Der Kreuzthurmbrand im Jahre 1669
← Zwei Beschreibungen Dresdens vom Ende des 16. Jahrhunderts | Der Kreuzthurmbrand im Jahre 1669 (1897) von Otto Richter Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900) |
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Am 16. Februar 1897, zum vierten Male in vier Jahrhunderten, ist unsre Kreuzkirche ein Raub der Flammen geworden. Dieses neue Unglück, an dem die ganze Einwohnerschaft Dresdens innigen Antheil nimmt, hat die früheren Schicksale des altehrwürdigen Gotteshauses wieder in den Vordergrund des allgemeinen Interesses gerückt. Seine erste Zerstörung erfolgte bei dem großen Stadtbrande am 15. Juni 1491. Die bald nachher wieder aufgebaute Kirche erhielt in den Jahren 1579 bis 1582 nach dem Entwurfe des Bürgermeisters und Bildhauers Hans Walther einen neuen stattlichen Thurm, dessen oberer Theil am 29. April 1669 infolge Blitzschlages abbrannte; er wurde bis zum Herbst 1674 in der früheren Gestalt wiederhergestellt. Bei der Beschießung Dresdens durch Friedrich den Großen ging die Kreuzkirche am 19. Juli 1760 wiederum durch Feuer zu Grunde; der größtentheils noch stehen gebliebene Thurm stürzte nachträglich während des Neubaues am 22. Juni 1765 ein. Ueber die Brände in den Jahren 1491 und 1760 besitzen wir nur dürftige Nachrichten[1], was sich daraus erklärt, daß in beiden Fällen bei der in der ganzen Stadt herrschenden Gefahr und Bestürzung eine ruhige Beobachtung der Ereignisse völlig ausgeschlossen war. Dagegen hat über den Brand des Thurmes im Jahre 1669 und dessen Wiederaufbau der damalige Gerichtsaktuar Christian Tannenbergk († 1682) einen sehr genauen, 62 Folioseiten umfassenden Bericht aufgesetzt, der im Rathsarchive (unter B II. 23) aufbewahrt wird. Er soll hier wiedergegeben werden, und zwar, in angemessener Kürzung, auch in dem den Neubau behandelnden Abschnitte, da dieser manche Einzelheiten von baugeschichtlichem und bautechnischem Interesse zu bieten scheint.
„Nachdem Donnerstags den 29. Aprilis Anno 1669 den ganzen Tag über heiß Sommerwetter gewesen und Abends zwischen 8 und 9 Uhr sich ein schweres Gewitter, wiewohl anfänglich ganz trocken, letztlich aber mit etwas Regen erhoben, hat darbei durch göttliche Schickung es gegen 10 Uhr einen harten Donnerschlag gegeben, vermittelst dessen das Wetter in den Kreuzthurm eingeschlagen, maßen davon ein oder anderer Strahl nicht allein in die vor den Stadtpfeifer deputirte Wohnstube durch das Fenster allernächst bei der Klengel hineingefahren und das Fensterblei zerschmelzet, sondern auch in der Kammer über selbiger Stuben den Rähmen des runden Fensters, nebenst einem weißen leinen darbei gelegenen Lappen zu Zunder versenget, vornehmblich aber und hauptsächlich in die hohe Thurmspitze gerathen und zu öberst in der innewendigen Höhle deroselben eine heimbliche und verborgene Entzündung causiret, so man anfänglich nicht gewahr worden. Denn ob zwar unten in der Stadt der allda wohnende Stadtpfeifer nebenst andern Leuten mehr oben etwas wie ein Licht schimmern sehen, so hat man es doch nur vor eine Latern gehalten, in dem Gedanken stehende, daß es die Wächter ufn Thurm wären, so die Visitation verrichteten; welche zwar auch von selbigen gebührende geschehen, jedoch aber das inwendig anglimmende Feuer von ihnen dahero nicht verspüret werden können, weiln die vorhangende Seigerschelle die ganze Circumferenz eingenommen, daß man vor derselben in die hohle Spitze hinauf andergestalt nicht sehen können, als wenn man, und zwar mit ziemblicher Gefahr, sich mit dem Leibe gar weit hinaus begeben thäte, welches aber die Wächter dazumal, indem sie daselbst keinen feurigen Geruch verspüret, vor unnöthig geachtet. Indem aber dieselben aus Sorgfalt in obgedachten untersten Gemächern wegen der daselbst befundenen Versengung und starken schwefeligen Geruchs genaue Visitation gehalten und also hiermit bei einer Viertelstunden lang sich verweilet (nach beschehenem Donnerschlage zu rechnen), haben sie oben auf dem Thurm der in der Spitzen entstehenden Gefahr [38] nicht ehe innewerden können, bis erst das Geschrei von der Gassen hinauf