Die Eucalyptus-Oasis der Trappisten in der Campagna Romana

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Titel: Die Eucalyptus-Oasis der Trappisten in der Campagna Romana
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aus: Die Gartenlaube, Heft 24, S. 386–388
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1880
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Die Eucalyptus-Oasis der Trappisten in der Campagna Romana.

Etwa eine Stunde weit von der Porta S. Paolo und der Pyramide des Cestius liegt südwestlich von Rom, abseits von der Via Ostiensis, welche den Tiber entlang zum Meere führt, in einer unfreundlichen Niederung der römischen Campagna die uralte Abtei der Tre Fontane (drei Quellen). Die Traditionen des einsamen Orts sind ebenso schwermüthig, wie seine äußere Erscheinung. Bis in die ältesten Zeiten seiner Geschichte war es stets der gewaltsame und unfreiwillige Tod, welcher in dem kleinen düsteren Thale mit roher Gewalt die Herrschaft führte. Die Menschen und die Natur wetteiferten und überboten sich auf dieser Spanne Erde in Grausamkeiten.

Die Legende erzählt, daß hier der heilige Paulus den Märtyrertod erduldete und daß zehntausend Christen, welche am Bau der diocletianischen Thermen in Rom Frohndienst geleistet hatten, hier niedergemacht wurden. Auf dem Friedhofe dieser Märtyrer entstand die Abtei. An der Stelle, wo Paulus enthauptet wurde, erbaute man dem Heiligen eine Votivkirche, in welcher drei Quellen aus prächtigen Tabernakeln rieseln; diese Quellen sind dem Boden, wie es heißt, an den drei Punkten entsprungen, die von dem Haupte des Märtyrers berührt wurden, als es, vom Rumpfe getrennt; dreimal in den letzten Zuckungen emporschnellte.

Ueber den Gebeinen der zehntausend Christen errichtete man schon im neunten Jahrhundert einen Tempel, den der Cardinal Aldobrandini im Beginn des siebenzehnten Jahrhunderts durch den Architekten della Porta zu dem jetzigen Kuppelbau umgestalten ließ. Er trägt den Namen der Santa Maria della Scala.

Eine uralte Basilika, den Heiligen Anastasius und Vincenz gewidmet, überragt die beiden anderen Kirchen an Alter um mehrere hundert Jahre. Sie reicht hinauf in das sechste Jahrhundert; in einem geräumigen Kloster, welches sich an das alterthümliche Gotteshaus lehnt, hausten nach einander Benedictinermönche, Cistercienser und Franziskaner.

Ihn Jahre 1868 waren Kloster und Kirchen verlassen. Nur zwei Franziskaner pilgerten noch jeden Tag frühmorgens bei Sonnenaufgang von Rom nach der Einsiedelei, um Messe zu lesen und den Andächtigen das heilige Wasser zu reichen, welches den drei Paulus-Quellen entsprudelt und in der ewigen Stadt in großem Rufe steht. Niemand läutete gewöhnlich den Tag über an dem Eingange des verlassenen Klosters; nur an Sonn- und Feiertagen verloren sich einige fromme Seelen in die unwirthsame Gegend.

Das Fieber hatte die Mönche zu Dutzenden niedergemäht und schließlich ganz vertrieben. Selbst die eiserne Klosterzucht hatte vergebens gegen die Verheerung der Sumpfluft angekämpft; ebenso grausam, wie die Römer einst mit den Christen umgesprungen waren, verfuhr das Fieber nachher mit den Mönchen. Sobald die Sonne ihre letzten Strahlen mit goldenem Glanze auf die Dächer der drei Gotteshäuser legte, sah man die beiden Franziskaner das gewaltige eiserne Gitter des großen Thorbogens aus dunkelrothen Backsteinen in das Schloß werfen und den Heimweg nach Rom einschlagen.

Der Weg, der diese Flüchtlinge allabendlich dem Fieber entführte, steigt zwischen mannshohen Disteln hügelauf. Kein Baum gab ihnen Schatten bis zu der einsamen in der flachen Campagna liegenden weltberühmten Riesenkirche des heiligen Paulus. Die Sonne beschien im Sinken mit dem sanften vollen Goldlicht des Abschieds die bärtigen ausgemergelten Gesichter der zwei Mönche, welche keinen Abend sicher waren, daß sie nicht den Todeskeim mit sich heim trugen.

