Die Abbassiden − 5. Gesang
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Fünfter Gesang.
Außerhalb der Stadt und längs der schönen
Gärten Bagdads, trabten jene Beiden,
Prinz Amin und ihm zur Seite Mesrur.
Endlich nahm das Wort der Sohn des Harun:
Meines Vaters, wie so schnell Alasnam
Sich zum Weib die Abbassidentochter,
Meine Schwester sich zum Weib erworben?
Ihm versetzte drauf der greise Mesrur:
Und Geschenke bringend, kam von Cairo
Prinz Alasnam. Galt’s ein Roß zu tummeln,
Galt’s ein Lied zu dichten für die Laute,
Galt’s des Gliederbau’s harmonische Fülle
Kam dem Fremdling Keiner gleich, er glänzte
Wie ein thauiger Morgenstern der Jugend.
Eines Abends, als der Fürst des Glaubens,
Um die Schwermut über seiner Söhne
Mit dem Großwesir verkleidet schweifte,
Ließen ermüdet unter eines Hauses
Hohem Altan, der von Palmen reichlich
Ueberschattet war, sich Beide nieder.
Zweier Männerstimmen leis Gespräch sie.
Einer sagte: Höre mich, Alasnam,
Meinem Rat gehorche, fleuch von Bagdad!
Im Gewühl der sittenlosen Haubtstadt
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Immer trübt sich dein metallener Spiegel,
Welcher nie ein weiblich Bild zurückwarf.
Unvernehmlich blieb des Prinzen Antwort,
Welcher seufzend bald verließ den Altan;
Diese ganze Nacht hindurch gepeinigt.
Als zu grau’n begann der nächste Morgen,
Läßt entbieten er in’s Serai den Prinzen,
Offenbart ihm, was des Nachts erlauscht er,
Jener rätselhaften Worte wegen.
Voll Bestürzung sah der Prinz zur Erde,
Dann sich fassend, fing er an: Beherrscher
Aller Gläubigen, aller Völker Sultan!
Mein Erzeuger, mir im alten Cairo:
Unter diesen einen Zauberspiegel,
Dessen wunderbar’n Gebrauch er sterbend
Lehrte mich, wofern ich eine Gattin
Nur die Unschuld kann in jenem Spiegel
Schau’n sich selbst; nur einer reinen Jungfrau,
Deren Inneres nie geheimer Vorwitz
Nach verbotener Lüsternheit bewegte,
Aus der Fläche meines goldenen Spiegels:
Jede trübere Seele trübt sogleich ihn,
Und er zeigt ihr, statt bestimmter Formen,
Bloß gestaltlos einen feuchten Anhauch.
Jungen Schönheit, sei es hier in Bagdad,
Sei’s in Cairo, hielt ich vor den Spiegel:
Jedem Eindruck unempfänglich aber
Blieb verschleiert sein geschliffnes Eirund.
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Blieb versunken dein erlauchter Vater,
Endlich sprach er dieses Wort: Alasnam,
Sohn Abdalla’s, der geherrscht in Cairo!
Willst du mir auf weniger Tage Frist nur
Diesen knieend überreicht Alasnam
Deinem Vater. Der entließ den Prinzen,
Und zum Fraungemache, halb mit schnellen,
Halb mit bangen Schritten, eilte Harun,
Auf dem Lager noch in süßem Schlummer.
Leis’ und nicht aus ihrem Schlaf sie weckend,
Hält den Spiegel er ihr mit Zuversicht zwar
Vor’s Gesicht; doch bebten seine Hände.
Stirne, Wang’ und Mund und alle Züge
Jenes seelenvollen Angesichtes,
Das du kennst, zurück in höchster Klarheit.
Thränen stürzten aus den Augen Haruns;
Schlich er fort, und väterliche Rührung
Schien im Kampf mit seiner Vaterfreude.
Wenige Tage drauf entbot den Prinzen
Abermals zu sich der Fürst des Glaubens.
Sohn Abdalla’s, der geherrscht in Cairo!
Eine jahrelang erprobte Freundschaft
Knüpfte mich an deinen Vater, der mir
Nicht Vasall war, wie so Viele, der mir
Der die Schlüssel meines Herzens führte.
Untergebne schmeicheln unserm Ehrgeiz,
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Unserer Sinnlichkeit geliebte Weiber;
Doch der schönste Ruheplatz der Seele,
Aber nicht bloß deines Vaters wegen
Schenkt’ ich meine Gnade dir, Alasnam;
Nein − um deiner selbst, von deines Körpers
Ebenmaß, von deiner Sitten Zauber,
Doch es stellt dich höher noch die Sehnsucht,
Nur das seelenreinste Weib als Gattin
Heimzuführen. Deinen Wunsch gewähr’ ich;
Denn ich kann’s. Ich habe deinen Spiegel
Meines großen Reiches größtes Kleinod;
Doch ich schenk’ es dir, o Sohn Abdalla’s!
