Der Lindwurm am Brunnen
Der Lindwurm am Brunnen.
Mündlich von einem Bauer aus Oberbirbach. |
Zu Frankenstein, einem alten Schlosse anderthalb
Stunden weit von Darmstadt, hausten vor alten Zeiten
drei Brüder zusammen, deren Grabsteine man noch
heutiges Tags in der oberbirbacher Kirche siehet. Der
eine der Brüder hieß Hans und er ist ausgehauen,
wie er auf einem Lindwurm steht. Unten im Dorfe
fließt ein Brunnen, in dem sich sowohl die Leute aus
dem Dorf als aus dem Schloß ihr Wasser holen müssen;
dicht neben den Brunnen hatte sich ein gräßlicher
Lindwurm gelagert, und die Leute konnten nicht anders
Wasser schöpfen, als dadurch, daß sie ihm täglich
ein Schaf oder ein Rindvieh brachten; so lang
der Drache daran fraß, durften die Einwohner zum
Brunnen. Um diesen Unfug aufzuheben, beschloß Ritter
Hans, den Kampf zu wagen; lange stritt er, endlich
gelang es ihm, dem Wurme den Kopf abzuhauen.
[301] Nun wollte er auch den Rumpf des Unthiers, der
noch zappelte, mit der Lanze durchstechen, da kringelte
sich der spitzige Schweif um des Ritters rechtes Bein
und stach ihn gerade in die Kniekehle, die einzige
Stelle, welche der Panzer nicht deckte. Der ganze
Wurm war giftig und Hans von Frankenstein mußte
sein Leben lassen.