arten derselben Gruppe. Gezähmte Wölfe und Schakale springen, wenn sie von ihren Herren geliebkost werden, vor Freude umher, wedeln mit ihren Schwänzen, lassen ihre Ohren herab hängen, lecken die Hände ihrer Herren, ducken sich nieder und werfen sich selbst auf den Boden, mit dem Bauche nach oben.[4] Ich habe einen im Ganzen mehr fuchsähnlichen africanischen Schakal vom Gabun gesehen, der, wenn er geliebkost wurde, seine Ohren herabdrückte. Werden Wölfe und Schakale erschreckt, so ziehen sie sicherlich ihre Schwänze ein. Und es ist ein gezähmter Schakal beschrieben worden, der um seinen Herrn in Kreisen und Achterfiguren wie ein Hund herumlief mit dem Schwanze zwischen den Beinen.

Es ist angeführt worden,[5] daß Füchse, mögen sie auch noch [114] so zahm sein, niemals irgend eine der eben erwähnten ausdrucksvollen Bewegungen darbieten. Dies ist aber nicht streng genommen richtig. Vor vielen Jahren beobachtete ich im zoologischen Garten (und ich habe auch die Thatsache zu jener Zeit niedergeschrieben), daß ein sehr zahmer englischer Fuchs, wenn er von seinem Wärter geliebkost wurde, mit seinem Schwanze wedelte, seine Ohren niederdrückte und sich dann auf den Boden niederwarf mit dem Bauche nach oben. Der schwarze Fuchs von Nord-America drückte gleichfalls seine Ohren in einem unbedeutenden Grade nieder. Ich glaube aber, daß Füchse niemals die Hände ihres Herrn lecken; und man hat mir versichert, daß, wenn sie in Furcht gerathen, sie niemals ihre Schwänze einziehen. Wenn man die Erklärung, welche ich von dem Ausdrucke der Zuneigung bei Hunden gegeben habe, annimmt, dann möchte es fast scheinen, als ob Thiere, welche nie domesticirt worden sind, nämlich Wölfe, Schakale und selbst Füchse nichtsdestoweniger durch das Princip des Gegensatzes gewisse ausdrucksvolle Geberden sich angeeignet haben; denn es ist nicht wahrscheinlich, daß diese in Käfigen gefangen gehaltenen Thiere dieselben dadurch gelernt hätten, daß sie Hunden nachahmten.


Katzen. — Ich habe bereits die Bewegungen einer Katze (Fig. 9, S. 52), wenn sie sich wild fühlt, aber nicht erschreckt ist, beschrieben. Sie nimmt eine kauernde Stellung an und streckt gelegentlich ihre Vorderfüße aus mit ausgestreckten Klauen, fertig zum Zuschlagen. Der Schwanz ist ausgestreckt und wird gekrümmt oder von einer Seite zur andern geschlagen. Das Haar wird nicht aufgerichtet; wenigstens war es in den wenigen Fällen, die ich beobachtete, nicht der Fall. Die Ohren werden zurückgezogen und die Zähne gezeigt. Leises wildes Knurren wird ausgestoßen. Wir können einsehen, warum die von einer in der Vorbereitung zum Kampfe mit einer anderen Katze begriffenen oder von einer irgend wie heftig gereizten Katze angenommene Stellung so vollständig verschieden ist von der, welche ein Hund annimmt, der einem andern Hunde mit feindseligen Absichten begegnet; denn die Katze gebraucht ihre Vorderfüße zum Schlagen, und das macht eine kauernde Stellung zweckmäßig oder nothwendig. Sie ist auch viel mehr als ein Hund daran gewöhnt, verborgen still zu liegen und plötzlich auf ihre Beute einzuspringen. Dafür daß der Schwanz herumgeschlagen oder von der [115] einen zur anderen Seite gekrümmt wird, läßt sich keine Ursache mit Gewißheit nachweisen. Diese Gewohnheit ist vielen anderen Thieren gemeinsam, z. B. dem Puma, wenn er sich zum Springen bereit hält;[6] sie kommt aber bei Hunden oder Füchsen nicht vor, wie ich aus Mr. St. John's Beschreibung eines Fuchses schließe, der im Hinterhalte liegt und einen Hasen fängt. Wir haben bereits gesehen, daß manche Arten von Eidechsen und verschiedene Schlangen, wenn sie erregt werden, schnell die Spitzen ihres Schwanzes erzittern machen. Es möchte fast scheinen, als wenn im Zustande starker Erregung eine nicht zu controlirende Begierde nach einer Bewegung irgend welcher Art existire, welche eine Folge davon ist, daß Nervenkraft von dem erregten Sensorium reichlich frei gemacht wird, und daß, da der Schwanz frei herabhängt und seine Bewegungen die allgemeine Stellung des Körpers nicht stören, dieser gekrümmt und umhergeschlagen wird. Alle Bewegungen einer Katze im zuneigungsvollen Gemüthszustande finden sich in vollkommenem Gegensatze zu den eben beschriebenen. Jetzt steht sie aufrecht mit leicht gekrümmtem Rücken, den Schwanz senkrecht in die Höhe gehalten und die Ohren aufgerichtet und sie reibt ihre Backen und Seiten an ihrem Herrn oder ihrer Herrin. Die Lust, sich an irgend Etwas zu reiben, ist bei Katzen in diesem Seelenzustande so stark, daß man oft sehen kann, wie sie sich gegen Stühle oder Tischbeine oder Thürpfosten reiben. Diese Art und Weise, ihre Zuneigung auszudrücken, entstand wahrscheinlich ursprünglich durch Association wie bei dem Hunde daher, daß die Mutter ihre Jungen pflegt und hätschelt, und vielleicht auch daher, daß sich die Jungen untereinander lieben und miteinander spielen. Eine andere und sehr verschiedene Geberde, welche für das Gefühl des Vergnügens ausdrucksvoll ist, ist bereits beschrieben worden, nämlich die merkwürdige Art und Weise, in welcher junge und selbst alte Katzen, wenn sie sich vergnüglich fühlen, abwechselnd ihre Vorderfüße mit auseinander gehaltenen Zehen vorstrecken, als wenn sie gegen die Zitzen ihrer Mutter stoßen und an denselben saugen wollten. Diese Gewohnheit ist insofern jener des Reibens an irgend Etwas analog, als beide allem Anscheine nach von Handlungen sich herleiten lassen, welche während der Saugperiode ausgeführt werden. Warum Katzen ihre Zuneigung viel mehr durch Reiben ausdrücken als es Hunde thun, [116] obschon letztere an der Berührung mit ihrem Herrn ein Entzücken finden, und warum Katzen nur gelegentlich die Hände ihrer Freunde lecken, während Hunde dies immer thun, kann ich nicht angeben. Katzen reinigen sich selbst durch Belecken ihres Pelzes viel regelmäßiger als es Hunde thun. Andererseits scheinen ihre Zungen viel weniger für diese Arbeit passend zu sein als die längeren und beweglicheren Zungen der Hunde.

