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Die Gartenlaube (1881)/Heft 13

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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum: 1881
Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[205]

No. 13.   1881.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.


Wöchentlich  bis 2 Bogen. Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig.



Amtmanns Magd.

Von E. Marlitt.
(Schluß.)

Der Amtmann stand in der Wohnstube und öffnete eben ein Fenster, um seine Pfeife auszuklopfen. Er bemerkte das junge Mädchen nicht, wohl aber den schräg herüberkommenden Gutsherrn.

„Herr, da sind Sie ja, und heil und ganz, wie ich sehe,“ rief er hinaus. „Allons, dann schnell herein! Meine Frau hat sich schwer um Ihr Leben gesorgt.“

„Na, Sannchen, bist Du nun zufrieden? Da siehst Du ihn nun selbst, unsern jungen Nachbarn, frisch und gesund, und noch dazu so blitzblank, wie aus dem Ei geschält,“ lachte er, als Herr Markus in die Stube trat. „Dachte mir’s doch; haben richtig noch ,Numero Sicher‘ erreicht und können sich gratuliren! Herr, war das ein Donnerwetter! Und unser Mädel kam nicht heim. Konnten wir denn wissen, daß sie derweil im Forstwärterhause gesteckt hatte? Trotzdem kam sie nachher ohne Hut, mit triefenden Haaren, und zitterte und bebte an allen Gliedern wie Espenlaub. Das ist sonst gar nicht ihre Art, müssen Sie wissen. Sie hat von ihrem Vater her Soldatenblut in den Adern, und an Courage fehlt’s ihr nicht, aber freilich so ein Gewitter im Walde ist kein Spaß.“

„Ich weiß es aus eigener Anschauung – ich war auch im Walde,“ sagte Herr Markus, der an das Bett getreten war, um die alte Frau zu begrüßen.

„Was der Tausend – wirklich? Ja, Herr, hat Sie denn der Satan geritten, daß Sie dem Ungewitter so schnurstracks in den Rachen gelaufen sind?“

„Ich habe Ihnen bei meinem Hiersein gesagt, daß ich eine Spur verfolge,“ antwortete der Gutsherr gelassen, „und da galt es, darauf loszugehen und nicht unter sicherem Dache zu warten, bis mir der Regen die Fußstapfen verwaschen hatte. Sie wissen, daß ich gegangen bin, Ihre entlassene Magd zu suchen.“

Die Hand der alten Frau, die er noch in der seinigen hielt, zuckte heftig zusammen.

„O, seien Sie ruhig!“ sagte er und sah der Kranken liebevoll, mit leuchtenden Augen in das erschrockene Gesicht. „Sie haben keinen Grund, sich zu ängstigen. Es war freilich ein mühevoller Weg für mich, und einen harten Strauß mußte ich auch erst ausfechten – aber ich habe das Mädchen gefunden.“

„,Gefunden‘!“ wiederholte der Amtmann stotternd mit gläsernem Blick und ließ die Rechte mit dem Pfeifenkopf wie gelähmt sinken. „Herr, wollen Sie uns zum Besten haben?“

„Liebster, was für ein Wort!“ klagte die Kranke mit bebender Stimme.

„Lassen Sie doch!“ beruhigte Herr Markus ernst lächelnd. „Die ,Komödie der Irrungen‘, in der ich eine Hauptrolle spielen mußte, ist zu Ende, und ich wäre wohl der Letzte, der sie weiter auszuspinnen wünschte. Es ist, wie ich sagte: ich habe das Mädchen gefunden. Sie kennen sie und haben sie lieb, und wissen doch vielleicht nicht, wie hervorstechend die Schönheit und der Adel ihrer Erscheinung ist: sonst würden Sie nicht der Meinung gewesen sein, die Magd im Arbeitskittel bleibe unbeachtet. Ich habe dem seltsamen Wesen nachgespürt, und da ich Thatkraft und Energie im Frauencharakter den vornehmen Gewohnheiten und Ansichten einer Weltdame bei weitem vorziehe und selbst ein Freund ehrlicher Arbeit bin, so hinderte mich nichts, mein Herz zu verlieren.“

Er wandte sich vom Bett der Kranken weg an den Amtmann, der sich an das eine Fenster zurückgezogen hatte und angelegentlich in den Hof hinaussah.

„Ich war in der That längst einig mit mir selbst, Ihre Magd zu meiner Frau zu machen, Herr Amtmann. Da wurde mir gesagt, sie sei plötzlich entlassen worden, und Sie selbst bestätigten ausdrücklich diese Thatsache. Nun werden Sie sich nicht mehr wundern, daß ich ,dem Ungewitter schnurstracks in den Rachen gelaufen bin‘, denn es galt, mein Lebensglück einzuholen. Und, wie gesagt, ich erhaschte es noch, freilich nicht als das, was ich geglaubt hatte – die Scene spielte sich ab wie im Märchen, wo sich im entscheidenden Augenblick der Held oder die Heldin verwandeln – es stellte sich nämlich heraus, daß auf dem Vorwerk die letzte Instanz ist, an die ich mich zu wenden habe, und deshalb bitte ich Sie hiermit pflichtschuldigst um die Hand meiner Agnes.“

„Das Teufelsmädel! So ein kleiner Sackermenter spielt einen völligen Roman hinter dem Rücken ihrer Alten, ohne daß man eine Ahnung hat,“ rief der Amtmann, seine grenzenlose Verlegenheit mühsam bekämpfend. „Aber Sie sollen sie haben, Herr Markus – Sie sollen sie haben. Du bist doch auch damit einverstanden, Sannchen?“

„Nur einverstanden, Liebster, Bester!“ stammelte die alte Frau tiefbewegt. „Auf den Knieen möchte ich dem lieben Gott danken für das Glück, das er unserem aufopfernden Kind beschert.“

Der Amtmann räusperte sich, öffnete die Stubenthür und rief mit schallender Stimme nach seiner Nichte, und gleich darauf flog sie die Treppe herab und kam herein, bräutlich lieblich im hellen Sommerkleide. Sie glitt am Bett der Kranken auf den Boden nieder und beugte das schöne Haupt unter den zitternden, welken Händen, die sich auf ihren Scheitel legten.

[206] „Welche Wandlung, mein Kind!“ flüsterte die alte Frau freudeweinend. „Ist’s nicht wie die Werbung des edlen Boas um Ruth?“

„Frauchen, was redest Du da für närrische Sachen!“ fuhr der Amtmann geärgert auf. „Nimm mir’s nicht übel, aber der Vergleich zwischen der Braut da und der armen Aehrenleserin in der Bibel paßt doch meiner Seele wie die Faust auf’s Auge. Bah, nur nicht bange machen lassen, Herr Markus – so schlimm steht’s nicht um die Moneten. Lassen Sie nur erst meinen Californier wieder da sein!“

Agnes sah verstört, mit hülfeheischendem Blick zu dem Gutsherrn empor, und die alte Frau sank wie gebrochen in die Kissen zurück, während der Amtmann hinausging, um, wie er sagte, dem glücklichen Ereigniß zu Ehren eine Flasche Wein aus seinem Keller zu spendiren.

„Ach, wie das schmerzt!“ seufzte die Kranke. „Mit Gold beladen müßte er heimkommen, mein armer Junge, wenn ihn der Vater willkommen heißen soll – und ich, ich gäbe den letzten Rest meines armseligen Lebens hin, wenn ich ihn nur wiedersehen dürfte, möchte er zurückkehren, wie er wollte! Aber er lebt nicht mehr –“

„Er lebt. Sie werden ihn wiedersehen und vielleicht recht bald. Ich gebe Ihnen mein Wort darauf!“ versicherte Herr Markus, indem er sich liebevoll über sie herabbeugte. „Es wird noch Alles gut werden – werfen Sie nur getrost das, was Ihr Herz bedrückt, auf meine Schultern!“

„Gott segne Sie! Gott segne Sie viel tausendmal!“ stammelte die überraschte Frau und faltete mit verklärtem Gesicht die gen Himmel gehobenen Hände.


19.

„Na, dann ist’s ja gut,“ würde Frau Griebel gesagt haben, wenn sie dabei gewesen wäre. Ob es ihr aber gefiele, wenn diese Erzählung mit dem Segenswunsch der „alten Frau Amtmann“ schlösse? Schwerlich! Denn erstlich würde es ihren Mutterstolz tief kränken, daß ihre Luise so ohne Sang und Klang vom Schauplatz verschwände; es ginge ihr ferner wider Pflicht und Gewissen, wenn all die lesenden Leute nicht erführen, wo und auf welche Weise das Confirmationsgeschenk der seligen Frau Oberforstmeisterin, Luisens Henkelducaten, wieder an’s Tageslicht gekommen ist, und schließlich hat ja die brave Dicke vor Allem noch fleißig ihre Hände zu rühren, auf daß Alles in’s rechte Geschick und Geleise komme, und das darf nicht verschwiegen bleiben, das muß gesagt werden – von Rechtswegen.

Sie stand am Tage nach dem Gewitter mit ihrem Töchterlein in der Hausflur und schnitt den verheißenen riesigen Rosinenkuchen in Stücke, und draußen auf den Thürstufen und unter dem Birnbaum harrten die herbeigeströmten jungen Leckermäuler und guckten gespannt, aber auch mit scheuem Respect durch die weit offene Thür: herein konnten und durften sie nicht – die weißen Schürzen der „Frau Verwalterin und ihrer Fräulein Tochter“ schimmerten und blendeten förmlich in Sauberkeit, und die gescheuerten Flurdielen thaten desgleichen, und obendrein stand Hanne mit einem großen Kuchenteller neben dem Tische und hatte wahrhaft mörderische Blicke für jeden kleinen nackten Fuß, der die Schwelle mit einem Abdruck seiner Sohle bedrohte.

Frau, Fräulein und Magd sahen plötzlich auf, als zwei eintretende hohe Gestalten den Eingang verdunkelten. Frau Griebel ließ das Messer sinken, und ihre schmal geschlitzten blauen Augen thaten sich weit auf. Ja, das war freilich Herr Markus, der Gegenstand ihrer mütterlichen Fürsorge, „ihr verhätscheltes Ziehkind“, wie er sich selber immer nannte, aber wie ganz anders sah er aus! So hoch aufgereckt, so stolz, so strahlend! Und neben ihm wehte ein weißes Kleid herein, und die schöne Schlanke, die es trug, und die an seinem Arme hing, „als müßte das so sein“, hatte ein hübsches graues Schleierhütchen auf ihrem dunklen Haar, den Hut aber hatte die brave Dicke schon gesehen; das war in der Tillröder Kirche, in Amtmanns „Stand“ gewesen; folglich war die weiße Dame da die Nichte des Amtmanns, das Gouvernanten-Fräulein, und der mußte stockblind sein, dem nicht sofort sonnenklar wurde, daß es mit dem Hochzeitskuchen seine Richtigkeit habe.

Und das kam so vom blauen Himmel herunter! Das war so hinterrücks abgemacht worden! Man mußte sich schämen, daß man so dünnn nebenher gegangen war und „keine Augen im Kopfe“ gehabt hatte, aber ihre Verblüfftheit sollte er nun auch nicht merken, der Herr Duckmäuser. Sie strich sich mit beiden Händen glättend über die knapp sitzende Schürze, ging einige Schritte vorwärts und machte einen feierlich bewillkommnenden Knix, und auf den Kuchen deutend, sagte sie mit verständnißinnigem Blick: „Der ist’s aber noch nicht, Herr Markus.“

Er lachte. „Nein, für’s Erste feiern wir Verlobung, wie es Sitte und Brauch und fein anständig ist – gelt, Agnes?“ Er stellte seine Braut vor, und währenddem hatte die ergrimmte Hanne „alle Hände voll zu thun“, die schmutzigen Barfüßchen zurückzuhalten, die sich herzudrängten, um der schönen Braut im weißen Kleide in das Gesicht zu gucken.

Sie war aber auch gar nicht stolz. Sie streifte sofort ihre Handschuhe von den Händen und half der kleinen Luise die Kuchenstücken unter die Kinder vertheilen, und der Herr Bräutigam holte flink einen Schlüsselbund und kam gleich darauf mit einem Arm voll Weinflaschen aus dem Keller. Jedes der schmausenden Kinder erhielt ein Glas Rheinwein, und der Gutsherr schüttete seine Börse voll kleiner Silbermünzen in die Hand der Braut, damit sie das Geld unter der jubelnden Schaar vertheile. Und während sie auf den Stufen stand, von den anstürmenden Kindern umdrängt, und halb lachend, halb verweisend die Ordnung aufrecht erhaltend, da schlürfte Frau Griebel bedachtsam den goldigen Trank aus ihrem Glase, und die klugen, blinzelnden Augen hingen an dem Mädchen – die flinken Hände dort guckten doch merkwürdig sonnenverbrannt und dunkel aus den weißen Mullärmeln. Am Halse, unter der Spitzenkrause, blinkte ein gehenkeltes Goldstück und das schöne Gesicht – na ja, sie hatte ja schon einmal gesagt, daß man solch ein Gesicht weit und breit suchen könne. Aber jetzt sagte sie nichts, gar nichts; sie stieß nur mit Herrn Markus an auf den „Schatz, den er habe“, wie er ja gestern selbst gesagt hatte, und meinte, so wie sie die Sache beurtheile, sei er wirklich ein Glückspilz und habe sich nicht verrechnet.

Und als sie später mit dem Brautpaar in das obere Stockwerk hinaufstieg, weil Agnes das Erkerzimmer zu sehen wünschte, da zeigte sie auf das Bild der seligen Frau Oberforstmeisterin und sagte geheimnißvoll: „Fräulein Braut, das war seine erste Liebe im Hirschwinkel – in den gemalten schönen Krauskopf da hatte sich unser junger Herr völlig verguckt; die Flachslocken hatten es ihm angethan –“

„Die Flachslocken am wenigsten, Verehrteste!“ lachte der Gutsherr. „Nein, der Zauber dieser Erscheinung wirkte erst wahrhaft hinreißend auf mich, nachdem ich einen tiefen Blick in das innere Leben der seltenen Frau gethan hatte,“ wandte er sich, sehr ernst werdend, an seine Braut: „So zart und lieblich, scheinbar ein schwaches Weib, und dabei eine Seele voll Kraft und Energie! Diese wundervolle Charaktermischung trat mir hier zum ersten Mal vor Augen und hat mich geschickt gemacht, Dich zu verstehen, zu würdigen, Agnes.“

Das junge Mädchen, das er bei diesen Worten zärtlich an sich zog, war zu Lebzeiten der alten Freundin nie in den Hirschwinkel gekommen; eine derartige Unterbrechung ihrer Einsamkeit hatte die Gutsherrin nicht geliebt, wohl aber war sie selbst öfter auf der Domäne Gelsungen gewesen, wo sie Gelegenheit genug gehabt hatte, Amtmanns Nichte und Pflegekind kennen und schätzen zu lernen. Die alte Dame hatte auch dort botanisirt, und aus diesen Streifzügen durch Wald und Feld war Agnes ihre stete Begleiterin gewesen.

Sie sah sich jetzt gerührt, mit feuchten Augen um in dem anheimelnden Zimmer, dessen Wände alle Stadien eines verwaisten Frauenherzens, vom ersten wilden Schmerzensausbruche an bis zur mildschweigenden Resignation herab, mit angesehen. Bisher hatte sie zu dem Erker nur im Vorüberübergehen voll ehrfürchtiger Scheu emporgeblickt – nun durfte sie eintreten, und der traute Winkel sollte ihr Mädchenstübchen sein, bis der geliebte Mann kam, sie heimzuführen.

„Ja, bei Lebzeiten der seligen Frau Oberforstmeisterin ist mir das Glashäuschen, der Erker da, immer vorgekommen wie ein Schmuckkästchen, voll blühender Reseda und Alpenveilchen, und um Weihnachten gab’s Maiblumen und Tulpen auf den Fensterbrettern, wie im schönsten Treibhause,“ sagte Frau Griebel.

„Ach ja, es war gar etwas Eigenes um unsere alte Dame – [207] ,die reine Poesie’ – sagt meine Luise immer bei dergleichen. Aber deswegen war sie doch resolut und praktisch wie irgend Eine – das Nothwendige und Nützliche kam immer in erster Reihe; ja, ja, da wurde nicht gefackelt. … Na, und was ich sagen wollte, Herr Markus, viele Sprünge können Ihre Gäste hier oben nicht machen; der Platz ist gar zu knapp –“

„Liebste Griebel, erschrecken Sie mich nicht! Ich wollte eben noch einen neuen Bewohner anmelden – der Sohn des Amtmanns ist angekommen –“

„I was! Der aus dem Goldlande?“

„Ja, der. Und er ist krank gewesen und soll sich hier erholen.

