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Die Gartenlaube (1886)/Heft 38

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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum: 1886
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[665]

No. 38.   1886.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 21/2 Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig oder Halbheften à 30 Pfennig.


Sankt Michael.

Roman von E. Werner.
(Fortsetzung.)

Der März zeigte sich diesmal von einer sehr unfreundlichen Seite. Nachdem er mit einigen schönen sonnigen Tagen eingezogen war, hüllte er die Stadt wochenlang in einen grauen Nebel und Regenmantel; im Freien starben die ersten Knospen vor Kälte und Nässe, und hinter den Fenstern blickten die Menschen verdrießlich in den Lenzmonat, der seinem Namen so wenig Ehre machte.

Es war an einem jener Regennachmittage, als Graf Raoul Steinrück die Treppe eines Hauses in dem vornehmeren Stadttheil emporstieg und im ersten Stockwerk die Klingel zog. Er mußte dem Diener, der ihm die Thür öffnete, wohl genau bekannt sein, denn dieser verneigte sich auf die Frage, ob Herr de Clermont zu Haus sei, nur bejahend und ließ den Besuch ohne jede Anmeldung ein.

Der junge Graf trat in den Salon, der trotz seiner eleganten Einrichtung doch die Behaglichkeit vermissen ließ. Alles was die Mode forderte, war vorhanden, dagegen fehlte Alles und Jedes, was auf ein persönliches Verhältniß der Bewohner zu den Räumen deutete. Es war eine jener Einrichtungen, die ewig auf der Wanderung sind, die für einen längeren oder kürzeren Aufenthalt zur Verfügung gestellt werden, um dann nach einiger Zeit wieder andere Räume zu füllen und anderen Personen zu dienen.

Beim Eintritt des Grafen wandte sich ein junger Mann, der am Fenster gestanden hatte, rasch um und kam ihm mit lebhafter Begrüßung entgegen.

„Da bist Du ja, Raoul! Wir hatten heute schon darauf verzichtet Dich zu sehen.“

„Ich habe nur eine halbe Stunde Zeit,“ versetzte Raoul, der Hut und Ueberrock bereits draußen abgelegt hatte und sich jetzt in einen Sessel warf, mit einer Zwanglosigkeit, die verrieth, daß er hier völlig zu Hause war. „Ich komme direkt aus dem Ministerium.“

„Und da hat der künftige Staatslenker natürlich üble Laune mitgebracht,“ sagte Clermont lachend. „Wichtige Regierungsgeschäfte – dagegen muß sich Unsereiner freilich bescheiden.“

Die Unterhaltung wurde in französischer Sprache geführt. Henri de Clermont war vielleicht einige Jahre älter als Graf Steinrück, eine schlanke, elegante Erscheinung, die etwas ungemein Gewinnendes hatte; nur stand die harmlose Liebenswürdigkeit seines Wesens nicht recht im Einklange mit dem scharfem Blick der dunklen Augen, die an das Beobachten gewöhnt zu sein schienen. Sie hafteten auch jetzt forschend auf dem Gesichte Raoul’s, der unmuthig erwiderte:

„Staatslenker – Regierungsgeschäfte – ja wohl! Wenn Du nur wüßtest, durch welch eine endlose Wüste von Trockenheit und Langeweile man sich da erst hindurcharbeiten muß! Seit einem

Erste Kunstleistung. 0 Nach dem Oelgemälde von G. Igler.

[666] vollen Jahre bin ich nun im Ministerium und werde noch immer mit den unbedeutendsten, erbärmlichsten Kleinigkeiten geplagt. Ein Graf Steinrück gilt unserem Chef grade so viel wie der erste beste seiner bürgerlichen Beamten, ja vielleicht noch weniger, wenn Jener zufällig eine größere Arbeitskraft hat. Da heißt es, von der Pike auf dienen.“

„Ja, man ist bei Euch sehr gründlich in solchen Dingen,“ sagte Clermont ironisch. „Bei uns pflegt es schneller zu gehen, wenn man Namen und Verbindung hat. Also man vertraut Dir noch immer nichts Wichtiges an?“

„Nein!“ Raoul’s Blick flog ungeduldig nach der Thür, die in die inneren Räume – führte, als erwarte er dort etwas. „Höchstens einmal eine Uebergabe oder Abschrift bei Vertrauenssachen, wo Name und Stellung des Betreffenden die Bürgschaft für sein Schweigen geben – und das kann noch Jahre währen!“

„Wenn Du es aushältst! Denkst Du denn im Staatsdienste zu bleiben?“

Der junge Graf sah erstaunt auf.

„Gewiß, was denn sonst?“

„Eine seltsame Frage für Jemand, der im Begriff steht, eine der reichsten Erbinnen zu heirathen. Du kannst ja künftig als souveräner Herr auf Deinen Gütern leben. Wie ich Dich kenne, würdest Du das freilich nicht ertragen: Du brauchst das Leben, die Gesellschaft, das Wogen und Treiben der Großstadt. Nun, so laß Dich doch der Gesandtschaft in Paris attachiren, wie es einst Dein Vater that. Das kann ja nicht schwer zu erreichen sein, wenn man die Hebel an der richtigen Stelle einsetzt, und Deiner Mutter erfüllst Du jedenfalls einen Lieblingswunsch damit.“

„Und mein Großvater? Er würde es nun und nimmermehr zugeben.“

„Wenn er gefragt wird, gewiß nicht, aber seine Macht reicht doch nur so weit, wie seine Vormundschaft über Deine künftige Gemahlin. Das Testament weist ja wohl Bestimmungen darüber auf. Wann wird Gräfin Hertha mündig?“

„An ihrem zwanzigsten Geburtstage, im nächsten Herbst.“

„Nun wohl, dann hast Du doch nichts mehr zu fragen, als höchstens nach den Wünschen Deiner jungen Frau, und die wird sich sicher nicht weigern, mit Dir in der Hauptstadt Europas, im Mittelpunkt des Glanzes zu leben. Ein etwaiger Einspruch des Generals kommt nicht mehr in Betracht für Dich und sie.“

„Du kennst meinen Großvater nicht,“ sagte Raoul finster. „Er wird selbst dann noch seine Autorität behaupten, und ich – wird denn Madame de Nérac heute gar nicht sichtbar?“

„Sie ist noch bei der Toilette, wir fahren zu einem Diner. Wo wirst Du denn heute Abend sein?“

„Bei meiner Braut.“

„Und das sagst Du mit einer solchen Miene?“ spottete Clermont. „Alle Welt beneidet Dich ja um die glänzende Partie, und mit Recht. Gräfin Hertha ist schön, reich und –“

„Kalt wie Eis!“ ergänzte Raoul bitter. „Ich kann Dir versichern, daß ich nicht so beneidenswerth bin, wie man glaubt.“

„Ja, in der Launenhaftigkeit scheint die junge Gräfin allerdings etwas zu leisten. Das ist nun einmal das Vorrecht schöner Frauen.“

„Wenn es nur Launen wären – das ist mir nichts Neues, das lag von jeher in ihrer Art. Aber seit unserer Verlobung hat sie einen Ton angenommen, ist sie von einer Unnahbarkeit, die meine Geduld auf die äußerste Probe stellt. Lange halte ich das nicht mehr aus.“

Es sprach in der That die äußerste Gereiztheit aus diesen Worten, Clermont zuckte gleichmüthig die Achseln.

„Wer von uns kann ganz nach seiner Neigung wählen? Ich kann es auch nicht, wenn ich früher oder später zu einer Verbindung schreite, und meine Schwester wurde mit sechzehn Jahren an einen Mann vermählt, der bereits in den Fünfzigen stand. Man beugt sich eben der Nothwendigkeit.“

Raoul hörte die letzten Worte kaum; sein Blick bewachte noch immer ungeduldig die Thür, und plötzlich fuhr er empor, denn diese Thür öffnete sich und ein Seidenkleid rauschte über die Schwelle.

Die Dame, welche jetzt eintrat, eine schmächtige, mittelgroße, aber ungemein graziöse Gestalt, war nicht mehr in der ersten Jugendblüthe; sie mochte schon am Ausgange der Zwanzig stehen. Das Gesicht konnte nicht schön, vielleicht nicht einmal hübsch genannt werden, aber es hatte einen eigenthümlichen, pikanten Reiz. Das schwarze Haar, das in kurzen, krausen Locken den Kopf umgab, ließ diesen jugendlicher erscheinen, als er in der That war; die dunklen Augen hatten etwas Weiches, Verschleiertes, und doch konnten sie blitzähnlich aufsprühen, wie in dem Augenblick, wo sie auf den jungen Grafen fielen. Man fragte sich vergebens, welcher Zauber denn eigentlich in diesen völlig unregelmäßigen und nicht einmal edlen Zügen liege, aber er war nun einmal vorhanden, und wenn sich das Antlitz vollends beim Sprechen belebte, erschien es geistvoll und interessant in jeder Linie.

Raoul hatte sich rasch erhoben und war der jungen Frau entgegengeeilt, deren Hand er an seine Lippen zog.

„Ich komme heute nur im Fluge,“ sagte er. „Ich wollte Sie doch wenigstens begrüßen, da ich von Henri höre, daß Sie im Begriff sind, auszufahren.“

„O, wir haben immerhin noch eine halbe Stunde Zeit,“ versicherte Frau von Nérac mit einem Blick auf die Uhr. „Sie sehen ja, Henri ist noch nicht einmal im Gesellschaftsanzuge.“

„Es wird aber wohl Zeit sein, daß ich auch Toilette mache,“ fiel Clermont ein. „Du entschuldigst, Raoul, ich bin sogleich wieder da.“

Er verließ das Zimmer, und Raoul schien durchaus nichts dagegen zu haben, daß er mit der Schwester seines Freundes allein blieb. Er nahm ihr gegenüber Platz, und schon in der nächsten Minute waren Beide in ein äußerst lebhaftes Gespräch vertieft, welches sich im Grunde um gleichgültige und alltägliche Dinge drehte und aus dem doch eine Fülle von Witz, von Geist und Uebermuth wie ein Raketenfeuer aufsprühte. Frau von Nérac schien Meisterin in diesem Tone zu sein, und der junge Graf zeigte sich ihr darin völlig gewachsen. Die Wolke, die vorhin auf seiner Stirn lag, war bis auf die letzte Spur verschwunden; er lebte und webte jetzt in seinem Elemente.

Auf einmal aber nahm die Unterhaltung eine andere Wendung. Raoul erwähnte zufällig Schloß Steinrück, und der Name rief sofort ein halb spöttisches, halb boshaftes Lächeln auf die Lippen der jungen Frau.

„Ah, das Schloß in den Bergen!“ sagte sie nachlässig. „Henri und ich hätten es gern kennen gelernt, leider verhinderte die – Erkrankung der Frau Gräfin unseren beabsichtigten Besuch.“

„Meine Mutter leidet öfter an diesen Nervenzufällen, die ganz plötzlich eintreten und sehr angreifend sind,“ erklärte Raoul, rasch seine Verlegenheit bemeisternd. „Sie raubten ihr auch diesmal das Vergnügen, so liebe Gäste bei sich zu sehen.“

Frau von Nérac lächelte wieder, unendlich liebenswürdig und unendlich boshaft.

„Ich fürchte nur, daß diese Gäste selbst den ,Nervenanfall‘ hervorgerufen haben!“

„Gnädige Frau!“

„Oder vielleicht auch der General. Jedenfalls waren wir die unschuldige Ursache davon.“

„Sie lassen mich noch immer den unglücklichen Vorfall büßen,“ sagte Raoul gepreßt. „Henri thut das nicht; er kennt die schwierige Stellung, in der ich und meine Mutter uns befinden, und trägt ihr Rechnung.“

„Das thue ich gleichfalls, ich habe die Gräfin trotzdem aufgesucht. Wir mußten uns freilich auf einige flüchtige Besuche beschränken, denn der Herr General fand sich auch später nicht zu einer Einladung veranlaßt. Seine Excellenz scheinen ein sehr absoluter Herrscher zu sein und haben jedenfalls einen sehr gehorsamen Enkel.“

„Was bleibt mir denn Anderes übrig, als zu gehorchen!“ rief Raoul mit unterdrückter Heftigkeit „Meine Mutter hat Recht; sie wie ich stehen unter einem eisernen Willen, der gewohnt ist, rücksichtslos Alles zu beugen und zu brechen, was sich nicht beugen will. Wenn Sie wüßten, wie demüthigend es ist, immer noch bevormundet, examinirt, ausgescholten zu werden wie ein Knabe – ich habe es satt und übersatt!“

Er war in voller Erregung aufgesprungen, während Frau von Nérac, graziös zurückgelehnt, mit ihrem Fächer spielte und jetzt mit vollkommener Ruhe sagte:

„Nun, das wird ja ein Ende nehmen mit Ihrer Vermählung.“

„Ja – mit meiner Vexmählung!“ wiederholte der Graf langsam.

[667] „Wie elegisch das klingt! Nehmen Sie sich in Acht, daß Gräfin Hertha diesen Ton nicht hört, sie könnte ihn sonst übelnehmen!“

Raoul antwortete nicht, aber er trat an den Sessel der jungen Frau und beugte sich zu ihr nieder.

„Heloise!“

Das Wort klang halb vorwurfsvoll, halb flehend, schien aber nicht verstanden zu werden, denn sie sah wie erstaunt zu ihm auf.

„Nun?“

„Sie wissen es doch am besten, was mir diese Verbindung ist, zu der ich von meiner Mutter gedrängt, überredet wurde, die ich jetzt schon als eine Fessel empfinde, noch ehe sie geschlossen ist.“

„Und die Sie trotzdem schließen werden.“

„Das ist noch die Frage!“

In Heloisens dunklen Augen sprühte es wieder blitzartig, dann aber senkte sie die Wimpern und schien angelegentlich die Zeichnung ihres Fächers zu studiren, während sie in leichtem Tone sagte:

„Wollen Sie etwa eine Rebellion versuchen? Das würde einen Sturm ohne Gleichen in Ihrer Familie geben, und die allerhöchste Ungnade wäre Ihnen gewiß.“

„Was frage ich darnach, wenn mir nur ein Glück verheißen wird!“ brach Raoul leidenschaftlich aus. „Um diesen Preis trotze ich selbst dem Zorne meines Großvaters. Ich glaubte es ja überwinden, vergessen zu können, als Hertha meine Braut wurde; da kam ich zurück, da sah ich Sie wieder, Heloise, und da fühlte ich, daß der alte Bann mich festhielt und ewig festhalten wird. – Sie schweigen? Haben Sie wirklich keine Antwort für mich?“

Sein Auge suchte das ihrige und fand es auch endlich; jetzt war der Blick der jungen Frau wieder weich und verschleiert, und ebenso weich klang ihre Stimme, als sie halblaut sagte: „Sie sind ein Thor, Raoul!“

„Nennen Sie es Thorheit, wenn man glücklich zu sein verlangt?“ rief er aufflammend. „Sie sind Wittwe, Heloise, Sie sind frei, und wenn –“

Er konnte nicht vollenden, denn in demselben Augenblicke wurde die Thür etwas geräuschvoll geöffnet und Clermont trat wieder ein. Er schien weder das hastige Auffahren seines Freundes, noch den unwilligen Blick, den die Schwester ihm zusandte, zu bemerken, sondern rief im harmlosesten, heitersten Tone:

„Da bin ich! Nun können wir noch eine Viertelstunde plaudern, Raoul.“

Das Gesicht des jungen Grafen verrieth, wie unwillkommen ihm diese Unterbrechung war, und in der übelsten Laune entgegnete er:

„Ich habe leider keine Minute mehr übrig, ich sagte es Dir ja, daß ich nur im Fluge herkam. Gnädige Frau –“

Er wandte sich wieder an Heloise und schien noch eine leise Frage an sie richten zu wollen, aber plötzlich trat Clermont zwischen Beide und legte scherzend, aber doch mit einem gewissen Nachdruck die Hand auf den Arm seiner Schwester.

„Nun, wenn Du solche Eile hast, wollen wir Dich nicht halten, nicht wahr, Heloise? Auf morgen denn!“

„Auf morgen!“ wiederholte Raoul, ihm flüchtig die Hand reichend; er schien keine Lust zu haben, den Freund zum Vertrauten zu machen, sondern verabschiedete sich in gewohnter Weise und ging, wenn auch mit sichtbarer Verstimmung. Kaum hatte sich die Thür hinter ihm geschlossen, so wandte sich die junge Frau mit sehr ungnädiger Miene zu ihrem Bruder: „Du kamst sehr ungelegen, Henri!“

„Das sah ich,“ versetzte er ruhig. „Ich hielt es aber für Zeit, der Scene ein Ende zu machen, denn Du warst im Begriff, sie ernsthaft zu nehmen.“

Heloise warf mit trotziger Entschiedenheit den Kopf zurück.

„Und wenn ich das nun thäte! Würdest Du mich vielleicht hindern?“

„Nein, aber ich würde Dir klar machen, daß Du im Begriff bist, eine grenzenlose Thorheit zu begehen; weiter bedarf es hoffentlich nichts, um Dich zur Vernunft zu bringen.“

„Meinst Du? Du könntest Dich doch irren,“ sagte sie triumphirend. „Du unterschätzest meine Macht über Raoul. Ein Wort von mir, und er zerreißt seine Verlobung und bietet seiner ganzen Familie Trotz.“

„Und was dann?“

Die kühle, scharfe Frage machte dem Triumphe der jungen Frau ein Ende, sie blickte betroffen den Bruder an, der mit vollkommener Gelassenheit fortfuhr: „Dn kennst den General. Glaubst Du, daß er seinem Enkel jemals einen solchen Schritt verzeihen, daß er eine Verbindung mit Dir auch nur zulassen würde? Und gegen seinen Willen kann sich Raoul überhaupt nicht vermählen, da er gänzlich von ihm abhängt.“

„Er ist der Erbe seines Großvaters, und dieser steht bereits in den Siebzigen –“

„Ist aber eine eiserne Natur, mit einer stählernen Gesundheit,“ fiel Clermont ein. „Er kann noch zehn Jahre leben, und Du bist doch nicht thöricht genug, Dir einzubilden, daß Raoul’s Leidenschaft oder Deine Jugend so lange Stand hält? Du bist volle fünf Jahre älter als er.“

Frau von Nérac preßte heftig ihren Fächer zusammen.

„Henri, Deine Rücksichtslosigkeit übersteigt bisweilen alle Begriffe!“

„Es thut mir leid, aber ich kann Dir die Wahrheit nicht ersparen. Du kannst nicht mehr auf die Zukunft rechnen, dafür muß die Gegenwart wahrgenommen werden. In wenigen Jahren hast Du überhaupt nicht mehr zu wählen.“

Heloise antwortete nicht, aber sie nahm eine äußerst gereizte Miene an. Die Erörterung beleidigte sie augenscheinlich, Clermont nahm jedoch keine Notiz davon; er behielt seine kühle überlegene Ruhe.

„Und gesetzt auch, Raoul käme bald, käme jetzt schon in den Besitz seines Erbes, er wäre dennoch keine Partie für Dich. Dem General erlaubt das hohe Einkommen seiner Charge auf anständigem Fuße zu leben, das fällt bei seinem Enkel fort. Schloß Steinrück ist ein Luxusbesitz, der vielleicht noch Zuschuß erfordert, jedenfalls nichts einbringt, und was das Majorat mit den großen Herrschaften betrifft, an welches Du wahrscheinlich denkst, so gehört es der süddeutschen Linie. Die norddeutschen Vettern wußten recht gut, warum sie sämmtlich in den Staats- und Armeedienst traten. Das Familiengut reicht allenfalls hin, einen braven Landedelmann zu ernähren, der mit Weib und Kind zeitlebens auf seiner Scholle sitzt und sich selbst mit der Bewirthschaftung plagt. Aber Du und Raoul in einer solchen Lage – es wäre wirklich zum Lachen! Ueberdies liegt mir sehr viel daran, daß er vorläufig noch auf gutem Fuße mit dem General bleibt; durch ihn allein haben wir Fühlung mit dem Steinrück’schen Hause.“

„Das wäre viel leichter durch den Marquis de Montigny zu erreichen,“ sagte Heloise, noch immer in gereiztem Tone. „Er ist ja kürzlich an die hiesige Gesandtschaft versetzt worden und verkehrt selbstverständlich im Hause seiner Schwester.“

„Gewiß, aber Du irrst sehr, wenn Du glaubst, der stolze Montigny würde sich mit solchen Dingen abgeben. Er behandelt mich schon mit einer Nachlässigkeit, einer Nichtachtung, die mir oft genug das Blut ins Antlitz treibt. Er würde eher seine Stellung opfern, als sich herablassen – genug davon! Ich denke, Du siehst es jetzt selbst ein, daß Raoul’s Verhältnisse Deinen Ansprüchen auch nicht entfernt gewachsen sind; Du hast an der Seite Nérac’s bewiesen, wie weit diese Ansprüche gehen.“

„Konnte ich dafür, daß er sein Vermögen bis auf den letzten Rest verschwendete?“

„Nun, Du hast ihm redlich dabei geholfen, wir wollen das nicht weiter erörtern. Die Thatsache ist, daß wir ohne jedes Vermögen sind, und daß Du auf eine glänzende Partie angewiesen bist. Dein Roman mit Raoul muß eben ein Roman bleiben, und Du würdest sehr unklug handeln, wenn Du ihn zu einem Bruche mit seiner Braut triebest. So lange der General lebt, ist eine Verbindung zwischen Euch überhaupt eine Unmöglichkeit, später Wäre sie eine Thorheit. Bedenke das und sei vernünftig!“

„Was giebt es denn?“ fragte die junge Frau, sich ungeduldig umwendend, da in diesem Augenblick der Diener mit einer Karte eintrat. „Wir sind im Begriff auszufahren und können keinen Besuch annehmen.“

„Es ist ein Herr von der Gesandtschaft, er wünscht Herrn de Clermont nur auf einige Minuten zu sprechen,“ entschuldigte sich der Diener.

