Die Edda (Simrock 1876)/Ältere Edda/Helgakvidha Hjörvardhssonar
Hiörward hieß ein König, der hatte vier Frauen. Eine hieß Alfhild und der beiden Sohn Hedin; die andere hieß Säreid und der beiden Sohn Humlungr; die dritte hieß Sinriöd und der beiden Sohn Hymlingr. Hiörward hatte verheißen, die Frau zu ehlichen, die er die schönste wüste. Da hörte er, daß König Swafnir eine allerschönste Tochter hätte, Sigurlinn geheißen. Idmundr hieß sein Jarl. Atli, dessen Sohn, fuhr dem Könige Sigurlinn zu freien. Er blieb einen Winter lang bei König Swafnir. Franmar hieß da ein Jarl, der Pfleger Sigurlinns, und dessen Tochter Alof. Der Jarl rieth, daß die Maid verweigert würde: da fuhr Atli heim.
Atli Jarlssohn stand eines Tages an einem Walde: da saß ein Vogel oben in den Zweigen über ihm und hatte zugehört, da seine Mannen die Frauen die schönsten nannten, die Hiörward hatte. Der Vogel zwitscherte und Atli lauschte, was er sagte. Er sang:
Die schönste Maid in Munarheim?
Und hier behagen doch Hiörwards Frauen
Deinen Leuten in Glasislundr.
Vielkluger Vogel, Ferneres reden?
Ja, wenn der Edling mir opfern wollte;
Doch wähl ich was ich will aus des Königs Wohnung.
Noch des Fürsten schöne Frauen.
Kiese keine von des Königs Bräuten:
Laß uns wohl handeln, das ist Freundes Weise.
Goldgehörnte Kühe aus des Königs Stall,
Wenn Sigurlinn ihm schläft im Arm
Und frei dem Fürsten folgt zu Haus.
Dieses geschah eh Atli heimfuhr; als er aber nach Hause kam und der König ihn nach den Zeitungen fragte, sprach er:
Unsre Rosse keuchten auf dem Kamm des Gebirgs,
Dann muste man durch Moore waten;
Doch ward uns Swafnirs Tochter geweigert,
Die spangengeschmückte, die wir schaffen wollten.
Der König bat, daß sie zum andern Mal hinführen und fuhr er selbst mit. Aber da sie auf den Berg kamen und hinblickten auf Swawaland, sahen sie großen Landbrand und Staub von Rossen. Da ritt der König vom Berge herab ins Land und nahm sein Nachtlager bei einem Fluße. Atli, der die Warte hatte, fuhr über den Fluß und fand da ein Haus. Darin saß ein großer Vogel als Hüter und war entschlafen. Atli schoß mit dem Spieß den Vogel todt. In dem Hause fand er Sigurlinn, die Königstochter und Alof die Jarlstochter. Die nahm er beide mit sich fort. Franmar Jarl hatte sich in Adlergestalt gekleidet und die Jungfrauen durch Zauberei vor dem Heere gehütet. Hrodmar hieß ein König, der Freier Sigurlinns: der hatte den Swawakönig erschlagen und das Land verheert und verwüstet. Da nahm König Hiörward Sigurlinn und Atli nahm Alof zur Ehe.
Hiörward und Sigurlinn hatten einen Sohn, der groß und schön war. Er war aber stumm und kein Name wurde ihm beigelegt. Einst saß er am Hügel, da sah er neun Walküren reiten; darunter war eine die herlichste. Sie sang:
[135]Du reicher Schlachtbaum, und Rödulswöllir,
(Früh sangs ein Adler), da du immer schweigst,
Wie kühnen Kampfmuth du König bewährst.
Blühende Braut, den du mir botest?
Erwäge den ganzen Gruß mir wohl:
Ich nehme den Namen nicht ohne dich.
Viere weniger als fünfmal zehn.
Eins ist von allen darunter das beste,
Der Schilde Verderben, beschlagen mit Gold.
Schrecken in der Spitze vor dem der es schwingt.