Und ich selbst bleibe natürlich auch im Hirschwinkel, so lange ich kann – Sie müssen Rath schaffen.“

„Ei ja wohl, daran soll’s nicht fehlen. Sie logire ich unten in meiner Wohnstube, und hier oben – na, da lassen Sie mich sorgen.“ –

Im Forstwärterhause hingen schon nach einigen Tagen die blauen Rouleaux nicht mehr hinter den Scheiben, und die Tillröder Jugend, die jetzt mehr als je eine ungewöhnlich reiche Beerenernte in den Wald lockte, sah das Brautpaar alle Tage zu dem „Forstwärter“ auf Besuch gehen. Der Kranke erholte sich zusehends. Anfänglich war er freilich sehr niedergeschlagen gewesen; er hatte gehofft, dem Gutsherrn, der ihn in einer so trostlosen Lage gesehen, nie wieder zu begegnen; ja, noch in seinen letzten lichten Augenblicken vor Ausbruch der Krankheit hatte er Agnes und den Forstwärter beschworen, mit keinem Worte seine Anwesenheit zu verrathen – er hatte für die Bewohner des Gutshauses absolut nicht mehr existiren wollen. … Nun aber kam der prächtige, imponirende Mann Tag für Tag an sein Bett und half ihn pflegen. Und der brüderlich herzliche Ton, den er anschlug, half schließlich dem Heimgekehrten über das Gefühl grenzenloser Demüthigung hinweg. Wahrhaft neubelebend aber wirkte die Nachricht auf ihn, daß ihm das Vorwerk als Eigenthum zufallen solle. Von diesem Tage an erhob sich seine gebeugte Gestalt in sichtlicher Wiederkehr geistiger Spannkraft und eines befestigten Willens.

Das war der eine Theil der Mission, die Herr Markus von den Schultern seines geliebten Mädchens nunmehr auf die seinen genommen; der andere, auf dem Vorwerk sich abspielende machte ihm ungleich mehr zu schaffen – der Amtmann ließ sich seinen Glauben an die kalifornischen Reichthümer absolut nicht nehmen. Er hatte für jeden ausgesprochenen Zweifel ein verächtliches Auflachen, und seine beißenden Repliken ließen durchblicken, daß er Neid und Mißgunst bei den Zweiflern voraussetze. Als ihm aber der Gutsherr an dem Tage, wo der junge Franz an seinem Arm zum ersten Mal in’s Freie gegangen war, mittheilte, daß ein Brief seines Sohnes an dessen alten Spielcameraden, den Forstwärter, eingelaufen sei, da war der alte Herr sehr still und betreten aus dem bisherigen langjährigen Schweigen des „Goldjungen“ ließ sich nun kein Capital mehr für den Renommisten schlagen. Mit jedem Tage rückte die vermeintliche Heimkehr des Sohnes näher und wurde es den Eltern deutlicher gemacht, daß er Nichts mit heimbringe, als ein Herz voll treuer Kindesliebe und den festen Willen, für die Seinen zu arbeiten, zu sorgen. Auch hier wurde die Mittheilung von dem Vermächtniß der alten Freundin zum heilenden Balsam.

„Nun meinetwegen denn, wenn es einmal nicht anders sein kann!“ sagte der Amtmann bittersüß; die alte Frau aber weinte selige Thränen. …

Unterdessen vollzog sich auch nach außen hin eine große geräuschvolle Wandlung. So lebendig war es seit undenklichen Zeiten nicht im Hirschwinkel gewesen. Auf dem Vorwerk wimmelte es von Arbeitern, die hier ein beträchtliches Stück des Fichtenwäldchens niederlegten, dort die Stallgebäude einrissen, während Tag für Tag Steine zum Neubau angefahren wurden. Und im Gutshause rumorten Besen und Scheuerwische; Betten wurden gesömmert, Teppiche und Möbel ausgeklopft, und Frau Griebel dankte dem Himmel, daß ihre Luise wegen eines Umbaues im Institut verlängerte Ferien habe und ihr beistehen könne. In all diesen Trubel hinein kamen auch noch Sendungen aus Berlin, ein Fahrstuhl für die Frau Amtmann und bequeme Lehnstühle in das Wohnzimmer der beiden alten Leute, und später – Herr Markus mußte selbst lachen, als er es auspacken half – ein Pianino in das Erkerzimmer. Da sollte es für immer bleiben, damit die junge Frau bei ihrem künftigen Sommeraufenthalt in Thüringen die Musik nicht entbehre.

„Ja nun sehen Sie, so geht’s, Herr Markus; so ändert sich der Mensch,“ sagte Frau Griebel mit hochgezogenen Brauen und lehrhafter Miene, als das schöne Instrument aufgestellt wurde. „Gleich zu Anfang gaben Sie mir recht deutlich zu verstehen, daß Sie das Clavierspielen nicht ausstehen könnten; natürlich hat meine Kleine dieserhalb keine Taste anrühren dürfen, wenn Sie zu Hause waren – und ich hätte gar manchmal für mein Leben gern meine Leibstückchen gehört, ach ja! – Nun lassen Sie für Ihr schweres Geld solch einen ,verwünschten Klimperkasten’ directement aus Berlin kommen, schleppen ihn selbst mit herauf, schwitzen und keuchen und zerbrechen sich den Kopf, wie er wohl am besten steht, daß nur um Gotteswillen beim Spielen kein solch kostbares Tönchen verloren geht. Und das Alles, weil Sie die zwei Hände lieb haben, die drauf spielen sollen. … Na ja, das wußte ich – ,Zeit bringt Rosen’ und ,Noth bricht Eisen’, und die Lebendigen gehen vor; die haben das Recht aus Erden, und was todt ist, das hat sich zu bescheiden. Du lieber Gott, wenn alle Welt so denken wollte wie Sie – nämlich, wenn allemal die Stuben der Gestorbenen mit Allem, was drin ist, bis in alle Ewigkeit verschlossen werden sollten – ja, nachher würde bald die ganze Welt eine große Trödelkammer sein, und das Menschenthum müßte den Lumpen Platz machen. Ich bin ja auch kein Unmensch und hab’ gewiß Respect vor dem Andenken der Leute, die gestorben sind, und deshalb[WS 1] hab’ ich dem seligen Herrn Oberforstmeister seinen Schlafrock tüchtig eingepfeffert – die Motten saßen nämlich fingerhoch drin – und mit all dem verschossenen abgetakelten Krimskrams in eine Kiste gepackt. Die steht nun festvernagelt in einer Bodenecke, und da kann sie bleiben bis an den jüngsten Tag – ich stör’ sie ganz gewiß nicht. Und das hübsche Daunenbett, worin das Oberforstmeister-Jüngelchen vor vielen, vielen Jahren einmal ein paar Wochen geschlafen hat, das liegt gründlich gelüftet und ausgeklopft in der Bettkammer, und es können nun auch einmal Andere darin schlafen. – So – und nun sehen Sie, wie hübsch bequem und geräumig es hier oben geworden ist! Jetzt könnten meinetwegen noch zehn Amtmannssöhne aus dem Goldlande kommen.“

Damit schloß sie die nach links liegende Zimmerreihe auf, und sie hatte Recht, ein behaglicheres Logement ließ sich nicht denken. Trotz alledem ging dem Gutsherrn die totale Umwandlung nahe – er hatte sie sanctionirt, ohne es zu wissen.

„Es war die höchste Zeit, daß ein vernünftiger Mensch wieder einmal in das Grabmal da hereinkam,“ führ Frau Griebel fort, ohne auch nur die geringste Notiz von der Verstimmung ihres jungen Herrn zu nehmen. „Und wenn unserer alten Dame die Mottenwolken um die Ohren geflogen wären, da hätte sie tausendmal ,Ja und Amen‘ gesagt zu einem gründlichen Ausfegen. – Uebrigens frage ich, was hätte denn werden sollen, wenn Sie später einmal mit Familie zur Sommerfrische in den Hirschwinkel kommen? Da sollten sich wohl die munteren kleinen Brandenburger vor dem vermoderten Sechswochenkindchen der Seligen in die Ecken drücken? I, das wär’ ja noch schöner.“

Dieses Argument der resoluten, leibhaftigen Praxis war offenbar der wirksamste Effect der ganzen ausführlichen Rede Herr Markus räumte schweigend das Feld.

Das begab sich am Morgen des Tages, wo die Uebersiedelung der „Amtmannsleute“ vom Vorwerke nach dem Gutshause stattfinden sollte. Droben war Alles fertig. Der Erker stand voll köstlicher Blumen, und über allen Thüren hingen Kränze und Guirlanden, drunten aber wurde erst recht gerückt und geschoben und abgestäubt – die Wohnstube, Herrn Markus’ einstweiliges Asyl, kam zuletzt an die Reihe.

Man mußte sehr vertieft sein in das Reinigungswerk; denn als die Einziehenden den Hof betraten, da bellte nur Sultan wie besessen zur Begrüßung, und die Truthühner kamen anstolzirt, sonst aber ließ sich kein lebendes Wesen sehen. Erst als der Gutsherr mit seiner Braut die Hausflur betrat, flog die Wohnstubenthür auf, und Frau Griebel kam herausgepoltert, hinterdrein Luise.

„Eine schöne Bescherung!“ rief die kleine dicke Mama. „Um ein Haar hätte ich den Willkommen versäumt, und hab’ mir doch die allerschönste Rede einstudirt. Aber der ist d’ran schuld.“ – Sie schlenkerte den verloren gewesenen Henkelducaten am langen [208] Sammetbande durch die Luft. „Ja, da ist er, der Sapperloter. Hinter der Commode hat er logirt, Herr Markus – wie wir die wegrücken, um Ihren Schreibtisch hinzustellen, da klingelt der Ausreißer auf die Dielen ’runter. Und Hanne behauptet, den habe Röse, das abscheuliche Ding, dahinter prakticirt, nur damit wir denken sollten, der arme Bursch, den wir von der Landstraße heimbrachten, sei ein Spitzbube gewesen. Sollte man denn für menschenmöglich halten? – Der arme Kerl hatte ihr auf der Gotteswelt nichts zu Leide gethan!“

„Er war kein Dieb – ich wußte es wohl,“ sagte Luise. „Er war stolz und brav. Solche gute, blaue Augen“ – sie verstummte plötzlich und wurde feuerroth. Unter der Hausthür, kaum drei Schritte entfernt, sah sie einen hohen, schlanken, etwas schmalschulterigen jungen Mann stehen; er war elegant gekleidet, sah fein und vornehm aus, und auf seinem unbärtigen, schmalen Gesichte schien jetzt der Widerschein der Röthe zu flammen, welche die Wangen des kleinen, blonden Mädchens bedeckte.

Er hatte den Amtmann die Thürstufen heraufgeführt. Der alte Herr verschnaufte einen Augenblick, ehe er in die Hausflur trat; dann kniff er Luischen in die Wange, und der „Frau Mama“ stellte er den ein wenig scheu und verlegen blickenden jungen Herrn an seiner Seite als seinen lieben Sohn vor, der eine weite, herrliche Reise zu seiner Belehrung gemacht habe − wie es sich für einen jungen Mann von Stande schicke – und erst gestern direct von Bremen angekommen sei. …

Gleich darauf rollte auch der Fahrstuhl drunten vor die Stufen. Der Forstwärter hatte es sich ausgebeten, die kranke Frau Amtmann fahren zu dürfen. Nun nahm er „das schmächtige Weibchen“ in der That wie ein Kind auf den Arm und trug es die Treppe hinauf in das Erkerzimmer, wo ein festlich arrangirter Eßtisch die Ankommenden erwartete.

Von diesem Tage an begann ein schönes, ein musterhaftes Zusammenleben im Gutshause. Selbst der Amtmann, die große Wandelung in seinem Dasein wohl empfindend, moderirte möglichst seine Streitsucht und Rechthaberei – bei seinen unvermeidlichen renommistischen Auslassungen drückten die Anderen mildschweigend ein Auge zu; er wäre sonst wohl erstickt an dieser unverbesserlichen Leidenschaft.

Sein heimgekehrter Sohn aber ging völlig auf in seinem neuen Beruf. Er trat noch einmal in die Lehre bei dem einfachen, wackeren Gutspächter. Von früh bis spät war er in Feld und Wald und arbeitete wie ein Knecht, und Peter Griebel meinte, nun werde das Vorwerk freilich „ein anderes Gesicht kriegen“.

Unter diesem Sonnenschein des Glückes lebte auch die alte Frau, die so lange in dumpfer Stube an das Krankenbett gefesselt gewesen war, neu auf; der Arzt verhieß ihr völlige Genesung. Abends versammelten sich alle Lieben, zu denen jetzt auch Peter Griebel mit Weib und Kind gehörte, um ihren Lehnstuhl im Erkerzimmer – da wurde musicirt und geplaudert, und gar manchmal funkelten noch um Mitternacht die hellen Fenster des Gutshauses in das feierliche Waldesschweigen hinein.

Herr Markus verschob seine Abreise von Woche zu Woche, und die kleine Luise, wünschte mit rührender Offenherzigkeit, daß die Schulstube im Institut niemals fertig werden möchte. Sie spielte keine Märsche mehr – Mendelssohns „Lieder ohne Worte“ und dergleichen waren an die Reihe gekommen, noch lieber aber sang sie mit ihrer süßen, keuschen Stimme „Ich schnitt es gern in alle Rinden ein“ und - was sonst noch der große Tondichter an sehnsüchtigen Wünschen und heimlicher Liebe in seine hinreißenden Klänge gebannt hat.

Daß diesem harmonischen, beglückenden Zusammenleben viel Geheimnißvolles vorausgegangen war, daran schien Niemand zu denken; es wurde mit keiner Silbe berührt. Auch der Forstwärter, der fast täglich aus- und einging – der Gutsherr hatte ihm zu seinem Entzücken alle Schätze der Bücherstube zur Verfügung gestellt – er war auf seiner Hut, und nie entschlüpfte ihm eine Bemerkung über die Zeit, wo er den schwerkranken Jugendfreund in seinem Hause verpflegt hatte. Herr Markus lachte im Stillen über die kluge, brave Dicke, die stets behauptete, „nicht von gestern“ zu sein – diesmal waren die scharfen blauen Aeuglein doch recht blöde gewesen, und die Mama konnte es hinsichtlich der Naivetät getrost mit ihrer sechszehnjährigen Einzigen aufnehmen. –

Es war aber am Abend vor der nunmehr definitiv festgesetzten Abreise des Gutsherrn – er mußte heim, um alles Unerläßliche zu seiner Verheirathung vorzubereiten. Sie waren Alle oben im Erkerzimmer versammelt. Der Amtmann, seine Frau und Peter Griebel spielten Whist mit einem Strohmann; die schöne Braut hatte sich für einen Moment hinter der Theemaschine postirt, und Frau Griebel strich an einem Seitentische Butterbrödchen, während Luise am Pianino saß und mit innigem Ausdruck sang: „Meine Ruh’ ist hin; mein Herz ist schwer.“ Der junge Franz lehnte seitwärts an der Wand, sodaß er dem reizenden blonden Mädchen in das Gesicht sehen konnte, und er that das angelegentlichst – er schien sie mit den Augen zu verschlingen.

Der Gutsherr stieß die am Seitentische beschäftigte Frau leise an und blinzelte lächelnd nach dem interessanten jungen Paar hinüber.

