Die Gartenlaube (1894)/Heft 41
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Nr. 41. | 1894. | |
Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.
Um fremde Schuld.
Ganz Westenberg staunte den neuen Haushalt der jungen Frau Wollmeyer an; wo ich mich blicken ließ, bekam ich von dem fabelhaften Glück zu hören, das Mama betroffen, selbst Tante Komtesse söhnte sich aus mit den Manieren des Mannes und fand, daß Len’ ihn schon höfisch zugestutzt habe, und schließlich war ich mit meiner Meinung, meiner Kälte unter all den anderen Menschen wie ein weißer Rabe, und Mamas bekümmerte Blicke erzählten, wie schwer sie dies empfinde.
Ja, war sie denn wirklich glücklich? Einerseits gab mir die Möglichkeit, daß sie es sei, eine wahrhafte Beruhigung, anderseits empörte mich der Gedanke, daß sie fähig sein könnte, neben diesem Mann zufrieden zu leben, bis ins innerste Herz, und zuweilen, wenn sie abends, jetzt allerdings selten genug, zu mir herunterkam, um wie sonst ein paar Augenblicke an meinem Bette zu sitzen, dann ertappte ich mich dabei, daß ich sie wortlos anstarrte, um dieses Rätsel zu erforschen. Einmal schien es mir, als habe sie geweint, aber ich hatte nicht den Mut, sie zu fragen. Sie klagte nie – worüber auch? Sie besaß ja alles, was das Herz einer Frau nur zu wünschen vermag, aber es that mir weh, sie so zufrieden zu sehen.
„Er ist sehr gut!“ sagte sie einmal, als ich sie über ihrem Ausgabenbuch fand – Rechnen war immer ihre schwache Seite gewesen –, sich bemühend, einen Fehler, den sie gemacht hatte, herauszufinden. „Er hat so viel Geduld mit mir.“
In diesem Augenblick schaute er zur Thür herein und lachte, als er sie so beschäftigt sah. „Ja, ja!“ rief er, „man ist jetzt die Frau eines Kaufmanns geworden, da muß anders Buch geführt werden als früher.“
„Ich will Dir’s abnehmen, Mama,“ sagte ich ruhig, und seit dem Tage half ich ihr bei der Buchführung; sie kam dann herunter zu mir, und wenn wir nicht rechneten, schwatzten wir zusammen wie in alten Zeiten, oder ich war bei ihr oben in ihrem Toilettenzimmer, während sie sich in irgend ein Seiden- oder Sammetkleid warf, denn sie machten eben mittags und nachmittags ihre ersten Besuche, und Mama mußte dem Rang einer Frau Wollmeyer entsprechend angezogen sein. Später kamen die Gegenvisiten, bei denen meine Anwesenheit gewünscht wurde, und als das vorüber war, nahm der Hausherr sein altes Leben wieder auf, das heißt, er ging hier und da zu einer Stadtverordnetenversammlung, und alle Tage zweimal zum Stammschoppen, Sonntags in die Kirche und Mittwochabend mit Mama zum Whistkränzchen, das sie mit der Komtesse und dem Postdirektor von Blessow, dem Superintendenten und deren Frauen hielten.
Ich lebte indessen wie eine verwunschene Prinzessin im Märchen mit meiner alten Base und dachte darüber nach, wie ich mich erlösen könnte, denn daß ein anderer Mensch mich hier herausführen werde, das schien mir unmöglich. Ich wollte auch meine Freiheit nur mir selbst verdanken und arbeitete nun tüchtig, um mich in Musik und Sprache zu vervollkommnen. Hier brauchte man mich ja nicht – Mama war ja glücklich!
Allmählich war man tiefer in den November hineingekommen, und in unserem Hause wurden Vorbereitungen getroffen zu dem Empfang von Gästen, des Herrn von Brankwitz und seiner Schwester. Die alten Füße der Base waren treppauf treppab gelaufen den ganzen Tag, und ihr Gesicht sah anders aus als sonst – zwei hochrote Flecken brannten ihr auf den hageren Wangen. Mama hatte nach Tisch über Kopfschmerzen geklagt und war nicht fähig, Herrn Wollmeyer zum Bahnhof zu begleiten, um den Besuch zu empfangen. Ich saß in meiner Stube und bemühte mich, einen französischen Brief zu schreiben an irgend eine fingierte Persönlichkeit, als Mama eintrat und mich mahnte, Toilette zu machen. Dann strich sie mir über die Wange und schob mir ein Päckchen in die Hand.
„Du möchtest Dich heute abend damit schmücken, läßt er Dir sagen.“
Der „Er“ war Herr Wollmeyer, mir gegenüber nannte sie ihn immer so. Ich öffnete das Päckchen; ein kleines ganz mit winzigen Diamanten besätes goldenes Medaillon in Herzform blitzte mir entgegen.
„Aber weshalb denn, Mama?“ entfuhr es mir.
„Er meint es so gut, er möchte Dir gern eine Freude machen,“ antwortete sie. „Nicht wahr, Du wirst es tragen?“ Ihre Blicke hingen förmlich angstvoll an mir.
„Wenn Du es durchaus wünschest, Mama.“
„Bitte!“ sagte sie leise.
In diesem Augenblick kam die Base herein, noch rot von der Arbeit am Küchenherd. Mama trat rasch zu ihr und hielt ihr die Hand hin. „Base, er hat’s nicht so gemeint,“ flüsterte sie.
