Die Eroberung des Brotes/Zweck und Leistungsfähigkeit der Produktion

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Autor: Pjotr Alexejewitsch Kropotkin
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Titel: Zweck und Leistungsfähigkeit der Produktion
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aus: Die Eroberung des Brotes, S. 70-76
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1919
Verlag: Der Syndikalist
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Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer: Bernhard Kampffmeyer
Originaltitel: La conquête du pain. Paris 1892
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Cornell-USA* = Commons
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ZWECK UND LEISTUNGSFÄHIGKEIT DER PRODUKTION.

I.

Will eine Gesellschaft (Stadt oder ländlicher Distrikt) allen seinen Mitgliedern das zum Leben Notwendige sichern (und wir werden sehen, wie die Auffassung vom Notwendigen sich bis zum Luxus erweitern kann), so wird sie dazu gelangen, sich alles dessen zu bemächtigen, was für die Produktion unerläßlich ist, das heißt, des Grund und Bodens, der Maschinen, der Fabriken, der Verkehrsmittel usw. Sie wird die gegenwärtigen Besitzer des Kapitals exproprieren müssen, um letzteres der Allgemeinheit zurückzuerstatten.

In der Tat, was man der bürgerlichen Produktion vorwirft, besteht nicht allein darin, daß der Kapitalist sich einen großen Teil des Einkommens aus einem jeden industriellen oder Handels-Unternehmen aneignet und auf diese Weise lebt ohne zu arbeiten; das Hauptübel – wir haben es schon mehrmals bemerkt – liegt darin, daß die gesamte Produktion eine absolut falsche Richtung angenommen hat; sie wird eben nicht von dem Gesichtspunkte aus gehandhabt, um Allen den Wohlstand zu sichern; hier liegt ihr Verdammungsurteil.

Ja, es ist sogar eine direkte Unmöglichkeit, daß eine kaufmännische Produktion, wie die heutige, zum Nutzen Aller ausschlagen kann. Es zu wollen, hieße vom Kapitalisten verlangen, daß er seinen Vorrechten entsage und eine Funktion ausfülle, die er nicht ausfüllen kann, ohne das zu bleiben, was er heute ist, – nämlich Privatunternehmer, ein Mann, der seinem Vorteil nachgeht. Die kapitalistische Organisation, die auf dem persönlichen Interesse eines jeden einzelnen Unternehmers basiert ist, hat der Gesellschaft das geleistet, was man von ihr erhoffen konnte: sie hat die Produktivkraft des Arbeiters ungeheuer gesteigert. Aus der Revolution, die sich in der Industrie durch die Anwendung der Dampfkraft vollzog, aus Fortschritten der Chemie und der Mechanik Nutzen ziehend, hat es sich der Kapitalist angelegen sein lassen, in seinem eigenen Interesse den Ertrag der menschlichen Arbeit zu steigern, und es ist ihm dies in hohem Grade geglückt. Ihm indes eine andere Mission beizulegen‚ wäre total unvernünftig. Zu wollen z. B., daß er den überschießenden Ertrag der Arbeit im Interesse der gesamten Gesellschaft verwalten solle, hieße, von ihm Menschlichkeit, Mitgefühl verlangen, [71] und eine kapitalistische Unternehmung kann nicht auf dem Mitgefühl begründet werden.

Es muß der Gesellschaft überlassen bleiben, diese gewaltige Produktivkraft, die heute nur auf einzelne Industrien beschränkt ist, zu einer allgemeinen zu machen und sie im Interesse Aller zu verwerten. Doch um Allen den Wohlstand zu garantieren, ist es offenbar unerläßlich, daß die Gesellschaft von allen Produktionsmitteln Besitz ergreift.

