Die Edda (Simrock 1876)/Ältere Edda/Völundarkvidha
Nidudr hieß ein König in Schweden. Er hatte zwei Söhne und eine Tochter; die hieß Bödwild. Es waren drei Brüder, Söhne des Finnenkönigs (?); der eine hieß Slagfidr, der andre Egil, der dritte Wölundur. Die schritten auf dem Eise und jagten das Wild. Sie kamen nach Ulfdalir (Wolfsthal) und bauten sich da Häuser. Da ist ein Waßer, das heißt Ulfsiar (Wolfssee). Früh am Morgen fanden sie am Waßerstrand drei Frauen, die spannen Flachs; bei ihnen lagen ihre Schwanenhemden; es waren Walküren. Zweie von ihnen waren Töchter König Lödwers: Hladgud Swanhwit (Schwanweiß) und Herwör Alhwit (Allweiß); aber die dritte war Älrun, die Tochter Kiars von Walland. Die Brüder führten sie mit sich heim. Egil nahm die Älrun, Slagfidr die Swanhwit und Wölundur die Alhwit. Sie wohnten sieben Winter beisammen: da flogen die Weiber Kampf zu suchen, und kamen nicht wieder. Da schritt Egil aus die Älrun zu suchen und Slagfidr suchte Swanhwit; aber Wölundur saß in Ulfdalir. Er war der kunstreichste Mann, von dem man in alten Sagen weiß. König Nidudr ließ ihn handgreifen so wie hier besungen ist.
Alhwit die junge, Urlog (Schicksal, Kampf) zu entscheiden.
Sie saßen am Strande der See und ruhten;
Schönes Linnen spannen die südlichen Frauen.
Die liebliche Maid, am lichten Busen;
Die andre war Swanhwit, die Schwanfedern trug
(Um Slagfidr schlang sie die Hände);
Doch die dritte, deren Schwester,
Umwand Wölundurs weißen Hals.
Den ganzen achten grämten sie sich
Bis im Neunten die Noth sie schied:
Die Mädchen verlangte nach Myrkwidr;
Alhwit die junge wollt Urlog treiben.
Verwandt war Älrun, die Tochter Kiars.
Die schritt geschwinde den Saal entlang,
Stand auf dem Estrich und erhob die Stimme:
„Sie freun sich nicht, die aus dem Forste kommen.“
Slagfidr und Egil, fanden öde Säle,
Gingen aus und ein und sahen sich um.
Da schritt Egil ostwärts Älrunen nach
Und südwärts Slagfidr Swanhwit zu finden.
Schlug funkelnd Gold um festes Gestein
Und band die Ringe mit Lindenbast.
Also harrt’ er seines holden
Weibes, wenn sie ihm wieder käme.
Daß Wölundr einsam in Wolfsthal säße.
Bei Nacht fuhren Männer in genagelten Brünnen (Panzern);
Ihre Schilde schienen wider den geschnittnen Mond.
Gingen dann ein, den ganzen Saal entlang.
Sahen am Baste schweben die Ringe,
Siebenhundert zusammen, die der Mann besaß.
Außer einem, den ließen sie ab.
Da kam vom Waidwerk der wegmüde Schütze,
Wölundr, den weiten Weg daher.
Bald flammt’ am Reisig die trockne Föhre,
Das winddürre Holz, vor Wölundur.
Der Alfengesell: einen vermisst’ er,
Dachte, den hätte Hlödwers Tochter:
Alhwit die holde war heimgekehrt.
Doch er erwachte wonneberaubt.
Merkt harte Bande sich um die Hände,
Fühlt um die Füße Feßeln gespannt.
Den freien Mann? wer feßelte mich?“
Wo erwarbst du, Wölundur, Weiser der Alfen,
Unsere Schätze in Ulfdalir?
Fern ist dieß Land den Felsen des Rheins.
Mehr der Kleinode mochten wir haben,
Da wir heil daheim in der Heimat saßen.
König Nidudr gab seiner Tochter Bödwild den Goldring, den er vom Baste gezogen in Wölundurs Haus; aber er selber trug das Schwert, das Wölundur hatte. Da sprach die Königin:
Und unsers Kindes Ring.
Wild glühn die Augen dem gleissenden Wurm.