Ich sah verwundert von der einen zur andern.
„Freilich, freilich!“ murmelte die alte Frau und drückte Mama die Hand. „Er hat ja auch recht – wenn man alt wird, werden auch unsere Leistungen mangelhafter, und das hat Gott so eingesetzt, daß wir langsam welken und absterben – da kann Wollmeyer nichts daran ändern, geht ihm dereinst ebenso.“
„Nicht so bitter sein, Base.“
„Bin nicht bitter, gar nicht, wenn ich hätt’ bitter werden wollen, so –“
Mama wandte sich langsam zu mir. „Mach’s gut heute abend,“ forderte sie, „und sei freundlich!“ Dann ging sie, müde, um Jahre älter aussehend denn sonst, trotz ihres eleganten, fast zu jugendlichen Anzuges.
„ Was hat’s gegeben, Base?“ fragte ich besorgt, als sich die Thür hinter ihr schloß.
„Weiter gar nichts, wirklich gar nichts,“ sagte sie in ihrer alten freundlichen Art. „’s sind ’mal Tage, wo es bös Wetter giebt. Machen Sie es wieder gut, schauen Sie auf heute abend, wie Sie früher immer aussahen, so als ob die liebe Sonne in das Stübchen guckte, dann wird’s besser!“
Mamas Aussehen hatte mich unglücklicher gemacht, als ich mich seit langer Zeit gefühlt. Sie hatte recht, sie konnte verlangen, daß ich freundlicher war. Ich begann unter dem Einfluß dieses guten Vorsatzes mich hastig anzukleiden und als ich eben fertig war, da rasselte der Wagen über das Pflaster des Hofes und ich ging hinaus – um Mamas willen die Gäste zu begrüßen. Friedrich riß die Thür auf und den Wagenschlag, und ich trat auf die Schwelle.
Eine lispelnde hohe Frauenstimme scholl aus dem Wagen. „Ach, sogar weißgekleidete Jungfrauen zu meinem Empfang? Onkel Wollmeyer, Du hast einzige Einfälle!“
Herr Wollmeyer, der beim Umsehen mich erblickte, lachte, indem er der großen Frauengestalt beim Aussteigen behilflich war. „Ja freilich, ’s ist die Anneliese, unser wildes Trotzköpfchen. Kommen Sie her, Anneliese, so – gebt Euch einen Kuß – so, so!^
In dem weiten seidenen Mantel, der sich jetzt auseinander breitete, versank ich fast, ich fühlte mich plötzlich umarmt und atmete ein süßliches, mit Patschuli vermischtes Parfüm ein, das mich fast betäubte.
„Ach, solch winziges Püppchen,“ sagte dieselbe hohe Stimme, „wie ein Figürchen von Meißener Porzellan, süß, einfach süß!“
„So laß sie doch endlich los, Olga!“ rief eine dritte Person, „willst Du sie erdrücken? Schön guten Abeud, mein gnädiges Fräulein, freut mich, Sie so wohl zu sehen, waren damals auf der Hochzeit etwas – hm –“
Der junge Brankwitz hatte mir beide Hände hergestreckt, und in diesem Augenblick überkam mich wieder die ganze verzweifelte Stimmung des unseligen Hochzeitstages; ich fühlte, wie mir alles Blut zum Herzen drang, fühlte, daß ich aschfahl aussehen mußte, und legte nur flüchtig für eine Sekunde einen einzigen Finger in seine Hand, dann wandte ich mich kurz ab. Zum Glück trat eben die Komtesse in die Thür in ihrem beliebten abendlichen Straßenanzug, mit hoch aufgeschürztem Rock, an den Füßen mächtige Holzpantoffeln wie sie in Westenberg der grundlosen Wege halber den Gummischuhen vorgezogen wurden, einen altmodischen weiten Tuchmantel um, eine Kapuze längst verflossener Mode auf dem Kopfe, eine riesige Laterne in der einen Hand und in der andern einen ebenso riesigen Regenschirm.
Mit einem Jubelschrei flog ich dieser grotesken und doch so lieben Erscheinung entgegen.
„’n Abend!“ rief sie, und ohne sich um die Fremde zu [691] bekümmern deren volles rosig weißes Gesicht verblüfft und erstaunt unter dem Sealsbarett hervorsah, schrie sie: „Die ganzen hochweisen Stadtverordneten können sich meinetwegen begraben lassen, verehrter Herr Wollmeyer! Brennt wohl eine einzige Laterne in der ganzen Stadt? An der Ecke von Schuster Grün ist mir ein Pantoffel stecken geblieben, und wenn ich meine Laterne nicht gehabt hätte, steckte er noch da! Nachgerade sollten Sie doch wissen, daß auf den Mond kein Verlaß ist!“
„Bei der nächsten Wahl werden wir Sie zum Bürgermeister vorschlagen, gnädigste Gräfin – ha, hal“ antwortete lachend der Hausherr. „Aber da wir uns einmal so unvermutet hier treffen – darf ich Ihnen Frau Sellmann, geborene von Brankwitz, vorstellen? Lieber Besuch, hoffentlich recht lange, ja – hm! Herr Otto von Brankwitz!“
„Hatte schon das Vergnügen,“ sagte die Komtesse zu dem Letzteren, während sich ihre ungeheure Kapuze etwas gegen die junge Witwe neigte. „Sehr erfreut, aber wenn wir hier bleiben sollen, mein guter Wollmeyer, dann lassen Sie Stühle bringen, oder erlauben Sie ’mal, daß ich voran marschiere.“
Und sie stelzte mit ihren kurzen Röcken und den riesigen Schuhen ohne Absätze der Treppe zu, nachdem sie die Pantoffeln an der Thür gelassen hatte.