Die Oekonomisten werden uns ohne Zweifel daran erinnern – das Erinnern ist ihre starke Seite –, daß schon heute ein gewisser Wohlstand für eine bestimmte Kategorie junger, robuster und gewandter Arbeiter in einigen Spezialbranchen der Industrie besteht. Es ist immer diese Minorität, auf welche man uns mit Stolz verweist. Aber der Wohlstand – jenes Angebinde einiger Weniger – ist er ihnen denn wirklich auch gesichert? Morgen wird eine Fahrlässigkeit, eine Unvorsichtigkeit, oder die Habgier ihrer Herren diese Privilegierten auf das Straßenpflaster werfen, und sie werden dann mit Monaten oder Jahren von Bedrängnis und Elend die Periode des Wohlergehens, der sie sich erfreut haben, bezahlen. Die größeren Industrien (Tuch-, Eisen-, Zucker- usw.), ohne von den größten sprechen zu wollen, sehen wir abwechselnd ihre Produktion einschränken und bald ganz feiern, sei es in Folge von Spekulationen oder natürlichem Stocken der Arbeit, sei es endlich unter der Wirkung der von den Kapitalisten selbst geschaffenen Konkurrenz. Alle großen Industrien, namentlich die Spinnerei und die Metallwarenindustrie haben oft eine derartige Krise durchgemacht.

*

Und weiß man nicht sehr wohl, zu welchem Preise der relative Wohlstand einiger Arbeiterkategorien erkauft wird? Durch den Ruin des Ackerbaues, durch die schamlose Ausbeutung der Bauern und durch das Elend der Massen wird er erreicht. Im Vergleich zu dieser schwachen Minorität von Arbeitern, die sich eines gewissen Wohlstandes erfreuen, müssen viele Millionen menschlicher Wesen Tag um Tag ohne gesicherten Lohn leben, stets bereit, sich dorthin schaffen zu lassen, wo man ihrer wirklich einmal bedürfen sollte; müssen viele Bauern täglich 14 Stunden für einen kärglichen Bissen Brot arbeiten. Das Kapital entvölkert das flache Land, beutet die Kolonien aus und die Länder, deren Industrie noch wenig entwickelt ist; es verdammt die ungeheure Mehrheit der Arbeiter ohne technische Bildung, selbst in ihrem eigenen Handwerk unerfahren zu bleiben.

Es ist kein Zufall, es ist eine notwendige Folge des kapitalistischen Regimes. Um im Stande zu sein, einige Arbeiterkategorien einigermaßen zu entlohnen, ist es notwendig, daß der heutige Bauer das Lasttier der Gesellschaft ist; daß das flache Land im Interesse der Stadt verödet, daß in den schmutzigen Vorstädten der Großstädte sich kleine Handwerke bilden, welche fast für ein Nichts tausenderlei wertlose Gegenstände fabrizieren, und die Produkte der großen Manufaktur erst in den Kaufbereich der Leute mit geringem Einkommen bringen: damit das [72] schlechte Tuch, mit dem sich die schlecht bezahlten Arbeiter kleiden, abgesetzt werden kann, ist es notwendig, daß sich der Schneider mit Hungerlöhnen begnügt! Damit in einigen privilegierten Industrien der Arbeiter unter dem kapitalistischen Regime eine Art beschränkten Wohlstandes hat, ist es notwendig, daß die zurückgebliebenen Länder des Orients durch diejenigen des Occidents ausgebeutet werden.

*

Das Uebel der gegenwärtigen Organisation besteht also nicht darin, daß der „Mehrwert“ der Produktion dem Kapitalisten zufließt – wie Rodbertus und Marx gesagt haben, die mit dieser Behauptung die Bedeutung der sozialistischen Lehre und der Kritik des kapitalistischen Systems herabsetzten. – Der „Mehrwert“ ist selbst erst wieder die Folge von tiefer liegenden Ursachen. Das Uebel liegt darin, daß es einen Mehrwert geben kann und nicht in dem Faktum, daß ein gewisser Ueberschuß in der Produktion einer jeden Generation unkonsumiert bleibt; denn, damit es einen Mehrwert geben kann, ist es notwendig, daß Männer, Frauen und Kinder gezwungen sind, ihn Arbeitskräfte für einen Lohn, der gegenüber dem Werte dessen, was sie produzieren und namentlich dessen, was sie zu produzieren imstande wären, verschwindet, zu verkaufen.