„Wie wär’s denn, verehrte Pflegemama, wenn am fünfzehnten September statt des einen zwei liebende Paare in der Tillröder Kirche zusammengegeben würden?“

„Ein Bischen zu früh, Herr Markus!“ sagte sie nichts weniger als überrascht und klappte eine dünne, bestrichene Brodschnitte mit gewissenhafter Genauigkeit zusammen. „Mein Mädel ist noch zu jung, und eine rechtschaffene Aussteuer macht man auch nicht so über Hals und Kopf fertig – was denken Sie denn? Da will mehr dazu. Sonst wär’ mir’s schon recht. Er ist brav und gut, einen besseren Schwiegersohn können wir uns nicht wünschen. Und meine Luise? Na, frisch und gesund und geschickt ist sie ja, und Kisten und Kasten sind auch nicht leer bei Griebel’s – mein Peter und seine Alte sind ihr Lebtag keine Faulpelze gewesen und haben zu sparen verstanden. Na ja, wie ich sage, recht wär’s uns beiden Alten; aber“ – sie zwinkerte dem Gutsherrn mit pfiffigem Lächeln zu und erhob sich ein wenig auf den Zehen, um sein Ohr mit ihrem Geflüster zu erreichen – „aber gelt, wer hätte das gedacht, als ich dem Rothbart draußen an der Straße die Semmel in die Hand drückte?“

Herr Markus hatte Mühe, ein lautes Auflachen zu unterdrücken. „Sie haben es herausgebracht?“

„Na ja, freilich – ich und meine Luise! Und die zu allererst! Die hat auf den ersten Blick gewußt, wo Barthel Most holt, und wenn zehnmal der Herr Amtmannssohn seinen rothen Bart abgeschnitten hatte. Sollte man’s denn denken, die Luise, das kleine unschuldige Ding, kaum aus dem Ei gekrochen? Aber die Liebe macht scharfe Augen; freilich, im Uebrigen ist sie für Alles, was drum und dran ist, gewöhnlich blind und taub – die Liebe nämlich – und merkt nichts, bis sie mit der Nase auf das Wahre und Reelle gestoßen wird – oder war’s vielleicht anders mit Ihnen und Amtmanns Magd, Herr Markus?“




In Sturm und Wetter.

Bora-Erinnerungen von Franz Zverina.

Will man begreifen, wie unsere Vorfahren das Beben der Erde, das Toben des Oceans, das Heulen der Orkane übernatürlichen Mächten zuschreiben konnten, so muß man, wenn die Elemente in Aufruhr sind, die Gelehrtenstube verlassen und hinaus treten in die freie Natur. Man muß aber in die stille Werkstätte des Forschers zurückkehren, wenn man den Triumph des Geistes bewundern will, der die Götzen des Aberglaubens zerschlagen und für diese zerstörenden Kräfte natürliche Erklärungen gefunden hat. Zwar ringen wir noch heute, wie einst unsere Urahnen, mit der brausenden See am Dünenstrand und dem heulenden Sturme im Gebirge, aber wir beugen nicht unser Knie vor vermeintlichen Göttern, wenn die Majestät der Natur zürnt; wir trotzen ihr vielmehr und suchen sie zu fesseln – wie wir es mit dem zuckenden Blitze bereits gethan – indem wir das Entstehen und den Lauf der Stürme vorhersagen. Aber der völlige Sieg des Menschengeistes über die Macht der Elemente liegt noch in einer fernen Zukunft. Die Natur, zugleich unsere Wohlthäterin und unsere Feindin, ist unerschöpflich in ihren Tücken, und oft erhebt

[209]

Im Borasturm.
Originalzeichnung von Franz Zverina.

[210] sie sich urplötzlich mit schrecklicher Wuth und zwingt uns zu einem ungleichen Kampfe. Fast jeder Strich bewohnter Erde trägt die Spuren solcher zerstörenden Naturausbrüche. Die fluchende See, die geschwollenen Flüsse, die brausenden Orkane, sie fordern alljährlich ihren Tribut an Menschenglück und Menschenleben und halten uns in beständiger Kampfbereitschaft.

Von solchem fortgesetzten Kriege mit der Natur hat die „Gartenlaube“ ihren Lesern schon eine große Reihe charakteristischer Schilderungen dargeboten; so entwarf sie erst vor Kurzem (Nr. 51 des vorigen Jahrgangs) ein anschauliches Bild von dem jahrhundertlangen Ringen eines mannhaften Volksstamms mit Sturm und Meer, von den Kämpfen der friesischen Küstenbewohner mit den Wogen der Nordsee. Heute nun will ich versuchen, eine ähnliche Schilderung, wenn auch auf ganz anderem Gebiete, zu entrollen, eine Schilderung der eigenthümlichen, in den südlichen Alpen Jahr aus, Jahr ein wiederkehrenden Orkane, jener wilden Sturmfluthen des Hochgebirges.

Schon zweimal ist diese gewaltige Naturerscheinung, die Bora des Karstes, den Lesern der „Gartenlaube“ vorgeführt worden, und zwar als „Der König der europäischen Sturmwinde“ (vergleiche den Artikel Jahrgang 1865, Nr. 11) und „Eine böse Fee der Alpen“ (Jahrgang 1873, Nr. 51). Wenn ich aber dennoch im Nachstehenden einige dieses Thema berührende Notizen mittheile, so geschieht es, weil sie eine nicht unwillkommene Ergänzung jener Artikel bieten dürften.

Ich rufe den Lesern zunächst in’s Gedächtniß zurück, daß die Bora ein heftiger mit sturmartiger Geschwindigkeit wehender Nordostwind ist, der seinen Namen wohl von dem classischen Boreas ableitet, meist plötzlich aufspringt und einen beschränkten Verbreitungsbezirk hat, vorzüglich aber deswegen merkwürdig ist, weil bei ihm auf einer Meile Wegs völlige Windstille und heftiger Sturmwind zu finden sind. Die Richtung der Bora ist anfangs immer Nord, allmählich Nordost, dann in Ostnordost und zuletzt in Ost übergehend. Im Observatorium der nautischen Akademie zu Triest wird die Geschwindigkeit des Windes durch eigene Anemometer (Windmesser) gemessen, und nach diesen Beobachtungen beträgt dieselbe 70 bis 80 Kilometer in der Stunde.

Am gewaltigsten wüthen die Borastürme auf jenen Hochebenen, welche durch keine höheren Bergrücken gegen Nordost gedeckt sind, in allen gegen Nordost offenen Thälern des Küstengebietes der Adria. Oft tritt als Vorbote der rasenden Bora eine auffallend trockene Luft ein, die bei Menschen und Thieren einen brennenden Durst verursacht; dabei ist das Wetter heiter, und nur um die höchsten Berggipfel sieht man wagerechte Wolkenschichten lagern, welche von den Südslaven bezeichnend Zastava (Fahne) genannt werden. Ein sogenannter Wolkenflug, wie er unsern Gewittern und Stürmen eigen ist, mangelt bei der Bora gänzlich.

Oft kündigt sie sich durch einige derbe Luftstöße, welche fernem Kanonendonner nicht unähnlich sind, an. Nun hört man, wenn man sich in der Nähe menschlicher Wohnungen befindet, einige wuchtige Schläge zugefallener oder zerschlagener Fenster, Thüren und Thore, und die gefürchtete Bora ist da. Alles flüchtet unter’s Dach, um sich vor dem unheimlichen Gaste zu schützen, und trotz engen Verschlusses wird es auch in den Innenräumen zuweilen empfindlich kalt.

Weht die Bora nicht stark, so ist es allerdings traut und gemüthlich, auf den alten Kaminbänken beim offenen Herdfeuer seine frosterstarrten Glieder zu wärmen und dabei die wilde Melodie der Bora über Kamin und Kopf streichen zu hören; tobt aber das Sturmgespenst mit aller Gewalt, so muß man auch diesen liebgewordenen Zufluchtsort räumen; denn die Gewalt der Bora schlägt den Rauch und das Feuer nieder, und der Qualm treibt bald die am Herde Sitzenden an ihre Schlafstellen, welche für die Dauer der Bora dann das einzige Wärme-Asyl bilden.

Man darf aber nicht unerwähnt lassen, daß das Borawetter das gesündeste und besonders erfrischend für Nervenschwache ist. Kopf und Sinn werden dabei klar und heiter im Gegensatze zum beklemmenden niederdrückenden Gefühl der Kopfschwere beim feucht-warmen Sciroccowetter.

Gegenden, in welchen die Bora haust, erkennt man auf den ersten Blick. Alles Geäst der Bäume ist dort nach der Bora Achtung hin gewachsen; die Baumstämme sind alle stark nach derselben Seite geneigt, sodaß man senkrechte Linien in der Natur gänzlich vermißt und die ganze Landschaft wie verzeichnet erscheint, Die Häuser haben gegen die Nordseite kein einziges Fenster, keine einzige Thür. Die Nordwände der Gebäude sind kahl und schanzenartig, gleich Festungsmauern, wettergrau und wüst. Die Kamine stehen pyramidenförmig auf breiter Basis, um dem Anprall der Bora Trotz zu bieten, und die Luft- und Rauchgänge in denselben sind besonders klug ersonnen und angelegt. Alles, was am Hause und um dasselbe an merklicher Flächenausdehnung aufgebaut ist, wurde aus möglichst großem Gestein massiv und solid hergestellt. Die Dächer deckte man mit den schwersten Hohlziegeln und beschwerte sie obendrein mit derben Steinen; sie ragen sämmtlich nur nach der Südseite vor, und so sind auch die Stiegen, Balcone oder Außengänge nur an der Südseite der Häuser angebracht, Ja, man bemerkt die Spuren des Existenzkampfes der Bewohner der unwirthlichen Planinen mit dem wilden Sturmelemente auch an ihren kleinen Gehöften und Oekonomien. Die oft nur einige Quadratmeter großen muldenartigen Felder, welche mit unglaublichem Fleiße dem felsigen Karstboden abgerungen wurden, sind wallartig mit aufgeschichteten Steinmassen umfriedet, um so die Kraft der Bora wenigstens theilweise zu brechen und die spärliche Vegetation einigermaßen vor dem eisigen Winde zu schützen, und nach der Bora finden die armen Karstbewohner trotzdem von ihren schachbrettartigen kleinen Feldchen oft genug den besten Boden weg gefegt, ein Schicksal, das sie besonders nach vorausgegangener anhaltender Dürre zu ereilen pflegt.

In der montenegrinischen Hochebene ist die Armuth in den kleinen mit Steinwällen umfriedeten Feldchen besonders sichtbar. Wenn mit dem Sturmwinde ein großer Theil des besten staubtrockenen Bodens verflogen ist, dann ist es ein stets wiederkehrendes trauriges Bild, daß ganze Reihen armer Weiber und Kinder auf Brettchen oder Korbgeflecht mühselig zusammengescharrtes Erdreich oft weit herbeitragen, um den Kampf um’s Dasein auf’s Neue zu beginnen, und athmen sie nach dieser Arbeit eben wieder ein wenig auf, so haben sie auch sofort unter einer zweiten Landplage zu leiden – unter der des Feldungeziefers, denn auf diesem nach Quadratmetern zu messenden Oasengrün concentrirt sich zur wärmeren Jahreszeit auch das meiste kleinere Thierleben der Raupen, Würmer und Engerlinge, nach welchen Hunderte von Raben und Dohlen gierig spähen. Den schädigenden Besuch dieser ungebetenen Gäste abzuwehren, ist nun wieder die Aufgabe der armen Weiber und Kinder. Tagelang hocken und fechten sie mit einem Stocke in der Hand gegen die schwarzen geflügelten Eindringlinge, und diese Ungezieferplage dauert an bis zum Eintritte der nächsten Bora. So wechselt Plage mit Plage über den Häuptern der montenegrinischen Armen.

Sind die Steinwüsten Montenegros ein trauriges Land für die Armuth, ein Land, das seine Kinder stiefmütterlich behandelt. so sind sie eine um so reichere Fundgrube für den Künstler. Wie man sich in diesen unwirthlichen Gegenden mitten im Borasturm Studien holt, will ich kurz erzählen. Ich sah vom Thalgrunde bei Golubovo, daß die hohen Randstellen der Gola Glavina Planina äußerst malerisch zerklüftet waren; denn ich gewahrte durch die Felskolosse zahlreiche Durchsichten in’s Aetherblau. Da ich nun leidenschaftlich gerade nach solchen Motiven fahnde, so wollte ich einige Mühe und etwas Schweiß daransetzen, um sie aufzunehmen. Ich klomm hinan und bestieg die 1500 Meter hohe steile Berglehne an einem drückend heißen Tage.

Kein Faden war an mir trocken, als ich oben anlangte, und ich mußte zwei volle Stunden zur Abkühlung und Trocknung der schweißfeuchten Kleider promeniren, ehe ich es gefahrlos wagen konnte mich niederzusetzen, um mein auserlesenes Object, eine zerklüftete Felsgruppe, zu zeichnen. Leider sollte ich die beglückende Naturanschauung nicht allzulange ungestört genießen. Die Luft kühlte sich merklich ab; die Temperatur sank rasch, doch verharrte ich in Arbeit vertieft so lange an demselben Orte, bis es leider zu spät war, um fliehen zu können. Die Studie war da – aber die Bora auch. Von dem anstrengenden Aufstieg zur Planina ziemlich ermattet, in einer menschenleeren Wildniß bei anbrechender Nacht flüchtete ich, um von der immer heftiger tobenden Bora nicht in den nahen Abgrund geschleudert zu werden, in einen windgeschützten Felswinkel. Dabei ging auch mein Proviant zur Neige; meine Lage war wahrlich nicht beneidenswerth – ich hatte allen Grund, um meine Rettung besorgt zu sein.

In scheinbar weniger stürmischen Momenten versuchte ich es, im Gerölle gebückt, kriechend, mich mit Händen und Füßen an das [211] Gestein klammernd und mich gegen dasselbe stemmend, wenigstens aus der Nähe der gähnenden Schlucht in ein entlegenes Versteck auf der Planina zu gelangen, aber vergebens; denn so oft ich einen Versuch wagte, wurde ich zurückgeschleudert, und jedesmal schätzte ich mich überglücklich, meine Haltestelle ohne Schaden wieder erreicht zu haben.

Endlich winkte mir die Rettung. Ich hörte etwas wie Steinschleudern und spitzte darob gewaltig die Ohren. Ich hatte mich nicht getäuscht; denn deutlich konnte ich das Schlagen und Aneinanderprallen auch größerer Steine wahrnehmen; in meiner überreizten Phantasie wähnte ich sogar auch schon Stimmen oder Rufe zu hören, und wie Einem in so verzweifelten Momenten oft die wunderlichsten Gedanken das Gehirn durchkreuzen, so durchzuckte mich auch die Idee, daß irgend ein zufällig dahergekommener Sterblicher meine gefahrvolle Lage erspäht habe und mir nun ein Zeichen der nahenden Hülfe gäbe.

Muthig setzte ich nochmals alle Kraft daran, nur dem nahenden Retter entgegen zu gehen, als ich aber verzweifelt nach einigen Blöcken und Steinen mit dem Arme auslangte, rollten mir diese selbst entgegen. Nun war das Anprallen und Schlagen der Steine erklärt: großer Gott – die Gewalt der Bora brachte selbst das Steingeröll in Bewegung. Meine Lage war eine äußerst kritische, mein Schicksal besiegelt. In die Struka (Plaid) gehüllt und mit dem Leibriemen umgürtet, stampfte ich instinctiv, um mich aus diese Weise warm zu erhalten, den Dauerlauf; so brachte ich sechs volle Nachtstunden an ein und derselben Stelle zu, und zwar angesichts des düsteren Schattens einer fürchterlich gähnenden Schlucht und bei heulender Bora.

Erst spät nach Mitternacht brach sich allmählich die Kraft des Sturmes, aber plötzlich auch die meine, und als nach Sonnenaufgang mit vorgerückter Stunde die Strahlen der Sonne immer sengender wurden überkam nach grenzenlose Mattigkeit; ich stürzte der Länge nach hinter einem Steinblocke nieder und verfiel in tiefen Schlaf. So hatte ich lange gelegen, als ein paar derbe Fäuste mir die Seele schier aus dem Leibe rüttelten Hirten fanden mich und wollten sich überzeugen, ob noch Leben in mir wäre, ich aber dachte im ersten Schrecke und in großer Schlaftrunkenheit, daß ich mich schon in Meister Petz’ erdrückender Umarmung befände, der speiselüstern an mir ein Wohlgefallen gefunden habe.

Nach längerer Wanderung labte ich mich in der zwei Stunden entfernten Baita (Hirtenhütte) an Zura (saurer Milch) und Skuta (Käse) und hörte die Erlebnisse der Hirten, welche um kein Haar erbaulicher waren, als die meinigen. Wie häufig übrigens solche Schreckensscenen in den montenegrinischen Bergen sich ereignen, davon sollte ich mich schon am nächsten Tage auf meiner weiteren Wanderung überzeugen.

