Die Ameisen sind da
[155] „Die Ameisen sind da!“ Dieser Ruf wird bei uns höchstens von dem berechtigten Aerger der Hausfrau begleitet, die einen Ueberfall ihrer Speisekammer durch die ungeladenen Gäste entdeckt hat. Anders ist es in Westafrika, wo die harmlosen Worte im Hause eine förmliche Panik erzeugen. Im Urwalde haust dort die Wanderameise (Ponera), deren Züge, oft nach Millionen zählend, durch das Land streichen. Kleinere Thiere, die in einen solchen Ameisenzug gerathen, sind rettungslos verloren, und selbst der Mensch hütet sich, ihm in den Weg zu treten, da er sonst augenblicklich durch wüthende Bisse von Hunderten der Gestörten gestraft wird.
So zieht, wie Dr. A. Reichenow in seiner Schrift „Die deutsche Kolonie Kamerun“ berichtet, die Schar unaufhaltsam, ruhelos durch das Land, Tod und Verderben bringend, öde Schlachtfelder hinter sich lassend. Auch die Ortschaften der Eingeborenen werden von den Ameisen nicht verschont, und eiligst müssen Menschen und Thiere aus der Hütte fliehen, sobald die ersten dieser kleinen schwarzen Unholde sich sehen lassen. Dr. Reichenow selbst erlebte einen solchen Ueberfall einer Missionsstation. Auf den Ruf eines der schwarzen Diener: „Die Ameisen sind da!“, der mitten in der Nacht sich hören ließ, war Alles sogleich auf den Beinen und suchte zu retten, was an genießbaren Gegenständen zur Hand lag. Der größte Theil der Speisekammer fiel jedoch den Räubern zum Opfer und wurde in wenigen Stunden verzehrt.