Fig. 15. Katze, vor einem Hunde erschreckend. Nach dem Leben gez. von Mr. Wood

Werden Katzen erschreckt, so stehen sie in voller Höhe da und krümmen ihren Rücken in einer bekannten lächerlichen Art. Sie spucken, zischen oder knurren. Das Haar am ganzen Körper und besonders am Schwanze richtet sich auf. In den von mir beobachteten Fällen wurde der Basaltheil des Schwanzes aufrecht, der Endtheil nach einer Seite gebogen getragen. Aber zuweilen wird der Schwanz (siehe Fig. 15) nur ein wenig erhoben und fast von seiner Basis an nach der einen Seite gebogen. Die Ohren werden zurückgezogen und [117] die Zähne exponirt. Wenn zwei junge Kätzchen mit einander spielen, so versucht das eine häufig das andere in dieser Weise zu erschrecken. Nach dem, was wir in früheren Capiteln gesehen haben, sind sämmtliche der eben erwähnten Einzelnheiten des Ausdrucks verständlich mit Ausnahme der außerordentlichen Krümmung des Rückens. Ich bin zu der Annahme geneigt, daß in derselben Weise wie viele Vögel, während sie ihre Federn schütteln, dabei ihre Flügel und ihren Schwanz ausbreiten, um sich so groß als möglich aussehen zu machen, auch Katzen in ihrer vollen Größe aufrecht dastehen, ihren Rücken krümmen, häufig den Basaltheil ihres Schwanzes erheben und ihr Haar emporrichten, um denselben Zweck zu erreichen. Wird der Luchs angegriffen, so sagt man, daß er seinen Rücken krümme, und Brehm hat ihn in dieser Weise abgebildet. Die Wärter im zoologischen Garten haben aber keine Neigung zur Annahme irgend einer derartigen Stellung bei größeren katzenartigen Thieren wie Tiger, Löwen u. s. w. gesehen. Diese haben aber auch wenig Ursache, sich vor irgend einem anderen Thiere zu fürchten.

Katzen brauchen ihre Stimmen sehr viel als Mittel des Ausdrucks; und in verschiedenen Gemüthserregungen und Begierden stoßen sie mindestens sechs oder sieben verschiedene Laute aus. Das Schnurren im befriedigten Zustande, welches sowohl während der Einathmung als während des Ausathmens gemacht wird, ist einer der merkwürdigsten Laute. Der Puma, Jagd-Leopard und Ocelot schnurren gleichfalls. Der Tiger aber „stößt, wenn er sich vergnüglich fühlt, ein eigenthümlich kurzes Schnüffeln aus, verbunden mit dem Schließen der Augenlider“.[7] Es wird angegeben, daß der Löwe, Jaguar und Leopard nicht schnurren.


Pferde. — Wenn Pferde wild werden, ziehen sie ihre Ohren scharf nach hinten, stoßen ihren Kopf vor und entblößen zum Theil ihre Schneidezähne, bereit zum Beißen. Sind sie dazu geneigt, hinten auszuschlagen, so ziehen sie gewöhnlich in Folge der Gewohnheit auch ihre Ohren zurück und ihre Augen werden in einer eigenthümlichen Art und Weise nach hinten gewendet.[8] Sind sie in einem vergnüglichen [118] Zustande, so z. B. wenn ein beliebtes Futter ihnen in den Stall gebracht wird, so erheben sie und ziehen sie ihren Kopf ein, spitzen ihre Ohren und sehen scharf ihre Freunde an, wobei sie oft wiehern. Ungeduld wird durch Stampfen auf den Boden ausgedrückt.

Die Bewegungen eines Pferdes, wenn es stark erschreckt wird, sind äußerst ausdrucksvoll. Eines Tages erschrack mein Pferd sehr über eine Säemaschine, die, von einem dicken Wachstuche bedeckt, auf dem offenen Felde stand. Es erhob seinen Kopf so hoch, daß der Hals beinahe senkrecht wurde; und dies that es aus Gewohnheit, denn die Maschine lag an einem Abhange unter ihm und konnte durch das Erheben des Kopfes durchaus nicht mit größerer Deutlichkeit gesehen werden. Wäre irgend ein Laut von derselben ausgegangen, so hätte er ebensowenig deutlicher gehört werden können. Die Augen und Ohren wurden intensiv vorwärts gerichtet und ich konnte durch den Sattel das Schlagen des Herzens fühlen. Mit rothen erweiterten Nasenlöchern schnaubte es heftig und drehte sich rund um. Es wäre auch mit größter Eile davongeflogen, hätte ich es nicht daran gehindert. Das Erweitern der Nasenlöcher geschieht nicht zum Zwecke, die Quelle der Gefahr zu wittern. Denn wenn ein Pferd sorgfältig irgend einen Gegenstand beriecht und dabei nicht beunruhigt ist, so erweitert es seine Nasenlöcher nicht. Wenn ein Pferd keucht, so athmet es in Folge der Anwesenheit einer Klappe in seiner Kehle nicht durch das offene Maul, sondern durch die Nasenlöcher, und diese sind in Folge hiervon mit einer großen Ausdehnungsfähigkeit begabt worden. Diese Ausdehnung der Nasenlöcher ebenso wie das Schnauben und das Schlagen des Herzens sind Thätigkeiten, welche während einer langen Reihe von Generationen mit der Seelenerregung des Schrecks fest associirt worden sind; denn der Schreck hat gewohnheitsgemäß das Pferd zur heftigsten Anstrengung, beim eiligsten Davonlaufen von der Ursache der Gefahr weg, geführt.