Die Heerden mehrerer Dörfer wurden eben von der Planina nach den Thälern getrieben, und der Trieb erreichte gerade den Abstieg auf der Hochebene. Einzelne Thiergruppen betraten schon den Saumweg, der meist schmal und in den sonderlichsten Windungen und Schlangenlinien an den sehr schroffen Felslehnen thalab führt, als sich die Bora anmeldete.

Instinctiv trachteten die klügeren älteren Thiere der großen Gefahr, der sie am Höhenrande ausgesetzt waren, zu entrinnen Die allgemeine Flucht artete bald in Raserei aus. Die erfahrensten strammsten Hirten vermochten dem heillosen Gewirre keinen Einhalt zu thun, ja, sie selbst wurden von der Masse bis hart an den Schluchtrand gedrängt. Auf dieser Stelle der äußersten Felskante und fürchterlichen Grenze zwischen Höhe und Diese, Leben und Tod, spielten sich nun mit Blitzesschnelle Lebensscenen ab, wie sie nicht aufregender gedacht werden können. Alles tobte nach Rettung.

Was nur Leben hatte, drängte zum Abstieg. Niemand wollte zurückbleiben und weichen, ja, in der dichten Knäuelmasse schob Eines das Andere, und die Bora heulte im schrillsten Crescendo ihre wilde Melodei; da stürzt ein Hirtenweib, den Säugling auf den Armen, am Schluchtenrande zu Boden; sie hat mit ihrem strammen Arm den schartigen Felsblock erfaßt, um ihrem weinenden Säugling eine lebende Schutzwehr gegen die blökenden Stürmer zu schaffen.

In dem Momente der höchsten Gefahr erweist sich aber der Mann als Schirmer der Seinen. In der erschreckenden Aussicht, Weib, Kind und Heerde zu verlieren, springt er todesverachtend zur Stelle, deren einzige Schrittlänge zwischen Weib und Schlucht ihm kaum gestattet, sich auf sein langes Steinschloßgewehr zu stützen. Das drohende Unglück in seiner ganzen Größe vor den Augen, steht er wie aus Erz gegossen, wuchtige Peitschenhiebe nach der drängenden Heerde zurückführend, um diese, Weib, Kind und sich selbst zu retten.

Seitwärts von ihm hockt bereits einer der schwindelfreien in seiner Pflichterfüllung treu ausharrenden Gesellen, von der Bora bis in's letzte Versteck getrieben, hinter einem Felsblock, während sich auf denselben ein Schicksalsgenosse noch im letztmöglichen Momente auf die Brust zu Boden wirft, um nicht in die Tiefe fortgeweht zu werden

Abseits Geschrei, Windessausen, Sturmgeheul, Blöken der Mutterthiere nach den stürzenden Jungen.

Da tritt in dem wilden Concert eine kurze Pause ein; einen Augenblick setzt die Bora aus, und gottlob! diesen Augenblick kann die bedrängte Hirtenfamilie zu ihrer Rettung benutzen. Glücklich erreicht sie eine sichere Zuflucht hinter einer vorspringenden Felswand.

In einer Höhle geborgen, hatte ich aus der Ferne die grausenerregende Scene beobachtet, und sie prägte sich so tief meinem Geiste ein, daß ich sie später in dem Bilde, welches ich heute den Lesern vorführe, wahrheitsgetreu festhielt.

Und noch jetzt, wenn der stürmische Nord über dem schönen Wien an der blauen Donau dahinstreicht, noch jetzt denke ich manchmal an jene erregten Stunden und an die böse Fee des Karstes.




Feuerliesl.

Erzählung von Karl Weiß.
(Schluß.)


Ohne ein Wort zu erwidern, verließ Liesl die Stube. Der Bauer folgte ihr bald und trat auf die Straße hinaus. Dort traf er den Bachschneider-Loisl, der mit drolliger Miene, in welcher sich die krampfhaft festgehaltene Würde des Beleidigten und die ängstliche Erwartung des Liebenden bekämpften, der Begegnung mit Liesl harrte. Auf Loisl’s fragenden Blick erwiderte der Himmelbauer verlegen lachend. „Narrische Weiberleut! – Jetzt schamt sich das dumme Dirndl wieder.“

„Soll i ’nein geh'n?“ fragte Loisl erwartungsvoll.

„Heut net mehr.“

Der Junge stutzte.

„Versamst ja nix!“ besänftigte ihn der Alte. „Mei Dirndl wird Bachschneiderin; da drauf hast mei Wort.“ Und er hielt ihm die Hand hin.

„Wär mir ihr Wort schon lieber,“ murrte Loisl.

„Z’weg’n der Hand!“ lachte der Alte.

Loisl schlug ein, und Beide standen eine Weile neben einander.

Dann verabschiedete sich der Bachschneider mit einem kurzen „B’hüt Gott!“, aus dem die Verstimmung recht deutlich herausklang.

„Auf morg’n!“ ruf ihm der Alte nach.

Loisl nickte nur und verschwand dann zwischen den Zäunen.

„Vertrackt’s Weibervolk!“ murrte der Himmelbauer. „’'s is a wahr, a jed’s Unglück auf der Welt kommt von dem verteufelten Kittelvolk her.“

Dabei schüttelte er drohend die Faust.

In der Thür des Himmelbauerhofes wartete Veronika, die mit dem Bauer sprechen wollte. Als sie ihn zurückkommen sah, die buschigen Brauen finster zusammengezogen da zog sie sich behutsam zurück und wartete ab, bis er in’s Haus getreten war und die Stubenthür hinter sich zugeschlagen hatte. Dann schickte sie vorsorglich erst den Oberknecht zu ihm hinein, der denn auch nach einem heftiger Wortwechsel bald wieder aus der Stube herausgepoltert kam und laut fluchte, er wolle keine Stunde länger auf diesem Hofe und unter einem so „narrischen“ Bauer im Dienste [212] bleiben, Dann wartete die Alte nach ein Weilchen, und nun erst öffnete sie langsam die Thür. Der Bauer saß in seinem Lehnstuhle, kaute an den Nageln und starrte finster vor sich hin.

„Was wollt’s?“ fuhr er die Alte unwirsch an.

„Mit Euch red’n, Bauer.“

„Z’weg’n was?“

„Z’weg’n der Liesl.“

Der Bauer fuhr auf.

„Was is denn scho wieder mit dem vertrackten Dirndl?“

„Verliebt is’.“

„Geht’s!“ höhnte der Bauer. „Was Ihr net all’s wißt’s! Und in wem denn?“

„In Teichbauer-Toni.“

Der Himmelbauer sprang auf.

„Is das Euere ganze Neuigkeit?“

Sie schüttelte mit dem Kopf. Der Bauer stutzte.

„So redt’s!“ sagte er und warf sich wieder in den Lehnstuhl, der in allen Fugen krachte. Die Alte glättete ihre Schürze.

„D’ Liesl is ka Dirndl wie die Andern,“ begann sie dann zögernd, „wann die amal Ja sagt, so is Ja, und wann’s Na sagt, so is Na in alle Ewigkeit. Mit’n Derzwing’n geht’s da net.“

„No, dös möcht i sehn!“ polterte der Bauer dazwischen.

„Werd’s es a sehen,“ erwiderte die Alte trocken. Und näher an den Bauer herantretend, fuhr sie halblaut fort: „Die rennt Euch davon oder ’s giebt sonst a Unglück, wann’s den Toni net kriegt – i kenn’s.“

Der Bauer schwieg und nagte heftig an der Unterlippe. Durch sein Schweigen kühner gemacht, trat die Alte noch näher an ihn heran und sagte herzlich: „Gebt’s ihr den Toni, Bauer! Schaut’s, er is ja a braver Bursch, wenn er a arm is.“

„I kann net,“ ächzte der Himmelbauer. „I kann net,“ schrie er plötzlich auf und faßte die Alte an der Schulter. „Macht mi net Alle verrückt – i kann net, ewig net!“

Veronika flüchtete erschrocken zur Thür. „So thut’s, was wollt’s!“ keuchte sie. „I hab’s Euch g’sagt; jetzt kann i nix mehr thun als beten, daß der liebe Herrgott Euch a Einsehn eingiebt; denn sonst giebt’s a Unglück – und a schwer’s a no.“

Der Himmelbauer war wieder ruhiger geworden.

„Geht’s nur!“ meinte er höhnisch. „Könnt’s a mein’tweg’n beten, aber net z’weg’n dem Unglück – das nimm schon i auf mi.“

Die Alte schlug bei diesen lästernden Worten hastig ein Kreuz und ging betrübt hinaus; der Bauer schritt einige Male in der Stube heftig auf und nieder; dann schlug er plötzlich mit der Faust auf den Eichentisch, daß es dröhnte, und murmelte dabei: „’s muß gehn, so oder so. I derzwing’s schon, i – der Himmelbauer.“

Dann packte er seinen Hut und polterte hastig aus der Stube und aus dem Hause. Diesmal schritt er ohne Zagen geradewegs auf den Teichbauerhof zu. Erst an der Schwelle des Hauses überkam ihn die Erinnerung an den Anblick der Todten, die da drinnen ruhte. Er blieb stehen, wartete eine Weile unschlüssig, trat dann wieder zurück und spähte durch’s Fenster in die Stube. Dort saß der Toni noch immer zu Häupten seiner Mutter und starrte, den Kopf in die Hand gestützt, auf die Todte herab. Der Himmelbauer klopfte leise an’s Fenster. Einer von den jüngeren Buben sah auf und kam heraus.

„I muß mit’n Toni red’n,“ erklärte ihm der Bauer, „sag’ ihm’s!“

Hineingehen mochte er nicht wieder. Bald darauf erschien der Toni, bleich und hohläugig, auf der Schwelle. Der Alte nahm ihn bei der Hand und führte ihn, wie man ein Kind leitet, eine tüchtige Strecke weit die Straße hinauf.

Lange schwiegen Beide; dann sagte der Himmelbauer: „Was wirst denn jetzt mach’n mit die Bub’n?“

Toni blickte zur Erde und sagte leise: „I waß no nit.“

„Knecht kannst nit leicht bleib’n.“

Toni sah auf. Der Alte schien es nicht zu bemerken, sondern fuhr fort: „und wirthschaft’n wär scho recht – aber mit was?“

Hier hielt der Himmelbauer inne. Da Toni nichts erwiderte, fuhr er fort: „Der Fuchsbichler drüben in der Kalkleiten is d’ vorige Wochen gestorben – das wär a Anwesen für Di. Da könntest hausen mit die Buben und rechtschaffene Burschen aus ihnen machen – gelt?“

Der Teichbauer-Toni zuckte die Achseln.

„Der Fuchsbichlerhof!“ meinte er matt. „Wie sollt’ i zu dem kommen?“

„Kannst’n pachten von mir – i werd’n übernehmen.“

„Himmelbauer, is das Euer ernstliche Manung? Ihr treibt’s net Euern G’spaß mit mir?“

„Wann’st mei Hand drauf willst, da hast’s! Schlag’st ein?“

„Himmelbauer! Na, dös kann ja net Euer Ernst sein. Ihr wollt’s uns wirkli aus’n Elend heraushelf’n, wollt’s wie a Vater an die armen Bub’n handeln, die kan Vater – und jetzt a ka Mutter mehr hab’n – Himmelbauer! Dös muß Euch der Gottvater im Himmel verlohnen.“

Der Teichbauer-Toni ergriff die dargebotene Hand und drückte sie fiebernd. Eine Weile schritten die Beiden wieder schweigend neben einander her.

„A Beding is freili dabei,“ fing dann der Himmelbauer wieder an.

„A Beding? Redt’s, Himmelbauer, ’s wird nix Unrechtschaffen’s sein.“

„G’wiß net, g’wiß net!“ versicherte der Alte. „’s is nur - heirathen mußt, Toni. No ja, die Bub’n müssen a Mutter krieg’n.“

Der Teichbauer-Toni sah auf und blickte dem Himmelbauer fest in die Augen. Dieser wich seinem Blicke aus.

„No ja,“ wiederholte er unsicher, „allein kannst do net wirthschaften – und a junger rechtschaffener Bursch wie Du wird wohl leicht a brav’s Dirndl finden, das …“

„Das net g’rad das anzige Kind vom reichen Himmelbauer is,“ fiel ihm Toni in’s Wort. „Dessentweg’n hätt’ i g’schwind’ fort soll’n aus’n Dorf und in d’Kalkleiten nauf?! Himmelbauer, das war net rechtschaffen von Euch. Sagt’s g’rad heraus: Toni, mei Liesl gieb i Dir net.“

„Ewig net!“ schrie der Himmelbauer, seiner Erregung nicht mehr Herr. „Ewig net – mei letzt’s Wort – eher derwürg’ i ’s.“

Toni wehrte ihn mit der Hand.

„Ka Sorg, Bauer!“ entgegnete er erblassend. „I nimm net, was net mein g’hört, aber in d’ Kalkleit’n geh’ i a net. Das is mei letzt’s Wort. Jetzt b’hüt Gott!“

Damit wandte er ihm den Rücken und ging festen Schrittes in’s Teichbauerhaus zurück. Der Himmelbauer sah ihm lange nach.

„D’ ganze Mutter!“ murrte er vor sich hin und schüttelte ingrimmig den grauen Kopf.



7.

Es war indessen wieder Abend geworden, ein unfreundlicher, stürmischer Abend. Ueber den Bösenbergen thürmten sich, dräuenden Riesen gleich, schwarze Wetterwolken auf, die der kalte scharfe Märzwind heulend und pfeifend vor sich her trieb. Liesl stand am Fenster ihrer Dachkammer und blickte die Straße hinauf bis zur Biegung, die ihr neidisch den Anblick des Teichbauerhauses entzog. Sie dachte an Toni. Vergessen war der schwere Zwist mit dem Vater, vergessen das Herzeleid des Tages. Der Gedanke an den Geliebten glich der Hochfluth, die, ihre Dämme überwogend, in ein stilles Thal dringt und alles Leben um sich her verschlingt und überdeckt. Woran nur hatte sie gedacht, ehe sie ihn liebte? Sie wußte es nicht mehr, wußte nichts mehr, als daß sie ihn liebte.

Im Hause ward es still und stiller. Die Knechte und Mägde gingen zur Ruhe; ihr Lachen und Streiten verstummte allmählich; von Zeit zu Zeit klang noch eine Schelle aus den Ställen herüber oder ein Hahn krähte halblaut im Traum.

Nach einer Weile hörte Liesl die alte Veronika zur Ruhe gehen und die Thür ihrer Kammer schließen – nun war jeder Laut im Hause erstorben.

Sie setzte sich still auf ihr Lager und stützte den brennenden Kopf in die Hand. Wieder flogen ihre Gedanken zu dem Geliebten hin … Er saß wohl noch an der Leiche seiner Mutter und gedachte nur seines Schmerzes. Fast haßte sie diese Mutter, die ihr noch im Tode so viel seiner Liebe raubte. Wie sie ihn liebte! Der Gedanke’ überkam sie, daß solche glühende, berauschende Liebe sündhaft sei. Der Herr Pfarrer hatte erst kürzlich gepredigt: Liebe sei Gott, Leidenschaft aber der Teufel; der Mensch glaube oft Gott in sich aufzunehmen und umarme den Teufel. – Sie dachte an Toni’s liebe, treue Augen. Nein, es konnte nicht sündhaft sein, in diesen klaren Spiegel zu schauen und immer wieder zu schauen und glücklich zu sein. Und wenn’s sündhaft war, konnte sie denn anders als ihn dennoch lieben? Das war ja

[213]

Fischerin.
Nach dem Gemälde von J. F. Engel.


unmöglich und Unmögliches konnte auch der liebe Herrgott nicht von ihm fordern. – Horch! Schritte auf der Straße! Kam er noch ihr gute Nacht zu sagen? Ihr Herz schlug so heftig, daß sie es bis in, den Hals spürte. Sie wollte aufstehen und zum Fenster eilen, aber sie vermochte es nicht; wie festgebannt saß sie auf ihrem Bette und horchte. Die Schritte kamen näher und näher. – Er war’s! … Nein, der Vater war’s; nun erkannte sie den Schritt. Er blieb vor dem Hause stehen dann im Vorhause; Endlich hörte sie, wie er die Dachtreppe zu ihr emporstieg. Was wollte er so spät noch bei ihr? Seine Miene versprach nichts Gutes, als er nun eintrat. Er sah blaß und verstört aus; die grauen Haare hingen ihm wirr in die Stirn, und seine Kniee wankten. – Er hatte getrunken.