Die Frau Sellmann folgte lächelnd, und ebenso wir. Ich sah es noch, wie ein mannshoher Koffer in die Zimmer an der andern Seite des Flurs, uns gegenüber, geschafft wurde – dort wohnte die Dame.
Oben kam Mama uns im Vorzimmer entgegen. Erneute Begrüßung, ein Umarmen und Küssen seitens der Geborenen von Brankwitz, das endlos dauerte, während die Komtesse sich den Mantel abnehmen ließ und ihr Kleid in Ordnung brachte. „’n Abend, Len’,“ grüßte sie, als Mama endlich frei wurde, „was ist denn los bei Euch? Wird getanzt?“
Mama sah verlegen lächelnd an ihrem weißen Wollkleid herunter.
„Na, entschuldige! Ich habe meinen alten Kittel an. Das Schwarzseidene riskierte ich nicht bei dem Wetter – wenn’s Herz nur gut ist!“
Und sie küßte Mama auf die Stirn und sah mit verwunderter Miene der Frau Sellmann nach, die nur ein wenig Toilette machen wollte.
Mama entschuldigte sich bei der Komtesse, beauftragte mich, dieselbe in ihr Boudoir zu führen, und stieg treppab, um dem fremdem Gaste die Zimmer anzuweisen.
„Na, wie geht’s denn, Kücken?“ fragte die Gräfin mich drinnen – die Herren waren eine Treppe höher gegangen, wo Brankwitz wohnte – „hast wohl keine Langeweile mehr? Alle Tage etwas anderes – mußt wohl ordentlich Haustochter spielen? Aber hör’, die Len’, wie sieht die Len’ aus! Hatte sie geweint?“
„Ich weiß nicht, Tante, ich habe Mama heute sehr wenig gesehen.“
Ich faßte Mama schärfer ins Auge, als sie zurückkam; wirklich, sie hatte rotumränderte matte Augen und drückte des öfteren die Hand gegen die rechte Schläfe. Es mußte etwas vorgefallen sein, das sie mir verschweigen wollten, die Base sowohl wie Mama. Arme Mama!
Der Hausherr, der mich heute mit Vorliebe „Töchterchen“ nannte, führte etwas später die Komtesse am einen und Frau Sellmann am andern Arm ins Speisezimmer; er war ganz ausgesucht guter Stimmung heute abend; Herr von Brankwitz reichte Mama den rechten Arm, ich übersah den anderen und schlenderte hinterdrein mit gesenkten Augen. Bei Tische saß ich natürlich neben ihm.
Er begann eine halblaute Unterhaltung, wobei er die blaßblauen Augen beständig in die meinen zu versenken suchte. Ich antwortete unartig laut und überhaupt sehr kurz; mir kam dieser Jüngling einfach albern vor. Jedenfalls war seine Schwester eine ganz andere Persönlichkeit. Groß, schlank, zungengewandt, von rosiger Gesichtsfarbe und rotblonden Titianhaaren; letztere Eigenschaften jedenfalls samt den kohlschwarzen Augenbrauen auf kosmetischem Wege angezaubert. Sie hatte ihre üppige Gestalt in schwarzen Atlas gepreßt, und für jedermann, der ein bißchen schlecht sah, war sie ohne Zweifel imponiereud schön, aber von einer Schönheit, die für honette Damen etwas Peinliches hat.
Die Komtesse in ihrer schwarzen Wollspitzenhaube, die mit Granatnadeln festgesteckt war, und ihrem einfachen schwarzen Wollkleid wandte kein Auge von der Dame, und ihr Gesicht zeigte den bekannten Ausdruck, in dem Mißtrauen und Hochmut sich mischten; sie konnte sehr fatal aussehen, die alte Dame, und heute abend that sie es in besonderem Grade. Ich hätte etwas darum gegeben, hätte ich in diesem Augenblick ihre Gedanken erraten können.
„So ein kleines Städtchen hat etwas unglaublich Trauliches,“ flötete Frau Sellmann und machte sich eine Auster mundgerecht, „man kommt sich vor, als sei man der Gegenwart entrückt, als lebe man im Mittelalter. Ich denke mir, hier muß die Zeil stille stehen.“
„Keineswegs,“ sagte die Komtesse trocken, „man wird hier so gut älter wie in Berlin, nicht wahr, lieber Wollmeyer?“
„Aber wer wird vom Alter reden in Gegenwart so schöner Damen?“ rief Herr von Brankwitz. „Meine Damen, Ihr Wohl, Ihr ganz spezielles, Fräulein von Sternberg!“
Ich stieß mit ihm an, aber wich seinen Blicken aus.
„Meine Schwester hat recht, wenn sie sagt, hier stehe die Zeit still,“ begann er. „Sie sollten wo anders leben, gnädiges Fräulein, es ist hier nicht der Platz für Sie; Sie müssen gesehen, bewundert werden – hm –“
Er verstummte, ich mochte ihn wohl befremdet angeblickt haben.