Die Abtei Tre Fontane ist eingepfercht zwischen eine dreiwinklige Hügelwand aus dunkelrother Pozzolanerde, die weit melancholischer wirkt als die rothe Erde Westfalens. Die langen Linien ihrer drei Dächer, welche sich im Halbdunkel der hereinbrechenden Dämmerung phantastisch durchschneiden und für den Wanderer, der gen Rom zieht, allmählich in den Umrissen der Hügelwellen der Via Ardeatina versinken, erwecken keinerlei Sehnsucht, noch einmal zu ihr zurückzukehren. Das Gepräge des Todes liegt auf der Abtei wie auf ihrer Umgebung. Schwermüthige Bäche tragen langsam den Keim des Verderbens an ihr vorüber; die wenigen Häuser, welche einen Flintenschuß weit von ihr hier und dort emporragen, sind fest verschlossen, ihre Fenster vergittert, ihre Einwohner nach der nahen Stadt entflohen, woher sie nur zurückkehren, um die nöthigsten Arbeiten der Heu-Ernte zu verrichten oder um am Tage bei glühender Sonne in den Pozzolanerdbrüchen eine überaus harte Arbeit zu verrichten und die Pozzolana an den verlassenen Ufern des Tibers zu verladen, wo früher die Schätze des Orients stromaufwärts vorbei fuhren nach der üppigen Kaiserstadt. Das malerische Bild derselben, mit den zahllosen Kuppeln und den Pinien des Janiculus, bietet sich plötzlich am fernen Horizonte jenseits San Paolo dem Wanderer dar, sobald er die Anhöhe erreicht hat, von der er einen letzten Blick rückwärts auf Tre Fontane werfen kann.

So stand es um die Gegend bis vor zwölf Jahren noch.

Seit zwölf Jahren begegnet man den beiden Franziskanern nicht mehr. Niemand weiß mehr etwas von ihnen; sie sind verschollen. Die einst so öde Straße hat neues Leben gewonnen; bei der hochgelegenen Osteria del Ponticello an der Via Ostiensis, wo das Hügelland beginnt, biegen täglich Wagen und Reiter ein: Arbeiter mit Sensen und Heugabeln ziehen den staubigen Weg empor. Von der Höhe aber, wo früher der Wanderer nur mit dem Vorgefühl unheimlichen Fieberschauers hinunterschaute, weidet sich das Auge an dem saftigen üppigen Grün, aus dem heute die hohe Kuppel von Santa Maria und die Giebel der Pauls- und Athanasius-Kirche mit dem Grunde von Tre Fontane freundlich hervorwinken.

Neue Insassen haben die alte Abtei bezogen. Es ist Alles in ihr wie im Traume umgewandelt. Der kahle, sonnverbrannte, steinige Vorhof, um den sich hart an einander die drei Kirchen gruppiren, ist zu einem duftenden Garten mit sprudelnden Springbrunnen geworden; Rosenstöcke und Nelken verschwenden dort ihre Gerüche; Weinlauben laden zur behaglichen Ruhe ein; kleine geschmackvolle Anlagen ziehen sich, sauber gehalten, die Rampe der Kirche von Santa Maria della Scala empor, während prachtvoller Epheu die Ringmauer erklettert und ernste Trauerweiden von majestätischer Größe das feierliche Gepräge dieser einsamen Ruhestätte in weit anmuthigerer Weise zur Geltung bringen, als der frühere baum- und blätterlose Klosterhof in seiner finstern und schroffen Erhabenheit. Eine hohe schattige Allee schließt sich an die jungen Anlagen; an ihrem Ende tritt man jetzt, gegen die Sonne geschützt, in die Pauls-Kirche, wo die drei Quellen sprudeln.

In der Kirche ist Alles sauber und reinlich gehalten; an den drei Sprudeln liegen Becher, damit gläubige Seelen das Wunderwasser schöpfen können; Fläschchen voll Wasser stehen auf dem Tabernakel. Jeder kann davon nehmen. Bet- und Beichtstühle giebt es nicht in der Kirche; nirgends überhaupt ein Anzeichen, daß Gottesdienst darin gehalten wird. Mit besonderer Pietät scheinen die Hüter eine prachtvolle große Mosaik aus Ostia zu bewahren, welche als Fußboden eines Theiles der hohen luftigen Kirche dient. Ein hölzernes Brettchen bittet, die Mosaik nicht zu betreten. Eine solche Besorgniß für die Kunst ist in den Klöstern nicht eben gewöhnlich.