erschollen, nachdem inzwischen das Feuer daselbst schon dergestalt zu Kräften kommen war, daß es bei denen Sprossen und Seigerschellen mit voller Lohe aus der hohlen Spitzen herunterwarts auf allen Seiten herausgeschlagen und gleichsam wie aus einem Bierfasse herausgewalzet, maßen denn an der Feuerglocken, ehe selbige angezogen werden können, das Seil bereits abgebrannt gewesen und also nur noch an der großen Seigerschelle, an deren Hammer zu öberst eine eiserne Kette war, 10 bis 12 Schläge zum Sturm angebracht worden, durch welche gählinge unversehene Gluth bald darauf in sehr kurzer Frist die darunter befindliche und aus lautern Holzwerk bestehende Haube, soweit sie mit Kupfer bedecket und bis auf das Gemäuer, dergestalt in vollen Brand gerathen, daß keine Rettungsmittel darwider zu ersinnen gewesen. Als nun solcher Brand, davon die ganze Stadt erleuchtet worden und mit männigliches höchster Bestürzung anzusehen gewesen, bei anderthalben Stunden lang gewähret, ist endlich die lange Thurmspitze bei den Sprossen, da die Seigerschelle gestanden, losgebrannt und mit dem obern Theil samt dem Knopfe und Kreuz der großen Kirchthür gegenüber in das seithalben nach der linken Hand zu stehende Eckhaus[2] herabgefallen, woselbst sie das halbe Ziegeldach eingeschmissen und zugleich die Mauer oben am Simse ziemlichen beschädiget, mit dem untersten und dicken Ende aber in den zur linken Hand gegen Mittag stehenden Seitenthurm ein- und durch das Kupferdach durchgeschlagen, also daß selbiges von den flammenden Bränden angezündet und hierdurch dieser Seitenthurm von außen und oben her gleichergestalt in völligen Brand gesetzet worden; wie denn auch zugleich etliche brennende Balken sambt einem großen Stück von dem damaligen steinern Geländer des obersten Umgangs auf der Morgenseiten mit großen Geprassel auf das Kirchdach heruntergefallen, daß solches nicht allein sehr zerschmettert, sondern auch sofern, daß es oben am Fürsten bereits angefangen zu brennen, angezündet, jedoch aber vermittelst fleißiger Gegenwehre bei Zeiten wieder gedämpfet und also die Kirche vor fernerer Gefahr noch gerettet worden.
Inmittelst hat der Vestungs-Obriste Tit. Herr Johann Siegmund von Liebenau, so bei diesem Brande stets zu Pferde gesessen und aller Orten gute Anordnung thun helfen, das heruntergefallene Kreuz sambt dem Knopfe, so geborsten und aufgesprungen gewesen, nebenst denen ... darinnen befundenen Sachen in Verwahrung genommen und solche hernach E. E. Rathe überantworten lassen, welche aber nachgehends allesambt von dannen ferner in den geheimen Regierungs-Rath geliefert worden.
Nachdem nun auf erfolgeten Abfall der Spitze die vorhin besorgete augenscheinliche Leib- und Lebensgefahr, darvor bishero niemand sich hinanzuwagen getrauen dürfen, sich etlichermaßen verloren, ist vermittelst gedachten Herrn Vestung-Obristens und derer andern Herren Officirer sowohl auch derer Herren Bürgermeister, Rathspersonen und Viertelsmeister fleißige Anordnung und Aufsicht zur Löschung und Gegenwehre embsige Hand zu Werk geleget, die Gassen umb die Kirche herumb mit bewehrten Musquetirern besetzet, das Wasser durch das Bürger- und Handwerksvolk die große und kleine Treppe hinauf aus einer Hand in die andere bis zum Feuer eiligst hinaufgeschaffet und ohn Unterlaß aller möglicher Fleiß, die Gluth zu dämpfen und die Glockenstühle zu retten, angewendet worden. Wiewohl nun das Wetter an sich selbsten ganz stille gewesen und kein Wind im geringsten sich merken lassen, außerdem daß nur die Luft in etwas mittagwärts gestrichen, so hat doch die Gluth dermaßen überhand genommen und nach und nach sich immer weiter herunter gezogen, daß sowohl der hohe mittlere als auch der Seitenthurm zugleich an beiden Orten ganzer sechs Stunden lang bis gegen Morgen nach 4 Uhr in voller Flamme gestanden und lichterlohe oben hinaus gebrennet, da denn das Kupferdach des mittleren Thurms, nachdem die Haube von inwendig am Holzwerke durch das Feuer gänzlich verzehret, auf das Gemäuer sich niedergesetzet und darauf hängen blieben, das andere aber vom Seitenthurm mehrentheils auf die Gasse heruntergefallen.