„Ah, das ist etwas Anderes,“ sagte Henri rasch, indem er die Karte nahm; plötzlich aber stutzte er und reichte sie seiner Schwester, die ebenfalls einen erstaunten Blick darauf warf.

[668] „Montigny? Er kommt zu Dir? Du sagtest ja soeben –“

„Ja, ich begreife es auch nicht, es muß irgend etwas Besonderes sein, was ihn herführt. Verlaß uns nur einige Minuten, Heloise, ich muß ihn empfangen.“

Die junge Frau zog sich zurück, und Clermont gab dem Diener einen Wink, den Besuch einzulassen, der gleich darauf erschien.

Der Marquis de Montigny war ein Mann von etwa fünfzig Jahren, eine vornehme Erscheinung, in stolzer Haltung, der freilich gerade in diesem Augenblick eine kalte, etwas absichtliche Gemessenheit zeigte; trotzdem kam ihm Henri mit der größten Liebenswürdigkeit entgegen.

„Ah, Herr Marquis, ich bin sehr erfreut, daß ich endlich das Vergnügen habe, Sie bei mir begrüßen zu dürfen. Darf ich bitten –“

Er lud ihn mit einer Handbewegung ein, Platz zu nehmen; aber Montigny blieb stehen und entgegnete kühl: „Sie sind jedenfalls erstaunt, mich hier zu sehen, Herr von Clermont.“

„Das nicht, unsere Beziehungen als Standesgenossen und Landsleute –“

„Sind nur sehr allgemeiner Natur,“ fiel ihm der Marquis schroff in die Rede. „Es ist eine durchaus persönliche Angelegenheit, die mich zu Ihnen führt. Ich wünschte nicht, sie auf der Gesandtschaft zu erledigen.“

Der Ton war in der That sehr nachlässig. Clermont preßte die Lippen zusammen, und ein drohender Blick schoß auf den Mann, der es wagte, ihn in seinem eigenen Hause so nichtachtend zu behandeln, aber er schwieg und erwartete das Weitere.

„Ich bin soeben meinem Neffen begegnet,“ nahm Jener wieder das Wort. „Er kam jedenfalls von Ihnen.“

„Gewiß, er hat uns soeben verlassen.“

„Und Graf Steinrück verkehrt täglich in Ihrem Hause, wie ich höre?“

„Allerdings, wir sind eng befreundet.“

„Wirklich?“ fragte der Marquis kalt. „Nun, Raoul ist jung und unerfahren; Ihnen aber möchte ich doch zu bedenken geben, daß diese ,Freundschaft‘ schwerlich der Mühe lohnen wird. Einem jungen, noch ganz unbedeutenden Beamten im Ministerium werden keine Staatsgeheimnisse anvertraut, man ist hier sehr vorsichtig in solchen Dingen.“

„Herr Marquis!“ fuhr Clermont mit voller Heftigkeit auf.

„Herr von Clermont?“

„Ich habe schon öfter Gelegenheit gehabt, mich über den Ton zu beklagen, den Sie für gut finden mir gegenüber anzuschlagen. Ich bitte um eine Aenderung desselben.“

Montigny zuckte die Achseln.

„Ich wüßte nicht, daß ich vor der Gesellschaft die nöthigen Rücksichten gegen Sie vergessen hätte. Jetzt sind wir unter vier Augen, und da erlauben Sie mir wohl, offen zu sein. Ich habe erst kürzlich von den Beziehungen des Grafen Steinrück zu Ihrem Hause erfahren und weiß nicht, in wie fern Frau von Nérac daran betheiligt ist. Dem sei nun wie ihm wolle. Sie werden es begreifen, wenn ich die Bitte – oder vielmehr die Forderung – ausspreche, daß bei den Zwecken, die Sie Beide verfolgen, der Graf aus dem Spiele bleibt. Suchen Sie sich andere Persönlichkeiten dazu, als den Sohn der Gräfin Hortense und den Neffen des Marquis de Montigny.“

Clermont war todtenbleich geworden: seine Hand ballte sich und seine Stimme klang heiser, als er entgegnete:

„Sie scheinen zu vergessen, daß wir Standesgenossen sind. Mein Name ist alt und edel wie der Ihrige, und ich fordere Achtung für denselben.“

Montigny trat einen Schritt zurück und sah ihn von oben bis unten an, dann sagte er schneidend:

„Ich achte Ihren Namen, Herr von Clermont – nicht Ihr Geschäft!“

Henri machte eine Bewegung, als wolle er sich auf den Beleidiger stürzen; mit halberstickter Stimme stieß er hervor:

„Das ist zuviel! Sie werden mir Genugthuung geben!“

„Nein!“ sagte Montigny mit derselben eisigen Ruhe, wie vorhin.

„So werde ich Sie zu zwingen wissen –“

„Ich rathe Ihnen, das nicht zu thun,“ fiel der Marquis drohend ein, „Sie würden mich sonst zwingen zu erklären, weßhalb ich Ihnen die Genugthuung weigere. Das würde Sie in der Gesellschaft unmöglich machen und mir eine Verantwortung auferlegen, die ich nur im äußersten Nothfall tragen würde. Ich wiederhole meine Forderung; wird sie nicht erfüllt, so öffne ich meiner Schwester und ihrem Sohne die Augen – ich denke, Sie lassen es nicht darauf ankommen!“

Er neigte das Haupt, so stolz und verächtlich, daß der Gruß füglich für eine neue Beleidigung gelten konnte; dann wandte er sich um und ging. – Clermont stand unbeweglich und sah ihm nach. Sein ganzer Körper bebte in mühsam unterdrückter Wuth, und halblaut murmelte er: „Das sollst Du mir büßen!“

(Fortsetzung folgt.)

Wild-, Wald- und Waidmannsbilder.

Von Guido Hammer.
Nr. 51.0 Jugenderinnerungen: Mein erster Hirsch.

Mächtiger Gestalt und silberlockigen Hauptes, das männlich schöne Antlitz durch schneeweiße Brauen und ebensolchen, kühn getragenen Schnurrbart gar prächtig noch gehoben, in der kleidsamen sächsischen Jägertracht von grüner Pikesche und weiten rehfarbenen Charivarihosen, den Hirschfänger mit daran hängender Fangleine an der Seite, um den Leib aber die gewaltige Hetzpeitsche geschlungen, dazu hoch auf schwarz- und zottiggemähnter Falbe sitzend – so steht noch heute in ganzer, frischer Lebendigkeit diese stattliche Erscheinung eines echten, rechten Waidmannes, des einstigen Oberförsters Konstantin vom Fischhäuser Reviere auf Dresdener Heide, vor meinem geistigen Auge. Und doch ist’s schon ein halbes Jahrhundert her, daß ich, der damals kaum Fünfzehnjährige, dieses Musterbild eines hirschgerechten Jägers zum ersten Male erblickte, als dessen Sohn, mein damaliger Schul- und Jugendgenosse, mich in sein elterliches Haus einführte und dabei vor Allem seinem eben in das Revier hinausreitenden „Alten“ vorstellte.

Von diesem mir unvergeßlich gebliebenen Tage an zog es mich immer und immer wieder hinaus nach dem so lauschig unter Buchen, Weymouthskiefern und Jahrhunderte alten Linden gelegenen Walddaheim, um hier in dem liebgewordenen Kreise der Försterfamilie, der namentlich auch ein goldhaariges Töchterlein angehörte, wahrhaft jugendglückliche Stunden zu verleben. Zumal in den langen Winterabenden, an welchen dann der Oberförster so gern und zur Freude Aller selbsterlebte Jagdgeschichten zum Besten gab. Stehen mir diese doch nicht minder frisch im Gedächtniß, wie der Vortragende selbst, und in der Erinnerung daran dünkt es mich, als hätte ich sie eben aus dessen Munde vernommen. Vor allen aber ist’s eine davon aus seiner Jugendzeit, die mich von jeher am meisten gefesselt hat, deren Thatbestand aber auch den Erzähler selbst jedesmal von Neuem auf das Lebhafteste anregte, sobald derselbe – und dies geschah oft – darauf zu sprechen kam. Darum bin ich denn auch noch recht wohl im Stande, dieselbe ziemlich getreu nacherzählen zu können, was ich nun an dieser Stelle, wie folgt, versuchen will.

„Mein erster Hirsch“ – begann der biedere, nun schon längst verstorbene Grünrock regelmäßig diese seine Geschichte – „welcher mir als blutjungem, eben erst losgesprochenem Jägerburschen vor die Büchse kam und von mir geschossen ward, dessen werde ich all meine Lebtage mit ganz besonderer Lust eingedenk bleiben.“

Nach einer hierauf jedesmal folgenden Pause fuhr er dann ohne weitere Unterbrechung fort:

„Ich hatte, wie schon gesagt, nur erst meine Lehrjahre überstanden, und zwar auf *dorfer Revier in der sächsischen Schweiz beim Förster Pommerich, einem kreuzbraven, aber teufelsmäßig scharfen und oft recht unwirschen alten Manne, als ich von diesem meinem Gestrengen eines rauhen, nebeligen Herbstfrühmorgens – die starken Hirsche schrieen bereits seit einigen Tagen ganz gehörig – den Befehl erhielt, mit ihm hinauf ins Oberrevier nach

[669]

Waldmann stellt den Hirsch.
Zu den „Jugenderinnerungen“. Originalzeichnung von Guido Hammer.

[670] den sogenannten Tellen zu gehen, wo er einen noch nicht beim Mutterwild stehenden, von der böhmischen Grenze herübergetretenen guten Hirsch abzuschießen gedachte. Er hatte schon seit Wochen getrachtet, ihn auf dem Birschgang zu erwischen, doch ohne ihn bisher je bei Büchsenlicht zu Schuß bekommen zu haben. Trat der Schlaue doch nur spät Abends, erst bei völliger Dunkelheit heraus ins Freie und zog auch vor Morgengrauen schon wieder zu Holze. Darum wollte mein Herr es heute einmal unter meiner Beihilfe, also zu Zweien versuchen, dem Patron Abbruch zu thun. Wir wollten uns dazu an einer großen und sehr festen Fichtenschonung, in welcher der Hirsch gewöhnlich tagsüber steckte, vorstellen, und ‚Waldmann‘, der Teckel, sollte sie durchkriechen und uns, nach Umständen, den Burschen bringen.

So rückten wir denn ohne Säumen mitsammen nach ihm aus. Draußen angekommen, hatten wir auch alsbald die Genugthuung, die frische Fährte des Gesuchten im Thau eines uns vorliegenden, von Schmälen[1], Heide und Beerenkräutern überwucherten Gehaues weithin sich kennzeichnen zu sehen. Als wir dann derselben folgten, führte sie auch richtig, nach einigen Widergängen, hinein in die von meinem Herrn ins Auge gefaßte Dickung. Zu aller Vorsicht kreisten wir dieselbe aber doch noch erst ein, dabei sorgfältig abspürend, ob der Schleicher nicht doch vielleicht nur durchgezogen wäre. Allein bei unserem Wiederzusammentreffen auf entgegengesetzter Seite der umgangenen Schonung bestätigte es sich, daß er wirklich drin sitzen geblieben war. Nun schritt Meister Pommerich unverzüglich zur Ausführuug seines entworfenen Jagdplanes und gebot mir zu diesem Zwecke, gleich am Platze, wo wir uns eben befanden und von wo aus man rechts und links volle Flucht zum Schießen hatte, mich anzustellen; er aber wollte zurückgehen, um den Rückwechsel zu besetzen, und von dort aus auch ,Waldmann’ auf die Fährte setzen. Brächte dieser darauf hin den Hirsch zu mir heraus, bemerkte er, dann sollte ich nur dreist darauf schießen, ginge jedoch die Jagd rückwärts – nun, in diesem Falle stände ja er am rechten Flecke. ‚Wer geschossen hat, bleibt ruhig auf seinem Stande und wartet, bis der Andere zu ihm kommt,‘ fügte er beim Abgehen noch hinzu, und fort stakelte mein Gebieter, mir dabei ‚Waidmanns Heil‘ zubrummend.

Wie späh’te und horchte ich jetzt, da ich allein war, nach allen Seiten hin, um ja nicht etwa vorzeitig sich Ereignendes zu verpassen! Denn voraussichtlich mußte ich noch lange warten, ehe mein schon etwas wackliger Alter nur seinen Stand erreicht haben und ich zum Zeichen, daß dies geschehen, das ‚Kiff paff‘ des anjagenden Hundes zu hören bekommen würde. Um so wonniger erklang mir endlich der heißersehnte Ton, und das Herz schlug mir hörbar dabei, als ‚Waldmann‘ nun, fort und fort laut wie eine Glocke, die Jagd gar auf mich zu brachte. Ja, ich stand bei deren Annäherung bereits so in vollem Hirschfieber, daß mir thatsächlich die Zähne auf einander schlugen und ich ordentlich Gott dankte, als ‚Männel‘ plötzlich verstummte. Er mußte von der Fährte abgekommen sein. Doch nur kurze Zeit währte dies, dann gab der Unermüdliche von Neuem hellen Hals, doch diesmal wandte die Flucht sich links ab, dann plötzlich wieder nach rechts herüber, bis sie endlich in geradem Strich zurück auf meinen Herrn losging. Der Hirsch hatte wahrscheinlich nach ein paar Wiedergängen den Rückwechsel angenommen. Jetzt war ich voraussichtlich darum, den Hirsch vor das Rohr zu bekommen. Und richtig! Kaum einige Minuten später ertönte draußen ein Schuß, daß der Knall davon an den hinter mir liegenden Wänden als vielfaches Echo wiederklang und knatternd durch Wald und Geklüft sich fortsetzte. Dies aber hören – und es gab kein Halten mehr bei mir. Im Laufschritt ging’s meinem Vorgesetzten zu, und bald stand ich neben dem Glücklichen. Ohne lange Rede, sondern nur mit der Bemerkung, daß er auf den sehr flüchtig vor dem Hunde Gekommenen geschossen habe, führte er mich auf den von ihm bereits verbrochenen Anschuß und ließ mich hier die absichtlich zu meiner Belehrung liegengelassenen Schnitthaare und weiterhin den zuerst gefallenen Tropfen Schweiß (Blut) aufsuchen. Nun erst, nachdem ich Beides schnell und sicher wahrgenommen, verfolgten wir gemeinschaftlich die Fährte weiter. Zunächst führte diese über dasselbe Gehau zurück, auf welchem wir den noch vor Kurzem Gesunden eingespürt hatten. Beim Weitersuchen, wobei mein Lehrherr, der Hirschgerechte, Alles, auch das Geringfügigste, mit besonderer Sorgfalt ins Auge faßte und mich jedes Mal darauf aufmerksam machte, kam mein Meister unter Anderem auch zu der Ueberzeugung, daß der Getroffene die Kugel hoch sitzen haben müsse, denn da, wo er bei seiner Flucht lange Schmälen berührt oder an Strauchwerk angestrichen war, saß auch meistens in ziemlicher Höhe Schweiß daran. Unter solchen Beobachtungen seinerseits, die mir zu lehrreichsten Erfahrungen wurden, kamen wir denn bis zu einem alten vergrasten Wege. Derselbe führte weiter hin in die Felsen und lief dort, wie wir Beide wußten, zuletzt nur noch als schmaler Steig an abfallenden Wänden hin nach einem etwa stubengroßen Vorsprung aus, welcher über einer tief hinunterreichenden bewaldeten Schlucht hing.

Da wir zuletzt nur noch wenig Schweiß gefunden, an schon erwähntem Graswege aber das letzte Tüpfelchen davon verspürten, so machten wir hier Halt, um nun erst wieder einmal nach dem Hunde zu horchen, der noch immer hinter dem kranken Hirsch her war. Und nicht vergeblich lauschten wir ihm, vielmehr recht bald hörten wir den braven Teckel, und zwar fest Standlaut geben – der Hirsch hatte sich ihm also gestellt. Dem Klange nach aber war es ganz in der Richtung nach besagtem verlorenen Felsenwechsel zu. So folgten wir denn auch diesem noch ein Stück, doch nur bis zu jener Stelle, wo er sich bis zum schmalen Grat an den Schroffen hin gestaltete. Hier, an der Felswand, fand sich auch wieder hochangestreifter Schweiß vor, so daß uns daraus die volle Sicherheit ward: der Verfolgte sei wirklich auf der kleinen Platte, die wir aber wegen Vorliegen mächtiger Gebirgsecken noch immer nicht in Sicht hatten. Da dem Versprengten da draußen aber ein Entkommen nach vorwärts geradezu unmöglich sein mußte, so durften wir uns auch keinen Schritt weiter entgegen wagen. Denn wir würden durch unser Erscheinen den nun schon so lange vom Hunde Bedrängten zu einer verzweifelten Flucht nach rückwärts, also auf uns zu, veranlassen, wobei der Geängstete uns auf dem engen Felspfade nothwendig überrennen und rettungslos in den Abgrund stürzen mußte. Darum zogen wir uns wieder so weit zurück, daß wir ungefährdet auf ihn schießen konnten, wenn der Hirsch auch ohne unser Entgegentreten sich über den Hund weg den Rückwechsel erzwingen sollte. Mit bewährter Ausdauer aber hielt ‚Waldmann‘ den in die Enge Getriebenen auch noch ferner auf der Klippe fest, und hierauf stützte denn mein nie verlegener Principal jetzt einen neuen Plan zum Gelingen der weiteren Jagd.

,Du, mein Junge,‘ wandte sich plötzlich der sonst so Barsche in seiner zwar immer noch derben, doch heute in fast väterlichem Tone gehaltenen Art an mich: ,Du gewinnst mit Deinen jungen Knochen allemal noch Zeit dazu, über den ,Zumsteig‘ an der ,Herztanne‘ vorüber und durch die ‚Martertelle‘ hinauf nach dem ,hohen Stein‘ zu kommen, von wo es höchstens hundert Schritte hinüber nach dem Riff sein mögen, auf welchem der Hund mit dem Hirsche steht. Und bist Du nur einmal an Ort und Stelle angelangt, dann magst Du von da aus auch in Gottes Namen auf Deinen ersten Hirsch schießen. Halt aber gut hin und nimm Dir darum ruhig Zeit dabei, denn hat er bis dahin dem ‚Waldmann‘ noch Stand gehalten, dann kommt’s auch auf ein paar Minuten mehr oder weniger, die Du noch aufs Verschnaufen verwendest, nicht an. Also recht bequem gemacht und um so sicherer hingehalten, damit der Beschossene womöglich im Feuer und auf dem Flecke zusammenbricht, denn sonst stürzt der Racker wohl gar ab! Ich aber bleibe hier, um ihm für alle Fälle den Rückzug zu verlegen. Und nun Waidmanns Heil zu guter Jagd, und Hals- und Beinbruch noch dazu!‘[2]

Freudigst dankte ich meinem noch nie so leutselig gegen mich gewesenen Herrn für das mir Gewährte, und jubelnden Herzens eilte ich von dannen. Nur flüchtig hörte ich dabei noch seinen Warnruf: ,Sachte, sachte, sachte!‘ Dann war ich um die Ecke verschwunden und bereits auf dem vorgeschriebenen Wege, der mich, bei meiner Eile, schon in etwa einer guten Viertelstunde auf meinen Posten brachte. Als ich auf diesem angekommen war, richtete sich mein erster Blick zur Klippe hinüber, nach meinem ersehnten Ziele, dem Hirsche, der wirklich noch immer vor dem Hunde aushielt.