Die Schneide birgt einen blutigen Wurm,
Aber am Stichblatt wirft die Natter den Schweif.
Eilimi hieß ein König, seine Tochter war Swawa; sie war Walküre und ritt Luft und Meer. Sie gab dem Helgi den Namen und schirmte ihn oft seitdem in den Schlachten. Da sprach
Führer des Volksheers, wieviel man dich rühmt:
Läßest Feuer der Fürsten Vesten verzehren,
Die nie noch Böses verbrachen wider dich.
Die unsre Freunde zuvor besaßen.
Wenig fürchtet der Fürst um sein Leben:
Hofft er der Todten Erbe zu beherschen?
[136] Hiörward antwortete, er wolle dem Helgi Beistand nicht versagen, wenn er seinen Muttervater zu rächen gedächte. Da suchte Helgi das Schwert, das ihm Swawa angewiesen. Da fuhr er und Atli und fällten Hrodmar und vollbrachten manch Heldenwerk. Er schlug Hati den Riesen, als er auf einem Berge saß. Helgi und Atli lagen mit den Schiffen in Hatafiord. Atli hatte die Warte die erste Hälfte der Nacht. Da sprach Hrimgerd, Hatis Tochter:
Mit Schilden ist gezeltet auf euern Schiffen.
Frevel gebahrt ihr, scheint wenig zu fürchten.
Nennet mir des Königs Namen.
Den Fürsten zu gefährden.
Eisenburgen bergen die Flotte:
Hexen haben uns nichts an.
Wie nennt man dich mit Namen?
Viel vertraut dir der Fürst, der dich vorn im schönen
Schiffssteven stehen läßt.
Denn unhold bin ich Unholden.
Am feuchten Steven stäts hab ich gestanden
Und Nachtmaren gemordet.
Nenne, Vettel, den Vater.
Daß du neun Rasten niedrer lägest
Und ein Baum dir schöß aus dem Schooße!
Ich kannte nicht kühnern Joten.
Aus den Häusern hat er viel Bräute geholt
Bis ihn Helgi tödtlich traf.
Und stautest die Mündung des Stroms,
Des Fürsten Recken der Ran[WS 1] zu liefern;
Doch kam dir der Stag in die Quere.
Wie du die Brauen wirfst über die Wimpern.
Meine Mutter stand vor des Königs Schiffen
Und ich ertränkte die Tapfern.
Hrimgerd schwingt den Schweif.
Hintenhin fiel dir, wähn ich, Atli, das Herz,
Wie laut du lachst und lärmest.
So ich steig an den Strand aus der Flut.
Ganz erlahmst du, wenn der Grimm mich faßt,
Und senkst den Schweif, Hrimgerd.
Daß in Warins-Wik wir ringen.
Rippenverrenkung, Recke, begegnet dir,
Kommst du mir in die Krammen.[WS 2]
Und halten Hut dem König:
Zu gewarten hab ich hier daß Hexen auftauchen
Unter unsern Schiffen.
Daß du Hati hast erschlagen.
Eine Nacht will sie bei dem Fürsten schlafen:
Das schafft ihr Schadens Buße.
Der Thurs, der in Tholley wohnt,
Der hundweise Riese, der Riffwohner ärgster:
Der mag dir zum Manne geziemen.
Nächten mit den Männern,
Die Maid auf dem Goldross, der Macht nicht gebrach:
Hier stieg sie zum Strand aus der Flut,
Eurer beider Flotte zu festigen.
Sie allein ist Schuld, daß ich unfähig bin,
Des Königs Mannen zu morden.
Doch erst gieb Kunde dem König:
War sie es allein, die die Schiffe mir barg,
Oder fuhren Viele beisammen?
Unterm Helm die Eine licht.
Die Mähren schüttelten sich, aus den Mähnen troff
Thau in tiefe Thäler,
Hagel in hohe Bäume:
Das macht die Felder fruchtbar.
Unlieb war mir Alles was ich sah.
Getroffen mit Todesstäben.