„No, Liesl,“ lallte er, „hast Dir’s leicht besser überlegt? Giebst mir jetzt a g’scheidtere Antwort?“

Sie sah ihn nur an – ihre Augen antworteten.

„Net? Also net?“ knirschte er. „Willst net lassen von Dein – – Toni?! un Gott’sstraf’ Du!“ Er wollte auf sie eindringen, besann sich aber und lachte wild: „Dir werd’ i schon no g’wachsen sein, Du schlecht’s Kind Du! Morgen in aller Früh fahrst mit mir zum Höbibauer-Vettern nunter; dort bleibst so lang, bis d’ Aufkündzeit um is, und dann wirst Bachschneiderin. Und wenn i Di bei die Haar’ in d’ Kirchen schleppen muß – Du wirst’s. I bin Himmelbauer – i! Und was i will, das is g’wollt und das g’schieht, weil i waß, warum i ’s will. – Jetzt schlaf’ und bitt’ unsern Herrgott daß er Dir d’ Unvernunft austreibt und ein G’horsam beibringt gegen den Vatern! – – Reiz' mi net mit Deine Augen! Bet', sog i Dir – und schlaf'!“ Er wandte sich zur Thür. „Und z’weg’n dem Unglück,“ meinte er langsam, „was mir d’ Veronika so fein hätt’ beibring’n soll’n, da will i ein Riegel vorschieb’n“

Beim Höbibauern werden's schon gut aufpassen, daß der zukünftigen Bachschneiderin nix geschieht und – – heut’ Nacht wirst eing’sperrt.“

Damit polterte er hinaus, schlug die Thür hinter sich zu und schob außen den Riegel vor. Dann stolperte er fluchend die Treppe hinab.

Liesl blieb allein. Sie sprang auf und rüttelte an der Thür. Vergebliche Mühe – der Riegel hielt fest. Sie wollte aufschreien, aber die Stimme versagte ihre nur ein heiseres, ohnmächtiges Kreischen entrang sich ihrer Kehle. Sie knirschte mit den Zähnen, ballte die Hände, warf sich wie wahnsinnig auf ihr Bett und zerwühlte ihr Haar. Dann schnellte sie wieder empor und schlug mit den Händen gegen die verschlossene Thür. Vergebens, alles vergebens! Die Thür hielt fest. Allmählich erlahmte ihre Kraft. Ermattet wankte sie van der Thür zu ihrem Lager, auf das sie erschöpft hinsank. Das Licht war zu Boden gefallene sie merkte es nicht; die Augen fielen ihr müde zu, und der traumlose Schlummern der Ermattung umfing sie. So lag sie eine ganze Weile, wohl – eine Stunde lang oder länger, regungslos, tief athmend, in bleischwerem Schlafe. – – Darm plötzlich – ein scharfer Brandgeruch und ein schwerer Rauch, der die Stube erfüllte! Liesl erwachte jählings. Sie öffnete müde die brennenden Augen und spähte durch den heißen Qualm. Zu Füßen ihres Bettes lag das Licht, das herabgefallen war und dessen Flamme nun am Boden weiterbrannte, der hier und dort bereits glimmte und gloste.

Rasch führ sie auf und wollte die kleine Flamme ersticken. Da fiel ihr Blick auf die Thür, an der die Flamme bereits empor zu züngeln begann. Die Hand, die nach dem Wasserkruge langte, sank herab. War diese kleine Flamme nicht ein Wink des Himmels, der sie zu ihrer Befreiung gesandt hatte? Morgen früh sollte sie [214] fort, sollte zum Höbibauer, dem alten griesgrämigen Vetter, und dann – dann sollte sie Loisl’s Weib werden und den Toni nicht wiedersehen – –

Den Toni! Sie legte die Hände über die schmerzenden Augen und lehnte sich auf’s Bett zurück. Wenn sie die Augen schloß, sah sie ihn stets; auch jetzt erschien er ihr wieder, mit flehenden Blicken und auf den Lippen ein rührendes: „Komm!“

„I komm,“ rief sie, „i komm.“

Die Flamme züngelte weiter; schon hatte sie den Thürstock ergriffen. Draußen heulte der Sturm; die Fenster klirrten, und der Wetterhahn auf dem Dache drehte sich kreischend.

In solcher Nacht hatte Toni wohl oft einsam auf Wache stehen müssen, allein, fremd in fernem Land. Armer Toni! Wie wollte sie ihn lieben für jene Zeit – und für alle künftigen! …

Immer weiter griff die Flamme; immer dichter erfüllte der Qualm die Stube; immer heißer wurde die Luft, die Liest athmete. Sie sprang auf und öffnete das Fenster, das, vom Sturme erfaßt und an die Mauer geschleudert, in tausend Scherben zertrümmert zur Erde niederstürzte. Der Sturm tollte nun frei in der Stube und blies in das glosende Feuer an der Thür, das lustig aufflackerte. Jetzt war das Schloß erreicht. Liest sah, wie die Flamme daran emporleckte – ein wilder Ruck, und der glimmende, halbverkohlte Thürstock gab nach – die Thür stand offen.

Der Sturm heulte hindurch und fachte die Flamme jählings an, die hochaufflackernd das Bettgestell ergriff und es im Nu in eine schwere, dunkle Rauchwolke hüllte.

Liesl sah es nicht mehr. Sie sprang über die brennende Schwelle und stürzte mit versengtem Rocke die Treppe hinab, durch das dunkle, stille Vorhaus hinaus – hinaus! In’s Freie!

Jetzt fiel die Thür hinter ihr in’s Schloß; der Hund schlug im Hofe an; sie stand auf der Straße, war – frei. Sie sah auf das Haus zurück, schüttelte sich wild und sagte: „Brenn’ zu!“

Der Sturm erfaßte ihre langen Zöpfe und peitschte sie ihr in’s Gesicht. Sie faßte die flatternden Maschen mit beiden Händen und lief mit dem Sturme die einsame Dorfstraße hinauf, dem Teichbauerhofe zu. – –

Der Himmelbauer lag indessen in seiner Stube nur halb entkleidet auf seinem Bette. Er konnte nicht schlafen. Erst hatte ihn Liesl’s Lärmen und Toben gestört; dann war er eingeschlummert und jählings wieder aus einem beängstigenden Traume aufgefahren. Die todte Teichbäuerin war ihm erschienen, bleich und finster, wie er sie heute auf ihrem letzten Lager gesehen hatte, und mit ihr waren alle die längst begrabenen Gestalten und Erinnerungen aus seiner Jugendzeit wieder erwacht.

Die Teichbäuerin! Sie war einmal schön gewesen, die alte, finstere Teichbäuerin – schön und jung. Er sah sie wieder wie einst, drüben in seinem Heimathsdörfchen „An der Lehn“, viele Meilen von seiner jetzigen Heimath entfernt. Welch eine schmucke, kernfrische Dirne das Höller-Nannerl war, und wie glockenhell ihre Stimme klang, wenn sie mit ihm des Abends lustige G’stanzeln sang! Freilich war auch er damals ein blutjunger Bursche gewesen – und das junge Volk sang und scherzte so lange von Liebe und Liebeslust, bis aus dem Scherze Ernst wurde. Trotz ihrer Armuth hatten die Beiden doch treu bei einander zu bleiben und sich endlich, wenn’s anging, auch heirathen zu wollen geschworen – es kam anders. Er fand einen Dienst im Himmelbauerhofe, und sie blieb daheim bei ihrer alten Mutter zurück. Die Tochter des Himmelbauers fand Gefallen an dem schmucken, jungen Knechte, und da der Bauer plötzlich starb, bot sie ihm ihr Herz und den schönsten Bauernhof im Dorfe als Morgengabe an. Die Wahl war rasch genug geschehen. Der simple Sepp verwandelte sich in den reichen Himmelbauer, und als das arme Dirndl von der „Lehn“ drüben den drei Tage weiten Weg herüberkam, um einen Dienst zu suchen, da ihre Mutter gestorben war, gab es just eine Hochzeit im Himmelbauerhofe. Als sie erfuhr, wer der schmucke, junge Hochzeiter sei, ging sie droben bei den drei Teichen in’s Wasser. Der Teichbauer, der eben des Weges kam, um nach seinen ausgesteckten Fischnetzen zu sehen, zog die fremde Dirne heraus und brachte sie in sein Haus, wo sie wieder zum Leben erwachte. Der Teichbauer war ein häßlicher, roher Bursche, der gerne spielte und trank; dennoch blieb die Gerettete bei ihm, und ehe der Herbst in’s Land zog, war sie Teichbäuerin – Wohl des Buben wegen, den sie kurz vorher geboren hatte. - -

Der Himmelbauer ächzte und wälzte sich schweißtriefend auf seinem Lager hin und her. Vergebens! Die Schatten jener längst entschwundenen Zeit verfolgten ihn wie gehetzte, kläffende Hunde. Das Bild des furchtbaren Brandes, der den Himmelbauerhof fast vollständig eingeäschert hatte, trat vor seine Seele. Es war in seiner Brautnacht. Er hatte sich eben mit seinem jungen Weibe aus der großen Stube gestohlen, in der die Verwandten und Freunde noch saßen und tranken, und der wüste Lärm ihres Lachens und Johlens drang nur gedämpft zu ihnen herüber. Als das junge Paar über den dunklen Hof schlich, huschte eine Gestalt vorüber, eine junge blasse Dirne, deren Anblick ihm das Blut erstarren machte. Das Nannerl war’s.

Er wollte ihr nach, wollte Gewißheit haben, ob sie es sei, aber sein junges Weib, das die flüchtige Erscheinung nicht gesehen hatte, zog ihn mit sich fort. Er trat mit ihr in die stille Brautkammer, sie lag zitternd in seinem Arm – da zischte es hinter ihm auf, hier, dort; ein heller Schein drang durch das Fenster herein; Brandgeruch erfüllte das Haus, und „Feuer! Feuer!“ schrie es plötzlich gellend auf.

Der Himmelbauer führ jählings aus dem Schlafe empor. „Feuer! Feuer!“ War das noch sein lebhafter Traum? War es furchtbare, erneute Wirklichkeit?!

Er horchte. Tiefe Stille herrschte um ihn her; nur der Sturm heulte draußen, und der Hofhund schlug an. Ermattet lehnte sich der Bauer auf sein Lager zurück; die Erinnerung an jene gräßliche Nacht hatte ihn aus dem Halbschlummer aufgescheucht. Da gellte es von Neuem:

„Feuer! Feuer!“

Von der Straße leuchtete es wie Morgendämmerung in seine Stube; die Thür wurde aufgerissen, und die Veronika kreischte ein halbersticktes: „Feuer! Bauer! Es brennt.“

Der Himmelbauer kleidete sich schnell an und stürzte aus der Stube. Von der Dachstiege herab drang ihm dichter, erstickender Qualm entgegen – oben in der Kammer seiner Tochter brannte es. Plötzlich stand es furchtbar vor seiner Seele: Liesl war eingeschlossen; sie mußte verbrennen, war vielleicht schon in dem Qualme erstickt. Er wollte hinaufeilen, sie zu befreien, vermochte es aber nicht mehr; schon auf den ersten Stufen drang ihm eine neue, stärkere Rauchwolke entgegen, die ihm schier die Sinne raubte.

„Zu Hülfe! Zu Hülfe!“

Im Hause ward es jetzt lebendig. Von allen Seiten stürzten die Knechte herbei, noch schlaftrunken, kaum bekleidet. Sie taumelten an einander und fluchten wild; die Mägde kreischten und rannten wirr durch einander; von den Ställen tönte das Brüllen und Stampfen der geängstigten Thiere herüber, und inzwischen prasselte und zischte es oben immer furchtbarer und näher – und Keiner, der den Aufstieg in die Dachkammer gewagt hätte, Keiner der des Herrn achtete, Keiner der seinem verzweifelten aus Rauch und Qualm heraustönenden Rufe Folge leistete. Jeder suchte nur sich selbst und seine nächste Habe in’s Freie zu retten; die eigene Angst hatte sie Alle blind und fühllos gegen fremde Todesgefahr gemacht. Noch einmal versuchte der Himmelbauer die Treppe zu erklettern; er mußte hinauf, mußte sein Kind retten.

„Liesl! Liesl!“ kreischte er durch den Rauch. „I komm’, i komm’.“

Und Stufe um Stufe klomm er empor; da krachte es über seinem Haupte; er sah die Flamme auflodern, die aus der geöffneten Thür der Kammer schlug; die Stufen hoben sich unter seinen Füßen – ein furchtbarer Schlag, und er stürzte, in Rauch und Schutt gehüllt, mit der einbrechenden Treppe tief hinab. Im Sturze noch hörte er die gellende Stimme der Veronika, die „Bauer, Bauer!“ schrie; dann schwanden ihm die Sinne.




8.

Einsam und dunkel lag das Teichbauerhaus, auf das Liesl, vom Sturme getrieben, zulief. Keuchend hatte sie es jetzt erreicht. Sie pochte an die Thür und horchte. Im Hause rührte sich nichts. Noch einmal pochte sie, doch wieder vergebens – Alles blieb stumm und still.

„Schläft er?“ Konnte er schlafen, indeß sie in tödlicher Angst vor seinem Hause stand und auf ein Lebenszeichen harrte? Sie pochte an’s Fenster, dann mit verdoppelter Kraft an die Thür. Endlich, endlich rührte sich’s im Hause. Ein leiser Schritt näherte sich der Thür, und eine ängstliche Kinderstimme fragte: [215] „Wer is?“

„I bin's, i –“

„Wer?“

„I, d’ Himmelbauer-Liesl. Frag’ net solang! Weck ’n Toni und sag’ ihm, daß i da bin.“

„Der Toni is net z’ Haus,“ zitterte die Stimme zurück.

„Net z’ Haus? Wo is er denn hingangen

„I waß net.“

„Denk’ nach! I bitt’ Di um All’s – denk’ nach!“

Eine Pause trat ein, die Liesl endlos dünkte. Sie bog sich wieder zum Schlüsselloch herab und fragte ängstlich.

„No?!“

„I waß net!“ klang es weinerlich zurück.

„Denk’ nach – denk’ nach! Hat er nix. g’sagt? I schenk’ Dir mei golden's Kreuzl und a wunderschön's Bildl dazu … denk' nach!“

„I was net.“

„Jesus Maria! Er wird do was g'sagt hab'n“

„Zum Fischerjackl geht er, hat er g’sagt,“ mischte sich eine andere Bubenstimme in's Gespräch, „bei die drei Deich’, ’n Sarg für d’ Mutter b’stell'n.“

„Zum Fischerjackl bei die drei Teich’?“

„Ja, ’n Sarg b’stell’n.“

„Dank’ Dir, Sepp! Bist Du’s?“

„Ja, i“

„Kriegst mei Kreuzl, Sepp.“

„Und 's Bildl?“

„Kriegst a, morgen! Jetzt gute Nacht!“

Zu den drei Teichen! Sie eilte fort, den Teichen zu. Der Sturm hatte plötzlich umgeschlagen; er heulte und tobte ihr jetzt entgegen. Nur Schritt für Schritt konnte sie, gegen ihn ankämpfend, die Höhe erklimmen. Ihre Kraft erlahmte im Kampfe gegen das wilde Element; sie mußte immer häufiger stehen bleiben, um Athem zu gewinnen; endlich konnte sie nicht mehr weiter; die Kniee sanken ihr zitternd; ihr Kopf glühte, und ihr Herz pochte übermächtig.

Sie setzte sich im Straßengruben nieder – und weinte. Da kamen Schritte die Straße herab.

„Wenn’s der Toni“ dachte sie. Die Erinnerung überkam sie, wie sie das schon einmal gedacht hatte, und wie dann statt des Geliebten der betrunkene Vater gekommen war. Es überlief sie eisig. Die Schritte kamen näher; eine hohe schlanke Gestalt hob sich dunkle vom matt erleuchteten Nachthimmel ab.

„’s is der Toni,“ dachte sie, aber die Thränen flossen weiter. Jetzt war die Gestalt ganz nahe.

„Toni!“ rief sie. Der Stirn verschlang ihre Stimme. Eine namenlose Angst befiel sie. Wenn er vorüberginge, ohne sie zu bemerken und sie auf weiter öder Haide einsam und allein bliebe! „Toni!“ schrei sie auf, und die Angst gab ihrer müden Stimme die Kraft, das Geheul des Sturmes zu übertönen.

