Die Frau von Alvensleben
- Tenzel monatl. Unterr. 1689. S. 525.
- Hammelmann oldenb. Chronik.
- Der vielförmige Hinzelmann. S. 313–316.
- Prätorius Weltbeschr. I. S. 95. 101–104. u. Glückstopf S. 488. aus mündlichen Sagen und aus:
- Cyriak Edinus poematischen Büchern, die er vom Geschlecht der Alvensleben 1581. in 4to. herausgegeben.
Vor etlichen hundert Jahren lebte zu Calbe in dem Werder aus dem alvenslebischen Geschlecht eine betagte, gottesfürchtige, den Leuten gnädige und zu dienen bereitsame Edelfrau; sie stand vornämlich den Bürgersweibern bei in schweren Kindsnöthen und wurde in solchen Fällen von jedermänniglich begehrt und hochgeehret. Nun ereignete sich aber folgendes: zu nächtlichen Zeiten kam eine Magd vor das Schloß, klopfte an und rief ängstlich: sie möge ihr doch nicht zuwider seyn lassen, wo möglich alsobald aufzustehen und mit hinaus vor die Stadt zu folgen, wo eine schwangere Frau in Kindesnoth liege, weil die äußerste Stunde und Gefahr da sey und ihre Frau ihrem [86] Leibe gar keinen Rath wisse. Die Adelfrau sprach: „es ist gleich mitten in der Nacht, alle Stadtthore sind gesperrt, wie wollen wir hinauskommen?“ Die Magd antwortete: das Thor sey schon im voraus geöffnet, sie solle nur fortmachen, (doch sich hüten, wie einige hinzusetzen, an dem Ort, wo sie hingeführt werden würde, nichts zu essen noch zu trinken, auch das ihr angebotene nicht anzurühren). Darauf stand die adliche Frau aus dem Bett, zog sich an, kam herunter und ging mit der Magd fort, welche angeklopft hatte; das Thor fand sie aufgethan und wie sie weiter ins Feld kamen, war da ein schöner Gang, der mitten in einen Berg führte. Der Berg stand aufgesperrt und ob sie wohl sah, das Ding wäre unklar, beschloß sie doch unerschrocken weiter zu gehen, bis sie endlich vor ein kleines Weiblein gelangte, das auf dem Bette lag in großen Geburtswehen. Die adliche Frau aber reichte ihr Hülfe (nach einigen brauchte sie nur die Hand ihr auf den Leib zu legen) und glücklich wurde ein Kindlein zum Tageslicht geboren. Nach geförderter Sache sehnte sie sich wieder aus dem Berg heimzugehen, nahm von der Kindbetterin Abschied (ohne etwas von den Speisen und Getränken, die ihr geboten waren, berührt zu haben) und die vorige Magd gesellte sich ihr aufs neue zu und brachte sie unverletzt nach dem Schlosse zurück. Vor dem Thorweg aber stand die Magd still, bedankte sich höchlich in ihrer Frauen Namen und zog einen güldenen Ring vom Finger herab, den verehrte sie der adlichen Frau mit [87] den Worten: „nehmet dies theure Pfand wohl in acht und lasset es nicht von euch noch von euerm Geschlecht kommen; die von Alvensleben werden blühen, so lange sie diesen Ring besitzen, kommt er ihnen dermaleins ab, so muß der ganze Stamm erlöschen.“ Hiermit verschwand die Magd.
Dieser Ring soll noch heutigestages richtig und eigentlich bei dem Hause verwahrt werden und zu guter Sicherheit in Lübek hinterlegt seyn. Andere aber behaupten, er sey bei der Theilung in zwei Linien mit Fleiß entzwei getheilt worden. Noch andere: die eine Hälfte sey zerschmolzen, seitdem gehe es dem einen Stamm übel, die andere Hälfte liege bei dem andern Stamme zu Zichtow. Auch wird erzählt: die hülfreiche Frau war ein Ehweib, als sie drauf den folgenden Morgen ihrem Ehherrn die Geschichte erzählt, die ihr Nachts begegnet, habe er ihrs nicht wollen glauben, bis sie gesprochen: „ei wollt ihr mir nicht glauben, so holt nur die Schlüssel zu jener Stube vom Tische her, darinnen wird der Ring noch liegen.“ Es befand sich so ganz richtig. Es ist ein wunderliches um die Geschenke, die Menschen von den Geistern empfangen haben.