Auf Land und Flut geborgen ist des Edlings Flotte
Und des Königs Mannen zumal.
Atli zum Untergange.
Ein lächerlich Wahrzeichen wirst du dem Hafen
Wie du da stehst ein Steinbild.
König Helgi war ein allgewaltiger Kriegsmann. Er kam zu König Eilimi und bat um Swawa, dessen Tochter. Helgi und Swawa verlobten sich und liebten sich wundersehr. Swawa war daheim bei ihrem Vater, aber Helgi im Heerzug. Swawa war Walküre nach wie vor. Hedin war daheim bei seinem Vater Hiörward, König in Noreg. Da fuhr Hedin auf Julabend einsam heim aus dem Walde und fand ein Zauberweib. Sie ritt einen Wolf und hatte Schlangen zu Zäumen und bot dem Hedin ihre Folge. Nein, sprach er. Da sprach sie: Das sollst du mir entgelten bei Bragis Becher. Abends wurden Gelübde verheißen und der Sühneber vorgeführt, auf den die Männer die Hände legten und bei Bragis Becher Gelübde thaten. Hedin vermaß sich eines Gelübdes auf Swawa, Eilimis Tochter, seines Bruders Geliebte. Darnach gereute es ihn so sehr, daß er fortging auf wilden Stegen südlich ins Land, wo er seinen Bruder Helgi traf. Helgi sprach:
Neuer Mären aus Noreg?
Was führte dich, Fürst, fort aus dem Lande,
Daß du allein mich aufsuchst?
Ich hab erkoren die Königstochter
Bei Bragis Becher: Deine Braut!
Hedin, unser Älgelübde.
Mich hat ein Held zum Holmgang entboten:
Da find ich den Feind in Frist dreier Nächte.
Ich werde wohl nicht wiederkehren:
So geschieht es in Güte, wenn das Schicksal will.
Dir Gutes und großer Gaben werth.
Dir scheint schicklicher das Schwert zu röthen
Als deinen Feinden Frieden zu geben.
Jenes sprach Helgi, weil ihm sein Tod ahnte und auch, weil seine Folgegeister den Hedin aufgesucht hatten, als er das Weib den Wolf reiten sah. Alfur hieß ein König, Hrodmars Sohn, der den Helgi zum Kampf entboten hatte gen Sigarswöllr in dreier Nächte Frist. Da sprach Helgi:
Eine Frau, die dem Bruder ihre Folge bot.
Sie wuste wohl, es würde fallen
Sigurlinns Sohn bei Sigarswöllr.
Da geschah eine große Schlacht und Helgi empfing die Todeswunde.
Hin nach Eilimis einziger Tochter:
„Bitte sie, bald bei mir zu sein,
Wenn sie den Fürsten will finden am Leben.“
Selber zu sprechen, Swawa, mit dir.
Dich zu schauen sehn er sich, sagte der König,
Ehe den Athem der edle verhaucht.
Hart hat das Unheil mich heimgesucht.
Wenn die See ihn schlang, das Schwert ihn fällte,
So will ich des Werthen Rächerin werden.
Der Edlinge edelster unter der Sonne.
Des vollen Sieges freut sich Alfur:
Nur dießmal dürft er des uns entbehren!
Wir werden uns wieder auf der Welt nicht sehn.
Zu voll fließen dem Fürsten die Wunden:
Dem Herzen kam mir die Klinge zu nah.
Willst du vernehmen was ich dir sage,
So breite meinem Bruder Hedin ein Bette
Und schlinge die Arme um den jungen Helden.
Als Helgi der Braut die Ringe bot,
Nie wollt ich froh nach des Königs Fall
Einen andern Helden im Arme hegen.
Rögsheim zu sehn noch Rödulsfiöll,
Gerochen hab ich denn Hiörwards Sohn,
Der Edlinge Edelsten unter der Sonne.
Von Helgi und Swawa wird gesagt, daß sie wiedergeboren wären.
Anmerkungen (Wikisource)
Siehe auch Anmerkungen des Übersetzers zu diesem Lied.