[671] Mit halb niedergesenktem Kopf und schlappen Gehören stand der offenbar Schwerkranke da, ohne sich nur zu rühren, während der ihm den Weg sperrende Teckel nicht müde ward, ihn giftig anzueifern. Vorsichtig, um den Festgebannten nicht etwa von meiner Seite her rege zu machen, suchte ich zuvörderst ungesehen Deckung hinter einem vor mir liegenden Felsblocke zu gewinnen, wobei ich zugleich auf passende Schußweite herankam. Hier holte ich nun erst in tiefen Zügen frischen Athem, denn vom raschen Lauf und vor Aufregung wollte es mir schier die wogende Brust zersprengen. Dann aber, unter allerhand Freischützgelübden für das Gelingen meines Schusses, nahm ich die Büchse an den Kopf. Doch hierbei ward mir’s plötzlich wie Nebel vor dem Auge, so daß ich das Zeug auf dem Rohre nicht zusammen zu bringen vermochte – und wenn es mein Leben gegolten hätte. Zum Glücke fielen mir noch rechtzeitig die mahnenden Worte meines Herrn ein: mir Ruhe beim Schießen bewahren zu sollen, und da ja doch der Hirsch noch unbewegt an seiner Stelle stand, so setzte ich wirklich die Büchse wieder ab, schnappte noch ein paar Mal nach frischer Luft – und die noch gestochene Büchse lag von Neuem am Backen. Diesmal bemeisterte ich jedoch insoweit meine Erregtheit, daß ich klaren Blickes blieb und ohne Schwanken Visir und Korn zusammenbrachte, damit auch gut auf den Hirsch abkam. Im Nu berührte dazu der Finger den Abzug, und dröhnend durchhallte der Schuß die hellhörige Herbstluft.

Deutlich hatte ich hierbei den Kugelschlag gehört, das war aber auch Alles, was ich wahrgenommen. Ob der Hirsch aber auf den Schuß gezeichnet hatte, war mir vor Pulverdampf, vielleicht auch nur durch meinen fieberhaften Zustand, in welchem ich mich noch immer befand, gänzlich entgangen. Um so heftiger erschrak ich, als ich im nächsten Augenblick durch den sich verziehenden Rauch Aussicht gewann und den Hirsch, wie einen Gefeiten, noch immer aufrecht vor mir stehen sah, gerade wie zuvor. Natürlich glaubte ich gefehlt zu haben, umsomehr, als er ganz plötzlich, noch ehe ich an das Wiederladen der Büchse nur gedacht, sich wendete, als wolle er den Hund abschlagen. Dabei kam aber der rege Gewordene ins Wanken und dem Rand der niedergehenden Wand so nahe, daß er sich nicht erhalten konnte – und jäh, kopfüber, stürzte der Stattliche hinab in die bewaldete tiefe Schlucht unter ihm. Noch sah ich den Hochgeweihten in die Wipfel der alten Fichten und Tannen, die sich wie zum Fange entgegenstreckten, aufschlagen und ein Rauschen, Krachen und Brechen folgte diesem Fall – dann war’s wieder so still wie zuvor.

Staunend über das eben Geschehene, aber auch in wahrer Herzenspein darüber, stand ich starr und rathlos da, nicht wissend: hatte den nun Gefällten meine Kugel dazu gebracht, oder war es nur der Knall gewesen, der den Schwerkranken zum letzten Fluchtversuch aufgerüttelt und dabei ihn zu Falle hatte kommen lassen. Ich glaubte das Letztere. Vor der Hand kam ja aber hierauf nichts an. Darum zögerte ich auch nicht, um so rasch wie nur möglich zurück zu meinem Herrn zu kommen, ihm die Sachlage zu melden. Fast athemlos traf ich bei ihm ein, daß ich kaum meinen Bericht hervorzustammeln vermochte. Als dies doch so gut und ausführlich wie möglich geschehen und ich auch meine bange Vermuthung nicht verschwiegen hatte, ward mir erst Wieder einigermaßen leichter ums Herz; denn ruhig und ganz befriedigt erwiderte der heute nun einmal ganz ungewöhnlich gütig gestimmte Alte darauf: ,Nun, das ist jetzt einerlei, ob todtgeschossen oder todtgestürzt. Jedenfalls liegt der Schwerenöther verendet unten und kann uns nun nicht mehr entgehen. Ehe wir aber dort ’nunter kraksen‘, fuhr er fort, ,magst Du erst nach der hinteren Salzlecke springen. Dort sind heute die Holzmacher beim Durchforsten von Fichtenstangen beschäftigt. Von denen bringst Du drei bis vier Leute mit hierher – sollen aber Schiebbock und ihr Zeug mitbringen – und dann steigen wir Alle zusammen hinunter zu dem Satansbraten, um diesen gleich ins Forsthaus schaffen zu lassen. Also vorwärts! Ich erwarte Euch hier.‘

Rasch kam ich auch diesem Befehle nach, so daß ich gar bald wieder mit den Arbeitern zur Stelle war. Sofort ward von hier aus aufgebrochen, um den Abstieg in die betreffende Schlucht vorzunehmen. Nachdem dieser ohne allzu große Beschwerde gelungen und wir zu der verhängnißvollen Oertlichkeit gekommen, wo den Umständen nach der niedergegangene Hirsch sich vorfinden mußte – da forschten wir doch vergeblich nach diesem. Wohl fanden wir hier frisch abgebrochenes Geäst und Reisig in Menge vor, doch sonst weiter keine Spur des Gesuchten. Unwillkürlich richteten sich nun Aller Blicke hinauf nach der Wand, über welcher der Vermißte gestanden hatte, in der Hoffnung, ihn etwa irgendwo zu sehen; doch Keiner entdeckte ihn dabei.

Da, ich traute erst meinen Augen kaum, gewahrte ich den Ersehnten, wo ihn Niemand vermuthet, inmitten des knorrigen Geästes einer riesigen Tanne, und zwar derjenigen, an deren Fuße – ich stand. Mit dem Geweih und den Läuften verklammert und verschränkt hing der Edle hier hoch oben im Grünen – ein Anblick, wie er sonderbarer kaum gedacht werden konnte. Jetzt stand uns nun die Aufgabe bevor, den endlich Aufgefundenen aus seiner immerhin noch hohen Region herunterzuholen. Wie dies aber anfangen? Nun, ich ließ es mir, als Jüngstem und gewandtem Kletterer, nicht nehmen, den mächtigen Baum zu ersteigen. Ich zog dabei das Ende eines langen Seils nach und schlang es vorerst dem Hirsch an die mir zunächst erreichbaren Hinterläufe. Dann löste ich Geweih und Vorderläufe aus dem Astgewirr, und während nun die Leute unten anzogen, half ich mit allen meinen Kräften nach, die ungefüge Last vor erneutem Hängenbleiben zu bewahren. Unter solchen Bemühungen und durch die eigene Schwere des kapitalen Burschen kam dieser denn auch bald ins Rutschen, und während noch mancher Ast nachbrach, schlug er endlich dröhnend zu Boden.

Aufs Schnellste, um doch endlich zu erfahren, ob meine Kugel ihre Schuldigkeit gethan, sprang ich mehr, als daß ich abstieg, von Ast zu Ast und zuletzt ins weiche Moos hinab, dicht neben die nun errungene Beute hin, hier mich endlich nach Herzenslust an deren unbehindertem Anblick zu weiden. Doch noch ehe dies geschehen konnte und als ich mich noch hoch in den Aesten befand, rief mir mein guter Herr und Meister schon frohgemuth zu: ,Brav hingehalten, einen Mordstreffer gethan!‘ Dann aber, wie ich wieder auf Grund und Boden vor ihm stand, empfing er mich mit biederem Händedruck und beglückwünschte mich zu meinem ersten Hirsch, dem meine Kugel so recht auf dem gehörigen Flecke, dicht hinter dem Blatt, ein wenig kurz saß, während die meines Herrn wirklich, wie von ihm vorausgesagt, hoch hohl unter dem Rücken durchgegangen war. Nachdem ich mich so von meinem Glück überzeugt, bückte sich mein heute so freundlicher Herr und Gönner und schnitt dem Hirsch die Haken[3] aus dem Geäse, überreichte sie mir als wohlverdiente Trophäen und steckte mir dazu auch noch eigenhändig einen Tannenbruch auf den Hut. Dabei sah man dem Guten die unverkennbare Freude über meine Freude an. Und als ich ihm darauf für all das Liebe und Freundliche, was er mir heut’ angethan, von ganzem Herzen gedankt, auch ihm zugleich meinen Gegenglückwunsch zu seinem Hirsch dargebracht, da ich dem Angeschossenen ja nur den Fangschuß gegeben und denselben also nach gutem Jägerrecht nicht als von mir erlegt betrachten dürfe – da zerstreute der brave alte Mann den über meine helle Freude gekommenen Schatten in wahrhaft väterlicher Weise durch die Versicherung: daß er den Hirsch als allein von mir geschossen betrachtete. Sein Schuß säße ja nicht unzweifelhaft tödlich, während meine Kugel den Hirsch auch ohne dessen Absturz unfehlbar nach Minuten schon zur Verendung gebracht haben würde. Mithin sei ich allein der eigentliche wahre Hirschtödter. ,Und,‘ fügte er lächelnd hinzu: ,damit Du Teufelskerl mir dadurch nicht etwa gar zu übermüthig wirst, so spreche ich mir das Geweih für meinen Anschuß zu – und damit basta!‘

Wer war glücklicher als ich!“

Mit diesen Worten endete mein lieber väterlicher Freund Oberförster ebenso regelmäßig seine Geschichte, wie er auch niemals die Eingangsformel derselben veränderte. Ebenso einmal wie allemal aber deutete er nach Schluß seiner Erzählung auf einen stattlichen Zwölfender über dem Spiegel und bemerkte hierzu nur noch: „Das ist das Geweih von jenem Urian, der mir einst so viele Sorge und doch auch wahrhaft hohe Freude bereitet hat. Deßhalb habe ich mir es aber auch nach dem Tode meines unvergeßlichen Herrn von dessen Erben zu verschaffen gewußt, und es soll allezeit der Hauptschmuck meines Hauses bleiben.“


  1. Dünnes, langhalmiges Gras.
  2. Hals- und Beinbruch gewünscht bekommen, gilt dem Jäger als ein besonders gutes Zeichen zum Gelingen der Jagd.
  3. Haken nennt der Jäger die zwei dem Edelwild eignen Zähne im Oberkiefer. Sie werden manchmal an der Uhrkette getragen.

[672]

Ludwig II.

 1.
Ein König warst Du in der Träume Land,
Dem unermeßlichen, dem weltentrückten,
Doch des Geschickes finstre Mächte drückten
Ein irdisch’ Scepter früh in Deine Hand;

Und auf die Stirne Dir ein golden’ Band,
Ach, viel zu schwer der Schwärmerstirn! – Es bückten
Die Großen sich vor Dir; den Hochbeglückten
Pries Dich das Volk, das Deinen Thron umstand.

Ein kurzer Rausch von Freundschaft, Liebe, Macht
Liest Dich erkennen, daß sie alle trügen
Und daß der Erde Glück ein eitler Tand;

Da suchtest Du in wilder Hochlandspracht
Die Einsamkeit und schriebst in Marmorzügen
Dein Traumbekenntniß an die Felsenwand.


 2.
Doch ach, so hoch ragt keine Felsenwand,
Daß sie der Erde Fesseln Dich entrücke,
Und schlügst Du über Wolken Deine Brücke,
Sie trägt Dich nicht in Deiner Träume Land.

Dein Sehnen war ein ferner Inselstrand
Im blauen Meer, fern von Verrath und Tücke,
Ein Zufluchtsort, so wähntest Du, dem Glücke,
Den viele suchten und den keiner fand.

Und als im Sehnsuchtsdrang, der nimmer ruht,
Vergebens Du gespäht von Pol zu Pol,
Schon von des Wahnsinns Nacht das Haupt umwunden,

Sprangst Du verzweifelnd selber in die Fluth:
Du königlicher Taucher fahre wohl,
Ludwig fahr wohl, Du hast den Strand gefunden!
 Karl Hecker.


Was will das werden?

Roman von Friedrich Spielhagen.
(Fortsetzung.)

In den endlosen Geschäftsräumen waren einzelne Lampen angezündet, die ihr melancholisches Licht über die verlassenen Zahltische und in die verödeten Drahtgitterlauben warfen. Mein zögernder Schritt hallte unheimlich laut; und da kam mir, der ich schon die Richtung verfehlt zu haben glaubte, der eilige Schritt eines Anderen entgegen: des jungen Mannes von vorhin. Er war aber jetzt in Hut und Ueberzieher und hatte ein paar Papiere in der Hand. Ob mir Herr Löbinsky nicht folge? Der junge Mann wartete eine Antwort nicht ab, sondern rannte so weiter. In dem Augenblicke wurde eine Thür geöffnet, aus welcher ein heller Lichtschein drang; Emil stand auf der Schwelle.

„Bist Du’s, Jakob?“

„Nein, ich bin’s: Lothar.“

„Gott, wie kommst Du hierher?“

„Hat Dir der junge Mann nicht gesagt?“

„Nein. Aber es ist mir ganz recht, ganz recht.“

Wir waren in dem Komptoir. Die beiden Gasflammen über dem großen Arbeitstisch waren angezündet; auf dem Tische waren die neulich so sauber aufgeschichteten Briefe und Papiere wirr durch einander geworfen. Der große eiserne Geldschrank stand weit offen. Emil war noch in Frack und weißer Binde, aber die Binde hatte sich verschoben, daß der Knoten fast im Nacken saß, und die eine Hälfte des Stehkragens war herabgebogen, als ob ihn Jemand am Halse gewürgt hätte. Die vorhin in der Mitte gescheitelten, sorgsam geglätteten schwarzen Haare starrten ihm wild um den Kopf; aus dem bleichen und ganz verzerrten Gesicht glotzten die blöden Augen gläsern ins Leere. So hing der Aermste in dem Stuhl vor dem Schreibtisch, von welchem er sich, als er den Schritt draußen hörte, erhoben haben mochte und in den er nun kraftlos zurückgetaumelt war.

„Emil, was giebt es? was hast Du?“

Ich mußte die Fragen mehrmals wiederholen, bis er endlich langsam den Kopf nach mir wandte und mich mit einem irren Lächeln anblickte.

„Aber Mensch, so sprich doch!“

„Gleich, gleich! Es ist nichts. Ich bin – wir sind ruinirt.“

Und der Aermste brach, sich die Hände vor das Gesicht drückend, in ein krampfartiges Weinen aus.

Ich legte ihm die Hand auf die Schulter.

„Emil! bist Du ein Mann? Erstens glaube ich es nicht, daß Du ruinirt bist; und wenn es wäre, ist das ein Grund, sich so zu gebärden? Schäme Dich!“

„Es ist nicht um mich,“ stöhnte er. „Ich – ich – aber Lea – Lili – sie erträgt es nicht.“

„Dann läßt sie’s bleiben!“ rief ich wüthend.

Meine Heftigkeit hatte ihn aus seinem Jammer aufgeschreckt.

Er stierte mich fragend an.

„Dann geht der ganze Firlefanz da oben zum Kuckuck,“ fuhr ich fort. „Ich müßte mich sehr irren, oder Du hast wenig Freude daran gehabt. Du wirst Dich schon wieder in die Höhe bringen, wenn’s denn doch gar so schlimm ist. Kann sie’s nicht abwarten, Lea oder Lili – nun, desto besser für Dich, wollte sagen: so ist sie’s auch nicht werth, daß Du Dich ihrethalben grämst und quälst.“

„Und die Mutter und Jettchen!“ murmelte er. „Jettchen hat es immer gesagt. Sie wird’s nicht lange überleben. Das ist ein Trost.“

Der Augenblick war da, wo ich es ihm sagen mußte. Weßhalb nicht? Er war offenbar in einer so verzweifelten Stimmung, daß er auch das hören konnte.

„Emil!“ sagte ich. „Wenn es Dir ein Trost ist, daß Jettchen es nicht lange überlebt – sie hat es nicht mehr erlebt. Sie ist todt.“

Mir stürzten dabei wider Willen die Thränen aus den Augen. Aber ich hatte ihn so hart wegen seines weibischen Wesens angefahren; er sollte mir den Vorwurf nicht zurückgeben dürfen. Der Zwang, den ich mir anthat, war umsonst gewesen: er hatte, wieder vor sich hinstarrend, mein Weinen gar nicht bemerkt. Ich war nicht einmal sicher, ob er die Trauerbotschaft vernommen habe; aber wiederholen mochte ich sie nicht.

„Wo nur Jakob bleibt!“ murmelte er, ängstlich nach der Thür sehend und dann mit zitternder Hand die Uhr hervorziehend: „Halb zwei! Großer Gott! die Depeschen nach London müssen fort.“

„Ich will versuchen, Dir Deinen Schwager herbeizuschaffen,“ sagte ich, mich erhebend.

„Nein, nein, bleib’!“ rief er ängstlich. „Er wird schon kommen, Du mußt bleiben, bis er kommt. Er ist an Allem schuld; er und seine Brüder und sein Vater. Ich habe genug gewarnt.“

„Aber um was handelt es sich eigentlich?“ fragte ich.

„Eine Spekulation,“ sagte er, „eine ungeheure, die, wenn sie einschlug – aber sie ist nicht eingeschlagen, fehlgeschlagen gänzlich – hoffnungslos! Wir haben Differenzen zu zahlen in die Millionen, dazu andere gräßliche Nachrichten. Der Bankrott von zwei großen Firmen in New-York, mit denen wir arbeiteten – die wieder bei uns mit Millionen zu Buch standen. Aber ich fürchte, Du würdest es nicht verstehen, wenn ich Dir das klar zu machen versuchte. Ich selbst kann es nicht übersehen; es ist [673] vielleicht noch etwas zu retten, wenigstens die Depots. Es wäre fürchterlich. Deine Mutter wäre auch ruinirt, so gut wie ruinirt.“

Ich hatte daran noch mit keinem Gedanken gedacht, daß die Mutter den größten Theil ihres Vermögens, oder das ganze – ich wußte es nicht – in dem Israel’schen Geschäft stehen hatte. Es war ja vom ersten Tage an mein Entschluß gewesen, daß ihr Reichthum nie der meine sein sollte; heute zum ersten Male hatte ich darauf hinzudeuten gewagt und ihr zweifelndes Lächeln bitter empfunden. Aber freilich, ob ich wünschen solle, daß sie arm sei wie ich – die Frage hatte ich mir noch nie vorgelegt; und als Emil jetzt diese Möglichkeit hinstellte, überkam mich doch ein jäher Schrecken. Würde es der Mutter möglich sein, ohne Gram in die alte Dürftigkeit von ehemals zurückzutauchen? War es mir möglich, sie mir wieder in dieser Dürftigkeit vorzustellen?

Das schoß mir durch den Kopf, während nun auch ich, Emil gegenüber, vor mich hinstarrend dasaß, und in die Stille um uns her das dumpfe Geräusch der Gesellschaft herabschallte, und die Bewegung so vieler Menschen, trotzdem man die einzelnen Tritte nicht hörte, zu einem dumpfdonnernden Getöse zusammenfloß und hier unten die Glocken auf den Gaslampen erklirren machte. Nun kamen eilige Schritte durch die Geschäftsräume. Die Thür wurde aufgerissen, und Emil’s Schwager – ich war dem jungen, sehr kleinen und sehr häßlichen Manne oben vorgestellt worden, – er wurde bei der Gelegenheit von Emil „Jacques“ genannt – und ein älterer Herr, den ich nicht kannte, stürzten herein, beide Schrecken und Angst in den bleichen Gesichtern.

„Extrablatt!“
Originalzeichnung von E. Limmer.

„Wo sind die Londoner Depeschen?“ schrie der Schwager.

„Was haben Sie nach Warschau telegraphirt?“ der ältere Herr.

Emil hatte dem Schwager die Depeschen eingehändigt und gab dem älteren Herrn, der wohl ein Geschäftsfreund – vielleicht „u. Ko.“ – war, die gewünschte Auskunft. Der Schwager schleuderte die Papiere auf den Tisch zurück und fuhr wüthend auf Emil los, dem er die geballten Fäuste vor das bleiche Gesicht hielt, den Unglücklichen mit einer Fluth von Vorwürfen überhäufend, von denen ich nur die zahlreich eingestreuten Schimpfwörter verstand. Ich konnte es nicht länger mit anhören und warf mich zwischen sie, dem Wüthenden die Fäuste niederschlagend. Er blickte mich mit wölfischen Augen verwundert und erschrocken an; er schien meine Gegenwart erst jetzt zu bemerken.

„Was wollen Sie?“ schrie er.

„Ihnen nur sagen, daß ich eine solche Behandlung meines Freundes nicht dulden will. Schämen Sie sich!“

„Ja, Jakob, schäme Dich!“ sagte der alte Herr mit einer fetten Stimme, aber großer Entschiedenheit.

Herr Jakob Löbinsky warf uns einen giftigen Blick zu, aber wich, Unverständliches murmelnd, ein paar Schritte zurück wie ein eingeschüchtertes wildes Thier. Ich hatte den Eindruck, daß der alte Herr willens und im Stande sei, zwischen den beiden Schwägern so weit zu vermitteln, daß Emil wenigstens vor den Brutalitäten des Anderen geschützt war, und hielt es für angemessen, die Kompagnons sich selbst zu überlassen. Der alte Herr begleitete mich bis zur Thür, während Jakob Löbinsky mir grollend nachblickte und Emil mein Weggehen kaum zu bemerken schien.