„Onkel Wollmeyer, Du mußt mir das liebe Ding einmal nach Berlin schicken,“ sagte Frau Sellmann.
„Anneliese fühlt sich hier, glaube ich, ganz glücklich,“ fuhr die Komtesse dazwischen. „Nicht, meine Tochter?“
„Wenn mit dem ‚lieben Ding‘ ich gemeint bin – ich dachte, es sei von Mamas Pinscher die Rede – so muß ich bemerken, daß ich für mein Teil nicht auf Berlin brenne.“
„Anneliese!“ mahnte Mama.
Herr Otto von Brankwitz lachte.
„Vorläufig bleiben wir alle hier und vergnügen uns, so gut es geht, meine Herrschaften,“ rief mein Stiefvaler. „Ich veranstalte ein Eisfest auf dem Teich –“
„Es gefriert ja gar nicht,“ flötete Frau Sellmann.
„Ein Westenberger Stadtrat kann alles,“ sagte die Komtesse, „kann auch gefrieren lassen.“
„Reizend, Komtesse, bravo!“ lachte der Stadtrat, „dann Schlittenpartien, Mondscheinball, Hausball, Weihnachtsjubel, Wohlthätigkeitsvorstellung und so weiter und so weiter! Trinken wir auf einen fröhlichen Winter!“
„Ich trinke noch auf etwas anderes,“ flüsterte Herr von Brankwitz, mir tief ins Auge sehend, und er rührte an mein Champagnerglas, das ruhig auf dem Tische stand, wo es auch stehen blieb.
Ich hatte die Achseln unmerklich gezuckt und eine hochmütige Miene aufgesetzt.
Nach Tische vergaßen wir, uns gegenseitig eine gesegnete Mahlzeit zu wünschen. Den Kaffee nahm man in dem zu einem türkischen Zelt umgewandelten Raum neben Mamas Boudoir. Frau Sellmann lag auf der Chaiselongue ausgestreckt, eine Cigarette rauchend; die Komtesse, mit einem großen groben Strickzeug, saß auf einem niedrigen Sessel, während die Herren ebenfalls rauchten.
„Anneliese, spiele mir mein Lieblingsstück,“ bat die alte Dame, und ich ging ins Nebenzimmer, um ihr das Ochsenmenuett von Haydn zu Gehör zu bringen, das sie vor ewig langer Zeit einmal mit einem Prinzen vierhändig gespielt hatte, in einer Gesellschaft bei „Papa Excellenz“, und das sie zaubermächtig zurückversetzte in die ferne Jugend.
Plötzlich griff eine breite, aber wohlgepflegte Männerhand über meine Schulter hinweg und schlug das Notenblatt um.
„Danke sehr, aber das thue ich lieber selbst,“ sagte ich laut.
„Warum denn so feindselig, Fräulein Anneliese?“ tönte es flüsternd zurück. „Wenn Sie wüßten, wie ich mich gefreut habe, Sie wiederzusehen, gefreut seit jenem Tage, wo ich die Ehre hatte, Ihr Tischnachbar zu sein! Sie waren entzückend auf dieser Hochzeit, so zigeunerhaft wild und dabei so süß, einfach süß! Ich sagte zu meiner Schwester, als ich nach Berlin zurückkam, ‚Olga,‘ sagte ich, ‚Du glaubst nicht, was in dieser Kleinen – pardon – dieser jungen Dame für Temperament, für Rasse, für –‘“
[692] Bim! Bim! Bim! trommelte ich die drei Schlußaccorde, klappte den Deckel des Flügels zu, stand auf und ging aus der Thür.
Ich hatte völlig vergessen, daß ich mir gelobt, um Mamas willen artig zu sein, aber schließlich, das konnte sie doch nicht verlangen, daß ich solchen Blödsinn mir anhörte! Es war ja nahezu eine Liebeserklärung, wenigstens die beste Einleitung dazu – aber so wenig geschmackvoll wie möglich. Der schönste Platz im ganzen Hause war doch noch immer meine einsame Stube drunten, die verständigste Gesellschaft die meines alten guten Schutzengels, dessen besondere Eigenschaft ich freilich an jenem Abend noch nicht kannte.
„Gottlob!“ sagte ich, als ich vor der alten Frau stand, die beim Scheine der einfachen Petroleumlampe in ihrem Stübchen am Tisch saß und in allerhand Sachen kramte. „Das ist nicht zum Aushalten da droben, Base! Mama sieht aus, als wollte sie jeden Augenblick in Thränen ausbrechen; er ist wie eine Gewitterwolke, und die Frau Sellmann, geborene von Brankwitz, müßte polizeilich verboten werden, ihres Parfüms wegen. Der Herr Bruder hat den ‚Kleinen Kurmacher in der Westentasche‘ oder ‚die Kunst, sich bei den Damen beliebt zu machen‘ auswendig gelernt und will die Wirkung an mir erproben. Die Tante Komtesse endlich sitzt dabei und weiß nicht, was sie zu all dem sagen soll.“
„Sie hätten aushalten müssen, Annelieseken, ’s giebt sonst nur bös Blut. Gehen Sie wieder hinauf, denken Sie an das, was sie der Mama versprochen haben!“
Aber eigensinnig blieb ich, holte mir einen Stuhl, setzte mich neben die alte Frau und beschwor dadurch ein Unwetter herauf, das zwar schon lange grollend am Himmel gestanden, sich aber nun urplötzlich und vernichtend über mein bißchen Frieden und Glück ergoß.
