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Die Edda (Simrock 1876)/Ältere Edda/Völundarkvidha

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Das Lied von Wölundur
aus: Die Edda (Simrock 1876)
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Zusammenfassung: 1. Lied der Heldensagen in der „Älteren Edda“
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[127]
17. Völundarkvidha.
Das Lied von Wölundur.

Nidudr hieß ein König in Schweden. Er hatte zwei Söhne und eine Tochter; die hieß Bödwild. Es waren drei Brüder, Söhne des Finnenkönigs (?); der eine hieß Slagfidr, der andre Egil, der dritte Wölundur. Die schritten auf dem Eise und jagten das Wild. Sie kamen nach Ulfdalir (Wolfsthal) und bauten sich da Häuser. Da ist ein Waßer, das heißt Ulfsiar (Wolfssee). Früh am Morgen fanden sie am Waßerstrand drei Frauen, die spannen Flachs; bei ihnen lagen ihre Schwanenhemden; es waren Walküren. Zweie von ihnen waren Töchter König Lödwers: Hladgud Swanhwit (Schwanweiß) und Herwör Alhwit (Allweiß); aber die dritte war Älrun, die Tochter Kiars von Walland. Die Brüder führten sie mit sich heim. Egil nahm die Älrun, Slagfidr die Swanhwit und Wölundur die Alhwit. Sie wohnten sieben Winter beisammen: da flogen die Weiber Kampf zu suchen, und kamen nicht wieder. Da schritt Egil aus die Älrun zu suchen und Slagfidr suchte Swanhwit; aber Wölundur saß in Ulfdalir. Er war der kunstreichste Mann, von dem man in alten Sagen weiß. König Nidudr ließ ihn handgreifen so wie hier besungen ist.


1
Durch Myrkwidr flogen   Mädchen von Süden,

Alhwit die junge,   Urlog (Schicksal, Kampf) zu entscheiden.
Sie saßen am Strande   der See und ruhten;
Schönes Linnen spannen   die südlichen Frauen.

2
Ihrer Eine   hegte sich Egiln,

Die liebliche Maid,   am lichten Busen;
Die andre war Swanhwit,   die Schwanfedern trug
(Um Slagfidr   schlang sie die Hände);
Doch die dritte,   deren Schwester,
Umwand Wölundurs   weißen Hals.

[128]
3
So saßen sie   sieben Winter lang;

Den ganzen achten   grämten sie sich
Bis im Neunten   die Noth sie schied:
Die Mädchen verlangte   nach Myrkwidr;
Alhwit die junge   wollt Urlog treiben.

4
Hladgud und Herwör   stammten von Hlödwer;

Verwandt war Älrun, die Tochter Kiars.
Die schritt geschwinde   den Saal entlang,
Stand auf dem Estrich   und erhob die Stimme:
„Sie freun sich nicht,   die aus dem Forste kommen.“

5
Von Waidwerk kamen   die wegmüden Schützen,

Slagfidr und Egil,   fanden öde Säle,
Gingen aus und ein   und sahen sich um.
Da schritt Egil ostwärts   Älrunen nach
Und südwärts Slagfidr   Swanhwit zu finden.

6
Derweil im Wolfsthal   saß Wölundr,

Schlug funkelnd Gold   um festes Gestein
Und band die Ringe   mit Lindenbast.
Also harrt’ er   seines holden
Weibes, wenn sie   ihm wieder käme.

7
Das hörte Nidudr,   der Niaren Drost,[WS 1]

Daß Wölundr einsam   in Wolfsthal säße.
Bei Nacht fuhren Männer   in genagelten Brünnen (Panzern);
Ihre Schilde schienen   wider den geschnittnen Mond.

8
Stiegen vom Sattel   an des Saales Giebelwand,

Gingen dann ein,   den ganzen Saal entlang.
Sahen am Baste   schweben die Ringe,
Siebenhundert zusammen,   die der Mann besaß.