Dann stand ich auf der Straße. Vor dem Hause hielt eine lange Reihe von Equipagen mit glänzenden Laternen und Kutschern und Dienern in Livrée. Ihre Herrschaften, die Herren mit den satten Gesichtern und die Damen mit den vollen Formen, saßen jetzt beim Champagner da oben hinter den Fenstern, aus denen durch die herabgelassenen Stores das Licht der Kronleuchter und Kerzen schimmerte. Im dunklen Erdgeschoß aber hinter den verschlossenen Läden rüttelte der Riese Bankerott an den Säulen, auf welchen die ganze Herrlichkeit ruhte. Wenn sie zusammenbrach und all die Geldfürsten mit ihren Weibern erschlagen wurden von den Trümmern – eine reinste Seele war gerettet aus dem Chaos. Und ich meinte ihre Augen zu sehen, da oben in den funkelnden Sternen am nächtlichen Himmel.


[674]
5.

Moderne Millionenhäuser pflegen nicht zu fallen, wie alte Sagenpaläste: auf einen Ruck. Diesmal aber schien der Riese sein Werk doch gründlich gethan zu haben. Das Israel’sche Fest hatte am Sonntag stattgefunden. Die Montag-Abendblätter brachten „Privat-Telegramme“ aus New-York, London und Paris über die plötzlich eingetretenen schweren Verlegenheiten einer bekannten großen Firma, die an den genannten Orten und einigen anderen ihre Kommanditen und ihren Hauptsitz in Berlin habe. Aber bereits die Dienstag-Morgenblätter enthielten ausführliche Berichte, mit voller Namensnennung – Berichte, welche in Angabe der Ursachen des Sturzes, je nachdem sie von befreundeter oder feindlicher Seite kamen, vielfach auseinander gingen, aber darin übereinstimmten, daß der Zusammenbruch ein unaufhaltsamer, gänzlicher sei, und die Passiva die Aktiva um mehrere Millionen übersteigen würden.

Auch auf den fürstlichen Luxus, der in dem Israel’schen Hause geherrscht und wohl in erster Linie auf Rechnung „der schönen und pikanten Dame“ komme, welche „der glänzende Mittelpunkt des großen, ihr huldigenden Kreises“ gewesen, wurde mehr oder weniger deutlich, als auf eine der Ursachen des schnellen Niederganges, hingewiesen. Man wollte wissen, daß die Dame eine Reise nach England zu ihren dortigen Verwandten angetreten habe. Ich vermuthete, in Gesellschaft des höchst ehrenwerthen Fred, und wünschte ihr Glück auf den Weg.

Die Verluste meiner Mutter waren ungeheuer, mußten es sein, trotzdem sich dieselben allerdings noch nicht übersehen ließen aus dem sehr triftigen Grunde, daß meine Mutter selbst über ihre Geldangelegenheiten keine Uebersicht hatte. Von Anbeginn war Herr von Ruver der Verwalter des Vermögens gewesen und war es seltsamerweise noch in diesem Augenblick, trotzdem im Uebrigen ein gänzlicher Bruch zwischen ihm und der Mutter stattgefunden hatte.

Vorläufig war der Mann wieder einmal in Rom, konnte die Leitung einer wichtigen Angelegenheit, mit der ihn Seine Heiligkeit betraut hatte, nicht aus der Hand geben; versprach zu kommen, sobald die Möglichkeit dazu vorliege, und gab inzwischen die Versicherung, daß die Verluste ja allerdings groß, aber keineswegs so groß seien, wie meine Mutter, vielmehr ihr Rechtsanwalt anzunehmen scheine.

Dieser Rechtsanwalt war der Principal Adalbert’s, ein, wie ich den Eindruck hatte, ehrlicher Mann, dessen advokatische Weisheit aber nicht über die landläufige Geschäftsroutine hinausging. Oder hatte ihn mir Adalbert auch nur so geschildert? Jedenfalls bedauerte ich tief, daß Adalbert in eben diesen entscheidungsvollen Tagen auf einer Reise in Sachen seiner Partei war und also meiner Mutter mit seinem Rath nicht zur Seite stehen konnte.

Meine Mutter ließ sich das Alles nicht anfechten; ja sie schien nur ein ganz oberflächliches Interesse an der Angelegenheit zu nehmen. Sie lebte zur Zeit nur für mein Stück, dessen Schicksal, wenn man den Zeitungen glauben durfte, eben so endgültig entschieden war, wie der Zusammenbruch der Firma Israel, Löbinsky u. Komp.

Es waren dieselben Dinstag-Morgenblätter, welche über die große und die kleine Kalamität berichteten, betreffs der letzteren in ihrer weit überwiegenden Mehrzahl mit einer Einstimmigkeit des Verdammungsurtheils.

Ich hatte mir versprochen, ruhig zu bleiben, wie immer die Kritik über mein Stück sich auslassen möge, aber ich gestehe, darauf – auf eine so gänzliche Verwerfung – war ich doch nicht gefaßt gewesen; und ein paar wenige, ruhig gehaltene, das einzelne Gelungene freundlich anerkennende, das Verfehlte maßvoll tadelnde Kritiken, unter denen die des Professor Hunnius die am meisten wohlwollende – wie die in der Zeitung des Pastor Renner mit „Ernst Streben“ unterzeichnete, die gehässigste, – gewährten mir nur einen schwachen Trost. Was bedeutete das Säuseln dieses Lobes gegen den Sturm der Entrüstung, welcher gegen meinen armen Thomas daherbrauste? Nicht wahr, Du theurer Held, das hatten wir uns nicht träumen lassen, als wir unsere erste Bekanntschaft machten da oben in der Giebelstube hinter dem Kornelkirschbaum? als ich Dir begeistert in die schwärmerischen Augen schaute und Dir schwur, ich wolle Dein Andenken zu Ehren bringen und Dein in der Geschichte schwankendes Bild auf ein Piedestal stellen, unvergänglicher denn Erz? Nun habe ich des „Gassenvolkes Windesbraut“ hinter mir her gehetzt auf meinem steilen Pfade aufwärts den Parnaß, wie der Pöbel hinter Dir her johlte auf Deinem Leidensweg zum Richtplatz! Vergieb mir! Ich habe eben meine Kraft überschätzt wie Du die Deine. Und aus Deinen Gebeinen wird Dir doch wohl noch einmal ein Rächer erstehen. Meine Sieger werden sich ihres leichten Triumphes straflos erfreuen und Recht behalten, wenn ich auch meine stillen Zweifel hege, ob ihnen bei ihrem gemeinsamen Kreuzzug gegen den obskuren Autor irgend daran gelegen war, Recht zu üben und Recht zu thun.


6.

Mit diesen trübseligen Gedanken saß ich am Dinstag Nachmittag in der Bibliothek (der Oberst war ausgegangen) über dem Packet Recensionen, welches mir der Sekretär des X-Theaters sauber geordnet vor einer Stunde geschickt hatte. Gestern war der „Münzer“ zum zweiten Mal gegeben worden, wie mir der Sekretär schrieb, „vor gut besetztem Hause und mit womöglich noch größerem Beifall als am ersten Abend.“ Ich sollte deßhalb den Muth nicht aufgeben; trotz der schlechten Besprechungen werde sich das Stück Bahn brechen. Dasselbe meine auch Herr Lamarque. Leider sei derselbe gezwungen gewesen, in einer unaufschiebbaren Privatangelegenheit heute Mittag eine kleine Reise anzutreten, weßhalb der „Münzer“ noch in der letzten Stunde vom Repertoire habe abgesetzt werden müssen, wie ich wohl bereits aus den rothen Zetteln an den Säulen ersehen. Indessen hoffe Herr Lamarque, noch im Laufe des Tages zurückzukehren, so daß die Wiederaufnahme der Novität für morgen gesichert sei.

Ich hatte der Vorstellung gestern nicht beigewohnt, da mich die Angelegenheiten meiner Mutter ganz in Anspruch nahmen, und in Folge dessen Lamarque nicht wieder gesprochen. Ich glaubte aber nicht an die „unaufschiebbare Privatangelegenheit“ und nicht an die „Wiederaufnahme“. Es war freilich nicht die Weise des muthigen Mannes, aber es blieb mir keine andere Erklärung: er sah die Unmöglichkeit, gegen den Strom zu schwimmen, und da er mich durch Angabe des wahren Grundes nicht kränken wollte, hatte er die Reise vorgeschützt, die er so lange ausdehnen würde, bis – sich irgend ein anderer Grund gefunden, das Stück „lieber bis zur nächsten Saison ruhen zu lassen“. Dergleichen tapfere Rückzugspläne hatte ich zu oft von den Herren Direktoren und Regisseuren entwickeln hören, um daran zu zweifeln, daß es sich hier um einen eben solchen handelte.

Und dann mußte ich daran denken, wie mich Lamarque vorgestern Abend nach der Vorstellung umarmt und geküßt und mit Thränen in den schwarzen Augen versichert hatte, daß dies der schönste Tag seines Lebens sei!

„Aber sie sind sich Alle gleich,“ murmelte ich.

Ich schob die unglückseligen Recensionen seufzend von mir und trat an das Fenster. Es war ein Tag im frühen Frühjahr. Die Sonne war ein paarmal durchgekommen, aber bald wieder von dunklen Wolken verdeckt worden. Jetzt, gegen Abend, hatte der Regen eingesetzt; es gab voraussichtlich eine stürmische Nacht. Das rechte Bild meiner kurzen Laufbahn als dramatischer Dichter: ein paar sonnige Stunden auf den Proben und am Abend der ersten Aufführung; dann der mißvergnügliche Recensionenregen; zuletzt die Nacht ewiger Vergessenheit. – Nun, auch Patroklus ist gestorben!

Ein Klopfen an der Thür, und das Mädchen (seit der Oberst außer Dienst war, hatten wir keinen Diener mehr) meldete, draußen sei eine Dame, die mich zu sprechen wünsche. Es konnte weder meine Mutter, noch Adele, noch Ellinor sein: sie würden sich so nicht haben ankündigen lassen. Ich hieß dem Mädchen, die Dame in den Salon zu führen, wohin ich alsbald folgte.

Die Dame, die mitten in dem halbdunklen Gemach gestanden hatte, kam mir in großer Aufregung bis an die Thür entgegen und sagte hastig: „Ist er bei Ihnen gewesen? oder wissen Sie sonst von ihm?“

Ich erkannte sie jetzt erst an der Stimme. Es war Christine. Wer bei mir gewesen sein sollte, brauchte ich nicht zu fragen; wußte ich doch, daß es nur Einer war, um den sich alle ihre Gedanken bewegten. Ich erwiderte ihr, daß ich Ulrich seit dem Gesellschaftsabend nicht wieder gesehen, trotzdem er mir allerdings versprochen habe, mich am nächsten Tage – das war gestern – zu besuchen.

[675] „Dann ist ein Unglück geschehen!“ rief sie, sich in einen Stuhl werfend und in Thränen ausbrechend.

Ich versuchte sie zu beruhigen: was sie denn auf diesen sonderbaren Gedanken bringe? So nachdrücklich sei sein Versprechen nicht gewesen; ich selbst hätte wirklich sein Ausbleiben nicht einmal bemerkt.

„Sie, Sie!“ rief sie. „Aber er hatte auch mir für gestern Abend, während Lamarque auf der Bühne war, ein Rendez-vous gegeben und ist nicht gekommen. Und eben erhalte ich einen Brief von ihm: er müsse auf ein paar Tage verreisen und könne mich erst nach seiner Rückkehr zu sprechen versuchen.“

Mir schoß es wie ein Blitz durch die Seele, daß auch Lamarque ebenfalls heute und ebenso plötzlich verreist sei. Das war doch mindestens ein sehr sonderbares Zusammentreffen.

„Ich bitte Sie, Christine,“ rief ich; „sagen Sie mir Alles! Sie dürfen es. Sie wissen – Du weißt, Christine, daß ich Dein Freund bin und seiner.“

„Ja, ja,“ sagte sie schluchzend, „ich weiß, ich weiß! Ich will Alles sagen.“

Sie fuhr sich mit dem Tuche über die Augen und fuhr, nach Fassung ringend, fort:

„Ich hatte gesehen, wir Ihr beide in dem Musiksaal zusammenstandet und spracht und dann hinausgingt. Ich wollte Euch nach; ich wußte, daß Ihr über mich spracht, und daß Du ihn zur Rede setzen würdest, und es einen Streit zwischen Euch geben würde. Ich konnte nicht durch die Thür, durch die Ihr gegangen wart – nur durch eine andere, die in die vorderen Säle führte. Es dauerte auch nicht lange, da hatte ich ihn entdeckt. Er kam aus dem Zimmer, in welchem ich Euch vermuthet, aber allein, ohne Dich, und drängte sich eilig durch die Leute, als ob er fort wollte. Er mußte an mir vorbei; ich hielt ihn auf.“

Ich stöhnte unwillkürlich.

„Ja, ja,“ rief sie, „hätte ich es doch nur nicht gethan! Aber ich ängstigte mich so um Euch Beide. Und das sagte ich ihm – weiter nichts. Er lachte und sagte, ,im Gegentheil, Ihr wäret die besten Freunde, obgleich Ihr allerdings böse auf einander gewesen wäret,‘ und er wollte Dich morgen – das ist gestern – besuchen, um die Sache vollends in Ordnung zu bringen. Dann schwieg er einen Augenblick und sah mich traurig an, daß es mir durch die Seele schnitt, und sagte hastig: ,Dich muß ich auch sprechen,‘ und dann bestimmte er mir die Stunde gestern Abend und einen Ort, wo wir uns schon öfter getroffen. In dem Augenblick strich Lamarque an uns vorüber. Er that, als ob er uns nicht sähe; aber er hatte uns natürlich gesehen. Ich bat Ulrich, er möchte mich um Gotteswillen stehen lassen und sofort aus der Gesellschaft gehen. ,Ich gehe ja schon, Närrchen,‘ sagte er: ,aber Du kannst doch nicht verlangen, daß ich vor dem Menschen weglaufe!‘ So gab er mir die Hand und ging langsam nach der Thür – es war in dem ersten Saal – wo man hineinkommt. Er sprach auch noch mit ein paar Personen, aber immer nur wenige Worte, und ging dann langsam weiter, immer nach der Thür zu, und ich stand auf derselben Stelle und sah ihm nach und betete, daß er nur doch erst fort sein möchte. Ich hatte das bestimmte Gefühl, daß er und Lamarque an einander gerathen würden. Dieser hatte geschworen, er werde es nicht dulden, daß ich je wieder ein Wort mit Ulrich spräche. Ich hatte es ja auch nicht gewollt und wäre gar nicht gekommen, wenn ich gewußt hätte, daß er auch kommen würde, noch dazu um meinethalben.“

„Weiter, weiter!“ rief ich. „Er und Lamarque sind dann doch zusammengetroffen?“

„Unmittelbar an der Thür, nur auf eine Minute – höchstens. Aber – Du weißt, wie scharfe Augen ich habe – ich sah, trotzdem ich so entfernt stand, daß sie Beide, während sie mit einander sprachen, ganz blaß wurden, wenn sie sich auch hernach höflich vor einander verbeugten. Und dann war Ulrich zur Thür hinaus.“

„Und Lamarque?“

„Ich hatte nicht den Muth, mit ihm zu sprechen – ich meine sofort. Dann faßte ich mir ein Herz und ging zu ihm und sagte ihm: er habe Ulrich gefordert. Er fing an zu lacheb, so laut, daß die Leute aufmerksam wurden. Ob ich ihn für toll halte? Er habe mehr zu thun, als sich mit solchen Narrenspossen abzugeben, und noch viel der Art. Ich wurde ein wenig beruhigt, es klang Alles so lustig und natürlich. Und hernach, bei Tisch, war er so freundlich und aufmerksam und sagte, ich hätte Recht, böse auf ihn zu sein, weil er mich so mit Herrn von Vogtriz quäle. Er wolle das auch in Zukunft nicht mehr thun. Er wolle mir überhaupt mehr Freiheit geben; er sehe, mit Zwang sei bei mir nichts auszurichten. Und dabei trank er mir zu – der Heuchler!“

„Weiter! weiter!“

„Ich weiß nichts mehr; ich habe ihn gestern nur flüchtig gesehen; und da ist er eben so freundlich gewesen wie vorgestern Abend; aber er ist ein solcher Komödiant!“

Ich ging verstört im Zimmer auf und ab. Sicher verhielt die Sache sich so, wie Christine fürchtete. Das heitere Wesen, welches Lamarque hernach ihr gegenüber zur Schau getragen, bewies in der That nichts. Ich wußte, daß der Mann Haltung und Miene völlig in der Gewalt hatte bei aller wilden Leidenschaftlichkeit seines Temperaments, welche sich in der Liebe eben so wenig ersättigen konnte wie im Haß. Dazu seine Meisterschaft in der Führung jeder Waffe, die ihn zu einem fürchterlichen Gegner machte, selbst einem Ulrich, den er zweifellos mit seinem grimmigsten Haß verfolgte. Endlich das räthselhafte plötzliche gleichzeitige Verschwinden Beider, das auf diese Weise freilich sich sehr einfach erklärte. Es konnte nicht anders sein: sie hatten sich irgendwo außerhalb ein Rendez-vous gegeben, und der Handel war vermuthlich jetzt bereits entschieden mit blutig-tödlichem Ausgang für den Einen oder den Anderen, vielleicht für Beide!

Christine hatte mir meine Sorge vom Gesicht abgelesen; sie brach in heftiges Weinen aus.

„Wenn er stirbt – das überlebe ich nicht,“ schluchzte sie.

Ich hatte ein bitteres Wort auf der Zunge; aber was ihr Leichtsinn auch verbrochen haben mochte, dies war nicht der Augenblick, es ihr vorzurücken.

So suchte ich sie denn zu beruhigen. Es seien ja doch nur Muthmaßungen, Möglichkeiten. Wir müßten uns eben in Geduld fassen, da wir leider sonst nichts thun könnten.

In demselben Augenblick fiel mir ein, daß, wenn Ulrich vor dem Gange, der sein letzter sein konnte, von irgend Jemand auf der Welt zuvor Abschied genommen, es zweifellos von Maria war.

„Ich werde sehen, etwas über ihn in Erfahrung zu bringen,“ sagte ich zu Christine.

„Wo? von wem?“ rief sie. Und als ich mit der Antwort zögerte: „von Fräulein von Werin?“

„Es ist eine Möglichkeit,“ sagte ich.

„Möglichkeit?“ rief sie. „Als ob ich nicht wüßte, daß er sie immer geliebt hat, daß ich für ihn bloß ein Spielzeug bin! Wenn er stirbt, sie ist schuld daran, die hochmüthige Prinzessin, nicht ich! Und ich werde nicht seinethalben sterben! Ich werde Lamarque heirathen; ich –“

Sie war aufgesprungen, hatte Muff und Taschentuch, die sie neben sich auf den Tisch gelegt, an sich gerafft und war dicht vor mich hingetreten:

„Ich will mich freuen, wenn Lamarque ihn todtschießt, den elenden Verräther!“

Sie war zum Zimmer hinaus; ich hörte draußen die Flurthür öffnen und wieder zuschlagen.

Fast in demselben Augenblick wurde geklingelt. Wollte sie ihr Rasen fortsetzen? wollte sie widerrufen, was sie in ihrer Raserei gesagt?

Das Mädchen war zu öffnen gegangen. Ein hastiger Schritt kam über den Flur, die Thür flog auf –

„Mutter!“

„Ja. Du mußt mich begleiten – zu Maria!“

„Hat sie Nachricht von Ulrich? Ist er todt?“

„Ich weiß nicht, wovon Du sprichst.“

„Was ist es dann?“

„Es ist allerdings Jemand todt – Jemand, der Dir sehr werth war.“

„Doch nicht Maria? Um Gotteswillen!“

„Nein. Du bist ja ein Mann. Da!“

Sie hatte mir ein Blatt gegeben, von dem ich, an das Fenster eilend, nur noch eben lesen konnte:

„Meine Mutter ist todt. Eben hat man mir ihre Leiche gebracht. Kommen Sie zu mir, wenn es möglich ist, mit Lothar.
„Meine Mutter ist todt. Eben hat man mir ihre Leiche gebracht. Kommen Sie zu mir, wenn es möglich ist,Maria.“

„Mein Wagen hält unten,“ sagte meine Mutter.


[676]

7.

Es war von der Wohnung des Obersten nicht eben weit nach dem einsamen Hause in der Vorstadtstraße, und der Wagen fuhr sehr schnell; dennoch dünkte es mich eine Ewigkeit. Der Regen schlug gegen die Scheiben, bald von rechts, bald von links, je nach den Windungen des Weges; es war so dunkel, ich konnte kaum noch das Gesicht der Mutter deutlich sehen, wie sie in die Wagenecke zurückgelehnt saß, ohne dabei meine Hand aus der ihren zu lassen, während ich ihr auf ihre Frage, was Christine, der sie auf der Treppe begegnet, bei mir gewollt habe, in aller Kürze Auskunft gab.