Auch die andere zwischen Rosenbeeten und grünem Gelände aufsteigende Kuppelkirche entbehrt jeden Kirchengeräths. Einen besonders einladenden Charakter hat die ehrwürdige Basilika der heiligen Männer Vincenz und Athanasius gewonnen, wie dieselbe ihm wohl nie zuvor während ihres jahrhundertelangen Bestehens besessen hat. Diese uralte Kirche selbst ist innen und außen neu aufgeputzt. Die vier im dreizehnten Jahrhundert zu einem Vorbau, der eine Art Porticus bildet, verwandelten Säulen mit ionischen Capitälen, umstellt von Blumen, die an ihnen emporranken, umrauscht von dem nie aufhörenden Geplätscher der Springbrunnen, lassen in keiner Weise auf den schweigsamen, großartigen Ernst der dreischiffigen, mächtigen Pfeilerflucht im Innern schließen, welche mit ihrem einfachen, gelblich-grünen Ton; mit ihrer gewaltigen Bogenwölbung ein durch nichts gestörtes Gefühl erhabenster Ruhe um sich verbreitet. Ein mattes Licht bricht durch die eigroß durchlöcherten und so als Fenster dienenden Marmorplatten oberhalb der Mittelschiff-Pfeiler der alten Basilika, auf der, dem Styl ihrer Gründungszeit entsprechend, ein flaches Giebeldach ruht. Unter dem wundervoll wirksamen Rundbogen der Chorkapelle schimmern die Farbenbrechungen eines bunten Fensters hervor. In den [387] Nebencapellen des Hochaltars erzeugen die bläulich übertünchten Wände der Wölbung einen zarten Gegensatz zu dem gelblichen Dämmerschein, welcher die ganze Kirche füllt.

Ein scharfer Theergeruch beherrscht die Luft des großen Tempels. Kein Prunk auf dem einfachen Altartische, kein Kronleuchter, keine Sammetdecken, keine goldenen Gefäße, keine Edelsteine, keine Bank, kein Betschemel in den weiten Räumen! Nichts als die nackten, kahlen Wände in großartiger Einfachheit; nur im Mittelschiffe hat man die lebensgroßen, Raphael roh nachgebildeten zwölf Apostelbilder al fresco an den Pfeilern nicht übertüncht.

Was ist hier vorgegangen? Wer hat es vermocht, dem Tode das Feld streitig zu machen, auf dem seit Jahrhunderten Jeder hinsiechte, der es wagte, darauf auch nur vorübergehend sein Lager aufzuschlagen? Die Lösung dieser großen Aufgabe hat die Willenskraft und Selbstverleugnung eigenartiger Menschen gereizt: weit aus Frankreich hergewanderte Mönche, welche sich das Gelübde ewigen Schweigens auferlegen und dabei rüstig den Spaten führen, unternahmen es auf eigene Faust, die Urbarmachung der römischen Campagna zu versuchen. Sie brachten dazu einen Bundesgenossen mit, in den sie ein unbegrenztes Vertrauen setzten – den Eucalyptusbaum[1].

An die Geschichte dieses Bundesgenossen im Thale der Tre Fontane knüpft sich eine wahre Epopöe. Die Streiter in der weißen Kutte mit dem schwarzen Ueberwurf waren ihrer sechsundzwanzig, rüstig und jung, als sie 1868 voller Zuversicht und männlichen Trotzes die verrufene Abtei bezogen. Ihre Ordensregel verbot ihnen die Wohlthat des menschlichen Wortes; nicht einmal ihr Leid durften sich die Trappisten unter einander klagen. Man führte den Spaten, den Pflug; man pflanzte und pflegte den Eucalyptus; man baute Wein und Oel. Aber auch eine andere Wohlthat mußte man hier in Folge des Fiebers entbehren lernen: die Wohlthat des Schlafens nach dem mühsamen Tagewerke.