Die Base batte nämlich in ihrer Kommode gekramt, und auf dem Tische lagen Bücher und zusammengebundene Briefpäckchen. Ein altes blauweißes Schülermützchen, arg von Wind und Wetter mitgenommen, hatte sie über ihre linke Hand gezogen und strich mit der Rechten wie liebkosend darüber hin, just in dem Augenblick, als die Thür der Vorderstube krachend zugeschmettert wurde und der Hausherr eiligen harten Schrittes in unsere Idylle polterte. Er mochte gerade noch gehört haben, daß ich mich erkundigte, ob diese Mütze einst Robert Nordmann gehört habe.
Die Base saß stumm, erschreckt da.
„Also hier?“ fragte er. „Ich muß bitten, daß Sie sich wieder hinaufbemühen zur Gesellschaft. Sie sind kein Kind mehr, Sie sind die erwachsene Tochter meines Hauses, und ich kann verlangen, daß man gegen dieses Haus Rücksichten nimmt. Ich muß mich wundern, Anneliese, daß Sie den alten Weiberklatsch hier einer gebildeten Unterhaltung vorziehen! Dem Unwesen des allzuvertraulichen Verkehrs mit der Base werde ich überhaupt ein Ende machen. Sie hetzt Frau und Kind gegen mich auf, wie sie ehedem meine verstorbene Frau und den Neffen gegen mich aufgewiegelt hat. Das muß aufhören! Du packdt morgen Deine Siebensachen,“ wandte er sich an die alte Frau, die aufgesprungen war und in stummem Entsetzen die Hände ineinander schlang. „Kannst nach Langenwalde gehen und auf der Mühle wohnen, wie’s schon lange geplant ist für Deine alten Tage. Hier sollst Du jedenfalls nicht mehr Unheil anstiften!“
Damit verschnaufte er sich, putzte den Kneifer und sah uns beide eine Weile niederschmetternd an; dann wandte er sich, um zu gehen.
„Wollmeyer, was kommt Ihnen denn an?“ fragte mit zitternder Stimme die alte Base. „Wann habe ich jemals gegen Sie geredet? Ich habe geschwiegen, immer geschwiegen, das wissen Sie besser als jeder andere.“
„Ich brauche Dein Schweigen nicht!“ herrschte er, wieder zurückkommend, „verstehst Du?“
„Nun also,“ unterbrach ihn die Base, „wie kann ich denn da hetzen? Meintag hat man mir das nicht zur Last gelegt. Aber ich kann gehen, morgen kann ich gehen, will ich gehen. Sie haben ganz recht, Wollmeyer, ’s ist besser.“ Sie wischte sich mit dem Rücken der Hand über die Stirn und begann mit zitterudeu Fingern ihre paar armseligen Erinnerungen zusammenzupacken.
„Sagen Sie ’mal, Anneliese, hab’ ich Sie je aufgehetzt?“ fragte sie, in der Meinung, daß er das Zimmer verlassen habe.
„Wahrhaftig nicht!“ stieß ich hervor, kaum noch fähig, mich zu beherrschen. „Ich lasse mich überhaupt von niemand aufhetzen, ich thue, was ich für richtig halte.“ Und ich ballte die Hände und sah dem Mann mit funkelndem Haß in die Augen, der, im Gefühl seiner Ueberlegenheit die Achseln zuckend, zu mir herüberblickte.
„In fünf Minuten erwarte ich Sie oben; Brankwitz will vierhändig mit Ihnen spielen.“
Ich antwortete nicht.
Da rief die Base den Mann abermals von der Thür zurück.
„Wegen dem Brankwitz sind Sie böse, Wollmeyer? Ja, lieber Gott. und wenn ich jetzt vor den Geschworenen stände dort im Gerichtssaal, ich könnte doch nur wiederholen, was ich heute morgen zur Mutter von Anneliese gesagt, daß er nichts weiter ist als unserem Herrgott sein Tagedieb; daß er ebenso fleißig dabei ist, sein Geld zu verjubeln, wie sein Vater dabei war, es zusammenzuscharren, und daß seine Schwester kein Umgang ist für die gnädige Frau, von Anneliese ganz zu schweigen. Das sag’ ich nun noch einmal vor Anneliese, weil ich ja doch fort muß und weil ich gern möcht’, daß sie weiß, wie ich über den Besuch droben denke. Nun, und morgen werde ich zur rechten Zeit reisen, Wollmeyer, verlassen Sie sich darauf!“
Und sie ergriff meinen Arm. „Gehen Sie hübsch hinauf, Anneliese, Mama wartet. Brauchen keine Angst zu haben, gehen Sie – ich hab’ noch ein Wort mit ihm zu sprechen.“ Sie schob mich an dem Mann meiner Mutter vorüber, schloß die Thür hinter mir und blieb mit ihm allein.