„Es ist eine schlimme Zeit für Dich, armer Junge,“ sagte sie, mir die Hand drückend. „Und nun noch dies! Man sagt gern: ich habe dies oder das kommen sehen. Hier ist es wirklich für mich der Fall. Ich bin alle diese Tage draußen gewesen – auf Maria’s Wunsch – ich wäre aber auch so gekommen. Es ging nicht gut – ich habe es Dir nicht sagen wollen – Du hattest den Kopf schon gerade voll genug. Drei von den Kindern waren krank, und alle, so viel ich sehen konnte – einen Arzt duldete sie nicht – in verschiedener Weise. Frau von Werin gab sich ungeheuerste Mühe, ruhig zu erscheinen; ich sah, daß sie innerlich verzweifelt war. Wie sehr, magst Du daraus entnehmen, daß sie nun doch auf mein und Maria’s Bitten und Flehen einen Arzt rufen ließ. Das war gestern Vormittag. Ich war draußen, als er kam: ein verständiger Mann, der hernach die Güte hatte, auf eine Strecke zu mir in den Wagen zu steigen, und mir seine wirkliche Ansicht sagte. Ungefähr dies: er könne gegen das diätetische Princip der Frau von Werin im Allgemeinen nichts einwenden. Es sei so weit ganz rationell, wenigstens für Kinder in diesem zarten Alter; und von Haus aus gesunde Kinder würden sich sehr wohl dabei befinden. Auch krankhaft veranlagte in den meisten Fällen. Nicht in denen, die eine specielle Behandlung erforderten. Unglücklicherweise habe Frau von Werin ein paar solcher Ausnahmsfälle aufgelesen, was ja denn freilich nicht zu verwundern sei, da sie die Kinder ohne alle Auswahl nehme. Das eine leide an einem ererbten organischen Lungenübel; es werde wahrscheinlich noch im Laufe der Nacht sterben. Das zweite er suchte mir die Krankheit zu erklären – ich habe ihn nicht ganz verstanden – gleichviel: es sei noch Hoffnung, es durchzubringen, aber eine sehr geringe. Das dritte werde in einigen Tagen wieder gesund sein. – Ich dachte bei dem Allen immer nur an Frau von Werin: wird sie es überleben, wenn sie ihr theueres Princip sich so unter ihren Händen zerbröckeln sieht? Ich fürchtete: nein. Jedenfalls sind die Voraussagen des Arztes eingetroffen. Sie hat sich vernichtet gefühlt. Sie hat in diesem Gefühl nicht weiter leben wollen, nicht weiter leben können.“

Ich mußte in allem meinen Kummer und Herzeleid den Scharfsinn bewundern, mit dem sich meine Mutter in einen so ausnahmsweisen Seelenzustand wie den der unglücklichen Frau so ganz hineinzudenken gewußt hatte.

Der Wagen hielt. Meine Mutter war im Nu heraus und die Stufen hinauf. Als ich auf den Flur trat, hielt sie Maria in den Armen. Dann reichte Maria mir die Hand. Die Hand war kalt, aber zitterte nicht; das schöne theure Antlitz war sehr bleich, aber eine Ruhe war darüber gebreitet, die nichts Starres hatte, nur still und groß war. Sie führte uns in ihr Zimmerchen, linker Hand, bat uns mit einer Handbewegung Platz zu nehmen, und setzte sich selbst.

„Ich danke Ihnen, daß Sie gekommen sind,“ begann sie – und ihre Stimme war so ruhig wie ihr Angesicht – „ich konnte mir allein nicht helfen, da ich die anderen Kinder nicht verlassen darf. Ich bin auch schon gestern und heute nicht in der Schule gewesen und wollte Sie bitten, Lothar, daß Sie morgen früh persönlich meine Entschuldigung übernehmen, auch für die nächsten Tage, bis ich darüber klar bin, wie es nun weiter werden soll. Zwei von den Kindern sind todt. Das eine ist heute Nacht gestorben, das andere heute Mittag. Ich habe einen großen Fehler begangen, daß ich da die Mama für kurze Zeit aus den Augen ließ. Ich hatte die kleine Leiche aus dem Kinderzimmer in das der Mama getragen, wo die andere bereits lag – die gesunden Kinder waren hier in meinem Zimmer – und die Mama sagte, sie wolle inzwischen nach ihnen sehen. Es war die erste Unwahrheit, die ich je aus ihrem Munde gehört habe; es war auch ihre letzte. Als ich nach einer halben Stunde wieder hier herüberkam, sagten mir die Kinder, die Mama sei gleich wieder fortgegangen, aus dem Hause, ohne Hut und Mantel. Was soll ich Ihnen sagen, wie ich die beiden folgenden Stunden verlebt habe! Ich konnte die Kinder nicht verlassen, und wo hätte ich auch die Mama suchen sollen! Vor einer Stunde haben sie sie mir gebracht. Es ist da hinten auf den Feldern eine sumpfige Stelle, aus der jetzt ein kleiner See geworden ist. Ich wußte das nicht; ich bin diese ganze Zeit nicht dahin gekommen. Sonst – aber ich hätte auch dann vielleicht, nicht daran gedacht. Da haben sie sie gefunden – Leute, die vorüber kamen und uns kennen – dicht am Rande; das Wasser, sagen sie, ist kaum einen Fuß tief gewesen. Wollen Sie sie sehen? Sie sieht schöner aus als je.“

Nur bei den allerletzten Worten hatte Maria’s Stimme gezittert, und in ihrer Oberlippe hatte es von verhaltenem Weinen gezuckt. Sie hatte sich erhoben; wir waren mit ihr aufgestanden und folgten ihr über einen schmalen Flur, der hinter dem Kinderzimmer weg zu einem zweiten Zimmer führte.

Sie hatte die Lampe aus ihrem Zimmer mitgenommen, die sie nun zu Häupten der Todten auf einen kleinen Tisch setzte. Wahrlich, Maria hatte Recht: sie war schöner als je, die stolze Sibylle, die das Zusammenbrechen ihrer letzten Hoffnung nicht hatte überleben mögen. Eine wunderbare Majestät lag auf diesem Angesicht, das gar nicht wie eines Todten, sondern wie eines Marmorbildes war, in das der Künstler, was er immer von Würde und Großheit der Menschennatur gedacht und geträumt, zum erhabensten und ergreifendsten Ausdruck gebracht hatte. Ein Anblick viel zu göttlich für irdischen Jammer. Nur ein dumpfes Wehgefühl erregend, das aber nicht der Ueberwinderin hier galt, sondern aller Kreatur, die noch lebte. Und ein Gefühl des Neides fast um den Frieden, der uns nicht wird, so lange wir leben.

Wir waren wieder in Maria’s Zimmer.

„Wenn es Ihnen recht ist, Maria,“ sagte meine Mutter, „so bleibe ich heute Nacht und, wenn Sie wollen, die nächsten Tage bei Ihnen. Wir werden uns schon behelfen. Ellinor kann heute mit der Kammerfrau im Hotel bleiben; morgen holt sie der Oberst zu sich. Du wirst das Alles einrichten, Lothar, und mir durch meine Kammerfrau noch heute Abend ein paar Sachen herausschicken.“

Maria umarmte schweigend meine Mutter. Ich bat, morgen früh wieder kommen zu dürfen, und fuhr in die Stadt zurück mit einem Zettel in der Tasche, auf welchem meine Mutter ihre Aufträge und Maria noch ein paar jetzt nothwendig gewordene Aufträge vermerkt hatte. Maria hatte mir auch einen Brief mitgegeben, von dem sie mir sagte, daß er schon von gestern sei, da sie keine Zeit gefunden, ihn zu besorgen, und den ich in einen Briefkasten werfen solle.

Als ich das bei der ersten sich darbietenden Gelegenheit that, fiel mein Blick unwillkürlich auf die Adresse. Der Brief war an Ulrich. Jedenfalls die Antwort auf einen Brief, den er ihr geschrieben. Es war also, wie ich vermuthete: er hatte in einen Kampf auf Leben und Tod nicht gehen mögen, ohne Abschied von ihr zu nehmen. Maria’s Antwort war an seine Stadtadresse gerichtet. Aber auch Lamarque hatte ja seine Rückkehr bereits für heute Abend in Aussicht gestellt. Jedenfalls mußte ich so viel Zeit erübrigen, um noch heute in den Wohnungen Beider Nachfragen zu können. Wenn Ulrich heil davon kam – wenn dieses Duell eine Veranlassung wurde, welche ihn und Maria einander wieder näherte – der Tod der Mutter befreite Maria von gewissen Rücksichten – aber freilich, es stand ja noch immer Adalbert zwischen ihnen! Wie seltsam ähnlich doch die todte Mutter ihrem Sohne gesehen hatte!


8.

Meine Mutter war noch immer draußen bei Maria, die wieder nach wie vor ihre fünf Schulstunden gab, während meiner Mutter die Sorge für die Kinder anvertraut blieb. Sie hatte sich dieselbe allerdings in so fern erleichtert, als sie ein braves, wohl empfohlenes Mädchen mit Maria’s Zustimmung in Dienst genommen, welches die Kinder bewachen konnte, im Falle sie ihre Geschäfte in die Stadt riefen oder sie das Bedürfniß fühlte, ihre

[677]

Unangenehme Vorbedeutung.
Nach dem Oelgemälde von Hans W. Schmidt.

[678] Freunde zu sehen. Bis jetzt war meines Wissens von diesen beiden Fällen noch keiner eingetreten. Ihre Geldangelegenheiten hatte sie völlig in die Hand des Rechtsanwaltes gelegt, dem jetzt auch Adalbert wieder zur Seite stand; wenn wir sie sehen wollten, hatten wir zu ihr kommen müssen. Wir fanden sie dann regelmäßig mitten zwischen den Kindern, methodisch schaltend, wie sie es von Frau von Werin gelernt, nur daß sie alles und jedes in ihre anmuthige Weise übersetzte. – „Ich halte es nicht für unmöglich,“ sagte sie zu mir, „daß ich hier endlich einen Beruf, der mich ganz ausfüllen könnte, gefunden habe. Vorläufig betrachte ich dies als eine vortreffliche Gelegenheit, mich darauf hin zu prüfen, wie weit ich zu diesem Beruf veranlagt bin. Etwas Rechtschaffenes müssen wir doch schließlich alle thun, wenn uns das Leben nicht zum Ueberdruß werden soll.“

Und ich fand später die Gelegenheit, mich zu überzeugen, daß dies keine phantastische Laune der liebenswürdigsten unberechenbaren Frau gewesen. Sie hatte mit der ihr eigenthümlichen Energie den Entschluß gefaßt, die geretteten Reste ihres Vermögens zur Gründung einer Anstalt zu verwenden, in welchem unter ihrer und Maria’s Leitung verwahrloste Kinder erzogen werden sollten.

So wäre denn nach dem Graus dieser letzten Tage eine gewisse Ruhe in meine Seele gekommen, hätte die Sorge um Ulrich mich weniger schwer bedrückt. Und immer schwerer, als ein Tag nach dem anderen verging, ohne daß über seinen Verbleib die mindeste Kunde einlief. Auch Lamarque war nicht zurückgekommen. Zwar sein Ausbleiben fand eine Erklärung[WS 1], die auch in den Zeitungen mit solcher Hartnäckigkeit behauptet wurde, daß ich auf den Verdacht gerieth, dieselbe sei von ihm ausgegangen. Danach hatten schon lange schwere Zwistigkeiten zwischen ihm und dem Direktor des Theaters bestanden, denen Lamarque dadurch ein Ende machte, daß er sich den gewünschten, ihm vorenthaltenen Urlaub zu einer Reihe von Gastspielen selbst nahm und den Herrn Direktor zusehen ließ, wie er ohne Joseph Lamarque fertig würde. Es mochte etwas daran sein. Von jenen Zwistigkeiten und seinem Gastspielplan hatte Lamarque auch mit mir gesprochen, dabei aber den letzteren in noch weite Ferne gestellt. Wenn er denselben doch jetzt in Angriff genommen, so mußte das eine andere Ursache haben. Und nachdem ich mich ein paar Tage gegen den gräßlichen Gedanken gewehrt, stand es bei mir fest: er hatte Ulrich im Zweikampf, wenn nicht getödtet, doch tödlich verwundet und das Feld geräumt, bevor die schlimme Sache ruchbar würde und die Gerichte sich einmischten. Ich hatte an Lamarque verschiedene Briefe nach den verschiedenen Orten gerichtet, an welchen ich ihn, den Andeutungen der Zeitungen folgend, vermuthen durfte, und ihn angefleht, mir die Wahrheit zu sagen. Die Briefe kamen als unbestellbar zurück. Ich mußte die Hoffnung, von dieser Seite etwas zu erfahren, aufgeben und mich der anderen getrösten, ich werde doch eines Tages von Ulrich unmittelbar hören. Für seine Wirthin war er einfach verreist und ebenso für seine Familie, bei der wir durch den Kammerherrn wiederholt nachgefragt hatten. Todt konnte er also nicht sein; das hätte sich doch bei aller Heimlichkeit, mit der die unglückselige Angelegenheit vor sich gegangen war, auf die Dauer auch nur weniger Tage nicht verbergen lassen.

Maria theilte meine Ansicht. Ihr war jetzt erst klar geworden, welche Bedeutung jener Brief Ulrich’s vom Montage gehabt hatte. Es waren nur wenige Zeilen gewesen des Inhalts, daß ich ihm seiner Zeit Maria’s Erwiderung auf seinen Gruß an seine „todte Liebe“ ausgerichtet habe. Er erkenne völlig die Gerechtigkeit des über ihn ergangenen Verwerfungsurtheils an. Er schreibe ihr das, weil ihr doch möglicherweise eine Stunde kommen dürfte, wo sie glaubte, ihn zu hart beurtheilt und behandelt zu haben. Ihr eine so übel angebrachte Reue zu ersparen, halte er für seine Pflicht, welcher er durch diese Zeilen genügt zu haben glaube.

„Ich wußte nicht, was ich aus dem Brief machen sollte,“ sagte Maria. „Auch hatte ich am Montage den Kopf nicht so frei, daß ich darüber lange hätte nachdenken können. Dennoch wollte ich ihn nicht ohne Antwort lassen. So schrieb ich ihm ein paar flüchtige Zeilen, die ja nun leider nicht mehr in seine Hände gekommen sind.“

„Und können Sie mir sagen, was Sie geschrieben haben, Maria?“

Ein leises Roth färbte die bleichen Wangen, als sie rasch erwiderte: „Ich weiß es wirklich nicht mehr.“ Und dann nach einer kleinen Pause, während welcher sie mir noch bleicher geworden schien, als zuvor: „Ich habe ihn ja sehr lieb gehabt. Ich denke – ich hoffe, es hat das zwischen den Zeilen gestanden.“

Ich durfte nicht weiter fragen: warum nicht in den Zeilen? Aber die letzten Worte waren so zögernd gesprochen und in einem so verschleierten Ton – ich hatte niemals recht an „die todte Liebe“ glauben mögen – ich glaubte jetzt weniger als je daran. Aber freilich, ob es nun in oder zwischen den Zeilen gestanden, er hatte es ja nicht mehr gelesen, würde es vielleicht nie zu lesen bekommen – ein verflattertes Blatt, zu dem sich keine Taube fand, es dem Verzweifelnden als Rettungszeichen und Pfand der Hoffnung zu bringen.

Wenn mir nun in dieser einen Herzensfrage Maria unbegreiflich war und blieb, so fügte ihr Bruder den vielen Räthselfragen, welche er seinen Freunden zu lösen gab, jetzt eine neue hinzu. War sein Herz nicht ganz versteinert, man hätte meinen sollen, es würde sich bei dem Tode der Mutter herausgestellt haben. Man durfte sagen, in seiner götterlosen Welt war sie das einzige Wesen, vor dem er seine Kniee anbetend gebeugt hatte. Wie deutlich erinnerte ich mich aus unserer Jugendzeit des schönen und bei ihm, dem Fanatiker des Zweifels, rührenden Enthusiasmus, mit dem er stets von seiner Mutter gesprochen! Dann waren seine strengen Züge weich geworden, die Spötteraugen mild und zärtlich; dann war er Mensch gewesen, wie wir Anderen auch. Und wie hatte ich ihn um eine Liebe beneidet, die, wie sie gegeben, so erwidert wurde, und von der mir nichts zu Theil geworden als hoffnungsloses Sehnen! Wußte ich doch, daß er den Fürsten Bismarck nur deßhalb persönlich so grimmig haßte, weil er die Mutter in ihrem phantastischen Kampfe mit dem Gewaltigen sich nutzlos verzehren sah! Damals war freilich auch auf seine Schwester ein Strahl wärmerer Empfindung gefallen; aber er glaubte sich diesen Luxus nicht mehr verstatten zu dürfen, seitdem sie, seine Freundin und Schülerin, es fertig gebracht hatte, einen Ulrich von Vogtriz zu lieben. Den dann erfolgten Bruch zwischen den Liebenden mochte er nicht für aufrichtig, nicht für vollständig gehalten haben; oder er hatte der Reuigen die einmal begangene Sünde nicht vergeben können. Jedenfalls war es nie wieder zwischen den Geschwistern zu dem guten alten Verhältniß gekommen, eben so wenig wie ich daran zweifelte, daß ich durch meine Liebe zu Ellinor das, was er mir an Liebe geschenkt, so ziemlich verscherzt hatte. Nur eine gerechte Seele gab es, die er, wäre er ein Gott gewesen, mit feurigen Armen aus dem Scheiterhaufen der verderbten Welt zum Himmel getragen haben würde – seine Mutter.

Und diese eine Gerechte war nicht mehr, und – er lächelte über die verderbte Welt; war gegen uns, seine Freunde, entgegenkommend, mittheilsam, wie nie zuvor; sprach auch von dem Tode der Mutter, aber, als hätte derselbe vor langer, langer Zeit stattgefunden, aus der ihm eine freundlich-dunkle Erinnerung geblieben sei. Ich nahm an, daß er gegen meine Mutter, die er jetzt oft stundenlang besuchte, aufrichtiger in dem Ausdruck seiner Empfindungen war. Wenigstens sagte sie wohl, wenn einer von uns sich über den Mangel an Vertrauen beklagte, welchen er gegen uns an den Tag legte: Ihr würdet ihn doch nicht verstehen.

Und schon war der Tag vor der Thür, an welchem er zu allen Räthseln, mit denen er sich umgab, ein letztes gesellte, das sich allerdings dem Verständniß der Sterblichen ein für allemal entzieht.


9.

Es war am Sonnabend der Woche, welche so traurig für mich und alle meine Freunde begonnen hatte. Der Oberst und Pahlen hatten vom Morgen an fast ohne Unterbrechung gearbeitet. Der Verleger drängte sehr; auch dem Oberst war darum zu thun, daß die Angriffe, welche die konservativen Blätter fortfuhren, gegen ihn und „sein System“ zu bringen, so schnell als möglich zurückgewiesen würden. Ich hatte nur als Schreiber gedient, der sich den Schein selbständiger Arbeit dadurch zu wahren suchte, daß er dem, was ihm die Verfasser in die Feder diktirten, hin und wieder eine ihm genehmere Form gab. Gegen Abend war auch Adalbert gekommen, die Redaktion eines Abschnitts, der in [679] das juristische Fach schlug, zu übernehmen. So mochte es neun Uhr geworden sein, als der Oberst das Werkchen, welches ich noch einmal von Anfang bis zu Ende hatte vorlesen müssen, für fertig zum Druck erklärte und die Herren bat, im Salon mit einem kleinen Imbiß vorlieb zu nehmen. Ellinor war mit Adele draußen bei der Mutter und Maria. Die Damen wurden erst gegen elf erwartet, da wir geglaubt hatten, daß die Arbeit uns so lange in Anspruch nehmen würde. Nun that es uns fast leid, so früh fertig geworden zu sein und zum schlechten Lohn für unseren Fleiß der Gegenwart der Lieben entbehren zu sollen. Indessen geschah dadurch der Munterkeit der Unterhaltung kein Abbruch. Wie es nach gethaner Arbeit, die man für wohlgerathen hält, zu sein pflegt, waren der Oberst und Pahlen in gehobener Stimmung; Adalbert in jener uns unfaßbaren gesprächig mittheilsamen Laune. Auch ich hatte, von dem Eifer der Männer mitentzündet, einmal meine Sorgen in den Hintergrund gedrängt, den seltenen Augenblick rein zu genießen, und ließ mir denselben auch durch die Schmerzen nicht verdüstern, welche meinem Arm das vielstundenlange Schreiben verursacht hatte.