Doch dieses Uebel wird solange währen, als die Produktionsmittel nur einigen Wenigen gehören. Solange der Mensch gezwungen sein wird, dem Kapitalisten einen Tribut zu zahlen, um sich dagegen das Recht zu erkaufen, den Grund und Boden zu kultivieren oder eine Maschine in Bewegung zu setzen; und solange es dem Besitzenden frei stehen wird, anstatt einer großen Summe notwendiger Existenzmittel das zu produzieren, welches ihm den größten Verdienst verspricht, wird der Wohlstand immer nur zeitweise einer kleinen Minderzahl gesichert und immer wieder nur durch das Elend eines großen Teils der Gesellschaft erkauft sein. Es bedeutet keinen Fortschritt, den Ertrag, welchen ein Industriezweig abwirft, zu gleichen Teilen zu verteilen, wenn man deshalb zu gleicher Zeit Tausende von andern Arbeitern ausbeuten muß. Es handelt sich darum, unter möglichst geringem Verlust an menschlichen Kräften die möglichst größte Menge an Produkten, die dem Wohlstand Aller dienen sollen, zu erzielen.

Dieser Standpunkt verträgt sich nicht mit dem des Privatkapitalisten. Wenn aber eine Gesellschaft sich dieses Ideal stellt, so ist sie auch gezwungen, Alles zu expropriieren, was zur Schaffung des allgemeinen Wohlstandes beitragen könnte. Es ist daher nötig, daß sie sich des Grund und Bodens, der Bergwerke, der Verkehrsmittel usw. bemächtigt, und daß sie außerdem studiert, was es im Interesse Aller zu produzieren gilt, was der Zweck und die Leistungsfähigkeit der Produktion ist.

[73] === II. ===

Wieviel Stunden täglicher Arbeit wird der Mensch leisten müssen, um seiner Familie eine reichliche Nahrung, ein komfortables Haus und die notwendige Kleidung zu schaffen? Diese Frage hat häufig die Sozialisten beschäftigt und sie nehmen im Allgemeinen an, daß vier oder fünf Stunden täglich genügen würden – wohlverstanden unter der Bedingung, daß Jeder arbeitet. Am Ende des 18. Jahrhunderts kam Benjamin Franklin zu einem Resultat von 5 Stunden; und wenn die Bedürfnisse nach Komfort sich seitdem vermehrt haben, so ist auch die Produktivkraft gewachsen und zwar in noch viel höherem Maße.

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In einem anderen Kapitel, welches von der Landwirtschaft handelt, werden wir sehen, was die Erde wirklich dem tragen kann, der sie zweckmäßig bestellt, der nicht, wie es heute geschieht, den Samen auf gut Glück auf mangelhaft gepflügten und geeggten Boden wirft. Auf den großen Farmen des östlichen Amerikas, die viele Quadratmeilen umfassen, deren Boden indes noch viel ärmer ist als der gepflegte Boden der zivilisierten Länder, erzielt man nur 12 bis 18 Hektoliter Getreide pro Hektar, d. h., nur die Hälfte von dem, was die Farmen Europas und der Weststaaten von Amerika tragen. Und dennoch produzieren daselbst dank den Maschinen, welche es zwei Menschen ermöglichen, in einem Tage zwei und einen halben Hektar zu bestellen, hundert Menschen in einem Jahre soviel als nötig ist, um 10 000 Personen innerhalb eines ganzen Jahres das Brot bis in ihre Behausung zu liefern.

Es genügt also, daß ein Mensch unter diesen Bedingungen dreißig Stunden oder sechs halbe Tage à 5 Stunden arbeite, um für das ganze Jahr Brot zu haben – und dreißig halbe Tage, um es einer Familie von 5 Personen zu sichern.

Wir werden auch noch an der Hand von Daten, die dem gegenwärtigen, praktischen Leben entnommen sind, beweisen, daß bei einer intensiven Landwirtschaft sechzig halbe Arbeitstage vollauf genügen würden, um jeder Familie das Brot, das Fleisch, die Gemüse und selbst die Luxusfrüchte zu liefern.

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Wenn man andererseits die Preise studiert, auf welche sich heute die Arbeiterhäuser der Großstädte belaufen, so kann man sich überzeugen, daß ein Arbeiterhäuschen, wie in England für eine Familie berechnet, höchstens den Wert von 1400 bis 1800 halben Arbeitstagen à 5 Stunden repräsentiert. Und da das Alter eines solchen Hauses auf wenigstens 50 Jahre zu berechnen ist, so ergibt sich, daß eine Arbeit 28–36 halben Tagen im Jahre einer Familie eine gesunde, ziemlich elegante und mit allem notwendigen Luxus ausgestattete Wohnung verschaffen würde, während heute der Arbeiter, der sich eine solche Wohnung mietet, seinem Eigentümer den Wert von 75 bis 100 Arbeitstagen pro Jahr zu entrichten hat.