Zitternd vor Aufregung lehnte ich mich an einen der Schränke, die im Nebenzimmer standen. Drinnen mußte ja gleich ein furchtbares Wetter ausbrechen! Mit Todesangst wartete ich, um der alten Frau zu Hilfe zu kommen, doch es blieb alles still, die Base sprach nur im gewöhnlichen Tonfall und gar nicht viel. Da raffte ich mich auf und ging nach oben. Dort saß ich neben Brankwitz und spielte rein mechanisch mit ihm, während verwirred, beängstigend die Ahnung einer rätselhaften dunklen Zukunft auf mich eindrang. Was mochte das alles bedeuten? Was sollte dieses geflissentliche Wiederholen des ungünstigen Urteils der Base über den Brankwitz vor meinen Ohren? Was hatte es heute früh gegeben zwischen Herrn Wollmeyer, der Base und meiner Mutter?
Wollmeyer kam herauf, klopfte mir auf die Schulter, sprach von mir als einer „kleinen Ausreißerin“, empfahl mir Frau Sellmann zum Vorbild, legte dieser die Zähmung des in Freiheit dressierten Töchterleins ans Herz und händigte der entzückten Komtesse ein gewichtiges Päckchen ein für ihre Weihnachtsbescherung. Wenn ein Fremder in dies behagliche Zimmer hätte schauen können, in dem elegante Frauen und Männer bei Mokka und türkischen Cigaretten plaudernd beisammen saßen und zarte bläuliche Wölkchen unter den roten Falten der zeltartigen Decke sich kräuselten, wer Mama gesehen hätte in dem Sessel, zu dessen Füßen ich mich auf ein Bänkchen niedergelassen hatte, wer die Worte des Hausherrn gehört hätte, der sie „liebste Helene“ und „Schätzchen“ anredete, der hätte gedacht: wie beneidenswert, wie glücklich sind alle diese Menschen!
Als ich abends hinunterkam, fand ich die Base zwischen Kisten und Schachteln eifrig ihre Sachen einpackend; das alte runzelvolle Gesicht sah eigentümlich verfallen aus. „Gute liebe Base!“ sagte ich mit feuchten Augen.
„Ich war fünfundzwanzig Jahre bei ihm in Leid und Freud’,“ antwortete sie, „und Leid ist’s zumeist gewesen. ’s kommt mir hart an. Aber er hat recht, freilich hat er recht.“
„Base, was soll ich anfangen ohne Sie?“ stotterte ich, denn ich schluckte an den aufsteigenden Thränen.
„Annelieseken, das müssen Sie nicht fragen,“ lehnte sie bescheiden und gerührt ab. „Sie haben die Mama, und Sie sind eine feine Dame, und ich bin so eine alte einfältige Person. Aber ’s freut mich doch, und ich habe Ihnen lieb, Annelieseken, sehr lieb, und wenn Sie ’mal auf der Gotteswelt nicht wissen wohin, dann kommen Sie zu mich; ’s ist gar nicht so weit. Und wenn Sie’s nicht übel nehmen wollen, hätt’ ich die Bitte, leben Sie ihm mehr zu Gefallen wie bisher, wegen der Mama; ’s ist ja ’mal nicht anders. Bloß wenn er – bloß mit dem Brankwitz, da bleiben
[693][694] Sie man so bei, ’s würd’ ein Jammer und ein Elend! Nee, das dürfen Sie nicht thun!“
„Was geht mich denn der an!“ erwiderte ich.
„Nichts, gar nichts, gottlob und Dank! Bleiben Sie man so bei, Anneliese! Gelt, an Hannchens Grab gehen Sie auch ’mal, bringen ihr ’mal ein Kränzchen hin von dem Epheu draußen im Garten an der Mauer – sie hat ihn immer so gern gesehen. Na, und nun schlafen Sie, Anneliese; ich bin auch gleich so weit. Hab’ gar nicht gedacht, daß ich soviel Plunder aufgesammelt hätt’, hab’ doch immer nur das Nötigste angeschafft. Und schreiben thun Sie ’mal, nicht wahr? Ich antwort’ auch, aber schön schreiben, das hab’ ich nicht gelernt. Der Robert, der konnt’ schreiben wie gestochen, Anneliese. Ach, ich hab’ bloß noch zwei Wünsche auf dieser Welt, der eine, daß er möcht’ wiederkommen, so recht groß und stattlich und mit Ehren, und dann –“ Sie sah mich an und nickte ernsthaft. „Ja, ja, man kann’s nicht lassen, sich etwas Schönes auszudenken, und ’s wird doch niemals nicht wahr. Und ’s ist auch recht so, Gott weiß allein, was das Beste ist. Aber beten will ich drum jeden Abend, Anneliese.“
„Was ist’s denn, Base?“
„Ei, ich sag’s nicht, es wird ja doch nichts draus werden.“
Als ich in meinem Bette lag, kam sie noch einmal zu mir herüber und steckte mir etwas in die Hand. „Damit Sie mich nicht ganz vergessen, Anneliese!“
Ich fühlte, es war eine kleine gehenkelte Münze. „Gute Base, ich danke Ihnen vielmal. Ich vergesse Sie nicht, auch ohne dies nicht!“
Und endlich erlosch auch ihr Licht, aber wir fanden beide keinen Schlaf.
Auf einmal fuhr ich erschreckt empor. Droben, über mir in Mamas Zimmer, war etwas umgefallen; ein lauter, lang nachschütternder Krach rollte über die getäfelte Decke, und dann eine Stimme, eine scheltende polternde Männerstimme, die sich bis zum Wutschrei steigerte.
„Base! Base!“ jammerte ich. „Ach, meine Mama!“
Keine Antwort.