Das einfache Abendbrot war bald eingenommen; der Oberst ersuchte seine Gäste, mit ihm in die Bibliothek zurückzukehren, wo inzwischen die Ingredienzien zu dem Lieblingsgetränk Pahlen’s bereit gestellt waren, die nur er selbst richtig mischen zu können behauptete und in der That meisterlich zu mischen verstand. Bald konnten wir uns an einem Nebentisch um die Bowle setzen, durch deren Dampf der Rauch von Adalbert’s und Pahlen’s Cigaretten wirbelte.

Anfangs hatte das Gespräch sich wieder um die hier vollbrachte Arbeit gedreht, aber bald nahm es eine allgemeinere Wendung zu einer Erörterung der Vorzüge und Schwächen der verschiedenen Kulturnationen, in welcher Pahlen, der so ziemlich alle Länder Europas bereist hatte, dazu ganz Vorderasien und Sibirien bis zu dem fernsten Osten kannte, die Führung zufiel. Wir horchten mit immer steigendem Interesse seinen geistvollen Schilderungen von Land und Leuten in den verschiedensten Zonen, nicht wissend, ob wir mehr den Scharf- und Schnellblick bewundern sollten, mit welchem der Mann das Große und das Kleine erfaßt; oder sein Gedächtniß, dem jedes Datum, jeder Name gegenwärtig war, und das ihn unter Anderem befähigt hatte, acht oder neun Sprachen mit gleicher Vollendung zu sprechen.

„Und wenn Sie nun doch einer unter allen Nationen den Vorzug geben sollten,“ fragte der Oberst, „welche würde die glückliche sein?“

„Aber, lieber Freund, ich bin Russe,“ erwiderte Pahlen lächelnd.

„Eine mir nicht ganz unbekannte Thatsache,“ gab der Oberst scherzend zurück. „Nur daß meine Frage nicht an den Russen, sondern an den Weltbürger gerichtet war.“

„Wenn Sie die Schlinge Ihrer Frage so weit öffnen, ist es freilich nicht schwer, hindurchzuschlüpfen,“ erwiderte der Graf. „Denn welcher Nation könnte der Weltbürger wohl den Preis ertheilen, als derjenigen, die am meisten dazu beiträgt, eine Zukunft heraufzuführen, in der sein Begriff nicht mehr wie heute einen Widerspruch in sich schließt?“

„Ich hätte freilich auf diese problematische Antwort gefaßt sein sollen,“ erwiderte der Oberst.

„Und die doch gar nicht so problematisch ist, für Sie nicht ist. Seien wir aufrichtig, lieber Freund! Meine Antwort genügt Ihnen vollkommen, denn im Grunde Ihrer Seele sind Sie überzeugt, daß die betreffende Nation gar keine andere als eben die Ihre sein kann, trotz der schweren Schäden, an denen Sie gerade jetzt Leib und Seele derselben kranken sehen. Oder würde sonst Tag und Nacht Ihr Sinnen sein, wie die Nation von diesen Schäden geheilt werden möchte, damit sie in dem Entscheidungskampfe, der hereindroht, – dem Kampfe zwischen dem Germanenthum und Slawenthum – den Sieg an ihre Fahne hefte? Den Sieg, den diejenige Partei davontragen wird, welche nicht numerisch, sondern moralisch die stärkere ist – moralisch im großen weltbürgerlichen, nicht im banausisch-brutalen Kamaschen- und Korporalssinn, der heuer bei Euch im Schwange ist? Und wenn ich Ihnen in diesem Streben nach meinen schwachen Kräften redlich beistehe, so werden Sie mir, glaube ich, doch den Preis der höheren Uneigennützigkeit zuerkennen müssen. Denn, wir mögen uns stellen, wie wir wollen, aus der Haut unserer Nationalität können wir nicht fahren und den nagenden Schmerz und die brennende Scham nicht verwinden, daß es eben nicht unsere Nation sein soll, welcher in der Wallfahrt der Menschheit nach dem Ziele der höchstmöglichen Vermenschlichung die Führerrolle zufällt. Ihnen freilich traue ich zu, daß, wären Sie in meiner Lage, Sie denken und handeln würden wie ich. Aber Sie sind es doch nun einmal nicht; Sie sind in der glücklichen, für Ihre Nation und für Ihre Menschheitsideale zugleich zu streben in der Erwartung und Hoffnung, daß die Nation Kraft hat, mit ihren größeren Zielen und Pflichten zu wachsen äußerlich und innerlich.“

Die sonst so klare, feste Simme des Mannes bebte, und der Glanz seiner braunen Augen schien gedämpft wie durch einen Flor, als er, sich in seinen Stuhl zurücklehnend und bald die Arme über der Brust verschränkend, bald mit denselben leidenschaftlich die Luft durchschneidend, also fortfuhr:

„Ja, wachsen und anschwellen – unaufhaltsam! Ich sehe es. Ich sehe die Germanen den Weg rückwärts nehmen, den vor Jahrtausenden ihre Vorfahren gekommen sind; sehe sie die Rosse wieder aus den Fluthen der Wolga tränken, sehe ihre Schiffe schwimmen auf den Wogen des Pontus, ihre Herrscherflagge wehen auf den Zinnen von Byzanz, während das Slawenthum vor ihrem Siegerschritt zurückweicht in die Steppen Asiens. Schritt um Schritt, über endlose blutgetränkte Felder, denn ein Riese, auch wenn man ihm die thönernen Füße zerschlagen hat und er rettungslos am Boden liegt, ist furchtbar, und schwer wälzt der Ueberwinder die ungeheure Masse vor sich her. O mein Gott, mein Gott, daß ich das denken, daß ich das sagen muß! Schützen mich denn wirklich vor dem Fluch und der Verdammniß des Apostaten diese meine Haare, gebleicht in den Kerkern der Tyrannei, von der ich mein Vaterland erlösen wollte? Könnt Ihr hier friedlich sitzen und ohne Ekel aus einem Gefäße trinken mit ihm, der die Hand erhebt gegen seinen Vater? der seine Mutter verhöhnt? seinen Bruder verkauft an den fremden Mann? Könnt Ihr das?“

„Wir können es,“ sagte der Oberst, die Hand des ganz Erschütterten ergreifend; „wir können Ihren Schmerz verstehen, wenn Sie sich auch von ihm zu weit und ins Maßlose fortreißen lassen. Sie vergessen ganz, mein Freund, daß wir Anderen hier, wie wir hier sitzen, in den Augen anderer Parteigänger auch Vaterlandsverräther sind, wie Sie es sind in den Augen der Stockrussen, in Ihren eigenen Augen aber nicht sein sollten – auch nicht in trüben Stunden, wie eben eine über Sie gekommen ist. Durch meine Schuld. Ich bedaure von Herzen meine thörichte Frage, die Sie nicht beantworten konnten, ohne daß kaum verheilte Wunden wieder zu bluten begannen. Verzeihen Sie mir!“

„Dessen bedarf es nicht,“ erwiderte der Graf mit trübem Lächeln. „Eher hätte ich um Verzeihung zu bitten, daß der alte Revolutionär sich gebärdet wie ein Anfänger, der noch an dem ABC seines Metiers studirt. Wer nicht den Muth hat, die letzten Folgerungen zu ziehen, der bleibe davon. Sie freilich wissen ja, daß es mir an diesem Muthe nicht gebricht; daß ich trotz meiner Klagen der ungeheuren Thatsache, die sich eben in Europa zu vollziehen beginnt, ruhig ins Auge sehen kann, weil ich ihre Nothwendigkeit begreife. Weltbewegende Ideen brauchen Weltreiche, um zur Herrschaft zu gelangen. Der Same des Evangeliums wäre erstickt auf dem steinigen Boden Judäas, hätte das Römerreich ihm nicht die Welt erschlossen. Ohne das Römerreich wieder kein Weltreich Karl’s des Großen und die Vertiefung des Christenthums, wie sie eben nur der germanischen Rasse möglich war. Und daß die germanische Rasse nach tausend Jahren noch nicht abgedankt hat, daß sie berufen ist und sich berufen zeigt, die Weltherrschaft von neuem anzutreten: wer, der Augen hat zu sehen, könnte daran zweifeln? Nun denn: auf dieser Weltherrschaft und nur auf ihr kann sich das neue Millennium aufbauen, das tausendjährige Reich des reinen Menschenthums, das nicht mehr nach seinem Ursprung fragt, außer etwa im wissenschaftlichen Interesse, wie die Darwin’sche Lehre nach der Genesis der Lebewesen, und hinter dem der wüste Streit der Nationalitäten, in welchem wir unser trauervolles Dasein verbringen, liegen wird in nebelgrauer Vergangenheit, wie für uns der Kampf unserer Altvorderen der Steinzeit mit dem Ur und dem Höhlenbären.“

[680] „Und Sie glauben wirklich an das Millennium?“ sagte Adalbert.

Er hatte, während der Oberst mit Pahlen diesen Diskurs führte, schweigsam seine Cigarette rauchend, nach seiner Weise etwas vornübergebeugt in seinem Stuhl gesessen, nur bisweilen für einen Moment den Blick auf den gerade Redenden heftend, um dann wieder mit gesenkten Augen vor sich hin zu brüten.

„Gewiß glaube ich daran,“ erwiderte der Graf, „wenn Sie mich nicht, wie ich annehme, auf das Wort festnageln, vielmehr darunter ein Stadium verstehen wollen, in welches die Menschheit treten wird, nicht um in demselben zu verharren – das würde eine langweilige Sache werden – sondern um sich aus demselben zu abermaligem neuen Fortschritt aufzuraffen. Mein Gott, das glauben Sie doch auch! Ich wüßte sonst wahrlich nicht, weßhalb Sie eine Kraft und Energie, die wir bewundern, ohne es Ihnen gleich thun zu können, an eine Sache wenden, welche Sie für hoffnungs- und aussichtslos halten. Aber Sie werden mich auslachen, daß ich Ihre Frage ernsthaft nehme.“

„Sie sehen, ich lache nicht,“ sagte Adalbert.

Ich blickte ihn an und erschrak, denn ich glaubte schier in dasselbe Gesicht zu blicken, das ich vor wenigen Tagen auf dem Todtenbette gesehen: still und kalt und groß wie eines Gottes Angesicht, der das Schicksal einer Welt in seinem Rath erwogen hat und darüber zu einem fürchterlichen Entschluß gekommen ist.

Auch Pahlen und der Oberst waren augenscheinlich von dem Anblick betroffen. Der Oberst faßte sich am schnellsten und sagte in seiner liebevollen Weise: „Daß Sie über etwas, es sei was es sei, jetzt und auf lange Zeit hinaus lachen sollten, lieber Werin, wird sicher Keiner von uns erwarten.“

„Sie sind gütig wie immer,“ erwiderte Adalbert; „aber für diesmal kann ich Ihre Güte nicht annehmen. Ich habe in der That diese Tage sehr gegen meine Gewohnheit wiederholt gelacht. Wissen Sie worüber? Ueber die echt menschliche Thorheit, geduldig im Parterre sitzen zu bleiben, nachdem das Stück auf der Bühne angefangen hat, uns langweilig und schal zu werden.“

Eine so direkte Andeutung auf den Tod seiner Mutter machte uns aufs Neue betreten.

„Sie haben das Leben nie leicht genommen, lieber Werin,“ sagte der Oberst; „wie wäre es möglich, daß Sie es jetzt anders als schwer nähmen? Aber eine Kraft wie die Ihre gleicht der des Magneten, welche wächst mit dem Gewicht der Lasten, die man an ihn hängt. Ueberdies – ,der Morgen hat Alles wohl besser gemacht,‘ singt der Dichter.“

„Wer an ein Morgen glaubte!“ erwiderte Adalbert mit melancholischem Lächeln. „Ich habe daran geglaubt – o ja, in der Zeit, als ich Dir – erinnerst Du Dich, Lothar? – in dem Rathskeller die schöne Zukunftsrede hielt von dem Pfingsten, welches der Menschheit unserer Tage kommen würde mit gewaltigem Brausen, daß die draußen auf der Gasse sich entsetzen und unter einander sprechen und fragen würden: was will das werden? Da stand auch ich noch auf der Gasse und fragte es und lauschte pochenden Herzens auf die geheimnißvolle Stimme von oben, die mir antworten und sagen würde: das will es werden! Ich frage es jetzt nicht mehr. Ich weiß, daß es nichts werden will. Daß es sein wird, wie es war und wie es ist, dem Meere gleich, welches dasselbe bleibt, ob es ebbet oder fluthet; im Sonnenschein ausgebreitet liegt wie ein Teppich, oder im nächtlichen Sturm den Gischt bis zu den Wolken spritzt. Dem Schiffer und dem armen Schalthier ist es nicht einerlei, ob das Meer die Krallen reckt oder einzieht; aber ich kenne noch einen andern Standpunkt als den des Schiffers oder Schalthieres. Ich verlange nicht, daß jene ihn kennen; ich verlange es von Niemand; noch weniger von irgend Einem, daß er sich auf diesen Standpunkt stelle. Es kann das auch Keiner, er sei denn dafür geboren, ein freier Mensch zu sein und des Scharfsinns zu spotten, mit welchem die Menschen Alles, was ihnen ihr liebes Dasein fristen kann, zu einem religiösen Dogma oder zu einer Forderung der Moral, wo möglich zu einem Paragraphen im Strafgesetzbuch machen. Ich habe nun das Unglück oder das Glück, wie man es nehmen will, ein Sohn der Freiheit sans phrase zu sein. Ich habe das auch eigentlich immer gewußt; aber wenn man seines Platzes sicher ist, so hat man es nicht eben eilig, denselben einzunehmen, sondern man streicht daran herum und macht zum Beispiel mit ernstem Bemühen seine Schularbeiten, obgleich man sich gar nichts für die Zukunft von ihnen verspricht, oder seine Staatsexamina mit Prädikaten, oder ruft: nach Utopien! und hält lange socialdemokratische Reden im Schweiße seines Angesichts. Und, meine Besten, wenn es nun wirklich ein socialdemokratisches Utopien gäbe – wie ich mich überzeugt halte, daß es keines giebt – und die Menschheit erreichte es, wäre sie dann nur um ein Haar besser dran als zuvor? Werden die Mütter nicht so weiter in Schmerzen gebären? die Sterbenden sich nicht so weiter in Todesangst winden? Und wenn auch die brutalen Leiden der Natur gemildert, und die socialen, mit denen wir uns jetzt gegenseitig zerfleischen, ganz beseitigt werden könnten – bei der nothwendigen unendlichen Steigerung der Empfindlichkeit auch für kleinere, jetzt noch gar nicht gespürte Leiden, würde sich das Leidensniveau der Menschheit auf genau derselben Höhe halten. Schopenhauer hat das längst gedacht und gesagt; aber er hat Den, welcher sich den Leiden, die unseres Fleisches Erbtheil, durch einen freiwilligen Tod entzieht, mit mystischen Strafen bedroht. Glaubte er an die finale Unwirksamkeit des Selbstmordes, so war er, in diesem Punkte wenigstens, ein Narr; wollte er sich mit dem krausen Schlüssel dieser Behauptung ein Hinterthürchen öffnen, durch das er den Konsequenzen der eigenen Lehre entfliehen könnte, so war er ein Feigling. Wer weder das Eine noch das Andere ist, muß früher oder später zu dem Punkte kommen, wo er gegebenen Falles mit ruhiger Hand die letzte Konsequenz zieht.“

„So mögen Sie denn wenigstens zum Besten unserer Sache möglichst spät zu dem Punkte gelangen,“ sagte der Oberst mit einem sehr ernsten Lächeln. „Aber mir däucht, wir haben unter diesen melancholischen Betrachtungen ganz die Heiterkeit eingebüßt, die unser Gespräch vorhin beflügelte.“

„Ich bitte um Verzeihung,“ sagte Adalbert; „Sie besonders, Herr Oberst, dessen Lebensgrundsätze das gerade Gegentheil derjenigen sind, für welche ich hier plaidire, und dem ich durch dies Plaidoyer einen wirklichen Schmerz bereite. Aber auch Sie, lieber Pahlen, dessen sanguinisches Temperament meiner Schwarzseherei spottet. Und auch Dich, Lothar, der Du mit Bedauern siehst, daß Dein schöner dichterischer Enthusiasmus bei dem alten prosaisch-nüchternen Kameraden so gar nicht hat zünden wollen. Ich wollte Keinen von Ihnen kränken, im Gegentheil: ich wollte Ihnen Allen für die Liebe danken, die Sie dem Unliebenswürdigsten der Menschen stets bewiesen; für die Langmuth, mit der Sie jeder Zeit seine Unleidlichkeit gelitten und ertragen haben.“

Wir blickten einander verstohlen an. Das klang denn doch wahrlich wie ein Abschied für immer. Oder war es wirklich nur der Jammer um den Tod der Mutter, welchen er so lange in sich verschlossen hatte, und der sich nun in diesen schauerlichen Phantasien Luft machte?

„Sie haben nichts von uns empfangen,“ erwiderte für uns Alle der Oberst, „was Sie uns nicht doppelt und dreifach zurückgegeben hätten.“

Er hatte Adalbert die Hand gereicht, von dessen Gesicht die grausige Starrheit, die uns entsetzt hatte, gewichen war. Pahlen und ich gaben uns alle Mühe, das Gespräch wieder in glatte Bahnen zu bringen; es wollte uns nicht gelingen. Ich erinnere mich nicht mehr wie, aber die Rede war auf jenes Aktenstück gekommen, welches aus dem Schrank des Obersten verschwunden war.

„Da ich doch nicht an Zauberei glauben kann,“ sagte der Oberst, „so bleibt schließlich nur die Annahme eines Diebstahls übrig. Ich habe mich nachträglich mit aller Bestimmtheit darauf besonnen, daß ich die Papiere am Morgen des“ – er nannte das Datum – „zum letzten Male in der Hand gehabt und in den Schrank gelegt hatte, welchen ich – da er nur die sekretesten Sachen enthielt – nicht geöffnet habe, bis es zur Ablieferung des Inhaltes des Schrankes kam, in welchem gerade jenes Fascikel oben auf lag, so daß es einem Diebe, der danach suchte oder auch nur das erste Beste nahm, sofort in die Hand fallen mußte.“

Der Oberst hatte, so oft wir auch über die Angelegenheit gesprochen, noch nie die Angabe jenes Datums gemacht. Ich rechnete nach. Es war derselbe Tag, an welchem ich hier in der Bibliothek während der Abwesenheit des Obersten den Besuch Ellinor’s und Ulrich’s empfangen hatte. Und außer und vor ihnen noch Jemandes! – Deutlich sah ich ihn da stehen – da zwischen dem Schrank und dem Arbeitstisch – mit dem Gesicht nach der Thür – in langem grauen Ueberzieher, unter dem Arm das [681] blaue Packet mit dem „Thomas Münzer“ – ihn, der sich selbst mir gegenüber gerühmt hatte, daß es kein Schloß gebe, welches er nicht mit einem gebogenen Nagel öffnen könnte – und er war über eine halbe Stunde allein in der Bibliothek gewesen!

Es war ja nur ein Verdacht, aber er drängte sich mir mit solcher Gewalt auf – ich konnte nicht damit zurückhalten. Der Oberst sah in der Vermuthung kaum einen Schatten von Möglichkeit, anders der Graf und Adalbert. Sie hielten dafür, daß ein Mensch wie Weißfisch, wenn er in einem Schranke, in welchem er vielleicht kostbare Orden und Geld vermuthet, offenbar wichtige Papiere fände, auch mit diesen vorlieb nehme, um sie theuer an den Eigenthümer zurück oder theurer an die Feinde desselben weiter zu verkaufen.

„Das ist bei uns schon Dutzende von Malen vorgekommen,“ sagte der Graf, „und aus solchen Papieren manchem ehrlichen Kerl der solideste Strick gedreht worden.“

„Bei mir ist auch ohne das so viel hochverrätherisches Material aufgeschichtet,“ sagte Adalbert, „daß ich, als Staatsanwalt, fünfzehn Jahre Zuchthaus mindestens herausdestilliren würde.“

„Sie gehen in der That mit Ihren Papieren strafbar unvorsichtig um,“ sagte Pahlen.

In diesem Augenblicke wurde an der Flurglocke gezogen.

„Die Damen!“ riefen der Oberst und Pahlen. Ich eilte zu öffnen, obgleich ich mich wunderte, daß ich auf der stillen Straße keinen Wagen gehört, und der Ton der Glocke anders geklungen hatte, als wenn sie von Ellinor oder Adele gezogen wurde. Die Lampe, mit welcher sie sich hatten hinaufleuchten sollen, mußte ihnen ausgegangen sein; es war völlig dunkel auf dem Treppenflur, zu dem ich die Thür mit einem: „Schönsten guten Abend!“ aufriß.