Dieses redete dein erlauchter Vater.
Was geschehn, errätst du; nur Alasnam
Als ein solch Geschenk verdient von einem
Solchen Geber. So der greise Mesrur.
Aber kaum beschloß er seine Rede,
Als Amin gen Himmel blickt und plötzlich
Schweben sieht, und allzudeutlich glaubt er
Wahrzunehmen seine Heliodora,
Sammt dem Zauberer, der das Pferd gebildet.
Pfeilgeschwind und kaum dem greisen Mesrur
Berg und Thalschlucht, über Feld und Haide
Hinter jenem Meteor von dannen.
Nur zu bald verschwand der flüchtige Rappe
Seinem Blick; doch eher nicht beschließt er
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Spur gefunden und die Spur des Räubers,
Sollt’ er jagen bis zum fernsten Indien.
Schreckensbleich und diese Flucht für Wahnsinn
Haltend, bleibt zurück der greise Mesrur,
Seinem Herrn verhehlen oder melden.
Bald im Zug erschien der edle Harun
Als Kalif mit allen Würdezeichen,
Ihm zunächst sein Großwesir, es ritten
Staunend hört er aus dem Mund des Dieners
Seines Sohns Geschick und schwebet unstät
Zwischen Furcht und Hoffnung. Soll er freu’n sich,
Daß Amin sich eingefunden, soll er,
Aber Mesrur tröstet ihn und läßt ihn
Stund’ um Stunde, Tag um Tag den theuren
Sohn erwarten; doch er harrt vergebens.
Als der zehnte Tag herangekommen,
Ihm der Fischer, die der Fürst des Glaubens
Oeffnet, liest, und diese Worte findet:
Harun Alraschid, Kalif in Bagdad!
Einer, den in ungerechter Haft du
Wie den Stolz ich deines Sohns bestrafte,
Mag er selbst verkünden; meine Rache
Gegen dich war Schweigen erst, und jetzo
Seien’s Worte. Als es dich zu warnen
Jetzt, da fruchtlos wurde jede Warnung.
Wisse, daß ich einst im Land Egypten
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Deinen Eidam wohlgekannt, an seinem
Hof als Gastfreund manchen Tag verlebte.
Wem du deine Tochter gabst, vernimm es!
Manches Kleinod hinterließ Abdalla,
Sein Erzeuger, ihm in der Todesstunde:
Sohn Alasnam, sprach der Greis, ich gebe
Dir zum Trost und Andern; doch bezähme
Deines flüchtigen Sinns Verschwenderlaune!
Aber sollte dir ein böser Zufall
Mangel je bereiten, höre, wie du
Wo der siebenarmige Nil sich mündet,
Tritt ein Eiland aus dem Schooß der Welle,
Das dem Volke heißt die Geisterinsel.
Dort, in einer Höhle haust ein Derwisch,
Wissenschaft, in jeder Kunst erfahren,
Den ich ehmals meinen Lehrer nannte.
Diesen suche, diesem Greis vertraue
Deine Not an und erwarte Hülfe.
Doch Alasnam, der sich unbeschränkter
Herrscher sah, ließ seiner Leidenschaften
Zügel schießen, jedem Pomp und Aufwand
Zugethan. Palläste ließ er thürmen,
Wo er ging, umgab ein namenloses
Heer von Dienern ihn, Eunuchen ritten
Auf arabischen Rossen, schöne Weiber
Zogen hinter ihm in Purpursänften.
Seine Hand den Dürftigen Gold und Silber.
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Gegen Freunde kannt’ er keine Gränzen:
Was dem Einen wohlgefiel, dem Andern
Wünschenswert schien, Alles gab Alasnam!
Sein Serai besuchend, wog er ihnen
Jedes Wort mit Perlen auf, und jeden
Weichen Flötenton mit Edelsteinen:
So versiechte bald der Schatz Abdalla’s.
Zog der Prinz, nach jenem alten Derwisch,
Nach der stillen Geisterinsel fragend.
Mild empfing der edle Greis den Jüngling.
Dieser klagt ihm sein Geschick, der Derwisch,
Sohn Abdalla’s, der geherrscht in Cairo!
Nicht ich selbst besitze Gold und Güter:
Alles, was ich widmen kann den Erben,
Ist ein Krug, ein Alcoran und diese
Lebt’ ich ehmals; aber mein Gedanke
Wuchs in mir von Jahr zu Jahr, bis endlich
Dieser Schatz mir ganz allein genügte.