9
Sie banden sie ab   und wieder an den Bast,

Außer einem,   den ließen sie ab.
Da kam vom Waidwerk   der wegmüde Schütze,
Wölundr, den weiten   Weg daher.

[129]
10
Briet am Feuer   der Bärin Fleisch:

Bald flammt’ am Reisig   die trockne Föhre,
Das winddürre Holz,   vor Wölundur.

11
Ruht’ auf der Bärenschur,   die Ringe zählt’ er,

Der Alfengesell:   einen vermisst’ er,
Dachte, den hätte   Hlödwers Tochter:
Alhwit die holde   war heimgekehrt.

12
Saß er so lange   bis er entschlief:

Doch er erwachte   wonneberaubt.
Merkt harte Bande   sich um die Hände,
Fühlt um die Füße   Feßeln gespannt.

13
„Wer sind die Leute,   die in Bande legten

Den freien Mann?   wer feßelte mich?“

14
Da rief Nidudr,   der Niaren Trost:

Wo erwarbst du, Wölundur,   Weiser der Alfen,
Unsere Schätze   in Ulfdalir?


Wölundur.
15
Hier war kein Gold   wie auf Granis Wege,

Fern ist dieß Land   den Felsen des Rheins.
Mehr der Kleinode   mochten wir haben,
Da wir heil daheim   in der Heimat saßen.


König Nidudr gab seiner Tochter Bödwild den Goldring, den er vom Baste gezogen in Wölundurs Haus; aber er selber trug das Schwert, das Wölundur hatte. Da sprach die Königin:


16
Er wird die Zähne blecken   vor Zorn, wenn er das Schwert erkennt

Und unsers Kindes Ring.
Wild glühn die Augen   dem gleissenden Wurm.
So zerschneidet ihm   der Sehnen Kraft
Und laßt ihn sitzen   in Säwarstadr.


So wurde gethan, ihm die Sehnen in den Kniekehlen zerschnitten und er in einen Holm gesetzt, der vor dem Strande lag und Säwarstadr hieß. Da schmiedete er dem König allerhand Kleinode, und Niemand getraute sich, zu ihm zu gehen als der König allein. Wölundur sprach:

[130]
17
„Es scheint Nidudurn   ein Schwert am Gürtel,

Das ich schärfte   so geschickt ich mochte,
Das ich härtete   so hart ich konnte.
Dieß lichte Waffen   entwendet ist mirs:
Säh ichs Wölundurn   zur Schmiede getragen!

18
„Bödwild trägt nun   meiner Getrauten

Rothen Ring:   rächen will ich das!“
Schlaflos saß er   und schlug den Hammer;
Trug schuf er Nidudurn   schnell genug.

19
Liefen zwei Knaben,   lauschten an der Thüre,

Die Söhne Nidudurs,   nach Säwarstadr;
Kamen zur Kiste   den Schlüßel erkundend;
Offen war die üble,   als sie hineinsahn.

20
Viel Kleinode sahn sie,   die Knaben daucht es

Rothes Gold   und glänzend Geschmeid.
„Kommt allein, ihr Zwei,   kommt andern Tags,
So soll euch das Gold   gegeben werden.

21
„Sagt es den Mägden nicht   noch dem Gesinde,

Laßt es Niemand hören,   daß ihr hier gewesen.“
Zeitig riefen   die Zweie sich an,
Bruder den Bruder:   „Komm die Brustringe schaun!“

22
Sie kamen zur Kiste   die Schlüßel erkundend;

Offen war die üble,   da sie hineinsahn.
Um die Köpfe kürzt’ er   die Knaben beide;
Unterm Feßeltrog   barg er die Füße.

23
Aber die Schädel   unter dem Schopfe

Schweift’ er in Silber,   sandte sie Nidudurn.
Aus den Augen macht’ er   Edelsteine,
Sandte sie der falschen   Frauen Nidudurs.