Wiederkäuer. — Rinder und Schafe sind deshalb merkwürdig, weil sie in einem so unbedeutenden Grade ihre Gemüthserregungen oder Empfindungen sichtbar werden lassen, mit Ausnahme des äußersten Schmerzes. Wenn eine Bulle wüthend wird, so zeigt er seine Wuth nur durch die Art und Weise, in welcher er seinen herabhängenden Kopf mit erweiterten Nasenlöchern trägt und durch Brüllen. Er stampft auch oft auf den Boden; und dieses Stampfen scheint von [119] dem eines ungeduldigen Pferdes sehr verschieden zu sein, denn wenn der Boden locker ist, so wirft er Staubwolken auf. Ich glaube, daß Bullen in dieser Weise handeln, wenn sie von Fliegen irritirt werden, zum Zwecke, dieselben fortzutreiben. Die wilderen Schafrassen und die Gemsen stampfen, wenn sie erschreckt werden, den Boden und pfeifen durch ihre Nasen; und dies dient ihren Kameraden als ein Warnungssignal. Wird der Moschusochse der arktischen Länder angegriffen, so stampft er gleichfalls auf den Boden.[9] Wie diese Bewegungen des Stampfens entstanden sind, kann ich nicht einmal vermuthen; denn nach Erkundigungen, die ich zu diesem Zwecke anstellte, scheint es nicht so, als wenn irgend eines dieser Thiere mit seinen Vorderfüßen kämpfte.

Manche Arten der Hirschgattung zeigen, wenn sie wild werden, viel mehr äußeren Ausdruck als es Kinder, Schafe oder Ziegen thun; denn sie ziehen, wie bereits angeführt worden ist, ihre Ohren zurück, knirschen mit ihren Zähnen, richten ihre Haare auf, schreien, stampfen auf den Boden und wetzen ihre Hörner. Eines Tages näherte sich im zoologischen Garten der Hirsch von Formosa (Cervus pseudaxis) mir in einer merkwürdigen Stellung mit emporgehobener Muffel, so daß die Hörner auf den Nacken gedrückt wurden. Der Kopf wurde dabei etwas schief gehalten. Nach dieser Ausdrucksform war ich sicher, daß er böse war. Er näherte sich langsam und sobald er dicht an die Eisenstäbe herankam, senkte er nicht seinen Kopf, um nach mir zu stoßen, sondern bog ihn plötzlich nach innen und schlug seine Hörner mit großer Kraft gegen das Gitter. Mr. Bartlett theilt mir mit, daß einige andere Species von Hirschen dieselbe Stellung annehmen, wenn sie zornig werden.


Affen. — Die verschiedenen Arten und Gattungen der Affen drücken ihre Gefühle auf viele verschiedene Weisen aus, und diese Thatsache ist interessant, da sie in einem gewissen Grade sich auch mit auf die Frage bezieht, ob die sogenannten Menschenrassen als verschiedene Species oder Varietäten aufgefaßt werden sollen. Denn wie wir in den folgenden Capiteln sehen werden, drücken die verschiedenen Rassen des Menschen ihre Gemüthserregungen und Empfindungen über die ganze Erde mit merkwürdiger Gleichförmigkeit aus. [120] Einige der ausdrucksvollen Handlungen der Affen sind in anderer Weise noch interessant, nämlich dadurch, daß sie denen des Menschen äußerst analog sind. Da ich keine Gelegenheit gehabt habe, irgend eine Species der Gruppe unter allen Umständen zu beobachten, so werden meine gelegentlichen Bemerkungen am besten nach den verschiedenen Seelenzuständen angeordnet.

Vergnügen, Freude, Zuneigung. – Es ist nicht möglich, wenigstens ohne mehr Erfahrung als ich sie besitze, bei Affen den Ausdruck des Vergnügens oder der Freude von dem der Zuneigung zu unterscheiden. Junge Chimpansen geben eine Art von bellendem Laut von sich, wenn sie sich über die Rückkehr irgend Jemandes freuen, dem sie anhänglich sind. Wenn dieser Laut, den die Wärter ein Lachen nennen, ausgestoßen wird, werden die Lippen vorgestreckt; doch werden sie dies auch im Zustande verschiedener anderer Erregungen. Nichtsdestoweniger konnte ich doch bemerken, daß wenn diese Thiere freudig gestimmt waren, die Form der Lippen etwas von der verschieden war, welche sie annahmen, wenn sie sich ärgerten. Wird ein junger Chimpanse gekitzelt, — und die Achselhöhlen sind besonders für das Kitzeln empfindlich wie bei unseren Kindern — so wird ein noch entschiedenerer kichernder oder lachender Laut ausgestoßen, obschon das Lachen zuweilen von keinem Laute begleitet wird. Die Mundwinkel werden dann zurückgezogen, und dies verursacht zuweilen, daß die unteren Augenlider leicht runzlig werden. Aber dieses Runzeln, welches für unser eigenes Lachen so characteristisch ist, zeigte sich bei einigen anderen Affen noch deutlicher. Die Zähne im Oberkiefer werden beim Chimpanse nicht exponirt, wenn er seinen lachenden Laut ausstößt, in welcher Hinsicht er von uns abweicht. Aber die Augen funkeln und werden heller, wie Mr. W. L. Martin[10] bemerkt, der der Ausdrucks weise dieser Thiere besondere Aufmerksamkeit zugewendet hat.