Ob nun wohl die ausschlagende Flamme und größte Gluth endlichen gutermaßen gedämpfet, so hat man doch Freitags den 30. Aprilis nicht allein den ganzen Tag über, sondern auch die folgende Nacht durch zu gänzlicher Tilgung des Feuers mit stetigen Wasser-Zutragen und Gießen unnachläßlich continuiren, darneben aber zugleich, weil aus dem Seitenthurm viel Feuer und Brände durch den offenen Gang, da die Glockenstränge hinuntergehangen, zu unterst in die Kirche hinabgefallen, daselbst zu Abwendung fernerer Gefahr ebenermaßen nöthige Gegenwehre thun müssen, wie denn von dem vielfältigen Gießen die Kirche inwendig fast über und über mit Wasser überschwemmet gestanden. Bei währenden Brande nun seind nicht allein die zwo Seigerschellen
[39]benebenst der Sturmglocke und vier metallenen Feldschlangen gänzlich in Stücken zerschmolzen (wie denn das zerschmolzene Metall, so zum Theil durch den hohlen Thurm in die Kirche hinunter gefallen, bis an die Sakristei hinan umb sich gesprützet und die Stücken darvon hernach daselbst herumb aufgelesen worden), ingleichen das Uhrwerk ganz verdorben und zu nichte worden, sondern auch die zwo großen Glocken, so im Seitenthurm gehangen und die Freibergischen genennet gewesen, von ihren Gestühlen abgefallen, jedoch vermittelst des verfallenen Holzwerks und Schuttes annoch auf den Mauern oder Absätzen sitzen blieben, sonsten [40] sie durch den inwendig ganz offnen Thurm einen freien Fall bis zu unterst in die Kirche hinab gehabt hätten und ohne Zweifel großen Schaden causiren können. Nichtsdestoweniger seind gedachte beide Glocken von der Hitze ganz zersprungen und zum Gebrauch untüchtig worden, dahero nothwendig vollend zerschlagen und umbgegossen werden müssen; wiewohl etliche die Ursache des Zersprengens daher ziehen wollen, daß solches durch das continuirliche Wassersprützen, so von dem Kirchboden durch das Fenster des Thurms auf die erhitzte Glocken geschehen, wäre causiret worden. Die größte Glocke, so in dem mittlern Thurm gehangen, ist mit großer Mühe noch errettet worden, daß sie an sich selbsten unversehret blieben, jedoch ist der Stuhl auf der einen Seiten etwas angegriffen und beschädiget gewesen, wiewohl es kein hauptsächlicher Schade, sondern mit wenig Mühe und Kosten gar leicht hätte repariret werden können.
Sonnabends den 1. Mai, nachdem der Brand nunmehro völlig gedämpfet, seind in den ausgebrannten Thurm neue Gerüste und Böden geleget, die Brände aus dem Wege geräumet, das Mauerwerk, so von der Hitze inwendig ganz zersprungen und zermalmet, vor dessen gefährlichen Einfall mit Stützen verwahret, die größte Glocke mit einer Haube von Bretern, damit von herabfallenden Steinen oder sonst deroselben kein Schade geschehe, bedecket, die andere große Glocke aber nächst dieser, daß selbige bei Wegräumung des Schuttes nicht weiter sinken oder fallen könne, mit einem starken Seile fest gemachet und sonst allenthalben nöthige Vorsorge gethan, ingleichen das abgefallene Kupfer wie auch das losgebrannte Eisenwerk in den Marstall geschaffet und mit Wegräumung des Schuttes angefangen worden, selbigen Tages auch von abfallenden Steinen und sonsten zween Arbeiter ziemblich beschädigt worden.
Den 2., 3., 4., 5., 6. und 7. ejusdem ist gleichergestalt mit Abräumung des Schuttes, wie auch mit Aufziehung und Anschaffung allerhand Zimmer und Breter zu nöthigen Gerüsten fleißig continuiret worden, damit zu Abtragung des ausgebrannten Gemäuers man desto schleuniger gelangen könne, ehe etwa dasselbe vermittelst einen starken Windes oder sonsten von sich selbst einfallen und großen Schaden verursachen möchte.