Oft genug durchzitterte plötzliches Frösteln die müden Glieder; glühende Hitze überströmte dann das Antlitz, und ehe die Sonne das nächste Mal zur Neige ging, hatte nicht selten das Fieber seinen Tribut gefordert. Die Ueberlebenden schritten umher wie Skelete. Im Laufe weniger Jahre waren achtzehn von den Einwanderern dahingestorben; fünfunddreißig, welche in die gelichteten Reihen der Ordensbrüder nach und nach einrückten, mußten das Kloster wieder verlassen, weil sie dem Fieber nicht zu widerstehen vermochten.

Seitdem sind zwölf Jahre verflossen; das Papstthum hat seine weltliche Macht verloren; die italienische Regierung löste 1870 die Klöster auf und confiscirte ihre Güter, die dann unter den Hammer kamen. Auf die vierhundert Hektare der Abtei der Tre Fontane speculirte Niemand. Der rasche Umschwung in den politischen Verhältnissen Roms konnte die als Körperschaften aufgelösten Trappisten nicht ermuthigen, ihre Thätigkeit auszudehnen angesichts der Möglichkeit, eines schönen Tages vertrieben zu werden. Das war eine schlimme Zeit für die rüstigen, opferwilligen Ackerbauer im Mönchsrocke. Erst allmählich wagte man es, die Stimmung in Rom auszuforschen, und da man als religiöse Corporation keine juridische Person mehr war und als solche keine Contracte mehr schließen konnte, so that man sich zusammen zu einer „Ackerbaugesellschaft“ und pachtete als solche von der Regierung vorläufig nur sechsunddreißig Hektare, für die sich kein Bewerber, selbst nicht zu Spottpreisen, gefunden hatte. Mit rastlosem Fleiße wurden neue Pflanzungen angelegt, und die Riesenschnelle, mit der sich der Eucalyptusbaum entwickelt, begünstigte das Unternehmen. Im Vorhofe des Klosters, den die Mönche zu einem lieblichen Garten umschufen, überragt er bereits die Dächer der Kirchen. Die Sterblichkeit im Kloster hat fast ganz aufgehört. Seit zwei Jahren starb keiner der Insassen mehr am Fieber, obgleich dieselben ein Leben voll Entbehrung und Mühsal führen.

Achtzig verschiedene Sorten von Eucalyptus weist die Pflanzung auf, von denen die meisten auch der Winterkälte widerstanden haben. Welche der vielen Arten die Fieberluft am wirksamsten absorbirt, ist noch nicht erwiesen; auch die Heilkraft des Elixirs, das die Mönche aus den Blättern und den Rinden gewinnen, scheint nicht festzustehen. Sie selbst machen allerdings täglich Gebrauch davon, als Präservativmittel gegen das Fieber, und wer die Leute vor einigen Jahren im Anfange ihrer Thätigkeit in Tre Fontane gesehen hat, wie sie sich elend und leichenfarben durch’s Leben schleppten, der erkennt sie heute nicht wieder; so bedeutend hat sich ihr Aussehen gebessert. Die römischen Aerzte zucken dagegen die Achseln, wenn die Rede auf das Eucalyptuselixir als Heilmittel gegen das Fieber kommt. Mehr als die Eigenschaft, die Fieberluft aufzusaugen und unschädlich zu machen, erkennen sie dem Eucalyptus nicht zu. Die Hoffnung der Trappisten, einst das theuere Chinin durch den Extract aus Eucalyptus verdrängen zu können und auf diese Weise ein wohlfeiles Heilmittel gegen das Fieber für die arme Landbevölkerung herzustellen, gilt unter den Aerzten lediglich als frommer Wunsch.

Die Regierung hat der „Ackerbaugesellschaft“ jetzt vierhundert Hektare in Erbpacht gegeben unter der Bedingung, sie urbar zu machen und mit Eucalyptus zu bepflanzen.