Werden junge Orangs gekitzelt, so grinsen sie gleichfalls und machen ein kicherndes Geräusch. Mr. Martin gibt an, daß ihre Augen glänzend werden. Sobald ihr Lachen aufhört, läßt sich beobachten, daß ein Ausdruck über ihr Gesicht geht, welcher, wie Mr. Wallace gegen mich bemerkt, ein Lächeln genannt werden kann. Ich habe etwas derselben Art beim Chimpanse beobachtet. Dr. Duchenne [121] — und ich kann keine bessere Autorität citiren — theilt mir mit, daß er in seinem Hause einen sehr zahmen Affen ein Jahr lang gehalten hat; wenn er ihm während der Mahlzeiten irgend einen ausgesuchten delicaten Bissen gab, beobachtete er, daß die Mundwinkel leicht erhoben wurden. Es ließ sich also ein Ausdruck der Befriedigung, der etwas von der Natur eines beginnenden Lächelns hatte und der dem ähnlich war, was oft auf dem Gesichte des Menschen zu sehen ist, deutlich bei diesem Thiere bemerken.

Freut sich der Cebus Azarae,[11] daß er eine geliebte Person wiedersieht, so bringt er einen eigenthümlichen kichernden Laut hervor. Er drückt auch angenehme Empfindungen dadurch aus, daß er seine Mundwinkel zurückzieht, ohne irgend einen Laut hervorzubringen. Rengger nennt diese Bewegung Lachen. Man dürfte es aber angemessener ein Lächeln nennen. Die Form des Mundes ist verschieden, wenn entweder Schmerz oder Schreck ausgedrückt und ein schrillendes Geschrei ausgestoßen wird. Eine andere Art von Cebus im zoologischen Garten (C. hypoleucus) gibt, wenn er vergnüglich gestimmt ist, oft hintereinander einen schrillen Ton von sich und zieht gleichfalls die Mundwinkel nach hinten, allem Anscheine nach in Folge der Zusammenziehung derselben Muskeln wie bei uns. Dasselbe thut der Berberaffe (Inuus ecaudatus) in einem außerordentlichen Grade; ich habe bei diesem Affen beobachtet, daß die Haut des unteren Augenlides sich dann runzelte. In derselben Zeit bewegte er seinen Unterkiefer oder die Unterlippe schnell in einer krampfhaften Art, wobei die Zähne exponirt wurden. Aber der dabei hervorgebrachte Laut war kaum deutlicher als der, den wir zuweilen unterdrücktes Lachen nennen. Zwei von den Wärtern bestätigten, daß dieser unbedeutende Laut das Lachen des Thieres sei. Als ich aber meinen Zweifel hierüber ausdrückte (ich hatte zu der Zeit noch gar keine Erfahrung), ließen sie den Affen einen ihm verhaßten Entellus, der in derselben Abtheilung mit ihm lebte, angreifen oder erschrecken. In dem Augenblicke veränderte sich der ganze Ausdruck des Gesichts des Inuus. Der Mund wurde viel weiter geöffnet, die Eckzähne wurden vollständig sichtbar gemacht und ein heiserer bellender Laut wurde ausgestoßen. [122] Der Anubis-Pavian (Cynocephalus anubis) wurde zunächst von seinem Wärter gereizt und in wüthenden Zorn gebracht, wie es leicht geschehen kann, worauf der Wärter wieder gut Freund mit ihm wurde

Fig. 16. Cynopithecus niger in behaglicher Stimmung. Nach dem Leben gez. von Mr. Wolf.

und ihm die Hand schüttelte. Sobald die Versöhnung vollzogen war, bewegte der Pavian seine Kinnladen und Lippen schnell auf und nieder

Fig. 17. Derselbe sich über Liebkosungen freuend.

und sah befriedigt aus. Wenn wir herzlich lachen, so läßt sich eine ähnliche Bewegung oder ein Zittern mehr oder weniger deutlich in unseren Kinnladen beobachten; aber beim Menschen werden besonders

[123] die Muskeln des Brustkastens beeinflußt, während bei diesem Pavian und bei einigen anderen Affen es die Muskeln der Kinnladen und Lippen sind, welche krampfhaft afficirt werden.

Ich habe bereits Gelegenheit gehabt, die merkwürdige Art und Weise zu erwähnen, in welcher zwei oder drei Species von Macacus und der Cynopithecus niger ihre Ohren zurückziehen und einen leisen schnatternden Laut ausstoßen, wenn sie sich über Liebkosungen freuen. Bei dem Cynopithecus (Fig. 17) werden zu derselben Zeit die Mundwinkel nach rückwärts und aufwärts gezogen, so daß die Zähne sichtbar werden. Es würde daher dieser Ausdruck von einem Fremden niemals als einer des Vergnügens erkannt werden. Der Kamm langer Haare auf dem Vorderkopfe wird niedergeschlagen und dem Anscheine nach die ganze Kopfhaut zurückgezogen. Hierdurch werden die Augenbrauen ein wenig emporgehoben und die Augen nehmen einen starren Ausdruck an; auch die unteren Augenlider werden leicht gerunzelt; aber dieses Runzeln ist wegen der beständigen Querfurchen auf dem Gesichte nicht auffallend.

Schmerzhafte Erregungen und Empfindungen. — Bei Affen wird der Ausdruck geringen Schmerzes oder irgend einer schmerzhaften Gemüthserregung, wie Kummer, Ärger, Eifersucht u. s. w. nicht leicht von dem eines mäßigen Zornes unterschieden, und diese Seelenzustände gehen leicht und schnell in einander über. Indeß wird bei einigen Arten Kummer ganz sicher durch Weinen ausgedrückt. Eine Frau, welche einen Affen, der der Annahme nach von Borneo gekommen war (Macacus maurus oder M. inornatus Gray), an die zoologische Gesellschaft verkaufte, erzählte, er habe oft geweint. Auch Mr. Bartlett hat ebenso wie der Wärter, Mr. Sutton, es wiederholt gesehen, daß er, wenn er sich härmte oder selbst wenn er sehr bemitleidet wurde, so reichlich weinte, daß ihm die Thränen die Backen herabliefen. Bei diesem Falle liegt indessen doch etwas Fremdartiges vor. Denn zwei später im zoologischen Garten gehaltene Exemplare, welche der Annahme nach zu derselben Species gehörten, hat man niemals weinen sehen, obschon sie von dem Wärter und von mir selbst sorgfältig beobachtet wurden, wenn sie sehr in Noth waren und laut schrieen. Rengger gibt an,[12] daß sich die Augen des Cebus Azarae mit Thränen füllten, aber doch nicht so stark, daß sie überliefen, [124] und zwar, wenn er daran gehindert wurde, irgend einen sehr ersehnten Gegenstand zu erlangen oder wenn er stark erschreckt wurde. Auch A. v. Humboldt gibt an, daß sich die Augen des Cattithrix sciureus „augenblicklich mit Thränen füllen, wenn er von Furcht ergriffen wird“. Als aber dieser kleine hübsche Affe im zoologischen Garten so lange geplagt wurde, bis er laut aufschrie, so trat dies doch nicht ein. Ich wünsche indeß nicht, auch nur den allergeringsten Zweifel an der Genauigkeit der Angabe Humboldt's zu erregen.