[74] Bemerkt sei hier noch, daß diese Ziffern das Maximum dessen sind, was der Bau solcher Häuser heute in England bei der gegebenen mangelhaften Organisation unserer Gesellschaften kostet. In Belgien erbaut man dieselben viel wohlfeiler. Man kann also sehr wohl behaupten, daß in einer wohlorganisierten Gesellschaft dreißig bis vierzig halbe Arbeitstage im Jahre ausreichen, um für eine Familie eine komfortable Wohnung zu beschaffen.

*

Es bliebe jetzt noch die Kleidung. Hier ist eine Berechnung fast unmöglich, weil der Verdienst, der durch einen ganzen Schwarm von Zwischenpersonen auf den Verkehrspreis gelegt wird, der Schätzung entgeht. Nehmet z. B. das Tuch, und stellt alle jene Gewinnste, die an ihm seitens des Eigentümers der Wiese, des Besitzers der Schafe, des Wollhändlers und aller ihrer Zwischenhändler bis zu den Eisenbahnkompagnien, den Webern, den Spinnern, den Konfektionskaufleuten, den Verkäufern und Kommissionären gemacht worden sind, in Rechnung, und Ihr werdet Euch eine Vorstellung von dem machen können, wie hoch sich an jedem Kleide der ganze Bourgeois-Schwarm bezahlt macht. Das ist der Grund, weshalb es unmöglich ist, zu sagen, wie viel Arbeitstage beispielsweise ein Ueberzieher, den Ihr mit hundert Francs in einem der großen Magazine von Paris bezahlt, repräsentiert.

Was gewiß ist, ist die Tatsache, daß man mit den heutigen Maschinen dazu gelangt ist, ganz unglaubliche Mengen von Stoffen zu fabrizieren.

Einige Beispiele werden hier genügen. So produzieren in den Vereinigten Staaten die 175 000 Arbeiter und Arbeiterinnen von 751 Baumwollenmanufakturen (Spinnerei und Weberei vereint) 1 939 400 000 Meter Baumwollenzeug und überdies noch eine ungeheure Quantität Baumwollenfäden. Bei 300 Arbeitstagen zu neun und einer halben Stunde gerechnet, bedeutet dies pro Arbeiter ein Durchschnittsfabrikat von mehr als 11 000 Metern, d. h. ein Arbeiter produziert innerhalb 10 Stunden vierzig Meter Baumwollenzeug, ungerechnet die Baumwollenfäden. Nimmt man nun an, daß eine Familie davon im Jahre 200 Meter, was sehr viel sagen will, verbraucht, so würde dieser Bedarf durch 50 Arbeitsstunden oder 10 halbe Arbeitstage à 5 Stunden gedeckt. Und dann würde man dabei noch den Baumwollenfaden haben, – d. h. das Garn zum Nähen und das Garn zur Fabrikation der Tuche und Wollstoffe, bei denen Baumwollenfäden eingeschlossen werden.

Was die in der Weberei allein erzielten Resultate anbelangt, so lehrt uns die offizielle Statistik der Vereinigten Staaten, daß im Jahre 1870 ein Arbeiter bei einer täglichen Arbeitszeit von 13 bis 14 Stunden 9500 Meter weißen Baumwollenstoff innerhalb eines Jahres herstellte, während er dreizehn Jahre später bei einer wöchentlichen Arbeit von nur 55 Stunden 27 000 Meter fabrizierte. Bei den bedruckten Baumwollenstoffen hat man (Weben und Druck inbegriffen) sogar bei einer jährlichen Arbeit von 2669 Stunden ein Resultat von 29 150 Metern [75] erzielt, d. h. ein Arbeiter produziert innerhalb einer Stunde 11 Meter. Um also 200 Meter weiße und bedruckte Baumwollenstoffe zu haben, genügte eine Arbeit von 20 Stunden jährlich.