Droben war es ein paar Minuten still, dann abermals sein scheltendes drohendes Sprechen. Ich warf ein Kleid über und wollte hinauf in alles vergessender Angst; da was mich ein Lichtschein und die Base hielt mich zurück.
„Bleiben Sie hier, um Gotteswillen bleiben Sie, ich gehe schon hinauf.“ Und sie ging und im Schein des Lichtes sah ihr altes starres Gesicht schier unheimlich entschlossen aus. So verschwand sie hinter der Thür. Ich zählte die Sekunden, mein Herz pochte wie rasend. Er, er schalt meine Mutter, die nie ein rauhes Wort gehört! Seine Freundlichkeit, seine Anbetung war wie eine Maske plötzlich heruntergefallen, der wahre Charakter schaute hervor mit dem brutalen Gesicht, so wie ich stets gefürchtet, ihn zu sehen. O, lieber Gott, laß es nur einen Irrtum sein – alles, alles, nur das nicht!
Und nun wurde es still, ganz still. Hatte das die Base vermocht? Welch geheimnisvolle Macht besaß diese Frau über den Mann? Welche Furcht mochte sie ihm einflößen, daß er sich ihrer entledigen wollte? Ich schlich mich zitternd zurück in mein Bett und lauschte mit erhobenem Kopf, als könnte ich die Dunkelheit durchdringen. Wie lange die Base blieb! Und rings um mich tiefes Schweigen der Nacht, der Einsamkeit.
Morgen würde ich die alte Frau nicht mehr sehen, würde ich ganz allein und wehrlos sein, auch Mama. Diese scheue Frau, die ich heute verweint und angstvoll erblickt hatte wie nie im Leben, die kaum den Mut fand zu einer entschlossenen Antwort.
Da kam sie zurück, die Base, wunderlich anzuschauen in ihrer Nachthaube und dem Tuchmantel, den sie sich eilig umgehängt hatte. „Schlafen Sie doch, Anneliese,“ flüsterte sie, „’s war ja gar nichts, gar nichts.“
„O, Base, Base! Er hat gegen Mama getobt!“ rief ich jammernd.
„I, Gott bewahre, Kind, Gott bewahre! Es war der Friedrich, mit dem er gescholten hat, meiner Seel’, der Friedrich! Schlafen Sie nur, Mama schläft auch – und wachen Sie morgen fröhlich auf!“
Sie wagte zum ersten Male eine scheue Liebkosung, und da schlang ich aufschluchzend die Arme um ihren Hals. „Gehen Sie nicht, gehen Sie nicht fort!“
„Ei, darum dürfen Sie nicht weinen, Anneliese,“ sagte sie, schier aus der Fassung gebracht durch meinen Schmerz. „Schlafen Sie!“
Und rasch verließ sie mich, um nicht weich zu werden, und ich weinte mich in den Schlaf. Mir ahnte nicht, daß beim Erwachen mein Schutzengel schon weit weg sein würde, den Thüringer Bergen entgegen fahrend. In aller Morgenfrühe war die alte Frau gegangen, und Lebewohl hatte sie keinem gesagt.
„Na, nun wird Frieden werden,“ sagte mein Stiefvater behaglich beim ersten Frühstück, als er diese Nachricht empfing. „Lieber Otto, es giebt ein Sprichwort: ‚Wem der Teufel etwas anthun will, dem giebt er eine schöne Tochter,‘ aber das ist Unsinn, gelt, Anneliese? Ich sage, dem giebt er ein klatschmäuliges Weib ins Haus. Drei Kreuze vor der Alten, und auf Nimmerwiedersehen!“
Ich präsidierte auf Wunsch Mamas diesem Frühstück. Die Damen waren noch nicht erschienen, Mama lag Kopfschmerzen halber zu Bette, und Frau Sellmann hatte ihren Thee hinunter befohlen, weil sie gewohnt war, ihn im Bett zu trinken. Ich war unsant aus meinem kurzen Schlaf geklopft worden. Die Base sei fort, die gnädige Frau krank, ich möge mich ein wenig um den Frühstückstisch bekümmern.
Ich kann nicht sagen, wie öde, wie verlassen ich mich fühlte an diesem Morgen, wo mein alter Schutzengel nicht vor dem Ofen hockte, um für ihr „Annelieseken“ das Feuer anzuzünden, bei dessen Prasseln und Flackern es sich so schön im weichen Bette lag und träumen und denken ließ. Der Flammenschein huschte dann über Papas Bild und ließ das geliebte Gesicht wie lebend erscheinen; vor den Fenstern tanzten die Flocken, und ganze Scharen hungriger Spatzen, Meisen und sonstiger kleiner Vögel saßen auf dem verschneiten Blumenbrett und warteten auf das Futter, das ich ihnen hinzustreuen pflegte – aber erst, wenn die Base mich gefüttert hatte, als wäre ich ebenfalls so ein hungriger Piepmatz. Sie hatte immer allerhand Gutes für mich, frische Eier, ein Stückchen Pastete, delikate Mettwurst oder eine andere Herrlichkeit, die sie für mich aufsparte. Und der Frühstückstisch war immer so appetitlich hergerichtet, und die alte Frau sah so beglückt zu, wenn mir’s schmeckte. Sie hatte mich gesund gepflegt und nun war ich ganz verwaist. Niemand hatte daran gedacht, in meinem Zimmer zu heizen, niemand hatte mir den Thee gebracht und die gewärmten Pantöffelchen; gewiß, es ging auch so, aber es fror mich und es hungerte mich, nicht körperlich, sondern seelisch.