Der Toni war’s wirklich. Er hob sie zu sich empor und trug sie mehr, als er sie führte, die Straße zurück, dem Dorfe zu. Er hatte seinen Arm um sie geschlungen, und die legte ihren Kopf an seine Brust. Ihr war so wohl, so sicher, wie noch nie. Jetzt sahen sie das Dorf vor sich liegen. Vorn stand einsam und dunkel, wie ausgestoßen, das Teichbauernhaus, doch drüben – just an der Stelle, wo der Himmelbauerhof stehen musste, leuchtete es weit über den nächtlich dunkeln Himmel hin … Das war Feuer!

„Jesus!“ rief der Toni. „Schau, Liesl, schau dorthin!“ Euer Hof brennt.

„Laß brennen!“ hauchte sie und drückte sich fester an seine Brust.

„Komm, Liesl! Wir müssen hin, müss’n helf’n, wo z’ helf’n is …“

„Laß brennen, sag’ i!“ wiederholte die Liesl erschaudernd und umklammerte seinen Hals. „Komm!“ flüsterte sie, „führ mi zu Dir! I bin so matt … i kann net weiter.“

„Nimm Di z’samm’, Liesl!“ hastete er „wir müss’n hin – vielleicht hat’s Dein Vatern im Schlaf überrascht. I hol’n raus, und wenn er mitten im Feuer liegt … Komm!“

Er versuchte sie fortzuziehen. Liesl umklammerte seine Hand und drückte sie an ihr Herz.

„Spürst Du’s schlagen?“ flüsterte sie inbrünstig. „Das schlägt nur für Di, nur für Di allein auf der ganzen Welt“

Das kennt kein’ Vatern und kein Herrgott – nur Di, Toni, nur Di!“

Toni riß sich los.

„Liesl!“ schrie er auf. „Liesl! – Und Dei Vater?!“

Noch einmal versuchte sie es, ihn zu umklammern. Ihr heißer Athem zitterte auf seinem Munde.

„Laß brennen, was brennt!“ sagte sie.

Er aber stieß sie von sich. „So nit!“^ rief er. „Der ganzen Welt zum Trutz solltest mein g’hör'n - aber so nit! So nit!“

Sie erwiderte nichts mehr. Bleich, mit weit geöffneten Blicken stand sie vor ihm und starrte ihn, wie aus einem schweren Traume erwachend, an.

„So komm!“ sagte sie endlich mit rauher Stimme.

Er wollte ihr die Hand reichen; sie stieß sie zurück und eilte vor ihm her, dem brennenden Himmelbauerhofe zu.

Verworrene Stimmen tönten ihr schon auf halbem Wege entgegen; dunkle Gestalten drängten und hasteten im weiten Kreise um das Haus, aus dessen Giebel die hellen Flammen aufschlugen und in den Nachthimmel emporzüngelten.

Vor dem Hause, an allerlei herausgerettetes Geräthe gelehnt, lag der Himmelbauer mit zerschmetterter Brust, wie ihn einige der Beherztesten auf den gellenden Hülferuf der alten Veronika doch endlich unter den Trümmern der eingestürzten Dachtreppe hervorgeholt hatten. Die Alte kniete neben ihm und hielt seinen Kopf in ihrem Schooße; der Bader untersuchte seine Wunden. Er schüttelte den Kopf.

„Holt’s den Hochwürdigen!“ flüsterte er den Umstehender zu.

Noch lebte der Himmelbauer. Die schwer verletzte Brust hob und senkte sich mühselig; die Augen standen weit auf, und ihr starrer ängstlicher Blick schien etwas zu suchen. Er öffnete wiederholt die Lippen und wollte sprechen, aber kein Laut kam heraus. Da plötzlich bäumte er sich mit letzter Kraft empor; die Augen schienen aus ihren Höhlen treten zu wollen die Hände zuckten krampfhaft. Er hatte Liesl erblickt, die sich durch die Umstehenden Bahn brach.

„Jesus Maria!“ schrie sie auf und stürzte in’s Knie. „Vater! Vater! Ihr werd’s do net sterbn woll’n?“ Sagt’s na, Vater – sagt’s na – oder i werd’ verrrückt … Vater, i hab' ja net g'dacht, daß´’s so schreckhaft werd’n wird … I hab’ja nur brennen lass’n, was eh’ scho brennt hat; i hab’ nur net g’löscht, weil i los hab’ kommen woll’n. Vater! Vater! Ihr dürft’s net sterben … Vater, i stirb mit Euch.“

Der Bauer streckte dir Hand nach seiner Tochter aus und zog sie zu sich nieder. „Laß – ab – von – dem da!“ flüsterte er ihr in's Ohr und deutete mit den Augen auf den Toni, der entsetzt seitab stand. „Er – is – sag i'hm's net wieder – i – will’s net – es – is –“ die Stimme verließ ihn.

„Vater!“

Der Alte richtete sich noch einmal auf.

„Laß Noch einmal versuchte sie es, ihn zu umklammern vom Toni!“ hauchte er dringender. „D’rin – in der Stub’n – in meinem Betbuch – find’st Alles schriftlich – der Toni is – is – Dei Bruder

Sein Kopf sank zurück, noch ein Röcheln, ein Krampfhaftes Zucken – nun war’s zu Ende mit ihm.

Liesl schnellte wie wahnsinnig empor.

„’s is net wahr,“ schrie sie in die Nacht hinaus. „’s is net wahr.“

Und ehe Einer ahnte, was sie beginnen wollte, sprang sie mit einem wilden Satze mitten durch die herabstürzenden brennenden Balken und Splitter in's Haus hinein und verschwand im Rauche.

„Liesl!“ rief ihr eine entsetzte Stimme nach. „Liesl!“

Der Toni war’s, er wollte ihr folgen, aber die Burschen hielten ihn zurück. Trotz aller Kraft, die sie anwendeten, riß er sich endlich los und sprang auf das Haus zu.

Zu spät. Ehe er es noch betreten konnte, stürzte das Dach mit einem furchtbaren Krach ein und begrub das Haus und alle Umstehenden in einer Wolke von Rauch, Schutt und glühender Asche.


***

Am nächsten Morgen, als der Brand ausgetobt hatte, suchten sie nach der unglücklichen Liesl. Sie fanden sie in der Stube des Bauers, von der herabgestürzten Asche versengt und erstickt, [216] stickt, doch vollkommen kenntlich, ja dem Anscheine nach fast unversehrt. Zu ihren Füßen lag, halb verkohlt, das Gebetbuch des alten Himmelbauers.

Einer der Knechte meinte, die Feuerliesl lebe noch. – Sie lebte nicht mehr. – Als die Weiber sie zu entkleiden begannen, um ihr das Sterbehemd anzuziehen, fanden sie ein Blatt in ihrem Mieder stecken. Auf dem Blatte stand, von einer fremden, im ganzen Dorfe unbekannten Hand geschrieben: „Der Teichbauer-Toni is mein und der Höller-Nannerl ihr Kind.“

Und darunter die Allen wohlbekannten, energisch verschnörkelten Züge: „Joseph Grundner, vulgo Himmelbauer.“




Das Hochzeitsgeschenk der preußischen Städte.

Geschildert von Franz Dunker.

Die Vermählung des Prinzen Wilhelm von Preußen mit der Prinzessin Victoria Augusta zu Schleswig-Holstein hat, selbst in einem mit monarchischen Traditionen so reich erfüllten Lande wie Preußen, eine ganz ungewöhnliche Theilnahme erregt.

Aus dem Hochzeitsgeschenk für das prinzliche Paar. Blumenträger. Entworfen von Baurath Heyden, modellirt von Wiese.

War es doch der jugendliche Enkel des greisen Kaisers, der Sohn des ritterlichen Kronprinzen und der künftige Erbe der deutschen Kaiserkrone, der sich vor den Augen des Landes eine Lebensgefährtin zugesellt. Nicht hohe Politik, sondern, wie allgemein versichert wird, aufrichtige Herzensneigung hatte, wie einst den Vater, so jetzt den Sohn die Braut erwählen lassen. Aber selbst die Erwägungen der Politik hätten dem Prinzen keine bessere Wahl dictiren können. Mit Recht hat man längst von dem Werthe der Familienverbindungen zwischen den Herrschern der Großstaaten Europas gering denken gelernt; denn keine dynastische Beziehung ist heutzutage noch stark genug, gegen die Lebensinteressen der großen Staaten und die Sympathieen oder Feindschaften der Völker ihr Gewicht in die Wagschale zu werfen.

Die Verbindung Napoleon’s des Ersten mit der Tochter des österreichischen Kaisers Franz konnte nicht hindern, daß der Schwiegervater des großen Corsen der europäischen Coalition beitrat, welche den gewaltigen Eroberer vom Gipfel seiner Weltmacht herabstieß und auf den einsamen Felsen St. Helenas Verbannte. Ebenso wenig haben die in unseren Zeiten geknüpften Familienbande zwischen den Dynastien Englands und Rußlands den oft schon auf der Schneide des Messers ruhenden Friedensfaden zwischen beiden Mächten sicher zu stellen vermocht; nur die wechselnde Politik der englischen Ministerien hat diesen stets drohenden Conflict der beiden in Asien sich immer näher rückenden Weltmächte bisher abgewandt. Selbst die nahen verwandtschaftlichen und freundschaftlichen Bande, welche den Kaiser Wilhelm mit dem soeben der Mörderhand zum Opfer gefallenen Zaren verbanden, konnten uns nicht vor dem plötzlichen Schreckbilde eines deutsch-russischen Krieges bewahren; ängstlich betrachteten vor kaum Jahresfrist die Politiker des deutschen Reichstages die auf dem Tische des Hauses ausgebreitete Karte mit den Garnisonsplätzen der russischen Truppen längs der deutschen Grenze und ließen sich durch diese Betrachtung williger finden, in eine abermalige Vermehrung der deutschen Heeresmacht und in einen abermaligen längeren Verzicht auf die vollen Budgetrechte des Reichstages einzustimmen.

Bürgschaften weit stärkerer Art, wenn auch enger begrenzt, als sie die Verbindungen der großen regierenden Häuser Europas zu geben vermögen, knüpfen sich an die Heirath des Prinzen Wilhelm. Ist seine Erwählte doch die Tochter jenes Augusterburgers, den Deutschland einst als den Vertreter des selbstständigen und ungetheilten Schleswig-Holstein auf seinen Schild erhob, als er nach dem Tode König Friedrich’s des Siebenten von Dänemark in seiner Proclamation aus Gotha vom 16. November 1863 an die Schleswig-Holsteiner seine Erbansprüche auf die Herzogthümer mit den Worten geltend machte: „Mein Recht ist Eure Rettung.“ Das ganze deutsche Volk antwortete ihm mit dem erneuerten Ausrufe: „Los von Dänemark!“ Prinzessin Victoria Augusta ist die Tochter desselben Mannes, der, als später Bismarck mit dem Kriege gegen Dänemark seine Blut- und Eisen-Politik in Scene gesetzt, sich den Dictaten dieser Politik nicht unbedingt fügen wollte, und in Folge dessen rasch bei Seite geworfen, zum Theil von derselben Presse mit Hohn und Spott überschüttet wurde, die ihn zuvor als den Vertreter und Vertheidiger der Rechte der Herzogthümer gefeiert hatte. Darum empfand man gegenwärtig in weiten Kreisen des Volkes – das zeigten unter Anderem die bei dem feierlichen Einzug der Braut in Berlin so reichlich entfalteten schleswig-holsteinischen Farben – den Bund des dereinstigen deutschen Kaisers mit der Tochter des Herzogs Friedrich als eine Sühne für das diesem und dem schleswig-holsteinischen Stamme durch die unfreiwillige Annexion zugefügte Unrecht und begrüßte jetzt erst gewissermaßen die Verbindung Schleswig-Holsteins mit Preußen als eine solche, von der das Wort gelten wird: „up ewig gehandelt.“

Es war ein glücklicher Gedanke, der herzlichen Theilnahme für die Verbindung des jungen fürstlichen Paares in einem gemeinsamen Festgeschenk der preußischen Städte einen dauernden Ausdruck zu geben.

Die erste Anregung hierzu soll von dem Danziger Oberbürgermeister von Winter ausgegangen sein, und sie fand sofort lebhaftes Entgegenkommen bei den Oberbürgermeistern von Forckenbeck in Berlin und Miquél in Frankfurt am Main. Zunächst erging eine Aufforderung an alle preußischen Städte mit einer Bevölkerung von über 100,000 Seelen, deren Vertreter im November vorigen Jahres in Berlin zusammentraten, um den Plan zu berathen und

[217] seine Ausführung sicher zu stellen. Doch mußte alsbald der Rahmen der Betheiligung erweitert werden, da auch viele kleinere Städte sich nicht ausgeschlossen zu sehen wünschten. Man beschloß daher, allen Städten schon von 25,000 Seelen an und selbst noch kleineren, wenn sie von besonderer historischer Bedeutung waren, die Theilnahme zu gestatten. So gestaltete sich zuletzt ein stolzer preußischer Städtebund von 96 Städten[1] als Geschenkgeber.

Als leitendes Comité für die Ausführung wurden gewählt: die Oberbürgermeister von Forckenbeck- Berlin, Becker-Köln Miquél-Frankfurt am Main, von Winter-Danzig, der Vorsteher der Stadtverordneten zu Berlin. Dr. Straßmann und der erste Director des Kunstgewerbe-Museums: Grunow. Zur näheren und künstlerischen Feststellung des Programms bildete man aus den leitenden Männern des Kunstgewerbe-Museums eine Commission zu welcher neben dem Director Grunow der seitdem leider viel zu früh der deutschen Kunst durch den Tod entrissene Professor Martin Gropius und Professor Dr.Julius Lessing gehörten. In dieser Commission einigte man sich bald dahin, dem leitenden Comité der Städte als Gegenstand des Geschenkes die Ausrüstung einer fürstlichen Tafel für fünfzig Personen und die Uebertragung der künstlerischen Gesammtleitung an den Baurath Adolf Heyden zu empfehlen.

Aus dem Hochzeitsgeschenk für das prinzliche Paar.
Das Schiff. Entworfen von Baurath Heyden, modellirt von Eberlein und Schleih.

Diese Vorschläge fanden Annahme, und Baurath Heyden, dessen Kraft sich in dieser Richtung während der letzten Jahre namentlich bei der Ausschmückung der internationalen Fischerei-Ausstellung zu Berlin auf’s Glänzendste bewährt hatte, erklärte sich bereit, die schöne und großartige Aufgabe zu übernehmen. Und sie war in der That großartig, diese Aufgabe, großartig, wie sie in solchem Umfange und aus einer so einheitlichen Conception heraus dem deutschen Kunsthandwerk bisher nie und dem eines anderen Landes kaum jemals gestellt worden ist. Wenigstens versichern Kenner, daß die silbernen Tafelgeschirre, welche die Stadt Paris und Napoleon der Dritte haben anfertigen lassen, durch die Mannigfaltigkeit der Bildungen, welche hier geplant und jetzt in der Ausführung begriffen sind, noch weit überboten würden. Erfordert doch schon die mächtige Ausdehnung einer solchen Ceremonientafel von 17 Meter Länge und 2 Meter Breite einen ganz ungewöhnlichen Maßstab für das Geräth und brauchte sich doch andererseits der Künstler bei dem Reichthum der vorhandenen Mittel (circa 400,000 Mark), nicht zu beschränken, sodaß er die Verwendung von gegen 2000 Pfund Silber für die Tafelgeräthe in's Auge fassen konnte.

Baurath Heyden ging nun bei dem Entwurfe der Zeichnungen für diese Prachtgeräthe von dem Grundgedanken aus, daß einerseits der ganzen Gabe ein gewisser monumentaler Charakter gewahrt werden müsse, daß aber andererseits die einzelnen Stücke nicht so groß sein dürften, um den Ueberblick über die Tafel zu stören; ferner nahm er darauf Rücksicht, daß auch kleinere Tafeln mit Theilen des Geräthes selbständig ausgerüstet werden könnten, und hielt endlich daran fest, daß nicht nur die großen Hauptstücke, sondern auch alles kleinere dazwischen aufzubauende Tafelgeräth, wie Weinkannen, Fruchtschalen, Salzgefäße, durchaus in einheitlichem Stil gehalten würde. Im Stil selbst schloß er sich der Richtung an, welche Andreas Schlüter, der Erbauer vieler Theile des königlichen Schlosses und Schöpfer des herrlichen Standbildes des großen [218] Kurfürsten, in genialer Weise eingeschlagen hatte, als er sich, mitten aus dem Barokwesen seiner Zeit heraus, einem kräftigen und doch durch echtes Schönheitsgefühl gemäßigten Naturalismus zuwandte.

