Die Bestimmung des Menschen
Die Bestimmung des Menschen.
Als die Königinn der Dinge,
Reich an unerschöpftem Reiz,
Wesen schuf, war nichts ihr zu geringe;
Sie begabete mit mildem Geiz:
War in ihrer Mutterhand.
Und sie paarte, was an Lieblichkeiten,
Wechselnd auch, zusammen je bestand.
Einen Schmuck von tausend Farben
Neuverjünget, wenn die Schwestern starben,
Treten Schwestern auf mit Siegeslust.
In ein Chor von tausend süßen Liedern
Theilte sich ihr mächtger Klang,
Disharmonisch-schön zum Himmel drang.
Stärke, Klugheit, sanfte Triebe,
Schönheit in jedweder Art,
Und in tausend der Gestalten Liebe
Endlich trat sie in sich selbst und senkte
Tief sich in ihr Mutterherz:
„Meinem Liebling, wie wenn ich ihm schenkte
Aller meiner Kinder Lust und Schmerz?“
Ward aus Allem Sympathie.
„Ferne, sprach sie, sei von ihm die Träge!
Seine Lust sei ewigsüße Müh.
Angebohren werd’ ihm nichts; gebohren
Und auch jedes Glück, durch Schuld verlohren,
Werd’ ihm tausendfach durch Reue lieb.
Nur in Andern sei sein Leben;
Wirksamkeit sein schönster Lohn.
Lohnen ihn für seiner Brüder Hohn.
So vereint durch alle Folgezeiten
Strebe seine süße Müh;
Neugestärkt durch Widerwärtigkeiten
Auch im Kleinsten werd’ ums Ganze
Ewig dies Geschlecht verdient;
Nur am Ziel im schönsten Abendglanze
Hängt der Kranz, der für den Menschen grünt.
Weih’ ich ihn der Menschlichkeit,
Und sein Herz, wenn Seufzer auf ihn dringen,
Zum Altare der Barmherzigkeit.“ –
Mutterköniginn! das schwächste Wesen,
Hast du dir im Ganzen auserlesen
Und gesammt durch Lieb’ und Noth vereint.
Deinen Sinn fürs Größere und Größte,
Und dein Mutterherz, Natur,
Weckt uns stets und lebt im Ganzen nur.