Das hat die Thätigkeit der Mönche verdreifacht; und wem sie es gestatten, einen Blick in das Innere des Klosters und auf seine Liegenschaften, zu denen Frauen keinen Zutritt haben, zu werfen, der ist erstaunt über die landwirthschaftliche Thätigkeit, welche sich dort im Stillen entwickelt hat. Große Gemüsegärten reihen sich an Weinberge, die sich an den Hügeln hinaufziehen; viele Tausende von Blumentöpfen mit jungen Eucalyptuspflanzen füllen die innern Höfe und Wege des Besitzthums. Alle Sorten von Fruchtbäumen sind vertreten; überall ragen dazwischen, je nach den Bedürfnissen des Feldes, hohe oder niedere Eucalyptus hervor. Ein Saal des Klosters ist umgestaltet zu einem vortrefflich gehaltenen Kuhstall für fünfzig Kühe; auf der nahen Weide fehlt es nicht an Ziegen und Schafen, noch an Pferden und Eseln, welche die Erzeugnisse des Jahrhunderte lang als unfruchtbar verrufenen Bodens theils auf dem Rücken, theils auf zweiräderigen Wägelchen nach Rom zu Markt bringen.

Die meisten der Mönche in Tre Fontane sind Franzosen, zu denen sich neuerdings einige Piemontesen und drei Deutsche gesellten. Italiener findet man überhaupt fast nie in den Trappistenklöstern, weil sie nur selten die harte Probezeit bestehen. Die Ordensregeln sind streng und gebieten eine seltene Selbstverleugnung. Kein Klosterbruder kennt den Namen und die Familienabkunft des andern. Arbeit und Schweigsamkeit sind für jeden Mönch eine erste Pflicht; nur der Prior ist berechtigt zu sprechen.

Um zwei Uhr Morgens läutet die Glocke zur Frühmesse und rüttelt die Schläfer wach auf dem harten Lager des großen Dormitoriums, wo die Trappisten gemeinsam auf einer langen hölzernen Pritsche ohne jegliches Kissen ihre Nachtruhe halten. Niemals entkleiden sie sich; keiner hat eine Zelle für sich; kein Sterbenswörtchen wird jemals laut in dem großen Saale, weder bei Tag noch bei Nacht. Nach einem kurzen Aufenthalt im Chor geht es, sobald der Tag graut, zur Feldarbeit, wobei etwa vierzig Laienbrüder den Mönchen hülfreiche Hand leisten. Erst um sechs Uhr Morgens wird der Frühimbiß geboten. Nie giebt es dabei einen Schnitt Fleisch, ein Huhn oder ein Ei. Die Trappisten sind strenge Vegetarianer; ein Glas kräftigen Landweines ersetzt alle übrigen Genüsse. Die kirchlichen Uebungen und Ceremonien sind auf das Nothwendigste beschränkt, um der Arbeit die kostbare Zeit nicht zu rauben. Außer den Ackerbaustudien, welche mit Eifer und Umsicht betrieben werden, hat sonst die Wissenschaft keinen Zutritt in das Kloster der Tre Fontane. Bis gegen Mittag sieht man die Mönche in großen breiträndrigen Strohhüten der Sonne trotzen; jeder hat sein Amt, der eine als Gärtner, der andere als Maurer, der fleißig Hand anlegt bei der Errichtung der Wirthschaftsgebäude, welche durch die zehnfache Vergrößerung der Pflanzung jetzt nothwendig werden. Ein frugales Mittagsmahl, eine kurze Nachmittagsruhe, eine noch kürzere Andacht in der Basilika unterbrechen die harte Arbeit etwa auf zwei Stunden bis zum Ave Maria, welches die stummen bärtigen Figuren wieder im Refectorium versammelt.

[388] Um acht Uhr Abends ist jedes Leben in der Abtei erstorben; nur von Zeit zu Zeit hört man die Kühe brüllen und die Hunde kläffen, welche die Nachtwache halten.

In weiteren zehn Jahren wird das kleine blühende Gut hinunterreichen bis an die Ufer des Tiber; Schritt für Schritt werden die fleißigen Mönche der stiefmütterlichen Natur den Boden abtrotzen und zahlreiches Landvolk herbeiziehen. Sie werden dadurch den Beweis liefern, daß es keine Unmöglichkeit ist, das Weideland der großen Wüste, welche die ewige Stadt meilenweit umgiebt, zu fruchtbaren Feldern umzuwandeln, ohne die Menschen dem Fiebertod preiszugeben.