Für die Mitte der Tafel selbst hat nun Heyden ein Hauptstück entworfen, das in seinen figürlichen Theilen von dem genialen Bildhauer Gustav Eberlein, in den ornamentalen von Schleih modellirt worden ist und dessen Abbildung diese Nummer der „Gartenlaube“ schmückt.

Ein in geschwungenen Formen gearbeiteter Rand, an dessen seitlicher Mitte die Widmung der Geschenkgeber Platz finden soll, umfaßt ein wogenschlagendes Wasserbecken, in welchem Tritonen eine stolze Bark am Bug und Steuer in die Wellen zu heben und fortzuschieben im Begriffe sind. Fast vollständig läßt sich der ganze Schiffskörper, der seemännisch genau nach Art der alten venetianischen Staatsbarken gebildet ist, mit seinem Kiel und seinen Planken überschauen. Am Seitenbord tragen zwei reizende kleine Genien das Wappen des prinzlichen Paares. Vom Deck herab schleift eine prachtvolle Decke in das Wasser, und Rosenketten umwinden den Bord des Schiffes. Vorn am Bug kniet vornübergebeugt ein städtischer Herold in mittelalterlicher Tracht, eine wallende Fahne auf der linken Schulter, in der Rechten die Posaune zu lautem Heroldsrufe erhoben. Am entgegengesetzten Ende, am Steuer, erblicken wir nicht, wie ursprünglich beabsichtigt, Mars und Venus, sondern die ehrsame Gestalt eines altdeutschen Patriziers mit seinem Ehegemahl. Die junge Frau hält einen Palmenzweig, wie schirmend, über ihr Haupt, während ihr Gatte mit fester Hand das Steuer führt; auf diesem Radsteuer sollen die Reliefbilder des prinzlichen Paares ihre Stelle erhalten. Da man aber einmal von allegorischen Figuren abgesehen, hätten wir es richtiger gefunden, in den beiden Gestalten am Steuerrade direkt das prinzliche Paar selbst darzustellen. Ist es doch gewissermaßen ihres Glückes Schiff, das der Künstler hier hat schaffen wollen; denn in der Mitte desselben, da wo sich der Mast erheben mußte, schwebt aus einer von Adlern getragenen Weltkugel die Fortuna, aus ihrem prächtigen Füllhorn reichliche Gaben ausstreuend.

Schon in dem jetzt geschaffenen Gypsmodell, das versilbert und an einzelnen Stellen vergoldet war, ließ sich bei der provisorischen Aufstellung im königlichen Schlosse der prächtige Schwung der Linien, die edle und doch höchst charakteristische Formgebung erkennen, so in dem Herold, der Fortuna und vor Allem in den Gestalten der hebenden und schiebenden Tritonen.

Da das Ganze eine Längenausdehnung von 1,65 Meter hat und die Fortuna sich über ein Meter hoch über der Tafel erheben wird, so liegt es auf der Hand, daß auch die kleinsten Figuren eine solche Größe haben werden, daß der Bildner im Stande ist, ihnen vollen plastischen Ausdruck zu verleihen.

Denkt man sich aber das Werk vollendet und das reizende Spiel der Linien, die edle Charakteristik der Gestalten dann noch belebt durch die verschiedene Abtönung des Silbers, dazwischen den Schmuck der Familie in den Wappenschildern etc., endlich die leeren Räume des Schiffes gefüllt mit köstlichen natürlichen Blumen und dies alles im Glanz der Kerzen, so muß der Eindruck ein festlich berauschender sein. Im Glanze der Kerzen – denn unmittelbar neben dem Schiffe werden sich zwei schlanke Candelaber erheben, lediglich mit Ornamenten geschmückte Aufbauten, während noch zehn andere, entsprechend aus der Tafel vertheilt, mit ihren zweihundert Kerzen dieselben erhellen sollen.

Dem Schiffe schließen sich die vier freien Gruppen der deutschen Hauptströme an; dieselben sind rein monumental gedacht ohne einen praktischen Nebenzweck des Tragens von Blumen oder Früchten. Sie sollen je nach Bedarf zwischen die übrigen Schmuckgeräthe vertheilt werden. Auf flachem Sockel in halb liegender halb sitzender Stellung sind die Figuren der Flußgottheiten dargestellt.

Der Rhein, modellirt von Bruno, ist ein bärtiger kräftiger Mann, dessen Haupt ein Rebenkrarnz bedeckt; seine Rechte ruht auf dem Steuerruder, die Linke aus der weiten Urne. Neben ihm haben Kinder Schalen mit Traubensaft gefüllte andere holen aus der Tiefe das alte Rheingold, den Nibelungenhort, aus dem ein Knäbchen triumphirend die deutsche Kaiserkrone emporhebt.

Die Weichsel, modellirt von Hundrieser, ist eine lebhaft bewegte Frauengestalt, schilfumkränzt. Zu ihren Füßen sitzt ein Knäbchen auf einem Schiffe, andere bringen Fische, Netze, Bienenkorb und Aehren.

Die Oder, modellirt von Geyer, stellt eine anmuthig hingestreckte Frau vor, neben der Kinder mit Krebsen und zierlichen Schiffskörpern spielen.

Die Elbe, modellirt von Calandrelli, ist gleichfalls eine weibliche Figur, welcher Kinder die Attribute der Landwirtschaft und des Maschinenbaues entgegenbringen.

Sodann sind für die beiden Hälften der Tafel seitlich des Schiffes wieder zwei größere, aus den niederen Schmuckgeräthen sich erhebende Mittelstücke gebildet, welche heute ebenfalls den Lesern im Bilde geboten werden. Es find im wesentlichen Werke des Bildhauers Wiese, jedoch hat die sitzenden Gestalten am Fußgestell des einen Moser, die ornamentalen Theile Zacharias gearbeitet. Der Sockel des einen dieser Prachtstücke hat eine breite ornamentale Ausladung und enthält zwei kräftig gekehlte Muscheln mit Blumen gefüllt, wahrend dazwischen zwei Satyrn als Wald- und Wiesengötter sitzen, denen die Pflege der Blumen anvertraut ist. Auf der Mitte des Sockels erhebt sich in prachtvollem Linienschwunge eine frei gearbeitete Gruppe. ein mächtiger Triton, dessen Fischbeine sich zum Sockel herunterschlingen hat in hoch erhobenen Armen ein schönes Weib gepackt, und zwischen diesen Figuren schweben Amoretten; von der Gruppe wird eine gewaltige zackige Muschel getragen, aus welcher sich ein hoher Blumenstrauß erhebt. Das Gegenstück zu diesem Kunstwerke stellt eine ähnliche Gruppe dar; nur bildet hier eine Meernixe, welche einen schönen Jüngling raubt, den Mittelpunkt. Die Figuren am Fußgestelle von Moser haben den Charakter von Wassergottheiten.

Ein weiterer Blumenschmuck soll der Tafel durch vier mächtige Jardinieren zu Theil werden, von denen zwei durch Paul Pietsch im Modell fertig gestellt worden sind. Die lang hingestreckten wuchtigen Körper erinnern an die Terrinen aus dem Silbergeschirr Friedrich’s des Ersten; in der Mitte erscheint das Wappenschild, von zwei Knäbchen gehalten, während die Griffe sich in kräftigem Schwunge mit Maskenschmuck emporheben.

Von den Weinkühlern ist der eine im Modell von Bergmeier, einem Schüler von Reinhold Begas, vollendet. Wir bedauern daß Raummangel uns hindert, auch diesen im Bilde vorzuführen; denn er ist sowohl im Ausbau wie im Detail eine höchst gelungene Composition. Der eiförmige Körper des Gefäßes hat an den untern Seiten kräftige Widderköpfe, deren Hörner von zwei Giganten gepackt werben, und solchergestalt in lebendiger Bewegung, indem ihre Gestalten sich kreuzen, das Gefäß tragen. Am obern Rande des Kühlers zeigt ein Fries in ganz leichtem Relief spielende Kinder. Unten, zu den Füßen der Giganten, sitzt ein munterer kleiner Satyrbursche mit der Panflöte, und das Ganze steht auf einer länglichen, reich geschwungenen Platte.

Bei der symbolischen Ueberreichung der Geschenke durch die Deputation der Städte am 1. März waren die in den Modellen fertigen Stücke zu einem pyramidalen Aufbau auf einem Hintergrunde von purpurrothem Stoff vereinigt. Schon hier waren dieselben von gewaltiger Wirkung, obschon sie dem Auge in vieler Beziehung doch nur Unfertiges boten; denn nur die Hauptlinien und die figürlichen Modelle der Bildhauer sind ganz fertig gestellt worden, während die ornamentalen Theile und alle feineren Details meist nur andeutungsweise behandelt waren; diese sollen erst bei der wirklichen Ausführung in edlem Metalle, welche den Werkstätten unserer besten Silberschmiede anvertraut ist, zur vollen Ausbildung gebracht werden. Daß die endliche Vollendung des schönen Werkes zum Ruhme des deutschen Kunsthandwerkes beitragen wird und daß dieses sich einer so großartig und weit gesteckten Aufgabe würdig erweisen wird, ist, nach dem schon jetzt Geschauten, nicht mehr zweifelhaft.

Und so werden mitten im sonstigen Prunk des Kaiserschlosses diese Gaben deutschen Kunstfleißes stets dem hohen Paare und seinen fürstlichen Gästen die Worte echten Bürgerstolzes aus Schiller’s „Glocke“ sinnbildlich vor Augen stellen:

„Ehrt den König seine Würde,
Ehret uns der Hände Fleiß.“



[219]

Blätter und Blüthen.

Für die Boers: Es soll hier nicht aus den Zeitungen wiederholt werden, was seit Monaten aber und abermals gelesen wurde und wovon auch in der „Gartenlaube“ (1880, Nr. 11) schon die Rede gewesen ist. Nur dem politischen Pessimismus gelte ein kurzes Wort erhebender Erinnerung! Ein Rückblick auf die Ereignisse in den britischen Colonien von Nordamerika vor nunmehr gerade hundert Jahren und zugleich auf die Ereignisse, die sich in unseren Tagen in den britischen Colonien Südafrikas abspielen, bietet einen interessanten Vergleich der Ursachen, der Ziele und des Verlaufes dieser beiden Freiheitskriege. Damals wie letzt, in Amerika wie in Afrika, waren es unzufriedene Colonisten, die sich vor der unaufhörlichen Bedrückung des Mutterlandes zurückzogen und sich weigerten, die ihnen auferlegten Lasten und Steuern länger zu tragen. Selbst der Vorwand, die Eingeborenen vor den Colonisten schützen zu müssen, fehlte jetzt wie zu jener Zeit nicht.

Und doch, welch’ ein Unterschied zwischen damals und heute, welcher Fortschritt in dem Geiste unserer Tage gegen den des vorigen Jahrhunderts! Während des amerikanischen Freiheitskrieges (1775 bis 1783, bis zum Frieden von Versailles, in dem die Unabhängigkeit der nordamerikanischen Freistaaten anerkannt wurde) verkauften deutsche Landesväter, die Fürsten von Hessen-Kassel, Braunschweig, Hannover, Hanau, Anspach, Waldeck etc., ihre Landeskinder an England für die Schlachtfelder in Amerika. Das ist in unsern Tagen doch nicht mehr möglich, während freilich den Boers die Polen Kosciuszko und Pulawski, die Franzosen Lafayette und Rochambeau, die Deutschen Kalb und Steuben fehlen.

Irgend welche ausführliche Darstellung ist hier nicht die Aufgabe, und so genüge denn auch nur ein flüchtiger Blick auf den Gesammtverlauf der Ereignisse!

Die Geschichte der britischen Colonisation in Südafrika zeigt, wie die in Britisch-Indien, blutige Blätter, dieselbe rücksichtslose Herrsch- und Habsucht wie dort, die aber hier uns noch empörender erscheint, weil sie gegen die fleißigen Pioniere der Colonie, gegen unsere niederdeutschen Bluts- und Stammverwandten, gegen die holländischen Boers gerichtet ist, die schon in der Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts, 1652, die jetzige Capstadt gegründet und ihre nächste Umgebung colonisirt hatten. In schwerer ununterbrochener Arbeit waren sie auch, seitdem England das Capland 1806 in Besitz genommen, bis zum Orangefluß vorgedrungen.

Die ungerechten Ansprüche der Engländer veranlaßten die Boers in eine neue Wildniß auszuwandern, und so gründeten sie 1839 die unabhängige Republik Natal mit den Städten D’Urban und Pieter Maritzburg. Kaum hatte die Colonialregierung die Wichtigkeit des Hafens von Natal erkannt, so legte sie auch schon 1842 ihre Tatzen auf diese Niederlassung, und die Boers zogen wieder über die Drachenberge und gründeten ihre neue Niederlassung im Orange-Gebiet. Aber auch von hier wurden sie in Bälde von den Engländern verdrängt, und wieder zogen sie, den Hirtenstab in der einen, das Gewehr in der anderen Hand, in die noch nördlichere Wildniß jenseits des Vaalflusses und gründeten die Transvaal-Republik. Großmüthig blieb ihnen gestattet, die Wildniß ur- und fruchtbar zu machen, bis es lohnend sein würde, dieselbe zu annectiren. In feierlichem Vertrage wurde 1852 der Transvaal-Republik und 1854 der Orange-Republik die Unabhängigkeit zugestanden.

Aber schon 1868 wußte die Colonialregierung die Basutos gegen die Orange-Republik zu hetzen. Die Zwistigkeiten wuchsen seit der Entdeckung der Gold- und Diamantenfelder mehr und mehr, und die beiden Republiken erlagen endlich 1871 den imperialistischen Gelüsten Disraeli’s, der in Südafrika einen mächtigen Bundesstaat gründen wollte, und so wurde die Annexion beider Republiken durch einen fast betrügerischen Act Englands proclamirt.

Der Zulu-Krieg verband die Boers mit den Basutos, und nicht lange hierauf begann der Unabhängigkeitskampf. Was seitdem geschehen, ist bekannt. Es war zu erwarten, daß sich die diplomatische Welt für die nationale und politische Unabhängigkeit der Boers nicht allzu schnell und allzu warm interessiren würde, obwohl die Transvaal-Republik von den Mächten völkerrechtlich als unabhängiger Staat anerkannt worden ist und diplomatische Agenten bei ihr accreditrrt waren. In letzter Linie hängt aber das Maß der Sympathien und der Unterstützung für die Boers wesentlich von den Erfolgen, den Glückszufällen und ihren eigenen Leistungen ab. Die Boers haben sich in hartem, langem Kampfe bewährt; sie haben sich gezeigt als rüstig, ausdauernd, einig, disciplinirt, geschickt, widerstandsfähig und mit vielen Eigenschaften begabt, die sie der Unabhängigkeit würdig machen. Sie sind hochbeachtenswerthe Figuren auf dem Schachbrett der Zeitgeschichte, wenn auch immerhin nur – Bauern.

Augenblicklich darf man die Hoffnung hegen, daß, wie in Nordamerika die unterdrückten Colonien den Kampf gegen das englische Mutterland siegreich bestanden haben, so auch diejenigen in Südafrika den Krieg gegen dieselbe Vergewaltigung siegreich zu Ende führen werden und daß die säculare Anerkennung der Freiheit Nordamerikas, 1883, ein würdiges Seitenstück haben wird in der Unabhängigkeits-Erklärung der südafrikanischen Freistaaten.

Dies vorangeschickt, folgen wir gern dem Rufe der Pflicht und veröffentlichen mit der Bitte, etwaige Beiträge an den Schatzmeister des nachbenannten Comites senden zu wollen, folgenden

„Aufruf!