So zerschneidet ihm der Sehnen Kraft
Und laßt ihn sitzen in Säwarstadr.
So wurde gethan, ihm die Sehnen in den Kniekehlen zerschnitten und er in einen Holm gesetzt, der vor dem Strande lag und Säwarstadr hieß. Da schmiedete er dem König allerhand Kleinode, und Niemand getraute sich, zu ihm zu gehen als der König allein. Wölundur sprach:
Das ich schärfte so geschickt ich mochte,
Das ich härtete so hart ich konnte.
Dieß lichte Waffen entwendet ist mirs:
Säh ichs Wölundurn zur Schmiede getragen!
Rothen Ring: rächen will ich das!“
Schlaflos saß er und schlug den Hammer;
Trug schuf er Nidudurn schnell genug.
Die Söhne Nidudurs, nach Säwarstadr;
Kamen zur Kiste den Schlüßel erkundend;
Offen war die üble, als sie hineinsahn.
Rothes Gold und glänzend Geschmeid.
„Kommt allein, ihr Zwei, kommt andern Tags,
So soll euch das Gold gegeben werden.
Laßt es Niemand hören, daß ihr hier gewesen.“
Zeitig riefen die Zweie sich an,
Bruder den Bruder: „Komm die Brustringe schaun!“
Offen war die üble, da sie hineinsahn.
Um die Köpfe kürzt’ er die Knaben beide;
Unterm Feßeltrog barg er die Füße.
Schweift’ er in Silber, sandte sie Nidudurn.
Aus den Augen macht’ er Edelsteine,
Sandte sie der falschen Frauen Nidudurs.
Bildet’ er Brustgeschmeid, sandt’ es Bödwilden
Da begann den Ring zu rühmen Bödwild;
Sie bracht ihn Wölundurn, da er zerbrochen war:
„Keinem darf ichs sagen als dir allein.“
Deinen Vater dünkt er schöner,
Deine Mutter merklich beßer;
Aber dich selber noch eben so gut. —
In den Seßel sank und entschlief die Maid.
„Nun hab ich gerochen Harm und Schäden
Alle bis auf Einen, den unheilvollen.
Die mir Nidudurs Männer nahmen.“
Lachend hob sich in die Luft Wölundur;
Bödwild wandte sich weinend vom Holm
Um des Friedels Fahrt sorgend und des Vaters Zorn.
Ging hinein den ganzen Saal entlang;
— Auf des Saales Sims saß er, und ruhte —
„Wachst du, Nidudur, Niaren-Drost?“ —
Mich gemahnts an meiner Söhne Tod.
Das Haupt friert mir von deinen falschen Räthen:
Nun wollt ich wohl mit Wölundur rechten:
Was ward aus meinen wonnigen Söhnen?
Bei Schwertes Spitze und Schiffes Bord,
Bei Schildes Rand und Rosses Bug,
Noch meiner Braut zum Mörder werdest,
Hätt ich ein Weib auch euch nah verwandt,
Oder hätte hier im Haus ein Kind. —
Da liegen die Bälge mit Blut bespritzt.
Die Häupter schnitt ich deinen Söhnen ab;
Unterm Feßeltrog barg ich die Füße.
Schweift ich in Silber, schenkte sie Nidudurn.
Aus den Augen macht ich Edelsteine,
Sandte sie der falschen Frauen Nidudurs.
Bildet’ ich Brustgeschmeid und sandt es Bödwilden.
Nun geht Bödwild mit Kindesbürde,
Euer beider einzige Tochter.“
Nie wünscht’ ich dich härter, Wölundur, zu strafen.
Doch kein Mann ist so rasch, der vom Ross dich nähme,
So geschickt kein Schütze, der dich niederschöße
Wie du hoch dich hebst zu den Wolken.
Traurig Nidudur schaut’ ihm nach:
Bitte Bödwild, die brauenschöne,
Daß die ringbereifte mit dem Vater rede.
Saßest du mit Wölundur zusammen im Holm?“
Ich saß mit Wölundur zusammen im Holm,
Hätte nie sein sollen! eine Angststunde lang.
Ich verstand ihm nicht zu widerstehen,
Ich vermocht ihm nicht zu widerstehen!
Anmerkungen (Wikisource)
Siehe auch Anmerkungen des Übersetzers zu diesem Lied.