Wird aber das Beispiel der Trappisten Nachahmer finden? Werden die großen Grundbesitzer und Züchter der Campagna Romana auf die bequemen Einkünfte des Weidelands und ihrer Schaf- und Büffelheerden verzichten, um sich den Mühen und den Gefahren einer langwierigen Urbarmachung zu unterziehen, obgleich dieselbe doppelten und dreifachen Gewinn verspricht? Wir zweifeln daran, denn wo wird man die Opferbereitwilligkeit finden, welche die Arbeiter zehn Jahre hindurch in den sicheren Tod treibt, wie sie es bei den Trappisten that?

Das Aufblühen der Trappistencolonie hat allerdings schon jetzt die nicht ungerechtfertigte Besorgniß hervorgerufen, die seit wenigen Jahren erst aufgelösten geistlichen Orden auf diese Weise um so schöner und um so gefährlicher auferstehen zu sehen, weil sie gleichzeitig als Träger des Wohlstandes und der Arbeit auftreten würden, aber gerade dieser Besorgniß verdankt der Gedanke, große Arbeitercolonien in der Campagna zu gründen, seinen Ursprung. Die italienische Regierung sollte ein großes Interesse daran haben, denselben zu fördern; einen Theil der süditalienischen Auswanderung nach Südamerika künftig nach der römische Campagna zu lenken, müßte z. B. ihre Aufgabe sein. Es müßte dies der italienischen Regierung um so leichter und lieber sein, als der Vatican merkwürdiger und unverständiger Weise die Pflanzung in Tre Fontane mit scheelen Augen betrachtet und ihre Entwickelung durch Auferlegung von Tributen wenn nicht zu verhindern, so doch zu erschweren sucht.

Den Schutz, welchen die italienische Regierung deshalb den todesmuthigen Mönchen gewährt, wird daher Niemand tadeln, gewiß aber darf sie dabei nicht vergessen, daß das Unternehmen der Trappisten nur als eine Versuchsstation betrachtet werden kann, deren Gelingen sie sich zum Beispiel und zum Sporn dienen lassen muß, um die römische Campagna nicht etwa wieder für die vaterlandslose Ordensclerisei, sondern für das fleißige, arbeitslustige Volk des neuen Italiens zu erobern und zugleich damit die große sociale Lebensfrage für die ewige Stadt, welche in der Urbar- und Gesundmachung ihrer Umgebung liegt, einer ernsten Lösung entgegen zu führen.

Die Trappisten von Tre Fontane haben das Verdienst, diese Lösung zuerst angeregt und todesmuthig mit Erfolg versucht zu haben. Ehre daher, wem Ehre gebührt! Aber dem raschlebenden, thatkräftigen Geist unserer Zeit, den so viele sociale Sorgen beunruhigen, darf es nicht entgehen, daß hier ein Wettkampf bevorsteht, in welchem er siegen muß.

An ihm ist es, zu beweisen, daß die freie Vereinigung, daß das Genossenschaftswesen unserer Tage ebenso opferwillig handeln könne, wie die mittelalterliche sclavische Disciplin der Trappisten, und daß sie Erfolge zu erringen vermögen, welche für die wirthschaftliche, moralische und sociale Entwickelung eines Volkes stets weit bedeutsamer und wohlthuender sein werden, als alle noch so gut gemeinten Anstrengungen religiöser Brüderschaften, welche dadurch selbst am deutlichsten beweisen, wie sie keine Berechtigung mehr in der heutigen Gesellschaft haben, daß sie den Schwerpunkt ihres klösterlichen Gemeinschaftslebens hinausverlegten auf das Gebiet bürgerlicher und bäuerlicher Werkthätigkeit.


  1. Eine ausführliche Mittheilung über Gestalt und Charakter, wie über die Verpflanzungen und wunderbaren Wirkungen dieses riesigen australischen Gummibaumes ist von der „Gartenlaube“ bereits in Nr. 5 des Jahrgangs 1876 aus der geschätzten Feder ihres naturwissenschaftlichen Berichterstatters gegeben worden. Es gereicht uns zur Freude, in den obigen Schilderungen aus Rom die Angaben jenes früheren Artikels an einem so hochinteressanten Beispiel bis auf den letzten Punkt bestätigt zu sehen. Bedauerlich ist nur, daß man noch nicht allgemeiner Sorge getragen hat, das große Wasserbedürfniß dieses majestätischen Baumes zur Austrocknung morastigen Bodens und die aromatischen Ausdünstungen seiner Blätter zur Verbesserung der verheerenden Sumpfluft zu benutzen.
    D. Red.