Den 8. dito, Sonnabends vor Cantate, ist an eine Glocke, so über der großen Treppe im Seitenthurm zur rechten Hand befindlich, insgemein die Bierglocke genannt, ein Seigerhammer applicirt und nachmittage umb 4 Uhr zum ersten Mal gezogen und so fort, bis die neuen Seigerschellen wieder zum Stande kommen, darmit verfahren worden. Weil auch bei Löschung des Feuers vom aufgetragenen Wasser auf der großen steinern Treppe und sonst ein groß Gefletzsche erreget worden, welches das Kirchengewölbe zum Theil mit betroffen und bei der Wand etwas durchgeschlagen, dahero man Sorge getragen, ob möchte von solchen Durchweichen sich etwas ablösen, in die Kirche herunterfallen und jemanden beschädigen, so ist bald anfangs den 1. Mai unten in der Kirchen hintern Rathstuhl querüber, sowohl auch oben auf der steinern Emporkirche selbiger Gegend ein Unterscheid oder Abschnitt von Bretern gemacht worden, daß bei Verrichtung des Gottesdienstes die Leute solcher Orten sich eine Zeit lang enthalten müssen, wie denn auch die große Kirchthüre solche Zeit über etliche Wochen lang gesperret und zugehalten worden....
Am 12. dito ist das Kupfer des obersten Thurms, so auf dem Gemäuer sitzen blieben, auch vollend abgenommen und weggeschaffet worden, welches nebenst dem übrigen, so heruntergefallen, zusammen gewogen 62 Ctr. 731/4 Pfd. Folgende Tage ist nicht allein mit Zuricht- und Verfertigung derer Gerüste aufn Thurm noch immerzu fortgefahren, sondern auch zugleich unten bei der großen Kirchthür eine Bretwand umb den Schutthaufen herumb aufgeschlagen und darinnen die Branderde oder Schutt ausgesiebet, die gröbesten Stücken des zerschmolzenen Metalls herausgeklaubet, die übrige kleine ausgesiebete Erde aber in einer über der Katzbach darzu aufgerichteten Bretbude oder Hütte durch einen von St. Marienberg anhero beschriebenen Bergmann Namens George Kühn ausgewaschen und also das noch darunter befindliche Metall abgesondert und gereiniget, auch darmit vom 5. Junii an bis 17. Sept., da gemelte Hütte wieder abgetragen, in die 16 Wochen lang zugebracht worden, da denn das Metall, so allein aus dem Schutte geklaubet und gesiebet oder gewaschen worden, sich belaufen auf 79 Ctr. 10 Pfd.
Den 26. Mai ist mit Abtragung des Thurmgemäuers der Anfang gemachet und diesen Tag die vier steinern Engel, so uf den vier Ecken des hohen mittlern Thurms gestanden, abgenommen und so fort in die 8 bis 10 Wochen ungefähr darmit continuiret worden. Den 10. Junii hor. 10 antemer. ist durch die Stadtpfeifer wiederumb zum ersten Mal vom Kreuzthurm gewöhnlichermaßen abgeblasen worden, welches sonst bishero eingestellet verblieben. Im Monat Julio an unterschiedlichen Tagen seind die zwo zersprungene groß Glocken, so im abgebrannten Seitenthurm hiebevor gehangen, oben im Thurm vollend zerschlagen und stückweise heruntergeschaffet worden und hat außer denen Klöppeln die größere am Gewicht gehalten 69 Ctr. 72 Pfd., die andere und kleinere aber 38 Ctr. 103 Pfd.
Montags den 16. Augusti und folgende Tage dieser Wochen ist das Sparrwerk des Ziegeldachs über den mittlern und Seitenthurm gehoben, auch über den mittlern ein rundes Interimsthürmlein zu denen [41] Seigerschellen aufgerichtet worden, welches, Gott Lob, glücklich und ohne Schaden abgegangen. Den 20. Sept. ist die große neue Seigerschelle von 84 Ctr. 50 Pfd. und den 21. ejusd. die kleine von 16 Ctr. 96 Pfd. allhier im Zeughause gegossen worden, worbei etwas Unrath mit zugeschlagen, daß die größere an einem Öhr nicht allerdings vollkommen worden.... Den 28. Sept. und folgende Tage ist auch die größte Glocke, ungeachtet derselben, wie oben gedacht, vom Brande kein Schade widerfahren, auf churfürstl. Durchl. gnädigste Specialverordnung in Meinung, daß das ganze neue Geläute in eine bessere und richtige Harmonie desto füglicher zu bringen, gleichergestalt wie die vorigen zum Umbgießen mit einer eisernen Rammel von 8 Centnern schwer, so mit einem Seil in die Höhe gezogen wurde, in Stücken zerschlagen worden und hat selbige am Gewichte sich hernach befunden 188 Ctr. 141/2 Pfd.....“
Ueber den Guß der neuen Glocken und Seigerschellen wurde nun mit dem kurf. Stückgießer Andreas Herold ein Vertrag abgeschlossen. Am 14. Oktober erfolgte das Aufziehen der Seigerschellen in das neue Interimsthürmchen und am 12. November ihre Ingangsetzung.