Die Erscheinung der Niedergeschlagenheit bei jungen Orangs und Chimpansen, wenn sie krank sind, ist so deutlich und beinahe so ergreifend wie bei unseren Kindern. Dieser Zustand des Geistes und des Körpers zeigt sich in den verdrossenen Bewegungen, dem abgespannten Ausdrucke, den matten Augen und der veränderten Gesichtsfarbe.

Zorn. — Diese Gemüthserregung wird von vielen Arten von Affen häufig dargeboten und, wie Mr. Martin bemerkt,[13] auf viele verschiedene Arten ausgedrückt. „Viele Arten strecken, wenn sie gereizt werden, ihre Lippen vor, starren mit einem fixirten und wilden Blicke auf ihren Feind und nehmen wiederholt kurze Anläufe, als wenn sie im Begriffe wären, vorwärts zu springen, während sie zu derselben Zeit innerliche gutturale Laute hervorbringen. Viele zeigen ihren Zorn dadurch, daß sie plötzlich vorwärts kommen, plötzliche Anläufe nehmen und zu derselben Zeit den Mund öffnen und die Lippen zusammenziehen, so daß die Zähne verborgen werden, während die Augen keck auf den Feind fixirt werden wie in wilder Herausforderung. Wieder andere und vorzüglich die langschwänzigen Affen, Guenons, zeigen ihre Zähne und begleiten ihr malitiöses Grinsen mit einem scharfen abrupten, wiederholten Geschrei.“ Mr. Sutton bestätigt die Angabe, daß einige Arten ihre Zähne entblößen, wenn sie wüthend werden, während andere dieselben durch Vorstrecken ihrer Lippen bedecken; einige Arten ziehen ihre Ohren zurück. Der vor Kurzem angeführte Cynopithecus niger handelt in dieser Art, drückt zu derselben Zeit den Haarkamm auf seinem Vorderkopfe nieder und zeigt seine Zähne, so daß die Bewegungen der Gesichtszüge im Zorne nahezu dieselben sind wie diejenigen in der Freude, und es können [125] die beiden Ausdrucksweisen nur von Denjenigen unterschieden werden, welche mit dem Thiere vertraut sind.

Paviane zeigen ihre Leidenschaft und drohen ihrem Feinde häufig in einer sehr merkwürdigen Weise, nämlich dadurch, daß sie ihren Mund weit öffnen wie im Acte des Gähnens. Mr. Bartlett hat es oft gesehen, wie zwei Paviane, wenn sie in denselben Käfig gethan wurden, zuerst einander gegenüber sitzen und nun abwechselnd ihren Mund öffnen. Und diese Bewegung scheint häufig in einem wirklichen Gähnen ihr Ende zu nehmen. Mr. Bartlett glaubt, daß beide Thiere einander zu zeigen wünschen, daß sie mit einem furchtbaren Gebisse versehen sind, wie dies unzweifelhaft der Fall ist. Da ich die Thatsache dieser gähnenden Geberde kaum für richtig hielt, reizte Mr. Bartlett den alten Pavian und brachte ihn zur heftigen Leidenschaft; fast unmittelbar darauf begann er diese Bewegung. Einige Species von Macacus und Cynopithecus[14] benehmen sich in derselben Art und Weise. Paviane zeigen auch ihren Zorn, wie Brehm an denen beobachtet hat, die er in Abyssinien lebendig hielt, noch in einer anderen Weise, nämlich dadurch, daß sie den Boden mit der einen Hand schlagen „wie ein zorniger Mensch, der mit der Faust auf den Tisch schlägt“. Ich habe diese Bewegung bei den Pavianen im zoologischen Garten gesehen. Aber zuweilen scheint diese Handlung eher ausdrücken zu sollen, daß sie einen Stein oder einen anderen Gegenstand in ihrem Strohlager suchen.

Mr. Sutton hat oft beobachtet, wie das Gesicht des Macacus rhesus roth wurde, wenn er in Wuth gerieth. Als er dies gegen mich erwähnte, griff ein anderer Affe einen Rhesus an, und nun sah ich, daß sich sein Gesicht so deutlich wie bei einem Menschen in einer heftigen Leidenschaft röthete. Im Laufe einiger Minuten, nachdem der Kampf vorüber war, erhielt das Gesicht dieses Affen seine natürliche Farbe wieder. In derselben Zeit, als das Gesicht sich röthete, schien der nackte hintere Theil des Körpers, welcher immer roth ist, noch röther zu werden. Doch kann ich nicht positiv behaupten, daß dies der Fall war. Wenn der Mandrill in irgend einer Weise gereizt wird, so wird angegeben, daß die brillant gefärbten nackten Theile der Haut noch lebhafter gefärbt werden.