Aber ich taumelte zurück, als anstatt der Erwarteten ein Mann so rasch hereintrat, daß er fast an mich angerannt wäre, und ihm nach sofort sieben oder acht andere Männer drängten, ebenfalls sehr rasch und, wodurch die sonderbare Situation doppelt unheimlich wurde, lautlos, so gut wie lautlos. Der Wohnungsflur ward von ihnen erfüllt, bevor ich noch ein Wort hatte vorbringen können. Je ein Mann war vor die Thüren der drei Zimmer getreten, welche außer der Bibliothek mit dem Flure in Verbindung standen, während zwei, als kännten sie die Wohnung längst, hinter einer Glasthür verschwanden, durch die man über einen längeren Flur zur Küche und zur Hinterthür gelangte. Zugleich war das Licht von ein paar Laternen aufgeflammt, welche die Männer unter ihren Mänteln verborgen gehalten haben mußten; ein Herr trat dicht vor mich und sagte, den Hut lüftend, in leisem, höflichem, aber dringendem Tone: „Ich bin der Staatsanwalt von“ – ich konnte den Namen nicht verstehen – „bitte, führen Sie mich zu dem Zimmer des Herrn Obersten! Das heißt –“

Er kam nicht weiter, denn in diesem Augenblicke öffnete der Oberst, der sich gewundert haben mochte, wo die Damen und ich so lange blieben, die Thür zur Bibliothek. Der Staatsanwalt trat sofort auf ihn zu und ihm, der unwillkürlich oder, um die Freunde zu warnen, ein paar Schritte zurückwich, nach in das Zimmer, wohin ich ihm folgte, mit mir zwei der Männer, die an der Thür stehen blieben.

Pahlen und Adalbert waren von ihren Sitzen aufgesprungen; Pahlen stand uns zunächst und vor dem Tisch, Adalbert hinter demselben und etwas zurück. Der Staatsanwalt, ein kleiner schwärzlicher Herr mit einem scharfen Gesicht und einem Kneifer auf der energischen Nase, wandte sich zuerst an den Oberst:

„Ich habe die Ehre, den Herrn Oberst außer Dienst Egbert von Vogtriz –?“

Der Oberst verneigte sich.

„Sie, mein Herr“ – der kleine Herr hatte sich zu dem Grafen gewandt – „sind der Herr Graf Serge Alexei von Pahlen?“

Der Graf lächelte und machte eine sehr höfliche Verbeugung.

„Und Sie, mein Herr,“ fuhr der Staatsanwalt, Adalbert fixirend, fort, „habe ich das Vergnügen, von Person zu kennen: Herr Referendar doctor juris Adalbert von Werin?“

„Das Vergnügen ist gegenseitig,“ sagte Adalbert.

„So wollen die Herren verzeihen, wenn ich meine peinliche Pflicht erfülle,“ fuhr der Staatsanwalt fort. „Im Namen des Gesetzes: ich verhafte wegen des auf Ihnen ruhenden Verdachtes des Hochverrathes Sie, Herr Oberst von Vogtriz; Sie, Herr Graf von Pahlen, und Sie, Herr Referendar von Werin, und ersuche Sie, mir auf der Stelle zu folgen. Ich nehme an, daß Sie dazu bereit sind.“

„Ich bin bereit,“ sagte der Oberst.

„Auch ich,“ sagte der Graf.

„Und Sie, mein Herr?“

„Ich bin völlig bereit,“ sagte Adalbert, „wenn Sie nur die Güte haben wollen, mir zu erlauben, eine kleine Veränderung mit mir vorzunehmen.“

„Ich erlaube mir zu bemerken, daß ich in großer Eile bin und eine längere Hinzögerung nicht verstatten kann,“ erwiderte der Staatsanwalt mit einiger Lebhaftigkeit.

„Die Sache ist in einer Sekunde geschehen,“ sagte Adalbert.

Er hatte ohne Hast, wie zufällig, die großen Rohrlehnsessel so durch einander geschoben, daß dieselben nebst dem runden Tisch eine Art von Schranke zwischen ihm und uns Uebrigen im Zimmer bildeten.

„Jeder Widerstand ist vergeblich!“ rief der Staatsanwalt in großer Erregung.

Ich wußte nicht, wie der Mann zu dem Ausrufe kam: die kleine Barrikade, auch wenn sie nicht zufällig entstanden, wie ich angenommen, konnte ihn doch unmöglich erschrecken. Und jetzt erst sah ich, was der Staatsanwalt zweifellos vor mir gesehen hatte: den blinkenden Lauf eines Revolvers in Adalbert’s herabhängender rechter Hand. Ich wollte mich auf ihn stürzen; er wehrte mit der erhobenen Linken ab: „Lothar, willst Du dem Herrn da ins Handwerk greifen?“

Er richtete sich straff auf und sagte, zu uns gewandt, mit völlig ruhiger, heiterer Stimme, während ein freundlicheres Lächeln, als ich es je an ihm gesehen, seine Lippen umspielte: „Der Unsinn siegt hier, wie er es ewig und immer thun wird. Ich aber habe keine Lust, über Etwas, das mir so klar ist, ein Dutzend Jahre oder so hinter Schloß und Riegel weiter nachzudenken. Leben Sie wohl! Grüßen Sie die Damen und verzeihen Sie, Herr Staatsanwalt, die kleine Diversion!“

Im nächsten Augenblicke hielten wir in den Händen einen dahingestreckten Körper, der noch ein paarmal zuckte und dann die feinen schlanken Glieder streckte zum ewigen Schlaf.


10.

Es war eine Woche später, als meine Mutter und ich Nachmittags, von Berlin kommend, in der kleinen Residenz eintrafen, mit welcher sich für sie und für mich die Erinnerung der schönsten und auch der traurigsten Stunden in unserem Leben verknüpfte. Der schlanke Bahnhofsinspektor mit den freundlichen blauen Augen und dem prächtigen braunen Vollbart öffnete uns das Koupé. Wir schüttelten uns als alte Bekannte herzlich die Hände, ich stellte ihn der Mutter vor und mußte, wie ernst mir auch zu Muthe war, heimlich lächeln über die Bewunderung, welche sich in den offenen Zügen des Mannes malte – es konnte eben Niemand meiner Mutter ohne Bewegung in die zaubermächtigen Augen sehen. Selbst seine sonore Stimme bebte, als er mit militärisch straffer Haltung meldete: es sei ein Brief Bahnhof restante für die gnädige Frau da. Ob die gnädige Frau erlaube, daß er den Brief hole? Er bitte zu dem Zwecke nur um eine Visitenkarte. Meine Mutter dankte: sie wolle selbst nach dem Briefe gehen, auf den eine Erwiderung nöthig sein werde, die sie am besten gleich im Bureau schreibe.

„So darf ich die gnädige Frau dahin begleiten?“ sagte der Inspektor.

„Ich brauche Sie nicht zu bemühen,“ sagte meine Mutter; „ich weiß hier sehr gut Bescheid.“

Sie entfernte sich eilig nach den Gebäuden zu. Ich wäre gern mit ihr gegangen. Der erwartete Brief konnte nur von Maria sein, die vorgestern auf ein Telegramm aus der süddeutschen Universitätsstadt, in welcher sich Ulrich im vorigen Herbst habilitiren wollte, dorthin gereist war. Das Telegramm war von dem Arzte, der Ulrich behandelte, und hatte nur die Worte enthalten: „Herr von Vogtriz, schwer erkrankt, wünscht Sie zu sehen, bitte umgehend kommen.“ Es war die erste Kunde, die uns Geängsteten, [682] schon völlig Verzweifelten wurde, und wie wenig dieselbe geeignet schien unsere Hoffnungen zu beleben – er lebte noch – ein Strohhalm nur, an den ich mich doch geklammert hatte und jetzt wieder klammerte, während vielleicht die Mutter die Todesnachricht bereits in den Händen hielt. So war es denn keine leichte Aufgabe für mich, dem freundlich gesprächigen Bahnhofsinspektor Rede und Antwort zu stehen, ohne daß er meine Unruhe merkte.

„Sie haben ein Privatgeschirr beordert,“ sagte er; „aber Hoheit hat eine Equipage geschickt, die schon seit einer Stunde hier hält. Sie werden sich doch derselben bedienen? Sie wissen, es ist ein langer Weg nach Bellevue, den man bequemer in einem Hofwagen zurücklegt, und ich glaube sagen zu dürfen, Hoheit würde es recht übel empfinden, wenn der Wagen leer zurückginge.“

Ich sagte, daß ich die Entscheidung darüber meiner Mutter überlassen müsse, welche soeben aus dem Bahnhofsgebäude getreten war und langsam auf uns zukam. Ich eilte ihr entgegen.

„Lebt er?“

„Lies selbst!“

Meine Mutter hatte mir den Brief, den sie in der Hand hielt, gereicht und fügte sofort hinzu: „Es fehlt das letzte Blatt. Sie muß es vergessen haben – in der Eile und Aufregung – armes Mädchen! Doch hätte sie wohl schon depeschirt, wenn der Ausgang – aber Du wirst ja sehen –“

Meine Mutter hatte sich zum Inspektor gewandt; ich war in den Schatten des Telegraphenhäuschens getreten und las.

(Schluß folgt.)

Von einer herannahenden Küchenrevolution.

Offener Brief an eine Wißbegierige.0 Von C. Falkenhorst.

  Geehrte Frau!
Erinnern Sie sich noch jener herrlichen Herbsttage, in welchen wir vor mehr als zehn Jahren durch das reiche Franken wanderten, den gesegneten Obstgarten Deutschlands? Aus dem Grün der Gärten leuchteten in allen Farben die reifen Früchte; die Bäume brachen schier unter der köstlichen Last zusammen; auf den Chausseen schwere Wagen, auf den Flüssen zahllose Schleppkähne mit der reichen Obsternte beladen! Da lag in der lachenden Landschaft klar vor unseren Augen der überzeugendste Beweis des unermeßlichen Nutzens der Obstzucht.

Erinnern Sie sich aber auch, daß wir wenige Tage darauf die Rückseite der Medaille schauen mußten? Auf der langen Fahrt nach Frankfurt am Main, nach Köln und nach Holland faulten die Früchte, und wir waren Zeugen, wie unzählige Körbe verdorbener Waare in den Main und in den Rhein geschüttet werden mußten.

Damals kam uns diese Art des Handels mit frischem Obst wie eine Verschwendung der werthvollsten Güter vor, und wir waren einig darüber, daß auf diesem Gebiete eine Wandlung zum Besseren angestrebt werden müsse. Als eine der wichtigsten Aufgaben des Obstzüchters erschien es uns, Mittel und Wege zu finden, um den leicht verderbenden Waaren eine haltbarere Form zu geben. Obwohl wir aber im Grundsatz übereinstimmten, gingen unsere Ansichten über die praktische Ausführung desselben doch weit aus einander.

Dem getrockneten Obst prophezeite ich die beste Zukunft. Ich sehe noch das feine ungläubige Lächeln, das um Ihren Mund spielte, während ich meine wohlerwogenen Gründe entwickelte. Ich höre noch heute Ihre vernichtende Antwort – die Antwort einer praktischen Hausfrau. Auf dem Markte, in dem Kaufmannsladen und vor allem in der Küche hatten Sie sich einen Schatz von Erfahrungen gesammelt, die unbedingt gegen das gedörrte Obst sprachen, und je mehr ich Ihren Ausführungen lauschte, um so mehr überzeugte ich mich, daß das getrocknete oder gedörrte Obst zu jener Zeit eine mit vielen Mängeln behaftete Waare bildete, welche weder mit dem frischen noch mit dem von fleißiger und geübter Frauenhand eingekochten wetteifern durfte. Ihre Praxis trug einen leichten Sieg über meine Theorie davon!

Vor Kurzem sprach ich mit Ihnen wiederum über denselben Gegenstand. Ich machte dabei eine interessante Erfahrung. Die Welt ist in dem letzten Jahrzehnt in ungeahnter Weise fortgeschritten; Sie sind die konservative Hausfrau geblieben, welche an ihrer einmal gefaßten oder gar ererbten Meinung mit tapferster Zähigkeit festhält. Heute fühle ich aber, daß an mir die Reihe ist, Ihnen mit einem überlegenen Lächeln entgegenzutreten, und ich unternehme das Wagniß, als schlimmer Revolutionär in die Räume zu dringen, in welchen Sie als Alleinherrscherin – das Scepter schwingen.

Ich bin wirklich in der erfreulichen Lage, von großen Fortschritten und Erfindungen zu berichten, welche dem getrockneten Obst, dem Aschenbrödel unseres Haushaltes, zu Gute kommen. Schon zu jener Zeit, als wir zum ersten Male diese Frage erörterten, wurden die ersten schüchternen Versuche dieser großen Umwälzung vorbereitet. In Kalifornien, welches nicht mehr durch Goldminen, wohl aber durch die goldenen Früchte des Ackerbaus seinen Einwohnern unermeßliche Schätze spendet, erfand man eine neue Dörrmethode, welche jetzt überall als mustergültig nachgeahmt wird. Sie beruht auf dem einfachen Grundsatz, daß man über die mit Obst belegten Hurden einen heißen und trockenen Luftstrom streichen läßt, welcher dem Obst die Feuchtigkeit entzieht. Dieser Vorgang spielt sich selbstverständlich in eigens dazu gebauten Apparaten ab, deren Zahl dank dem Erfindungsgeist der Amerikaner eine ziemlich große geworden ist. An vielen Orten jenseit des Großen Wassers wurde bereits seit Jahren eine förmliche Obstindustrie ins Leben gerufen, und wir erblicken dort großartige Anlagen, in welchen während des Herbstes Tausende von Hektolitern verschiedenster Obstsorten getrocknet werden.

Gestatten Sie mir, daß ich Sie in ein derartiges Etablissement einführe! Treten Sie ein in dieses schlichte, aber geräumige dreistöckige Gebäude!

Im untersten Stockwerk, welches etwas vertieft liegt, finden Sie die Feuerungsanlagen, deren Einrichtung den Scharfsinn mehr als eines Technikers herausgefordert hat. Im zweiten Stock betreten Sie große Säle, in welchen ein überaus buntes und geschäftiges Treiben herrscht. Hier werden zunächst die Früchte zum Trocknen zubereitet. Der Hauptartikel, der Apfel, kommt gerade an die Reihe. Er muß zunächst geschält und geschnitten sowie von seinem Kernhaus befreit werden. Dort in jener Ecke liegen wohl über 20 Hektoliter der schönsten Baldwinäpfel aufgehäuft, und noch heute sollen sie alle in den Dörrapparat wandern. Welche Riesenaufgabe! Die wenigen Leute, die Sie in den Räumen erblicken, können dies unmöglich besorgen. O doch, verehrte Frau! Denn diese wenigen Leute werden in ihrer Arbeit durch den Zauberer und Riesen des 19. Jahrhunderts, den unermüdlichen Dampf, unterstützt. Hören Sie! Jetzt ertönt die Signalpfeife. Die Leute treten mit Körben voll Aepfel an eine Maschine; der Treibriemen setzt sich schwirrend in Bewegung, und die Arbeit beginnt. An eine hervorragende Spitze eines der Räder steckt der Arbeiter einen Apfel; sofort ergreift ihn das Triebwerk der Maschine, und in einem Augenblick wird er geschält, spiralig zerschnitten und von seinem Gehäuse befreit. Dann wirft ihn die Maschine auf den sauber geputzten Tisch, wo ihn andere Arbeiter in Empfang nehmen. Die Apfelschnitte häufen sich rasch; spielend geht die Arbeit vor sich. Glauben Sie mir: ehe die Abendglocke ertönt, wird die Maschine sicher jene 20 Hektoliter Aepfel in kunstgerechtester Weise verarbeitet haben.

Jetzt führe ich Sie nach einer anderen Abtheilung desselben Stockwerks. Hier tragen Arbeiter mit Apfelschnitten belegte Hurden herbei und schieben sie in die Oeffnung eines hohen Schachtes hinein.

Langsam steigen die obstbeladenen Hurden vermittelst einer Maschinerie in dem Dörrschachte hinauf. Wir werden ihnen im dritten Stockwerk wieder begegnen.

In ihm erreicht der Schacht sein Ende; hier werden die Hurden mit gedörrtem Obste herausgenommen. Ein köstlicher Duft durchzieht die weiten Säle, in welchen die getrockneten Aepfel in Haufen liegen, wie Getreide geschaufelt und in saubere Kisten verpackt werden. Und wie rasch geht das Alles! Jeder der Apparate dörrt ja 30 bis 50 Hektoliter Obst in 24 Stunden.

Der Amerikaner ist ein durchaus praktischer Mann. Er weiß es wohl, daß die meisten seiner Abnehmer die neue Waare nicht zu behandeln verstehen, und er legt darum in jede Kiste eine gedruckte Anweisung über die Behandlung des gedörrten Obstes in der Küche.

Kennen Sie, geehrte Frau, nach „amerikanischem System“ gedörrte Aepfel? Ich möchte es beinahe bezweifeln. In unseren Läden finden wir zwar amerikanische Aepfel in Hülle und Fülle, aber die allermeisten sind in Pennsylvanien, Maryland etc. nicht in der oben geschilderten Weise, sondern nach altem Brauch an der Sonne getrocknet. Sie können mit dem Obst, welches ich meine, keineswegs konkurriren. Dieses wird in Nordamerika allgemein „Alden-Obst“ genannt, und man sollte im Interesse der guten Sache bei solchen Anlässen nicht von amerikanischem, sondern stets von „Alden-Obst“ sprechen.

Die Behandlung des letzteren ist äußerst einfach. Man braucht es nur in porcellanenen oder thönernen Gefäßen mit kaltem Wasser zu übergießen und 12 bis 24 Stunden stehen zu lassen. Dann ist es, ohne daß das Wasser gewechselt wird, zum Kochen bereit und wie durchaus frische Früchte zu behandeln.

Und der Geschmack? werden Sie fragen. – Ich will nur das Urtheil durchaus berufener Männer anführen. Auf allen großen Ausstellungen, wo Völker um die Siegespalme in den Werken der friedlichen Arbeit rangen, wurde diesem nach „amerikanischem System“ gedörrten Obst einmüthig der erste Preis zuerkannt.

Fast scheint es mir, als ob ich Ihre Geduld erschöpft hätte, als ob Sie mit leisem Spott die Frage an mich richten möchten: „Und diese trefflichen gedörrten Apfelschnitte, die in Deutschland, nebenbei gesagt, nicht so leicht zu haben sind, sollen eine Revolution in meiner Küche hervorrufen?“

Ich bitte, bannen Sie das triumphirende Lächeln noch für einen Augenblick!

Die unternehmenden Männer, welche jenes Dörrverfahren erfunden und praktisch verwerthet haben, beschränkten sich keineswegs auf Aepfel und Birnen. Sie dörren in gleich trefflicher Weise Pfirsiche und Aprikosen, Pflaumen und Zwetschen, Weintrauben und Feigen, Kirschen und Brombeeren; sie gehen noch weiter: Rhabarber und Tomatos, Spargel und Kürbisse liefern sie in erster Qualität; sie zwingen, wenn ich so sagen darf, den ganzen Gemüsegarten und verarbeiten grüne Erbsen, Zwiebeln, Spinat, Sauerampfer, Rothkraut, Winterkrauskohl, Bohnen, Wirsing, Karotten, ebenso alle Küchenkräuter von der Petersilie an bis zum Basilikum und zur Tripemadame; ja diese Revolutionäre schrecken selbst vor dem Einmarsch in das weite Gebiet der Landwirthschaft nicht zurück, indem sie Grünmais und Kartoffeln in größtem Maßstabe dörren, und verschonen mit ihren Eingriffen auch die feine Welt nicht, denn neben Fischen und Eiern trocknen sie sogar Austern!

[683] Täusche ich mich nicht, verehrte Frau? Diese Fülle des Stoffes, mit der ich Sie überrascht habe, veranlaßt Sie zu einigem Nachdenken. Ich will Ihnen helfen, den Gedankenfaden weiter zu spinnen.

Die Erfindung ist neu, noch blutjung; wohl 15 Jahre alt! Aber sie erstarkt und wächst so schnell, daß man in ihren ersten Aeußerungen den künftigen Riesen merkt. Nordamerika hat sie schon zum größten Theil erobert, und siegesgewiß steht sie vor den Thoren Deutschlands und Oesterreichs. Welche Rolle wird ihr einst in dem großen Haushalte der Welt zufallen! Greifen wir nur ein Beispiel heraus: die Kartoffel.

Dieses Hauptnahrungsmittel so breiter Volksschichten ist von einem großen Mangel behaftet. Die Kartoffelknolle ist überaus wasserreich, nimmt in Folge dessen viel Raum ein, wiegt schwer, und ihre Versendung auf weite Strecken ist darum mit großen Kosten verbunden. Dieser Uebelstand fällt weg, sobald wir die Kartoffeln dörren, denn 60 Centner frische Kartoffeln schrumpfen im Dörrschacht auf nur 13 Centner zusammen! Die natürliche Kartoffel läßt sich ferner schwer aufbewahren; sie wird alt, welkt, treibt oder keimt aus und fault gar am Ende. Die gedörrte Waare kann jahrelang erhalten werden.