Der in Transvaal entbrannte Krieg wird in der ganzen gebildeten Welt mit der größten Theilnahme verfolgt. Die blutigen Zusammenstöße der letzten Zeit haben gezeigt, daß es sich um ein Ringen auf Leben und Tod handelt. Da Engländer und Boeren an persönlicher Tapferkeit wetteifern, so wird die Zahl der Opfer eine ungewöhnlich große sein. Aber die Boeren entbehren der geordneten militärischen Sanitätseinrichtungen, und es ist daher Pflicht der Menschlichkeit, ihren Verwundeten nach Kräften Hülfe und Pflege zu bringen. Bereits hat das Central-Comite der deutschen Vereine vom rothen Kreuze zu diesem Zwecke einen Beitrag dem Niederländischen Comite im Haag überwiesen, welches durch Vermittelung des königlich Niederländischen Consulats in Capstadt für die Etablirung des Rothen Kreuzes in Transvaal Sorge getragen hat. In gleichem Sinne sind die Unterzeichneten zusammengetreten, um Geldsammlungen zu veranstalten und die eingegangenen Beiträge eben dahin abzuführen.

Wir richten an Alle, welche ein Herz und eine Gabe für die armen Verwundeten haben, die dringende Bitte, uns ihre Beiträge rasch zu spenden. Fließen dieselben reichlich, so ist in Aussicht genommen, deutsche Aerzte und Krankenpfleger eventuell durch Vermittelung des Niederländischen Central-Comite’s nach dein Kriegsschauplatz zu senden.

Das Schatzmeisteramt hat der mitunterzeichnete Herr Consul C. Gärtner gütigst übernommen, und bitten wir alle Gaben und Zuschriften an seine Adresse, Potsdamerstraße 86a., zu richten.

          Berlin, den 4. März 1881.

     Das Comite zur Unterstützung der Verwundeten in Transvaal.“

               (Folgen die Unterschriften.)

Die Redaction der „Gartenlaube“.




Ein Illustrator des Ostens. Ohne Zweifel wird es das Interesse unserer Leser erregen, Näheres über den Künstler zu erfahren, dessen gewandtem Stifte unser Blatt schon so manches eindrucksvolle Bild verdankt und der auch unsere heutige Nummer mit der hochinteressanten wildromantischen Darstellung einer Borascene schmückt. Franz Zverina, der in Hunderten von Bildern dem deutschen Publicum den europäischen Osten eigenartig und anschaulich geschildert hat, wurde im Jahre 1835 als jüngster Sohn eines mit zwölf Kindern gesegneten Elternpaares zu Hrottowitz in Mähren geboren. Nach Absolvirung der Oberrealschule in Prag trat er daselbst in die Akademie der bildenden Künste ein, und Professor Haushofer und Director Engerth wurden seine Lehrer. Schon früh zeigte er ein besonderes Talent für die Wiedergabe östlicher Landschaften und Nationaltrachten, wobei es ihm an Gelegenheit zu eingehenden Studien nicht fehlen konnte, verlebte er doch seine Jugendzeit zu einem großen Theile in Mähren, in der Slovakei und in Ungarn. Im Jahre 1859 ward er Hülfslehrer an der Realschule in Kuttenberg und wirkte später als Lehrer an Gymnasium und Realschule in Görz, Marburg und Brünn, während er gegenwärtig in Wien dem Lehrfache obliegt.

Zverina ist ein vielgewanderter Mann; er hat die Welt mit offenen Augen durchstreift und als echter Künstler das Geschauete sich zu eigen gemacht und in eigenartigen Gestalten ausgeprägt. Bereits in seinem neunzehnten Lebensjahre besuchte er die Hohe Tatra, Polen, Ungarn und Südrußland, wo er bis in die nogaische Steppe vordrang. Später bereiste er nicht nur alle Provinzen des völkerreichen Oesterreichs, sondern ging auch nach Italien, Dalmatien, Montenegro, der Herzegowina, Albanien und Griechenland, um stets mit reicher künstlerischer Ausbeute heimzukehren. Seine Originalzeichnungen publicirte er in den bedeutendsten deutschen, slavischen und englischen Blättern, und erst vor Kurzem, im August 1880, stellte er in Wien über 200 Zeichnungen und Aquarellen aus, die in fast allen Blättern mit Beifall besprochen wurden.

Zverina, von Hause aus unbemittelt, erhielt zu seinen künstlerischen Studien und Reisen nie ein Stipendium. Nur seine zähe Energie und vielseitige Sprachkenntniß machten es ihm möglich, unwirthliche und wenig bekannte Gegenden ohne fremde Hülfe zu durchstreifen. Die türkischen Balkanprovinzen durchwanderte er – um nur ein Beispiel seiner Thatkraft anzuführen – theils als Franziskaner-Laienbruder verkleidet von Kloster zu Kloster, theils als Rhapsode mit der Gusla (Violine), welches Instrument er, bereits über dreißig Jahre alt, in seiner unglücklichsten Lebensperiode erlernte, als ihn das Unglück einer zweijährigen hartnäckigen Augenkrankheit getroffen hatte. Gegenwärtig arbeitet er an einem größeren illustrativen Werke „Montenegro“, nach dessen Beendigung er seine Studienreise nach dem Kaukasus und den centralasiatischen Steppen auszudehnen gedenkt.




Das Pensionswesen der Volksschullehrer in Hessen. Die in Nr. 48 Jahrgang 1880, der „Gartenlaube“ als mustergültig hervorgehobene hessische Volksschulgesetzgebung hat auch in durchaus befriedigender Weise das Pensionswesen geregelt und die Zukunft der Wittwen und Waisen der Lehrer gesichert. Bei der Pensionirung wird die Dienstzeit von der ersten Verwendung im Schulamte nach bestandener Schulprüfung an berechnet. Nach Vollendung des siebenzigsten Lebensjahres kann jeder Lehrer, ohne Angabe eines Grundes, Versetzung in den Ruhestand verlangen; in jüngeren Jahren berechtigen hierzu Krankheiten oder andere Unfälle, und berechnet sich die Pension auf Grund des dienstlichen Einkommens: in den ersten zehn Dienstjahren auf Vierzig Procent, für jedes weitere Dienstjahr bis zur Höhe des Diensteinkommens ein halb Procent, wobei im Frühjahr 1880 alle Lehrer, deren Ruhegehalt unter 600 Mark betrug, auf diesen Betrag zu Lasten der Provinzialschulfonds erhöht wurden. Stirbt ein Lehrer oder Schulverwalter, der in Bezug auf Pensionsberechtigung die Rechte eines definitiv angestellten Schullehrers hatte, mit Hinterlassung einer Wittwe oder sonstiger Nachkommen, welche mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebten, so wird diesen der Gehalt noch weitere drei Monate vom Sterbetage an ausbezahlt und nach deren Ablauf der Wittwen- und Waisengehalt. Hinterläßt ein Lehrer Eltern, Geschwister oder Geschwisterkinder, deren Ernährer er war, oder bedürftige Nachkommen, die nicht in häuslicher Gemeinschaft mit ihm lebten, oder reicht der Nachlaß zur Deckung der Kosten der letzten Krankheit oder der [220]

Aus dem Hochzeitsgeschenk für das prinzliche Paar.
Blumenträger. Entworfen von Baurath Heyden, modellirt von Wiese.


Beerdigung nicht hin, so kann das Ministerium den Gehalt für weitere drei Monate vom Sterbetage an bewilligen.

Die Wittwe und die mit dem Lehrer in häuslicher Gemeinschaft lebenden Nachkommen bleiben während sechs Wochen nach dein Sterbetage im Genusse der Dienstwohnung des Verstorbenen oder im Bezuge der Miethentschädigung. Für die Versorgung der Wittwen und Waisen der Volksschullehrer ist eine ausreichend dotirte Schullehrer-Wittwen- und Waisencasse errichtet worden, in welche alle definitiv angestellten Lehrer und bereits fünf Jahre im Dienst befindlichen Schulverwalter eintreten. Das Eintrittsgeld beträgt 104 Mark, der Jahresbeitrag 36 Mark. Bei vakanten oder verwalteten Schulstellen wird der Beitrag aus dem Einkommen der Stelle entrichtet. Die Größe der Wittwen- und Waisenpension ist auf 312 Mark festgesetzt, ohne Unterschied, ob ein Lehrer nur eine Wittwe oder nur pensionsberechtigte Kinder oder beides hinterlaßt, und ob die Kinder aus derselben oder aus verschiedenen Ehen herrühren.

Hinterlaßt der Lehrer keine Wittwe, aber leibliche eheliche Kinder, von denen das eine oder das andere beim Ableben des Vaters das zwanzigste Jahr noch nicht überschritten hat, so ist dies eine Kind (beziehentlich die mehreren Kinder) zum Bezuge der Waisenpension berechtigt. Hinterläßt ein Lehrer, der in verschiedenen Ehen stand, neben pensionsberechtigten Kindern aus früherer Ehe eine Wittwe, sei dies mit, sei dies ohne pensionsberechtigte Kinder aus ihrer Ehe mit dem Lehrer, so wird die Pension unter alle Hinterbliebenen aus jeder Ehe nach Köpfen vertheilt, sodaß die Wittwe stets einen doppelten Antheil erhält. Die hessischen Lehrer haben neben dieser allgemeinen Wittwen- und Waisencasse noch ein Laudeslehrerwaisenstift gegründet, welches unbemittelte Kinder verstorbener Volksschullehrer unterstützt.




Die Fischerin. (Mit Abbildung S. 213.) Es ist ein frisches, fröhliches Alpenkind, eines aus dem baierischen Oberlande, das uns unser heutiges Bild vor Augen führt, eine nach reichlichem Fange heimkehrende Fischerin von den Ufern des stürmischen Chiemsees. Wie sie da in dem lichtweißen Glanze des Sommermorgens, über sich den klaren Himmel der Berge, neben sich den spiegelebenen Alpensee, im feuchten Ufersande dahinschreitet, leicht und elastisch trotz der Last, die sie in kräftigen Händen trägt – ist sie da nicht ein echtes Bild der derben Frische und der rüstigen Gesundheit jenes kernigen Menschenschlages, der das fischreiche „Baierische Meer“ umwohnt?

Eines erklärenden Wortes bedarf das poesievolle Bild wohl kaum ist es doch in der Einfachheit seines Gegenstandes sein eigener Interpret: es will eben nichts sein als ein Stimmungsgedicht in der Formen- und Farbensprache des Malers, und mit der selbsteigenen Kraft jedes echten Gedichts spricht es unmittelbar zum Beschauer – auch ohne das dolmetschende Wort. Zugleich mit dem frischen, kräftigenden Dufte von Wasser und Moor - denn an Moorboden sind die Ufer des Chiemsees bekanntlich reich – weht es uns aus den offenen Zügen des Mädchens an wie lauter Freiheit, Kraft und Natürlichkeit.

Der Schöpfer des Gemäldes, Joh. Friedr. Engel, ist ein Amerikaner aus deutschem Blute, den in München, wo er seine Studien gemacht hat, die Kunst festhält. Das Bild selbst befindet sich im Besitze eines Privatmannes in New-York, und wird dort in der Frühjahrsausstellung der „National Academy of Design“ demnächst einen Platz finden.




Kleiner Briefkasten.

Zahlreichen Fragestellerinnen bezüglich unseres Artikels „Frauenwirken in den Gefängnissen“ (Nr. 9) diene zur Nachricht, daß der genannte Aufsatz, was die Anstellungen in Arresthäusern betrifft, nur von Sachsen sprach, wo natürlich auch nur sächsische Staatsangehörige Aussicht aus Anstellung haben. In Corrections- und Strafanstalten für weibliche Gefangene sind auch in Preußen, Baden etc. längst Aufseherinnen angestellt worden, ob aber auch in Arresthäusern und unter gleichen Bedingungen wie in Sachsen, ist uns zur Zeit nicht bekannt. Wir ersuchen daher die Bewerberinnen in ihrem eigenen Wohnort nachzufragen. Uebrigens enthalten die „Neuen Bahnen“, herausgegeben von Louise Otto und Auguste Schmidt in Leipzig, als Organ der fortschrittlichen Frauenbewegung immer etwas Näheres über diese Angelegenheiten, z. B. Nr. 2 und 4 des Jahrganges 1880, wie auch der laufende Jahrgang 1881.

H. W. in Braunschweig. Verkehrtester! Nach eingezogenen Erkundigungen erweisen sich Ihre sämmtlichen „Berichtigungen“ als ziemlich grobe Irrthümer.

Bindoboa. Nein – vernichtet!

P. L. in Erl. Anonyme Eilsendungen gehören bekanntlich in den Papierkorb; da es sich aber um eine vaterlose Waise handelt, so geben wir Ihnen, zur Erreichung Ihrer Absicht, den Rath, sich an die „Direction der Kaiser-Wilhelm-Stiftung in Berlin“ zu wenden.

E. in Leipzig. Die Adresse G. Freytag’s ist: Siebleben b. Gotha.

Abonnent in Hamburg. Wenden Sie sich an den Director Ihres Krankenhauses!

L. N. in Wien. Die Erzählung „Die Huberbäuerin“ von Herman von Schmid finden Sie im Jahrgang 1860, erstes Quartal.

L. L. in Triest. Die „Gartenlaube“ ist kein Nachweisungsbureau. Wenden Sie sich an ein solches!




Nicht zu übersehen!

Mit dieser Nummer schließt das erste Quartal dieses Jahrgangs. Wir ersuchen die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das zweite Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.


Die Postabonnenten machen wir noch besonders auf eine Verordnung des kaiserlichen General-Postamts aufmerksam, laut welcher der Preis bei Bestellungen, welche nach Beginn des Vierteljahres aufgegeben werden, sich pro Quartal um 10 Pfennig erhöht (das Exemplar kostet also in diesem Falle 1 Mark 70 Pfennig statt 1 Mark 60 Pfennig). Auch wird bei derartigen verspäteten Bestellungen die Nachlieferung der bereits erschienenen Nummern eine unsichere.

Die Verlagshandlung.


An der Spitze des nächsten Quartals wird die mit allseitiger Spannung erwartete, vortreffliche Erzählung

„Bruderpflicht“ von Levin Schücking

ihren Platz finden, der sich mehrere kleinere Novellen, unter andern Hermann Lingg's „Nicht zu hoch!“, anschließen werden.

Außerdem liegen uns mannigfache werthvolle Aufsätze aus dem Leben der Zeit und der Wissenschaften vor, aus deren Zahl wir hier nur hervorheben: Beleuchtungen des heutigen kirchlichen Lebens aus der Feder eines der berufensten unter den freisinnigen Theologen der Gegenwart, ferner den Artikel Cyclus: „Das deutsche Reich und die öffentliche Gesundheitspflege“ von einem angesehenen deutschen Arzte und endlich Studien aus dem modernen deutschen Parlamentarismus von namhaften Politikern und Volksfreunden.

Auch werden wir nicht verfehlen, die deutsch-nationale Sache in Oesterreich-Ungarn fernerhin mit Nachdruck zu unterstützen.

Die Redaction der „Gartenlaube“.

  1. Aachen, Altona, Anklam, Aschersleben, Barmen, Barth, Berlin, Bonn, Brandenburg an der Havel, Braunsberg, Breslau, Bromberg, Burg bei Magdeburg, Burtscheid, Celle, Charlottenburg, Coblenz, Cöslin, Colberg, Cottbus, Crefeld, Danzig, Demmin, Düren, Düsseldorf, Duisburg, Elberfeld, Elbling, Emden, Erfurt, Essen, Flensburg, Frankfurt am Main, Frankfurt an der Oder, Fürstenwalde, Groß-Glogau, Gnesen, Görlitz, Göttingen, Graudenz, Greifswald, Guben, Gumbinnen, Hadersleben, Halberstadt, Halle an der Saale, Hannover, Harburg, Hechingen, Hildesheim, Insterburg, St. Johann, Kassel, Kiel, Köln, Königsberg in Preußen, Liegnitz, Lüneburg, Magdeburg, Memel, Merseburg, Mühlhausen in Thüringen, Mülheim am Rhein, Münster, Neisse, Neumünster, Norden, Nordhausen, Osnabrück, Ottensen, Paderborn, Posen, Potsdam, Prenzlau, Remscheid, Rendsburg, Saarbrücken, Schleswig, Schweidnitz, Siegen, Sigmaringen, Spandau, Stade, Stargard in Pommern, Stettin, Stolp, Stralsund, Swinemünde, Thorn, Tilsit, Torgau, Trier, Wandsbeck, Wesel, Wiesbaden, Wittenberg.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: deshab