Bei mehreren Arten der Paviane springt die Leiste der Stirn bedeutend [126] über die Augen hervor und ist mit einigen wenigen langen Haaren besetzt, die unseren Augenbrauen entsprechen. Diese Thiere blicken beständig rund um sich her, und um nach oben sehen zu können, erheben sie ihre Augenbrauen. Es möchte fast scheinen, als hätten sie hierdurch die Gewohnheit erlangt, häufig ihre Augenbrauen zu bewegen. Wie sich dies auch verhalten möge: viele Arten von Affen, besonders die Paviane bewegen, wenn sie zornig oder in irgend einer Weise gereizt werden, ihre Augenbrauen schnell und unaufhörlich auf und nieder, ebenso wie die behaarte Haut des Vorderkopfes.[15] Da wir beim Menschen das Erheben und Senken der Augenbrauen mit bestimmten Zuständen der Seele associiren, so gibt die beinahe unablässige Bewegung der Augenbrauen bei Affen denselben einen sinnlosen Ausdruck. Ich habe einmal einen Mann beobachtet, der die Gewohnheit hatte, fortwährend seine Augenbrauen ohne irgend welche entsprechende Seelenerregung zu erheben; und dies gab ihm ein albernes Aussehen. Dasselbe gilt für einige Personen, welche ihre Mundwinkel ein wenig zurück- und aufwärts gezogen haben, wie bei einem beginnenden Lächeln, trotzdem sie zu der Zeit weder amüsirt noch vergnüglich gestimmt sind.

Ein junger weiblicher Orang, der von seinem Wärter dadurch eifersüchtig gemacht wurde, daß dieser einem anderen Affen Aufmerksamkeit zuwendete, ließ leicht seine Zähne sehen, stieß ein mürrisches Geräusch ungefähr wie „tisch-schist“ aus und drehte ihm den Rücken zu. Sowohl Orangs als Chimpansen strecken, wenn sie etwas mehr geärgert werden, ihre Lippen bedeutend vor und bringen ein scharfes bellendes Geräusch hervor. Ein junger weiblicher Chimpanse bot in einer heftigen Leidenschaft eine merkwürdige Ähnlichkeit mit einem Kinde in demselben Zustande dar. Er schrie laut mit weit geöffnetem Munde, wobei die Lippen zurückgezogen waren, so daß die Zähne vollständig exponirt waren. Er warf die Arme wild um sich herum, sie zuweilen über dem Kopfe zusammenschlagend. Er rollte sich auf dem Boden hin, zuweilen auf dem Rücken, zuweilen auf dem Bauche, und biß nach jedem Dinge, was er erreichen konnte. Man hat einen jungen Gibbon (Hylobates syndactylus) beobachtet,[16] der sich in leidenschaftlicher Erregung fast genau in derselben Art benahm.

[127] Die Lippen junger Orangs und Chimpansen werden unter verschiedenen Umständen zuweilen in wunderbarem Grade vorgestreckt. Sie thun dies nicht bloß, wenn sie leicht geärgert, mürrisch und enttäuscht sind, sondern auch, wenn sie sich über irgend Etwas beunruhigen — in einem Falle bei dem Anblicke einer Schildkröte[17] — und gleichfalls, wenn sie vergnügt werden. Es ist aber weder der Grad des Vorstreckens noch die Form des Mundes, wie ich glaube, in allen Fällen genau dieselbe; auch sind die Laute, welche dann ausgestoßen werden, verschieden. Die beistehende Zeichnung (Fig. 18)

Fig. 18. Chimpanse, enttäuscht und mürrisch. Nach dem Leben gez. von Mr. Wood.

stellt einen Chimpansen dar, der dadurch mürrisch gemacht worden war, daß man ihm eine Orange angeboten und dann weggenommen hatte. Ein ähnliches Vorstrecken oder Hängenlassen des Mundes, wenn auch in einem viel unbedeutenderen Grade, kann man bei mürrischen Kindern sehen.

Vor vielen Jahren stellte ich im zoologischen Garten einen Spiegel auf die Erde vor zwei jungen Orangs hin, welche, soweit es bekannt war, niemals vorher einen solchen gesehen hatten. Zuerst [128] starrten sie ihr eigenes Bild mit der stetesten Überraschung an und änderten oft ihren Standpunkt. Dann näherten sie sich dicht dem Bilde und streckten ihre Lippen nach ihm hin als wenn sie es küssen wollten, in genau derselben Weise, wie sie es gegeneinander gethan hatten, als sie einige Tage vorher in ein und dasselbe Zimmer gebracht worden waren. Dann machten sie alle möglichen Grimassen und stellten sich in verschiedenen Stellungen vor dem Spiegel auf, drückten und rieben die Oberfläche, hielten ihre Hände in verschiedener Entfernung hinter denselben, sahen hinter ihn und schienen endlich beinahe erschreckt zu sein, fuhren etwas zurück, wurden unwillig und verweigerten nun länger hineinzusehen.

Wenn wir versuchen, irgend eine unbedeutende Handlung auszuführen, welche schwierig ist und Präcision erfordert, z. B. wenn wir eine Nadel einfädeln wollen, so schließen wir allgemein unsere Lippen fest, wie ich vermuthe zum Zwecke, unsere Bewegungen nicht durch Athmen zu stören. Und ich bemerkte dieselbe Bewegung bei einem jungen Orang. Das arme kleine Geschöpf war krank und amüsirte sich damit, zu versuchen, die Fliegen an den Fensterscheiben mit seinen Knöcheln zu tödten. Dies war schwierig, da die Fliegen umhersummten; und bei jedem Versuche wurden die Lippen fest geschlossen und in derselben Zeit ein wenig vorgestreckt.