Aber dennoch hoff’ ich, Prinz Alasnam,
Mit dämonischen Wesen eng verknüpft mich,
Welche tief im Erdengrund des Reichthums
Wächter sind. Du siehst die Pyramide,
Welche dort sich aus dem Sand emporhebt:
Schlund hinabzusteigen, der des hohen
Geisterköniges unterirdischer Sitz ist.
Ihn erblickt kein sterblich Auge, seine
Stimme tönt jedoch dem weisen Forscher.
Das du führtest, blieb mir kein Geheimniß.
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Dein Besuch, noch ehe du mein gedachtest,
Schwebte mir im Geiste vor, und ehe
Her du kamst, um Hülfe heischend, half ich.
Denn er öffnet jene Pyramide.
Steig hinab, und wenn in einem großen
Saal du anlangst, dessen gläserne Wände
Tausendfach dein eigenes Selbst verdoppeln,
Aus massivem Gold, Juwelenkronen
Auf dem Haubt und diamantene Zepter
Jede haltend. Diese magst du laden
Auf ein Schiff und gegen Cairo führen;
Ueberläßt sie dir der Geisterkönig.
Aber höre, was er mild hinzufügt!
Noch ein siebentes Bild besitzt in seinem
Schatzgewölb’ er, ein unschätzbar Kleinod,
Millionenmale höhern Werts ist,
Als die sechs genannten. Jenes Bildniß
Bietet gern dir an der Geisterkönig;
Doch bedingnißweise nur, du mußt ihm
Eine Jungfrau, welche sechzehn Sommer
Ueberschritten hat, jedoch in höchster
Herzensunschuld keines bösen Triebs sich
Je bewußt war, eine solche mußt du
Meinen Händen überliefern! Nimm hier
Diesen Spiegel! Nur der reinen Jungfrau,
Deren Innres nie geheimer Vorwitz
Nach verbotener Lüsternheit bewegte,
Jede trübere Seele trübt sogleich ihn.
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Draus vermagst du, die du suchst, zu kennen;
Aber willst du, solch ein Weib zu suchen
Dich entschließen, mußt du erst in meine
Nie die Aufgefundene selbst mit weltlich
Frechem Sinn zu berühren, nein − als Opfer
Jene widmend für den Geisterkönig,
Mir hieher sie zu führen, Sohn Abdalla’s!
Leicht errätst du das, o Fürst des Glaubens!
Jene sechs Bildsäulen schleppt Alasnam
Gegen Cairo, nach der siebenten aber
Ward er mehr von Tag zu Tag begierig;
Mangels ihn zu überheben. Seinen
Wunderspiegel fängt er an zu prüfen,
Leistend erst den begehrten Schwur dem Derwisch.
Was geschehn, Kalif, du weißt es besser,
Die du mir versagtest, hast du jenem
Abenteuerer gläubig aufgedrungen.
Wenn du liesest diese Zeilen, ist sie
Heimgefallen schon dem Geisterkönig.
Deinen Schmeichlern, dich das Bild der Weisheit,
Dich den Vater alles Glücks zu nennen!
So des Mohren Brief. Der gute Harun
Steht zerschmettert, todesblaß; Verzweiflung
Stürmisch auf, und jammernd ruft er also:
Harun Alraschid, du bist am Ziele
Deines Lebens, deiner stolzen Laufbahn,
Die so schön begann, so schrecklich endet.
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Mein Amin und neben Assur Assad:
Diese flohn, Amine blieb, und thöricht
Stürzt’ ich auch die Tochter in’s Verderben!
Meine Throne stehen leer, ich steige
Blutigen Purpur! Wem darnach gelüstet,
Nehm’ ein Stück sich hin! Für ewige Tage
Mög’ aus Bagdad fliehn Gesang und Freude!
Brecht entzwei die Flöten, und in Trümmer
Jeder Ton verstumme! Schweigende Nacht nur
Lehre mich, in’s eigene Grab zu blicken!
So der Fürst. Und augenblicklich schickt er
Seinen Großwesir mit einem Heere
Rettung möglich, oder um zu strafen.
Doch Alasnam, der die schönste Beute
Trug von hinnen, fühlte tief im Busen
Größern Schmerz noch, als der Schmerz des Harun,
Durch des Mädchens holden Reiz. In Thränen
Schwamm der ehedem so heitere Jüngling.
Aber hoffend, daß der kluge Derwisch
Ihn und seine Braut beschützen werde,
Knieend fleht den Greis er an, die Holde
Nicht zu weihn dem unterirdischen Dämon,
Gern verzichtend auf das letzte Kleinod.
Ihm versetzte drauf der alte Derwisch:
Morgen wirst du jenes siebente Bildniß
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Tief im Schlund der Pyramide finden.
Uebergieb indeß die Tochter Haruns
Ihrem Schicksal; denn du hast geschworen!