Der Wassermann (Brüder Grimm)
- Prätorius Weltbeschr. I. 480–482. aus mündlicher Sage.
Gegen das Jahr 1630. erzählte in der Pfarrei zu Breulieb, eine halbe Meile von Saalfeld, in Gegenwart des Priesters eine alte Wehmutter folgendes, was ihrer Mutter, ebenfals Kinderfrau daselbst, begegnet sey.
Diese letzte wurde einer Nacht gerufen, schnell sich anzuziehen und zu kreissenden Frauen mitzukommen. Es war finster, doch machte sie sich auf und fand unten einen Mann warten, zu dem sagte sie: er möchte nur verziehen, bis sie sich eine Leuchte genommen, dann wollte sie nachfolgen; er aber drang auf Eile, [62] den Weg würde er schon ohne Licht zeigen und sie sollten nicht irren. Ja er verband ihr noch dazu die Augen, daß die Frau erschrak und schreien wollte, allein der Mann sprach ihr Trost ein: Leid werde ihr gar nicht widerfahren, sondern sie könne furchtlos mitgehen. Also gingen sie miteinander; die Frau merkte darauf, daß er mit einer Ruthe ins Wasser schlug, und sie immer tiefer hinunter gingen, bis sie in eine Stube kamen. In der Stube war niemand als die Schwangere. Der Gefährte that ihr nunmehr das Band von den Augen, führte sie vors Bett und ging, nachdem er sie seiner Frauen anbefohlen, selber hinaus. Hierauf half sie das Kindlein zur Welt befördern, brachte die Kindbetterin zu Bett, badete das Kindlein und verrichtete alle nothwendige Sachen dabei. Aus heimlicher Dankbarkeit warnungsweise hob die Wöchnerin an zur Wehemutter zu sprechen: „ich bin sowohl als ihr ein Christenmensch und entführt worden von einem Wassermann, der mich ausgetauscht hat. Wenn ich nun ein Kind zur Welt bringe, frißt er mirs allemal den dritten Tag; kommet nur am dritten Tag zu eurem Teich, da werdet ihr Wasser in Blut verwandelt sehen. Wenn mein Mann jetzt hereinkommt und euch Geld bietet, so nehmet ja nicht mehr Geld von ihm, als ihr sonst zu kriegen pflegt, sonst dreht er euch den Hals um, nehmt euch ja in Acht.“ Indem kam der Mann, zornig und bös aussehend, hinein, sah um sich und befand, daß alles hübsch aufgelaufen, lobete darum die Wehemutter. Hernach [63] warf er einen großen Haufen Geld auf den Tisch, mit den Worten: „davon nehmt euch, so viel ihr wollt.“ Sie aber, gescheidt, antwortete etlichemal: „ich gehre von euch nichts mehr, denn von andern, welches dann ein geringes Geld gewesen, und gebt ihr mir das, hab ich gnug dran; oder ist euch auch das zu viel, verlange ich gar nichts, außer daß ihr mich nach Haus bringet.“ Er hub an: „das hieß dich Gott sprechen.“ Zahlte ihr so viel Geld und geleitete sie richtig nach Haus. An den Teich zu gehen wagte sich aber den bestimmten Tag die Wehefrau nicht, aus Furcht.