Wir wollen hierbei nicht die Bemerkung unterlassen, daß der Rohstoff fast in demselben Zustand, wie er vom Felde kommt, in diese Manufakturen gelangt, und daß die ganze Reihe von Veränderungen, die er schrittweise durchmachen muß, bevor er zum Baumwollenstoff wird, bei diesen 20 Stunden inbegriffen ist. Um diese 200 Meter jedoch im Handel zu erstehen, muß heute ein gut bezahlter Arbeiter (schlecht gerechnet) mindestens 10 bis 15 Arbeitstage à 10 Stunden, d. h. 100 bis 150 Arbeitsstunden liefern. Und was den englischen Bauern betrifft, so muß er sich mindestens einen Monat oder gar noch länger abquälen, um sich diesen Luxus leisten zu können.

*

Man sieht aus diesem Beispiel, daß man mit 50 halben Arbeitstagen sich in einer gut organisierten Gesellschaft besser kleiden könnte, als sich heute die Kleinbürger kleiden.

Nach alledem bedarf es also nur 60 halber Arbeitstage à 5 Stunden für die Beschaffung der landwirtschaftlichen Produkte, 40 für die der Behausung und 50 für die der Bekleidung, in Summa also gerade die Hälfte des Jahres, da das Jahr nach Abzug der Feste 300 Arbeitstage repräsentiert.

Es bleiben dann noch 150 halbe Arbeitstage übrig, die zur Beschaffung anderer Erfordernisse verwendet werden könnten: von Wein, Zucker, Kaffee oder Tee, Möbeln und Transportmitteln usw. usw. ...

Es ist klar, daß diese Berechnungen nur annähernde sind; aber sie finden auch noch auf einem anderen Wege ihre Bestätigung. Wenn wir bei den zivilisierten Nationen diejenigen Menschen zählen, welche nichts produzieren, die, welche in schädlichen, dem Untergange geweihten Industrien arbeiten, endlich diejenigen, welche unter die Zahl der überflüssigen Zwischenpersonen rechnen, so konstatieren wir, daß in jeder Nation die Zahl der eigentlichen Produzenten verdoppelt werden könnte. Und wenn sich statt zehn zwanzig Personen der notwendigen Produktion widmeten und wenn es sich die Gesellschaft angelegener sein ließe, die menschlichen Kräfte zu sparen, so würden diese zwanzig Personen nur 5 Stunden täglich zu arbeiten haben, ohne daß sich dadurch die Produktion im geringsten verminderte. Es genügte die Verschwendung, die mit der menschlichen Arbeitskraft in den reichen Familien oder in der Verwaltung, bei der auf zehn Menschen ein Beamter kommt, getrieben wird, zu reduzieren und diese Kräfte für die Steigerung der Produktion zu verwenden, um die Arbeitszeit auf 4 oder gar 3 Stunden herabsetzen zu können – unter der Bedingung, wohlgemerkt, daß man sich mit der heutigen Produktion begnügt.

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In Anlehnung an diese Erwägungen, die wir soeben gemeinschaftlich angestellt haben, können wir jetzt folgenden Schluß ziehen:

[76] Nehmet eine Gesellschaft von mehreren Millionen Mitgliedern, die in der Landwirtschaft und in den mannigfaltigsten Industrien beschäftigt sind, Paris z. B. mit dem Departement Seine-et-Oise, nehmet an, daß in dieser Gesellschaft alle Kinder arbeiten lernen, sowohl mit den Händen, wie mit den Köpfen; nehmet endlich noch an, daß alle Erwachsenen mit Ausnahme derjenigen Frauen, die mit der Erziehung ihrer Kinder beschäftigt sind, täglich 5 Stunden, und zwar von ihrem zwanzigsten oder zweiundzwanzigsten bis zum fünfundvierzigsten oder fünfzigsten Lebensjahre arbeiten und sich nach freier Wahl den Beschäftigungen, ganz gleichgültig, welchem Zweige der als notwendig betrachteten Produktion widmen – eine solche Gesellschaft kann ihrerseits allen ihren Mitgliedern den Wohlstand garantieren, d. h. ein Wohlergehen, das ganz anders diesen Namen verdient, als der heutige Wohlstand der Bourgeoisie. – Und jeder Arbeiter dieser Gesellschaft wird überdies täglich über wenigstens fünf Stunden verfügen, welche er der Wissenschaft, der Kunst und Befriedigung der individuellen Bedürfnisse wird weihen können, die nicht in der Kategorie des Notwendigen figurieren, doch ihr einverleibt werden können nebst allem, was man heute noch als luxuriös und unerreichbar ansieht, sobald die Produktivität des Menschen sich steigert.

Anmerkungen (Wikisource)