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Der Schäfflertanz

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: M. Haushofer
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Titel: Der Schäfflertanz
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 4, S. 76
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[68]

Der Schäfflertanz zu München im 16. Jahrhundert.
Nach einer Aquarellskizze von H. Heim.

[76] Der Schäfflertanz.[1] (Mit Illustration S. 68 und 69.) In einer Stadt, deren blühendste Industrie die Kunst der Bierbrauerei ist, muß begreiflicherweise das Gewerbe der Schäffler (Böttcher) eine hochwichtige Rolle spielen. Sind sie es doch, deren kunstfertige Hände aus harten Eichenbohlen die Fässer bauen, deren hohler Bauch das edle Naß zu bergen bestimmt ist. Die gute Stadt München hat denn auch von altersher ein berühmtes und wohlhabendes Schäfflergewerbe in ihren Mauern. So wichtig war dieses Gewerbe, daß heute noch eine eigene Schäfflerstraße besteht. Sie ist freilich längst nicht mehr die bevorzugte Heimathstätte der Schäffler, denn das Gewerbe, welches zum Lagern der Faßhölzer und wegen der Feuergefährlichkeit der Arbeit größerer Hofräume bedarf, hat sich mehr nach dem äußeren Umkreise der Stadt gezogen, und insbesondere haben die großen Brauereien alle ihre eigenen Schäfflerwerkstätten.

Ein gewisser Zug der Fröhlichkeit, ja des Uebermuthes muß den Schäfflern von jeher innegewohnt haben. Nach dem alten biblischen Worte, daß man dem Ochsen, der da drischet, das Maul nicht verbinden solle, konnte man es dem Schäffler nicht verargen, wenn er, der so fleißig Fässer baute, auch von ihrem Inhalt gerne trank und dadurch in frohe Stimmung gerieth. So muß es wohl stets gewesen sein, und dieser Frohmuth der Schäffler zeigte sich auch zu München im Jahre 1517. Damals hatte eine schwere Pest in der Stadt gewüthet; das Volk war durch den Tod, der in abschreckender Gestalt erbarmungslos durch die Häuser gegangen war, kleinmüthig und scheu geworden; Niemand wagte sich mehr vor die Thür, Handel und Gewerbe lagen danieder. Da suchte die Schäfflerzunft einen alten fröhlichen Handwerksbrauch wieder hervor, um durch ihn die geängstigten und freudlos gewordenen Münchener aus den Häusern zu locken und zutraulich zu stimmen. Aus ihrer Herberge zogen sie durch die Stadt, einen Wagen mit einem Fäßlein mit sich führend, Pfeifer und Trommler voraus, grün umwundene, mit bunten Bändern geschmückte Reifen tragend. Und nach dem Klange ihrer Musik führten sie einen Tanz auf, wobei sie aus den grünen Reifen kunstreich Gänge und Lauben schufen, um unter denselben durchzuschlüpfen. Während sie mit den Reifen einen Kreis um das Faß bildeten, stellte sich Einer aus ihnen auf das Faß, hing einen geschlossenen Faßreifen an den Finger, stellte ein Glas Wein in denselben und schwang ihn, ohne einen Tropfen zu verschütten, über den Kopf und unter den Beinen durch. Die übermüthigsten der Gesellen aber trieben sich als Spaßmacher umher, um durch ihre Späße die Zuschauer zu erheitern.

Was die frohen Gesellen planten, gelang ihnen. Aus den langverschlossenen Häusern lugten die Leute erst neugierig hervor, dann wagten sie sich auf die Straße, und zuletzt drängte sich Alt und Jung in wiedererwachter Lebensfreude um den lustigen Tanz. Seit jener Zeit schlief der Brauch nicht mehr ein. Es ward üblich, ihn alle sieben Jahre zu erneuern: bestimmte Formen bildeten sich für ihn aus.

Auch heuer wogte, wie vor sieben Jahren, am Tage der heiligen drei Könige der Schäfflertanz wieder durch die Straßen von München. Vor den Palästen der Prinzen wurde zuerst getanzt; dann folgten die höchsten Würdenträger des Staates und die angesehensten Bürger der Stadt. Nach jedem Tanze wurde das Hoch Derjenigen ausgebracht, denen die Huldigung galt. Die Tracht der tanzenden Schäffler ist die alte geblieben: rothe Jacken, kurze schwarze Sammtbeinkleider mit weißen Strümpfen und Schnallenschuhen, grüne Käppchen von charakteristischer Form mit Federschmuck. Die Tänzer sind durchgehends junge flotte Gesellen mit kecken Schnurrbärten, lachenden Augen und flinken Beinen und wie vor 370 Jahren durch die engen winkeligen Gassen Alt-Münchens, so scholl es auch diesmal wieder von Mund zu Mund, wenn der bunte Zug herannahte: „Die Schäffler kommen! Die Schäffler kommenn!“ M. Haushofer.