Sinnen Sie weiter nach! Welche Rolle wird die gedörrte Kartoffel einst spielen müssen in der Ausfuhr nach fernen Ländern, in der Versorgung der Massenwirthschaften und der Volksküchen, in der Verproviantirung der Schiffe und endlich der Millionenheere unserer in All und Jedem so großen Zeit!

Aber ich will unsern kühnen Flug über die weiten Gebiete der Volkswirthschaft unterbrechen; für Sie paßt nicht das laute Getümmel des Kampfes ums Dasein, in dem Stände und Völker ringen. Flüchten wir uns in Ihre ruhigen Hausräume, in welchen Sie mit so bezaubernder Anmuth und in friedlicher Stille walten. Die Fortschritte der Neuzeit, welche das Althergebrachte erbarmungslos über den Haufen werfen, sind schon mehr als einmal über die Schwelle Ihres trauten Heims getreten und haben auch dort Wandlungen über Wandlungen hervorgerufen. Aber ich glaube, Sie beklagen nicht den Wechsel der Dinge; das romantische Spinnrad, das einst die Großmutter beim Wiegenlied Ihrer Mutter schwirren ließ, ist verschwunden, aber Sie empfinden gewiß nicht den Verlust desselben; denn die Neuzeit schenkte Ihnen dafür eine viel hilfreichere Freundin, die Tausendkünstlerin – Nähmaschine.

So wird auch aus der neuen Umwälzung auf dem großen Frucht- und Gemüsemarkte der Welt, deren erste Anzeichen sichtbar werden, Ihnen nur Glück und Vortheil erwachsen. Sie werden unabhängig werden von dem Gemüsegärtner und der Jahreszeit; der Reichthum Ihrer Speisekammer wird verzehnfacht; Ihre Einkäufe werden sich billiger, die Zubereitung der Speisen in der Küche wird sich einfacher gestalten; Sie werden vor Allem Zeit gewinnen und die in der Küche entbehrlich gewordenen Stunden der Pflege und Erziehung Ihrer Herzenslieblinge, der weiteren Ausbildung Ihres so wißbegierigen Geistes widmen können.

Damit ist der Zweck meines heutigen Briefes erfüllt, denn ich kann Ihnen nur Anregung geben. Legen Sie Werth auf meine Worte, dann versuchen Sie das Alden-Obst und das gedörrte Gemüse in Ihrer Küche; theilen Sie Ihre guten und schlimmen Erfahrungen Ihren Schwestern mit! Können Sie aber das Gewünschte in Ihrer Stadt nicht sofort erhalten, so verlangen Sie es wiederholt und nachdrücklich. Der Kaufmann ist ein gar kluger und zuvorkommender Mann; er wird Ihnen am Ende aller Enden gewiß Ihren Wunsch erfüllen. Und wenn Tausende Ihrer Schwestern ebenso handeln, dann werden sie durch vereinte Macht dazu beitragen, die Anfänge einer Obstindustrie in Deutschland zu stärken, und eine Bewegung in rascheren Fluß bringen, aus der für Jeden von uns nur ein Gewinn entspringen kann. Das Frauenurtheil fällt bei vielen wirthschaftlichen Fragen schwerer, als Sie denken, in die Wagschale. Möge mit Ihrer Hilfe stets die Schale des Guten sinken!


Blätter und Blüthen.

Ein Justinus Kerner-Jubiläum soll am 18. September auf der Weibertreu bei Weinsberg gefeiert werden. Justinus Kerner ist zwar keine Großmacht der deutschen Litteratur: aber der liebenswürdige schwäbische Sänger hat doch einige Gedichte hinterlassen, welche zum Hausschatze unserer Poesie gehören und im Gedächtniß der Nation Dauer finden werden – und wie viel bleibt zuletzt auch von den Erzeugnissen berühmterer Poeten übrig, wenn Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte darüber hinweggezogen sind! Ein einziges Gedicht, ein einziges Werk genügt für spätere Zeiten, um den Namen eines Dichters nicht der Vergessenheit anheimfallen zu lassen. Doch Justinus Kerner war außerdem eine Persönlichkeit, mit der sich die Zeitgenossen angelegentlich beschäftigten; er war nicht bloß ein stiller Liedersänger, der mit einzelnen seiner Gedichte ein Echo in weitesten Kreisen erweckte: er war durch die merkwürdige Mischung liebenswürdiger Jovialität und treuherziger Gemüthlichkeit mit einer den Nachtseiten des Seelenlebens zugewendeten Forschung und seinem unerschütterlichen Glauben an die magischen Erscheinungen der Geisterwelt eines jener Originale, wie sie kaum eine andere Litteratur aufzuweisen hat. Varnhagen von Ense und David Strauß, dieser Apostel einer entgegengesetzten Weltanschauung, haben ihm warme Gedenkblätter gewidmet; Karl Immermann dagegen verspottete ihn in seinem „Münchhausen“. Es kam darauf an, in welche Beleuchtung sein Bild gerückt wurde: der Liedersänger Kerner fand warme Sympathie, der Spiritist Justinus Kerner verfiel dem Verdammungsurtheil, welches über die Gesinnungsgenossen gefällt wurde, die freilich zum Theil aus ihrem Spiritismus ein Handwerk gemacht haben.

Linderhof vor Erbauung des Schlosses.
Nach einer alten Photographie.

Justinus Kerner war am 16. September 1786 in Ludwigsburg in Württemberg geboren, studirte Medicin, nachdem er längere Zeit in einer Tuchfabrik als Lehrling beschäftigt gewesen, ohne den Tuchsäcken und Indigofässern Geschmack abgewinnen zu können.

Im Jahre 1804 verließ er die Universität Tübingen, wurde 1811 Badearzt in Wildbad und, nachdem er noch mehrmals den Ort seiner medicinischen Praxis gewechselt, 1819 Oberamtsarzt in Weinsberg. Hier gründete er sich ein dauerndes Heim am Fuße der Weibertreu, deren Trümmer durch ihn vom Schutt gereinigt wurden und für deren Restauration er nach Kräften Sorge trug.

Das Dichterhaus in Weinsberg wurde ein gastliches Asyl für wandernde Schriftsteller jeder Art und besonders für jüngere Talente, die des Weges zogen. Im Jahre 1851 legte Kerner, fast ganz erblindet, sein Amt nieder und lebte dann bis zu seinem Tode am 21. Februar 1862 in Weinsberg.

Justinus Kerner ist mit Ludwig Uhland der älteste Veteran der schwäbischen Dichterschule. In Gemeinschaft mit Uhland und Schwab gab er 1812 den „Poetischen Almanach“ und 1813 den „Deutschen Dichterwald“ heraus. Seine eigenen Gedichte erschienen zuerst gesammelt im Jahre 1826, neuere Sammlungen „Der letzte Blüthenstrauß“ 1858 und „Winterblüthen“ 1859. Seine erste Schrift: „Die Reiseschatten von dem Schattenspieler Lux“ (1811) gehörte ganz der romantischen Schule an; dies gilt auch von mehreren seiner Gedichte, wie „Spindelmann’s Recension einer Gegend“, worin er im Stile Ludwig Tieck’s die nüchterne prosaische Weltauffassung geißelt. Andere Gedichte sind von frischer, jugendlicher Heiterkeit beseelt und mit Recht volksthümlich geworden, wie das Lied: „Wohlauf, noch getrunken den funkelnden Wein!“ Einen düsteren gespenstigen Zug tragen oft seine Balladen zur Schau, wie „die vier wahnsinnigen Brüder“ und „Graf Albertus von Kalni“.

Welch ein wunderlicher Heiliger Kerner in der That gewesen, das beweisen seine Schriften über „die Seherin von Prevorst“, der er ja in Weinsberg ein Asyl begründet hatte, um ihre merkwürdigen Enthüllungen registriren zu können. Auch über die dämonischen Erscheinungen, die sich bei einzelnen „Besessenen“ zeigten, machte er Studien und gab Schriften heraus; bisweilen beschäftigte ihn auch eine Spukgeschichte gewöhnlicher Art, wie diejenige, die sich im Amtsgefängniß von Weinsberg abspielte, und von der natürlich „die Glasköpfe“, wie er in seinem jovialen Humor die Männer der nüchternen Aufklärung nannte, nichts wissen wollten.

Wir machen bei diesem Anlaß auf die Schrift: „Justinus Kerner und das Kerner-Haus zu Weinsberg“ von Aimé Reinhard aufmerksam (Tübingen, Osiander), welche einen Lebensabriß des Dichters, mit zahlreichen Anekdoten ausgestattet, enthält und durchweg den Ton warmer Pietät gegen den wackern schwäbischen Sänger athmet, der, trotz seiner Schrullen, sich auf dem deutschen Parnaß behaupten wird. †      

Das Gefängniß der Anarchisten bei New-York. Der Marat der äußersten Linken der Socialdemokraten, Most, hat bekanntlich seinem Schicksal auch in Nordamerika nicht entgehen können und ist zu einjähriger Gefängnißstrafe verurtheilt worden, nachdem der Präsident des Gerichtes noch sein Bedauern ausgesprochen, daß er nach dem Gesetze keine schwerere Strafe über ihn verhängen könne, und nachdem er ihm noch einige der gröbsten Injurien, mit denen Sterbliche bedacht werden können, mit auf den Weg gegeben. Das Gefängniß, in welchem Most und Genossen sich befinden, ist ein langgestrecktes, graues steinernes Gebäude auf der Blackwell-Insel in der Nähe von New-York, sein Name ist „The Penitentiary“. Das Hauptgebäude wurde 1828 errichtet und 30 Jahre später der rechte Flügel angebaut. Es hat nur 800 Zellen; gegenwärtig beträgt die Zahl der Insassen 927 Männer, 788 Frauen und 4 Kinder. Die Zelle von Most ist ziemlich entfernt von derjenigen seiner beiden Schicksalsgenossen Schenk und Braunschweig; doch läge sie auch näher, [684] sie würden sich nicht sehen und noch weniger mit einander sprechen können; denn das Sprechen ist allen Gefangenen streng verboten. Dies tiefe Schweigen ist nach den lärmenden Versammlungen der Anarchisten gewiß eine anfangs höchst befremdende Abwechselung. Auch Zeitungen dürfen nicht gelesen werden, und so dringt keine Kunde von der Außenwelt in diese Zellen; dagegen giebt es eine Gefängnißbibliothek, aus welcher die Gefangenen Bücher und Zeitschriften entleihen können, wenn sie ihre Arbeitszeit hinter sich haben. Most ist in der Schlosserei als Bohrer beschäftigt, Schenk arbeitet in der Schusterwerkstatt, Braunschweig ist als Tischler thätig. Merkwürdigerweise stellen die Beamten dem Fanatiker Most das günstigste Zeugniß aus: er soll sehr bescheiden und fleißig sein. Ursprünglich war er seines Zeichens ein Buchbinder. An Gefängnißstrafe ist er übrigens gewöhnt. Der graue Steinbau auf Blackwell-Island kann ihm nichts Neues bieten; denn die Gefängnisse diesseit und jenseit des Oceans haben eine sehr mißliebige Aehnlichkeit. Schon als Most in Berlin die „Freie Presse“ redigirte, mußte er mehrfach sich mit ihnen vertraut machen; in London wurde er im Jahre 1881 wegen eines nach dem Morde des Kaisers Alexander II. geschriebenen Artikels, in welchem er zur Vernichtung anderer gekrönter Häupter aufforderte, zu 18 Monaten Zwangsarbeit verurtheilt. Most ist jetzt auf längere Zeit ein stiller Mann geworden; doch hat er Muße, in dieser Stille allerlei Ungeheuerlichkeiten auszubrüten, mit denen er wohl später die Welt überraschen wird. †     

Unangenehme Vorbedeutung. (Mit Illustration S. 677.) Armer Lampe! Du gehörst zu den Vielen, deren Verdienste erst im Tode anerkannt werden. Wem du im Leben quer über den Weg läufst, der sieht – es wäre denn der Jäger, der dir nachstellt – eine unangenehme Vorbedeutung in dir, und wenn ihm im Laufe desselben Tages der Fuß überknackt oder ein Hemdknopf reißt oder der Schuster unerwartet die Rechnung präsentirt oder sonst eine Unannehmlichkeit ihm begegnet, so sucht er den Grund davon nicht etwa in der anerkannten Unvollkommenheit unseres Planeten, sondern er sagt einfach: „Kein Wunder, es ist mir ein Hase über den Weg gelaufen.“

Und wie, als fühltest du instinktiv das dir anhaftende Vorurtheil, bemühst du dich, harmloses Thier, jeder menschlichen Begegnung auszuweichen! Im tiefen Kornfelde verbringst du den sonnigen Tag, und erst, wenn der kühle Abend anbricht und der Mond sein silbernes Licht auf die Fluren gießt, da beanspruchst auch du deinen bescheidenen Antheil an der so karg zugemessenen Poesie dieses Lebens und schweifst und schwärmst. Wenn du dabei in deines Nächsten Kohlacker etwas rastest, wer will dir’s verdenken! –

Aber, mein lieber Lampe, das Leben ist eben kein Idyll, wie du meinst, sondern ein Kampf. Horch, wie das knattert und stampft und dröhnt und trommelt und paukt und trompetet! Das ist deine schlimmste Zeit, das Manöver; von früh bis spät keine Rast, keine Ruhe, keine Stätte, wo du dein Haupt niederlegen kannst. Kaum graut der Tag, so sammeln sich schon die wilden Krieger, und nun geht’s los auf den Feind.

Aber wo ist denn der Feind? – „Suchet, so werdet ihr finden!“ Mit dem Bibelwort gestärkt galoppiren die Eskadrons hinaus nach allen Richtungen, voraus die Spitzen und Patrouillen; das sind die Fühlhörner, die den Feind auswittern, damit er nicht unversehens die Nachkommenden überfalle.

Horch! Was rauscht im Gebüsch? Die Blätter schwanken, das Pferd stutzt, und fester umklammert des Reiters Faust den Zügel. Ist es der Feind? – Ach nein, du bist es, armer Lampe, und in drei gewaltigen Sätzen fliegst du über den schmalen Pfad.

„Donnerwetter!“ schallt’s hinter dir, und das Lachen des Reiters wird zum Grinsen. „Verfluchter Hase, daß dich … das bedeutet nichts Gutes!“

Du aber fliegst weiter und erst in gemessener Entfernung wagst du’s, dich auf die Hinterbeine zu setzen und nach den Ruhestörern umzublicken. Zur selben Zeit aber, da du in so anmuthiger Haltung ihre Aufmerksamkeit auf dich lenkst, schwenkt die feindliche Eskadron ums Gebüsch, und das Donnerwetter wird nun wohl erst von den Lippen des überrumpelten Vorgesetzten auf den zurückfallen, der es auf dich herabgewünscht.

Freu’ dich nur nicht zu sehr, Häschen! Der Nächste vielleicht, dem du über den Weg läufst, spießt dich auf seine Lanze und trägt dich als Trophäe ins Lager. Wenn dann der verdonnerte Reiter Abends mißmuthig zurückkehrt, sieht er dich über’m prasselnden Feuer am Spieß stecken; sein Gesicht hellt sich auf, wenn er dich wieder erkennt.

„Der ist’s,“ ruft er, „der ist an Allem schuldig!“ Die Freude des Wiedersehens läßt ihn das überstandene Donnerwetter vergessen, frohgemuth läßt er sich nieder zu den jauchzenden Kameraden und kühlt seine Rache, indem er dich mit ihnen verspeist. Und von all den heißen Kämpfen des Tages bist du das einzige Opfer.

Armer Lampe! Aber wie sagt der unsterbliche Dichter? „Dulce et decorum est pro patria mori.“ („Glorreich und süß ist sterben fürs Vaterland.“) K. H.     

Linderhof. (Mit Illustration S. 683.) Unser Bild führt uns die oberbayerische Idylle vor aus jener Zeit, wo die Prachtliebe des Königs Ludwig II. noch nicht ihre glänzenden Bauten in dieselbe gezaubert hatte. So sah der Linderhof aus, die schlichten Bauernhäuser, welche seiner Zeit der König an sich kaufte, um an ihre Stelle das prachtvolle, in der vorigen Nummer geschilderte Schloß zu setzen. Nur die Kapelle blieb erhalten, wenn sie auch reicher ausgeschmückt wurde; Terrassen und Kaskaden ziehen sich jetzt von ihr abwärts. Der Weg, der hinten in den Wald führt, besteht auch noch heute. Auf der Höhe hinter der Kapelle liegen im Walde die berühmten Grotten. Der Hügel rechter Hand wurde mit einem Tempel gekrönt, mit Terrassen geschmückt. Die trauliche Waldeinsamkeit dieser Stätte hat dem an französischen Mustern großgezogenen Kunstsinn des Königs und den Schöpfungen seiner oft phantastischen Launen weichen müssen. †     

Einen eigenartigen Begräbnißplatz hatte sich der im Jahre 1824 verstorbene altenburgische Minister Geheimrath von Thümmel schon bei seinen Lebzeiten auserkoren. Dicht bei dem der von Thümmel’schen Familie gehörigen Rittergute Nöbdenitz steht eine riesige Eiche, deren Alter auf mehr als tausend Jahre geschätzt wird. Der Stamm derselben hat einen Umfang von 13 Meter, ist aber am Grunde mehrfach zerklüftet, so daß sein Inneres einen hohlen Raum von ziemlicher Ausdehnung bildet. In demselben wünschte nun der Minister seiner ausdrücklichen Bestimmung gemäß dereinst beigesetzt zu werden. Als er das Zeitliche gesegnet, willfahrte man pietätvoll seinem Wunsche. Die Höhlung im Innern des Baumes wurde vertieft, ausgemauert, und dann bettete man die irdischen Ueberreste des Geschiedenen in diese von ihm selbst gewünschte Gruft. Noch heute grünt mit jedem jungen Jahre auch der ehrwürdige Baum in alter Pracht. Mag diese Ruhestätte auch eine seltsame sein: unschön ist es gewiß nicht, unter dem Rauschen der Wipfel einer gewaltigen, tausendjährigen Eiche zur ewigen Ruhe gebettet zu sein. H. Meißner.     

Die meiste Pracht. Der Prinz Joseph von Hildburghausen (der 1702 geb., später katholisch wurde) stieg in österreichischen Diensten bis zum Feldmarschall und führte im Jahre 1757 die Reichstruppen gegen Friedrich, wurde jedoch bei Roßbach gründlich aufs Haupt geschlagen. Einige Tage darauf fragte der große Preußenkönig bei Tafel: „Welcher deutsche Fürst zeichnet sich am meisten durch Pracht aus?“ Niemand vermochte die Frage richtig zu beantworten; da sagte Friedrich endlich: „Der Prinz von Hildburghausen; denn er hält 30000 Läufer!“ E. K.     

Schach.
Von Franz Schrüfer in Bamberg.
SCHWARZ

WEISS
Weiß zieht an und setzt mit dem dritten Zuge matt.



Inhalt: Sankt Michael. Roman von E. Werner (Fortsetzung). S. 665. – Erste Kunstleistung. Illustration. S. 66S. – Wild-, Wald- und Waidmannsbilder. Von Guido Hammer. Nr. 51. Jugenderinnerungen: Mein erster Hirsch. S. 668. Mit Illustration S. 669. – Ludwig II. Gedicht von Karl Hecker. S. 672. – Was will das werden? Roman von Friedrich Spielhagen (Fortsetzung). S. 672. – „Extrablatt!“ Illustration S. 673. – Von einer herannahenden Küchenrevolution. Offener Brief an eine Wißbegierige. Von C. Falkenhorst. S. 682. – Blätter und Blüthen: Ein Justinus Kerner-Jubiläum. S. 683. – Das Gefängniß der Anarchisten bei New-York, S. 683. – Unangenehme Vorbedeutung, S. 684. Mit Illustration S. 677. – Linderhof. S. 684. Mit Illustration S. 683. – Ein eigenartiger Begräbnißplatz. Von H. Meißner. S. 684. – Die meiste Pracht. S. 684. – Schach. S. 684.



Nicht zu übersehen!

Mit nächster Nummer schließt das dritte Quartal dieses Jahrgangs unserer Zeitschrift, wir ersuchen daher die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das vierte Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.


Die Postabonnenten machen wir noch besonders auf eine Verordnung des kaiserlichen General-Postamts aufmerksam, laut welcher der Preis bei Bestellungen, welche nach Beginn des Vierteljahres aufgegeben werden, sich pro Quartal um 10 Pfennig erhöht (das Exemplar kostet also in diesem Falle 1 Mark 70 Pfennig statt 1 Mark 60 Pfennig).

manicula Einzeln gewünschte Nummern liefern wir pro Nummer incl. Porto für 35 Pfennig (2 Nummern 60 Pf., 3 Nummern 85 Pf.). Den Betrag bitten wir bei der Bestellnng in Briefmarken einzusenden.
Die Verlagshandlung.



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner.0 Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.0 Druck von A. Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Erkärung