„Nachdem nun der bishero eingetretene Winter durch Gottes Hülfe überstanden und hingegen die anmuthige und zum Bauen bequemste Frühlingszeit sich wiederumb angefangen.... so ist zuvörderst Anno 1671 den 9. Aprilis die gemeine Vorbitte vor die Arbeiter auf der Kanzel zum ersten Mal aufs neue reiteriret und solche hernach die ganze Zeit über in dieser Kirche bei allen Sonntags- und Wochenpredigten, wie vormals auch geschehen, wiederholet, die erste Hand aber an das Gemäuer des abgebrannten Seitenthurms geleget und solches bis auf den Umbgang und desselben Fußboden gleich abgetragen, auch bis zu Ausgang des Mai darmit zugebracht worden. Dieweil nun die vom Brande entstandene Risse im Gemäuer zum Theil sich noch weiter unter den Umbgang hinunter erstrecket, so seind zu desto besserer Versicherung und mehrer Befestigung gleich neben dem Fußboden des Umbgangs auf allen vier Seiten des Seitenthurms umb und umb große starke eiserne viereckigte Stangen mitten in die Mauer geleget und in die Werkstücken eingeschürfet, an den vier Ecken aber, wie auch im Mittel der Mittags- und Mitternachtseiten mit eisernen Keilen und Ankern in einander gefüget und mit Blei vergossen worden, damit sich ja nichts etwan ablösen oder von einander geben könne, sondern alles desto dichter und fester zusammenhalten müsse. Die Stangen nun, so in vorerwähnten Herrn Vestungs-Obristens, des von Liebenau, Eisenhammer zu Pirna zugerichtet worden, seind uf jeder Seite drei Zoll breit und stark gewesen und haben dem Bericht nach 19 Ctr. gewogen....“
Es folgte nun die Aufmauerung des Seitenthurms und sodann die des mittlern Thurms bis zum Sims des obersten Umgangs. Die Aufsetzung der der neuen hölzernen Haube und Spitze des Seitenthurms bildete den Schluß der diesjährigen Arbeiten, dessen Belegung mit dem Kupferdach blieb für das folgende Jahr aufgespart.
„Nichtsdestoweniger seind gleichwohl die zwo neuen Statuen oder Bilder des Satans anstatt derer vorigen, welche theils vom Brande, theils aber bei Abbrechung des Gemäuers sehr beschädiget, in eben der gleichen Form und Größe aus einem ganz neuen Stein gehauen mittler Zeit ebenmäßig gefertigt und den 23. Okt. wieder aufgerichtet worden, bei welchen obiter zu merken, daß dieselben, exclusive derer Postamenten, in rechter Lebens- oder Mannesgröße, an Gestalt aber unterschieden, indem der vörderste, so den Beelzebub repräsentiret, mit einem langen Rock bis auf die Fußkrallen bedecket, in der rechten Handkralle einen Stein haltend, dem gegenüberstehenden Herrn Christo darbietet, von Angesicht einem Einsiedler mit einem großen krausen Barte ganz ähnlich, mit großen, weit ausgespreiteten Hörnern, so nebenst denen Flügeln von Kupfer gemacht, übern Kopf mit einer jüdischen Schlappe bedecket, deren vörderster Zipfel mit einer Quaste vorn überhenget, der hinterste Zipfel aber über den Rücken hinunter bis auf die Füße in eine gräuliche Schlange sich verwandelt. Das hinterste satanische Bild aber, so gleichsam des vördersten Diener bedeuten soll, ist mit etwas kleinern dergleichen Flügeln und Hörnern, auch wie dessen Consort mit gleichmäßigen Rock, so in der Mitten umb die Lenden mit einem abgebildeten Strick zusammengezogen, bekleidet, am Kopfe aber blos mit spitzigen satyrischen Bocksohren und einer krummen Habichtsnase, hat die abgezogene Schlappe wie eine Bergkappe hinten abhangend, in der linken Handkralle ein Gebund Feuerstrahlen haltende, und grausamblich anzusehen.