Obschon der Gesichtsausdruck und noch specieller die Geberden von Orangs und Chimpansen in mancher Hinsicht in hohem Grade ausdrucksvoll sind, so zweifle ich doch, ob sie im Ganzen eben so ausdrucksvoll sind wie diejenigen einiger anderen Arten von Affen. Dies mag zum Theil dem Umstande zugeschrieben werden, daß ihre Ohren unbeweglich sind, zum Theil der Nacktheit ihrer Augenbrauen, deren Bewegungen hierdurch weniger auffallend werden. Indessen wird, wenn sie ihre Augenbrauen erheben, ihre Stirn wie bei uns quer gefurcht. Im Vergleich mit dem Menschen sind ihre Gesichter ausdruckslos, hauptsächlich in Folge des Umstandes, daß sie die Stirn bei keiner Seelenerregung runzeln, d. h. soweit ich im Stande gewesen bin, es zu beobachten, und ich habe dem Punkte sorgfältige Aufmerksamkeit zugewendet. Das Stirnrunzeln, welches eine der bedeutungsvollsten aller Ausdrucksformen bei dem Menschen ist, ist eine Folge der Zusammenziehung der Corrugatoren, durch welche die Augenbrauen herabgezogen und einander genähert werden, so daß sich auf der [129] Stirn senkrechte Falten bilden. Man gibt freilich an,[18] daß der Orang und Chimpanse diesen Muskel besitzen; er scheint aber nur selten in Thätigkeit versetzt zu werden, wenigstens in einer deutlichen Weise. Ich hielt meine Hände zur Bildung einer Art Gitter zusammen, brachte einige verlockende Früchte hinein und ließ nun einen jungen Orang und einen Chimpansen ihr Äußerstes versuchen, sie herauszubekommen. Obgleich sie aber ziemlich unwillig wurden, zeigte sich auch nicht eine Spur von Stirnrunzeln. Auch trat kein Stirnrunzeln ein, als sie wüthend wurden. Zweimal nahm ich zwei Chimpansen aus ihrem im Ganzen dunkeln Zimmer plötzlich heraus in hellen Sonnenschein, welches uns mit Sicherheit die Stirn zu runzeln veranlaßt hätte. Sie blinkten und winkten mit ihren Augen, aber nur einmal sah ich ein sehr unbedeutendes Stirnrunzeln. Bei einer anderen Gelegenheit kitzelte ich die Nase eines Chimpansen mit einem Strohhalme, und als das Gesicht leicht runzelig wurde, erschienen auch unbedeutende senkrechte Furchen zwischen den Augenbrauen. Ich habe aber niemals ein Stirnrunzeln bei einem Orang gesehen.

Geräth der Gorilla in Wuth, so wird beschrieben, daß er seinen Haarkamm aufrichte, seine Unterlippe herabhängen lasse, seine Nasenlöcher erweitere und furchtbare Töne ausstoße. Messrs. Savage und Wyman geben an,[19] daß die Kopfhaut frei rück- und vorwärts bewegt werden kann und daß sie, wenn das Thier gereizt ist, stark zusammengezogen wird. Ich vermuthe aber, daß sie mit diesem letzteren Ausdrucke meinen, daß die Kopfhaut herabgezogen wird. Denn sie sagen gleichfalls vom jungen Chimpansen, daß er, wenn er aufschreit, die Augenbrauen stark zusammengezogen habe“. Die bedeutende Fähigkeit zur Bewegung der Kopfhaut beim Gorilla, vielen Pavianen und anderen Affen verdient in Bezug auf den Umstand, daß einige wenige Menschen dieselbe Fähigkeit besitzen, Beachtung; die Fähigkeit, willkürlich die Kopfhaut zu bewegen, ist entweder in Folge von Rückschlag eingetreten oder beibehalten worden.[20]

[130] Erstaunen, Schreck. — Eine lebendige Süßwasserschildkröte wurde auf meine Bitte in einen und denselben Behälter mit vielen Affen im zoologischen Garten gestellt. Sie zeigten grenzenloses Erstaunen, einige auch Furcht. Dies zeigte sich dadurch, daß sie bewegungslos und mit weit geöffneten Augen starr herabblickend dasaßen und ihre Augenbrauen oft auf und nieder bewegten. Das Gesicht schien etwas verlängert zu sein. Sie erhoben sich etwas auf ihren Hinterbeinen, um einen noch besseren Blick zu gewinnen; auch zogen sie sich häufig wenige Fuß zurück und wendeten dann ihren Kopf über die eine Schulter, wieder starr herunterblickend. Es war merkwürdig zu beobachten, wie viel weniger sie sich vor der Schildkröte fürchteten als vor der lebendigen Schlange, welche ich früher einmal in ihren Behälter gethan hatte;[21] denn im Laufe weniger Minuten wagten einige der Affen sich in die Nähe, um die Schildkröte zu berühren. Auf der anderen Seite waren einige der größeren Paviane bedeutend erschreckt und grinsten, als wären sie im Begriff, laut aufzuschreien. Als ich eine kleine angezogene Puppe dem Cynopithecus niger zeigte, stand er bewegungslos da, starrte intensiv mit weit geöffneten Augen darauf hin und bewegte seine Ohren ein wenig vorwärts. Als aber die Schildkröte in seinen Käfig gebracht wurde, bewegte auch dieser Affe seine Lippen in einer merkwürdigen schnell schnatternden Weise, von welcher der Wärter meinte, es solle die Schildkröte versöhnen und ihr gefallen.

Ich bin niemals im Stande gewesen, deutlich wahrzunehmen, daß die Augenbrauen erstaunter Affen permanent in die Höhe erhoben gehalten werden, obschon sie häufig auf und nieder bewegt wurden. Aufmerksamkeit, welche dem Erstaunen vorausgeht, wird vom Menschen durch ein leichtes Erheben der Augenbrauen ausgedrückt. Dr. Duchenne theilt mir mit, daß, wenn er dem früher erwähnten Affen einige vollständig neue Eßwaaren gab, er seine Augenbrauen ein wenig in die Höhe hob und hierdurch das Ansehen größerer Aufmerksamkeit erhielt. Dann nahm er die Speise in seine Finger und kratzte, beroch und untersuchte sie mit herabgesenkten oder geradlinigen Augenbrauen, wodurch sich ein Ausdruck der Überlegung darstellte. Zuweilen warf er seinen Kopf ein wenig zurück, untersuchte dann mit plötzlich [131] emporgehobenen Augenbrauen nochmals und kostete endlich die Nahrung.