24
Aus den Zähnen   aber der Zweie

Bildet’ er Brustgeschmeid,   sandt’ es Bödwilden
Da begann den Ring   zu rühmen Bödwild;
Sie bracht ihn Wölundurn,   da er zerbrochen war:
„Keinem darf ichs sagen   als dir allein.“

[131]
Wölundur.
25
Ich beßre dir so   den Bruch am Goldring,

Deinen Vater   dünkt er schöner,
Deine Mutter   merklich beßer;
Aber dich selber   noch eben so gut. —

26
Er betrog sie mit Meth,   der schlauere Mann;

In den Seßel sank   und entschlief die Maid.
„Nun hab ich gerochen   Harm und Schäden
Alle bis auf Einen,   den unheilvollen.

27
„Wohl mir,“ sprach Wölundur:   „wär ich auf den Sehnen,

Die mir Nidudurs   Männer nahmen.“
Lachend hob sich   in die Luft Wölundur;
Bödwild wandte   sich weinend vom Holm
Um des Friedels Fahrt sorgend   und des Vaters Zorn.

28
Außen stand Nidudurs   arges Weib,

Ging hinein   den ganzen Saal entlang;
— Auf des Saales Sims   saß er, und ruhte —
„Wachst du, Nidudur,   Niaren-Drost?“ —


Nidudur.
29
Immer wach ich,   wonnelos lieg ich,

Mich gemahnts   an meiner Söhne Tod.
Das Haupt friert mir   von deinen falschen Räthen:
Nun wollt ich wohl   mit Wölundur rechten:

30
Bekenne mir, Wölundur,   König der Alfen,

Was ward aus meinen   wonnigen Söhnen?


Wölundur.
31
Erst sollst du alle   Eide mir leisten,

Bei Schwertes Spitze   und Schiffes Bord,
Bei Schildes Rand   und Rosses Bug,

32
Daß du Wölundurs   Weib nicht tödtest,

Noch meiner Braut   zum Mörder werdest,
Hätt ich ein Weib auch   euch nah verwandt,
Oder hätte hier   im Haus ein Kind. —

[132]
33
„So geh zur Schmiede,   die du mir schufest,

Da liegen die Bälge   mit Blut bespritzt.
Die Häupter schnitt ich   deinen Söhnen ab;
Unterm Feßeltrog   barg ich die Füße.

34
„Aber die Schädel   unter dem Schopfe

Schweift ich in Silber,   schenkte sie Nidudurn.
Aus den Augen macht ich   Edelsteine,
Sandte sie der falschen   Frauen Nidudurs.

35
„Aus den Zähnen   der Zweie dann

Bildet’ ich Brustgeschmeid   und sandt es Bödwilden.
Nun geht Bödwild   mit Kindesbürde,
Euer beider   einzige Tochter.“


Nidudur.
36
Nie sagtest du ein Wort,   das so mich betrübte,

Nie wünscht’ ich dich härter,   Wölundur, zu strafen.
Doch kein Mann ist so rasch,   der vom Ross dich nähme,
So geschickt kein Schütze,   der dich niederschöße
Wie du hoch dich   hebst zu den Wolken.

37
Lachend hob sich   in die Luft Wölundur;

Traurig Nidudur   schaut’ ihm nach:

38
„Steh auf, Thankrad,   meiner Thräle bester,

Bitte Bödwild,   die brauenschöne,
Daß die ringbereifte   mit dem Vater rede.

39
„Ist das wahr, Bödwild,   was man mir sagte:

Saßest du mit Wölundur   zusammen im Holm?“


Bödwild.
40
Wahr ist das, Nidudur,   was man dir sagte:

Ich saß mit Wölundur   zusammen im Holm,
Hätte nie sein sollen!   eine Angststunde lang.
Ich verstand ihm nicht   zu widerstehen,
Ich vermocht ihm nicht   zu widerstehen!


Anmerkungen (Wikisource)

Siehe auch Anmerkungen des Übersetzers zu diesem Lied.

  1. Drost – Landvogt (DWB)