Anno 1672 Montags nach Misericordias domini den 22. Aprilis ist mit Continuation des Thurmbaues wieder aufs neue der Anfang gemachet... und hat solche Arbeit meistentheils bestanden in der inwendigen Ausfütterung des mittlern hohen Thurms von dem großen Glockengemach an bis an den Sims, worauf der öberste Umbgang hiebevor und jetzo noch stehet; welches dann ein kostbarer und langwieriger Bau gewesen. Bei solcher inwendigen Ausfütterung nun seind in der Mitten unterschiedene starke eichene Schwellen oder Balken querüber in die Futtermauer mit eingemauert und an beiden Oertern starke eiserne Anker, so durch die auswendige Mauer reichen, angemachet; hiebenebenst auch die steinerne Treppe, so in dem Seitenthurm zur rechten Hand sonsten hiebevor daselbsten weiter hinauf bis an die runden Schießlöcher sich erstrecket gehabt, [42] zugleich verändert, in der Gegend des großen Glockengemachs in den mittlern Thurm hinein gezogen und daselbst neben der Hauptmauer zugleich bis an den obern Umbgang, folgender Zeiten aber bis gar zu Ende des Mauerwerks und bis unter die Haube hinauf geführet und mit solcher Arbeit den 26. Octobris auf dies Jahr beschlossen ...“
1673 wurde das Interims-Ziegeldach und Thürmchen abgetragen und die Aufmauerung des mittleren Thurmes vom obersten Umgange an fortgesetzt. Am 10. Juli schwebte der Thurm aufs neue in Feuersgefahr, indem abends gegen 6 Uhr ein Blitzschlag das zwischen die Fensterrahmen einer Kammer gestopfte Werg entzündete. „Jedoch hat des Wächters Weib, so nebst einem kleinen Knaben sich dazumal drinnen befunden, das angezündete Werg alsobald mit Wasser ausgegossen und ist ihnen, außer dem großen Erschrecknüß, sonst kein Leid widerfahren. Ferner ist merkwürdig, daß bei damaligen schweren Gewitter eben selbigen Tages und Stunde es ebenmäßig zu Freiberg in den Glockenthurm der Domkirchen daselbst, wiewohl ohne sonderbaren Schaden, gleichfalls eingeschlagen, welches alles man insgemein vor keine gute Bedeutung halten wollen. Deus omen avertat!
Nachdem nun das ganze neue Mauerwerk vom Fußboden des obersten Ganges an bis unter die Haube, inclusive des dreifachen Gerüstes, so auswendig umb und umb geführet werden müssen und eine ziembliche Zeit erfordert hat, binnen zehn Wochen verfertiget und in die zwölf Ellen hoch und also umb drei Ellen höher, als er zuvorhin gewesen, aufgeführet, ist den 9. Aug. solches zu Ende und völliger Perfektion gebracht .... Obiter ist hierbei mit zu gedenken, daß bei völliger Aufführung des Mauerwerks am hohen mittlern Thurm observiret, daß die Fläche des öbersten Simses, worauf die Haube gesetzet, nach dem Augenmaß der Bleiwage in der geraden Linie ganz gleicher Höhe gewesen mit dem Knopfe des großen damals noch stehenden alten Schloßthurms, so aber nach der Zeit eine andere Gestalt überkommen.
Nachdem nun diesen verwichenen Sommer über die neuen Glocken nach und nach umbgegossen, auch endlich verfertiget, und also das völlige Geläute bishero eine gute Zeit im Gießhause zur Probe aufgehenket gewesen, mittler Zeit auch das Mauerwerk am Thurmbau zu Ende gebracht, so ist man nunmehro zuvörderst darauf bedacht gewesen, die neuen Glocken auch ehistes vollend an ihre gehörige Stellen zu befördern .... Wiewohl nun die sämbtliche Glocken und Seigerschellen auf den Thurm hinauf zu schaffen viel Mühe und Arbeit gekostet, so hat doch insonderheit wegen der größten Glocke es absonderliche große Mühewaltung erfordert, inmaßen dann selbig anfänglich den 7. Okt. aus dem Gießhause in den großen Hof beim Salzhause gelegen gebracht, folgendes Tages aber den 8. ejusd. bis an den Pulverthurm und der 9. dito von dannen neben dem Frauenkirchhof übern Neumarkt durch die große Frauen- und Niklas- oder Schössergasse übern Alten Markt bis vor die Kreuzkirche geschaffet worden und und zwar auf nachfolgende Art und Weise: Es ist dieselbe auf zwei starken langen Pfosten, gleichsam wie auf einer langen Schleife stehend, welche vorn aufwärts wie eine Schlittenkuffe zugespitzt, gesetzet, darnach längst hin aufn Pflaster wieder zwei Pfosten neben einander wie eine Brücke geleget, über dieselben aber querüber etliche Walzen geleget, dann umb die Glocke mitten herumb ein groß Seil geschlagen, folgends in einer langen Strecke hin, soweit sichs