In keinem einzigen Falle hielt irgend ein Affe seinen Mund, während er erstaunt war, offen. Mr. Sutton beobachtete meinetwegen einen jungen Orang und einen Chimpansen während einer beträchtlich langen Zeit, und so viel sie auch erstaunt sein mochten oder wenn sie mit noch so intensiver Aufmerksamkeit auf irgend einen fremdartigen Laut hörten: so hielten sie doch ihren Mund nicht offen. Diese Thatsache ist überraschend, da beim Menschen kaum irgend ein Ausdruck allgemeiner ist als ein weit geöffneter Mund im Gefühle des Erstaunens. So viel ich im Stande gewesen bin, zu beobachten, athmen Affen stärker durch ihre Nasenlöcher als es die Menschen thun; und dies dürfte es erklären, daß sie, wenn sie erstaunt sind, ihren Mund nicht öffnen. Denn wie wir in einem späteren Capitel sehen werden, thut der Mensch dies, wenn er erstaunt ist, augenscheinlich zuerst zum Zwecke, schnell eine volle Inspiration zu erhalten und später, um so ruhig als möglich zu athmen.

Schreck wird von vielen Arten von Affen durch das Ausstoßen schriller Schreie ausgedrückt. Die Lippen werden zurückgezogen, so daß die Zähne exponirt sind. Das Haar wird aufgerichtet, besonders wenn gleichzeitig etwas Zorn gefühlt wird. Mr. Sutton hat das Gesicht des Macacus rhesus aus Furcht deutlich erbleichen sehen. Affen zittern auch aus Furcht und zuweilen entleeren sie ihre Excrete. Ich habe einen Affen gesehen, der, als er gefangen wurde, beinahe im Übermaße des Schrecks in Ohnmacht fiel.


Es ist nun in Bezug auf die Ausdrucksweise verschiedener Thiere eine hinreichende Zahl von Thatsachen mitgetheilt worden. Unmöglich kann man mit Sir Ch. Bell übereinstimmen, wenn er sagt,[22] daß „die Gesichter der Thiere hauptsächlich fähig zu sein scheinen, Wuth und Furcht auszudrücken“, und ferner, wenn er sagt, daß alle ihre Ausdrucksweisen „mehr oder weniger deutlich entweder auf ihre Willensacte oder ihre nothwendigen instinctiven Handlungen bezogen werden können“. Wer einen Hund beobachtet, der sich vorbereitet, einen anderen Hund oder einen Menschen anzugreifen, und [132] dann dasselbe Thier, wenn es seinen Herrn liebkost, oder wer den Gesichtsausdruck eines Affen betrachtet, wenn er beleidigt, und dann, wenn er von seinem Herrn gehätschelt wird, wird zur Annahme geneigt sein, daß die Bewegungen ihrer Gesichtszüge und ihrer Geberden beinahe so ausdrucksvoll sind wie die des Menschen. Obgleich von einigen der Ausdrucksformen bei niederen Thieren keine Erklärung gegeben werden kann, so ist doch die größere Zahl derselben in Übereinstimmung mit den drei im Anfange des ersten Capitels angeführten Principien erklärbar.





  1. The Anatomy of Expression. 1844, p. 190.
  2. De la Physionemie, 1865, p. 187. 218.
  3. The Anatomy of Expression, 1844, p. 140.
  4. Viele Einzelnheiten hat Güldenstädt in seiner Beschreibung des Schakals gegeben, in: Novi Comment. Acad. Sc. Petropol. 1775, Tom. XX, p. 449; s. auch eine andere ausgezeichnete Schilderung dieses Thieres und seines Spielens in: Land and Water, October 1869. Auch Lieut. Annesley, R. A., hat mir einige Einzelnheiten über den Schakal mitgetheilt. Ich habe über Wölfe und Schakale im zoologischen Garten vielfache Erkundigungen eingezogen und dieselben auch selbst beobachtet.
  5. Land and Water, 6. Novemb. 1869.
  6. Azara, Quadrupèdes du Paraguay, 1801, Tom. I. p. 136.
  7. Land and Water, 1867, p. 657. s. auch Azara über den Puma in dem vorhin angeführten Werke.
  8. Sir Ch. Bell, the Anatomy of Expression, 3. edit. p. 123; s. auch p. 126 darüber, daß Pferde nicht durch den Mund athmen und über die dazu in Beziehung stehende Erweiterung der Nasenlöcher.
  9. Land and Water, 1869, p. 152.
  10. Natural History of Mammalia, Vol. I. 1841, p. 333, 410.
  11. Rengger (s. Säugethiere von Paraguay, 1830, S. 46) hielt diese Affen in ihrem Heimathlande Paraguay sieben Jahre lang in Gefangenschaft.
  12. Rengger, a.a.O. S. 46. Humboldt, Personal Narrative, Vol. IV. p. 527.
  13. Natural History of Mammalia, 1841, p. 351.
  14. Brehm, Thierleben, Bd. 1. 2. Aufl. S. 153. Über Paviane, welche den Boden schlagen, s. S. 61.
  15. Brehm bemerkt (Thierleben, a. a. O. 2. Aufl. S. 141), daß die Stirnhaut des Inuus ecaudatus häufig auf- und niederbewegt wird.
  16. G. Bennett, Wanderings in New South Wales etc. Vol. II. 1834, p. 153.
  17. W. C. Martin, Natur. History of Mamm. Animals, 1841, p. 405.
  18. Prof. Owen, über den Orang, s. Proceed. Zoolog. Soc. 1830, p. 28. Über den Chimpanse s. Prof. Macalister in: Ann. and Magaz. of Natur. Hist. Vol. VII. 1871, p. 342; derselbe gibt an, daß der Corrugator supercilii von dem Orbicularis palpebrarum nicht zu trennen sei.
  19. Boston Journal of Natur. Hist. Vol. V. 1845-47, p. 423. Über den Chimpanse s. ebenda, Vol. IV. 1843-44, p. 365.
  20. s. über diesen Gegenstand: Abstammung des Menschen. 3. Aufl. Bd. 1. S. 17.
  21. Abstammung des Menschen. 3. Aufl. Bd. 1. S. 93.
  22. Anatomy of Expression, 3. edit. 1844, p. 138. 121.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: zereißen
  2. Vorlage: Waltet Scott's
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