nach der geraden Linie der Gassen leiden wollen, ein Pfahl mit einem Kloben in die Erde eingeschlagen, dann etwas weiter hinaus wiederumb ein gerader Baum aufgerichts in die Erde feste gemacht und oben an der Spitze des Baums zwei Seile zum Widerhalt angebunden und in die Erde angepflöcket, unten aber an dem aufgerichteten Baum ein darzu gemachtes Rad mit einer langen und weiten Achse, an welcher das Klobenseil angemacht, mit einem Querbaum von sechs starken Mannspersonen umbgedrehet und das Klobenseil aufgewunden, auch durch dieses Mittel die Glocke immer sachte und sachte uf den Walzen so lange, bis sie fast den Pflock des Klobens erreichet, fortgezogen worden, da man denn immer von einer geraden Strecke bis zur andern fortbauen müssen, unterweges aber die Beiarbeiter mit Hebebäumen hinten und vorn, auch mit Fortbrückung und Einrichtung der Walzen und sonsten allenthalben das ihrige auch darbei gethan. Und ist hierbei kurzweilig zu gedenken, als die Glocke nachmittags auf den Markt kommen, daß an das lange Seil, wormit die Glocke fortgezogen worden, so viel kleine Jungen sich angehenget und ganz allein ohne Zuthun der zuvor gebrauchten machinae die Glocke nicht weit vom Rathhause an bis vor die Kreuzkirche gezogen und zwar mit solcher Geschwindigkeit, daß die Arbeiter mit Fortlegung der Pfosten und Walzen kaum zu rechte kommen können ...“ Das Aufziehen der Glocke erfolgte am 14. Oktober nachmittags zwischen 1 und 3 Uhr; dabei wurde eines der Seile „von etlich und dreißig bis vierzig Stück Jungen gezogen, welches Seil zwar, daran die Jungen gezogen, bald im Anfange, als die Glocke kaum der Kirchthüren hoch in die Höhe gebracht, dergestalt daß die Jungen ingesambt mit großen Gelächter des Volks übern Haufen auf die Erde hingefallen, entzwei gerissen, jedoch aber am abgerissenen Ende bald wieder nachgegeben und von neuen zum Zuge fertig gemachet worden, wiewohl es deshalben keine sonderliche Gefahr gehabt, weil die Glocke ohnedeß schon genugsam verwahret und versichert gewesen ....“
[43] „Und nachdem hierauf binnen kurzer Zeit die Glocke auch inwendig vollends in die Höhe weiter hinauf an ihren gehörigen Ort gebracht und nachmals dero Stuhl gleichfalls in vorigen Stand gesetzet worden, daß also das ganze Geläute nunmehro seine Richtigkeit erlanget, inzwischen auch S. Churfürstl. Durchl. wiederumb vier neue Geschütz an der vorigen Stelle dahin gnädigst verschaffen lassen, so ist hierauf Verordnung geschehen, daß den 30. Nov. als am ersten Adventsonntage zum glücklichen Anfange des neuen Kirchenjahres frühe morgens alsbald nach 4 Uhr nebenst Lösung obgemelter vier Geschütz das völlige Geläute zum ersten Mal gezogen .. worden ...“
1674 wurde am 24. April auf den Thurm der Knopf mit dem Kreuz und der Fahne („auf welcher der heilige Geist in Taubengestalt mit ausgebreiteten Flügeln abgebildet und auf dessen Kopfe drei halbelligte Flammen nebeneinander zu alleröberst stehen“), zusammen 71/2 Ellen hoch, aufgesetzt, dann das Kupferdach und das mit „vergülten Blumen gezierte“ eiserne Geländer des Umgangs hergestellt, „ingleichen auf den Ecken des öbersten Gemäuers die vier Erzengel von klaren weißen Stein in Lebensgröße gebildet (wiewohl selbige schon des vorigen Jahres am 6. Okt. von dem Bildhauer Johann Abraham Walthern, einem guten Künstler und hiesigen Bürger, verfertiget und anstatt derer vorigen an diese Stelle geschaffet gewesen, welcher auch die andern obgedachten satanischen Statuen zugerichtet) nunmehro auch vollends binnen solcher Zeit nach und nach vollkömmlich ausgeputzet worden; worbei dann zu notiren, daß auf der vördern Seite nach der rechten Hand gegen dem Markt oder Mitternacht der Engel Gabriel mit einer vergüldeten Lilie an einem grünen Zweige in der rechten Hand, auf der andern vördern Seite aber zur Linken gegen Mittag der Engel Michael mit einem blinkenden vergüldeten Schwert, solches in seiner rechten Hand über die Achsel zum Schlage fertig haltende, ferner auf der hintern Seite zur linken Hand gegen Mittag der Engel Raphael mit einem vergüldeten Wanderstabe in seiner rechten Hand und endlich gegenüber zur rechten Hand nach Mitternacht der Engel Uriel mit einem Räucherfasse an einer vergüldeten Ketten, jedweder auf einem Postament zu stehen kommen.
Ingleichen ist auch binnen solcher Zeit ein ganz neu Uhrwerk an des vorigen Stelle wieder geschaffet, mit einem Gehäuse oder Kämmerlein von Bretern verschlagen und denn vermittelst desselben der Weiser am 21. Sept. angefangen wiederumb gangbar zu werden. Nichts minder sind inzwischen auch inwendig bis auf den öbersten Sims des Gemäuers die Böden zugerichtet und vor künftige Feuersgefahr dergestalt verwahret worden, indem zu unterst starke Zimmerhölzer dicht aneinander gefüget, dann ein halb Ellen dickes Esterich darauf geschlagen und ferner dasselbe oben noch mit großen starken und hierzu sonderlich zugerichteten viereckigten Tafelziegeln beleget worden ...
Wie nun in denen folgenden drei Wochen die annoch übrige und hinterstellige Arbeit an Auspflasterung der Estriche, Verfertigung derer Eingebäude und dergleichen auch vollends verrichtet, also daß der ganze Bau, welchen der damalige Bürgermeister und Brückenamtsverwalter Tit. Herr Paul Zincke vom Anfang bis zu Ende dirigiret und glücklichen vollbracht, vom 29. Aprilis Anno 1669 an, da der Brand geschehen, innerhalb 51/2 Jahren zur völligen Reparatur und endlichen Perfection gelanget, so ist den 29. Nov. am ersten Adventsonntage in der Ambtspredigt ... eine allgemeine Danksagung incidenter abgeleget worden durch den Herrn Superintendenten.
Anno 1675. Damit nun nach überstandenen diesen hochwichtigen und kostbaren Thurmbau, welcher 16 709 Gulden 16 Gr. 11/2 Pf.[3] zu stehen kommen, es im übrigen an einem noch wenigen nicht ermangeln möge, sondern alles in vollkommenen Stand gesetzet werde, so ist im folgenden Sommer dieses Jahres nicht allein an oftbesagten Kreuzthurm unten über der großen Kirchthür das steinerne Sims- und Bildwerk, welches sowohl bei dessen Reparirung als auch sonsten sehr beschädiget gewesen, allerdings wieder ausgebessert und renoviret, sondern auch das ganze Kirchendach umb und umb wieder neu umbgedecket, ingleichen inwendig das Kirchengewölbe und Wände allenthalben von Staub und Spinneweben gesäubert und absonderlich im Chor des hohen Altars auf beiden Seiten die uralten unscheinbaren langen Stühle, so noch von denen päpstischen Chormessen hergerühret, gänzlichen abgeschaffet und an deren Stelle andere neue und mit schönen geschnitzten Bildwerk, auch anmuthigen Farben und Golde gezierten Stühle, welche anstatt derer vorigen zu Beichtstühlen zu gebrauchen viel bequemer angerichtet, angeschaffet und dardurch, wie der Augenschein bezeuget, der inwendige Schmuck und Zierde dieser Kirchen umb ein merklich Großes verbessert worden.
Der grundgütige Gott wolle diese liebe Kirche nebenst ihrem Thurm sich in seinen gnädigen Schutz befohlen sein lassen und dieselbe bei dem Gebrauch des reinen Worts Gottes und der heil. Sacramenten bis an das Ende der Welt in ihrem bisherigen Flor beständig erhalten, auch sambt der ganzen Stadt und Lande vor dergleichen Feuersnoth und allem andern Unfall jederzeit väterlich bewahren, umb unsers einigen hochverdienten Herrn und Heilandes, auch treuen Mittlers und Vorbitters Jesu Christi willen. Amen! Ita vovet
- ↑ Wecks Chronik S. 519 flg. – Mittheilungen des Vereins für Geschichte Dresdens, Heft 4, S. 73 und Heft 5, S. 153.
- ↑ Nach den Akten B. II. 3 Bl. 77 das Haus des Seidenstickers Michael Walckoph, jetzt Kaufmann Reins Haus an der Kreuzkirche Nr. 16. In den Thurmknopf waren 1582 das Konkordienbuch, die Kirchen- und Schulordnung, eine Gedächtnißschrift auf Pergament und eine Blechbüchse mit Gold- und Silbermünzen eingelegt worden. Beim Aufschlagen auf das Dach sprang der Knopf auseinander und fiel auf die Gasse herab in das zum Löschen aufgedämmte Wasser der Kaitzbach. Die beiden Bücher fanden sich darin ganz unversehrt, das Pergament aber zu Asche gebrannt vor, während die Blechbüchse auf dem Boden des Hauses liegen geblieben war.
- ↑ Die ausgelassenen Ziffern ergänzt nach B. II. 3. Bl. 99.