„Darf ich jetzt zu Mama gehen?“ fragte ich meinen Stiefvater, denn ich hatte es satt, die Blicke des Herrn Brankwitz zu ertragen, die er mir unausgesetzt zuwandte.
Wollmeyer, der eben die Zeitung las und unter dem riesigen Blatt unglaubliche Phrasen über Politik vernehmen ließ, in denen Bismarck, Windthorst, nationaler Gedanke und Sozialismus die Schlagwörter waren, ließ den Bogen einen Augenblick sinken und erklärte:
„Meinetwegen, und ich lasse bitten, daß Mama mir das Menü für heute durch Sie schickt.“
Das Menü – Speisezettel zu sagen, wäre nicht schick gewesen in seinen Augen – bildete einen Hauptgegenstand seiner Gedanken, seiner Gespräche und Thaten. Bisher hatte die Base es zusammengestellt und der Mama einfach vorgelegt, und mein gutes Mütterchen hatte immer Ja gesagt, denn die Base kannte die feine Zunge des Herrn Wollmeyer aufs genaueste. Sie hatte mir einmal die Entwicklung seines Geschmacks erzählt. „Zuerst war er froh, wenn wir Sonntags Thüringer Kartoffelklöße und Schweinebraten hatten, dann kam alle Tage Braten, Gänse- oder Tauben- oder Rinderbraten mit Salat, aber als wir fein wurden, da hatte er es plötzlich mit die Frikassees und Pasteten und mit die Austernsaucen. Na, das hab’ ich denn auch gelernt, weil ich mich so’n gewisses Kochtalent nicht absprechen kann, Anneliese.“
So hatte die Base in ihrem wunderlichen Deutsch gesprochen.
Ich fand Mama im dunklen Zimmer, das nach Baldriantropfen roch, stöhnend vor Kopfschmerz. Die Köchin, die neue, die in aller Eile angestellt worden war, stand mit einer Schiefertafel vor ihr. Es schien eine unangenehme schnippische Person zu sein, und Mama war krank und gar nicht gewöhnt, Menüs [695] zusammenzustellen. Ihr Lebtag hatte sie es nicht gebraucht, denn in unsern äußerst einfachen Verhältnissen war es selbst bei einem sogenannten Souper nicht über Karpfen und Hasen- oder Hühnerbraten hinausgegangen.
„Wünschen gnädige Frau vielleicht zuerst Hummersuppe? Hinterher Filet à la jadinière oder Schneehühner mit Sauerkraut in Champagner?“
„Ja, ja!“ stöhnte Mama.
„Aber dann, gnädige Frau?“
„Ach, ich weiß thatsächlich nicht!“ klagte sie.
„Muß es denn noch etwas sein?“ fragte ich. „Kochen Sie doch, was Sie wollen! Mama ist krank, sprechen Sie mit dem Herrn, gehen Sie, bitte, gehen Sie!“
„Vielleicht eine Fischmayonnaise vor dem Braten?“ fragte sie von der Thür her. „Gotte doch, mit wem soll ich denn reden?“
„Mit dem Herrn! Gehen Sie!“ rief ich empört, und sie ging endlich.
„O diese Qual, diese Qual!“ stöhnte Mama. Sie nahm das Tuch von ihrem heißen Gesicht und sah mich an mit roten dick verschwollenen Augen.
„Anneliese, liebe Anneliese, es thut mir weh für Dich – die Base, daß sie hat fort müssen!“
„Meine Herzensmutter, gräme Dich nicht. es geht auch so, es muß gehen ich habe ja Dich!“
„O, und das gesellige Leben wird Dich ein wenig abziehen, nicht wahr, Liebling? Du hast so eine trübe graue Jugend gehabt bis jetzt.“
„Ich?“ .fragte ich verwundert. Mir kam es vor, als sei sie jetzt erst grau geworden als sei sie früher eitel Gold und Himmelblau gewesen.
„Sei ein bißchen lustig, Anneliese, ein bißchen liebenswürdig gegen unsern Besuch! Ja? Du bist oft so spöttisch, es verletzt – nicht mich, ich kenne Dich ja, aber – Du weißt, was ich meine!“
„Sei gut, mein Mütterchen, ich will es versuchen, Deinetwegen! Ich ziehe meinen Mund ganz spitz wie unsere Schneiderin, weißt Du, und lerne flöten wie die dicke Frau Sellmann – bist Du zufrieden?“
Mama streichelte mich und murmelte etwas.
„Hast Du übrigens den Skandal mit Friedrich diese Nacht gehört, Mama?“ fragte ich, sie scharf ansehend.
„Hast Du etwas gehört?“ fuhr sie empor.
„Ja, etwas davon, aber ich war sehr müde.“
„Der Friedrich, er stieß im Dunkeln an einen Schrank – ja, ja,“ sagte sie, aber so stockend, daß ich genug wußte. Lieber Himmel, dachte ich, soweit war es schon!
Und in diesem Augenblick ward die Thür aufgerissen und die Stimme des Hausherrn, diese verhaßte Stimme, rief: „Bekümmert sich denn niemand um Olga Sellmann? Sie geht aus einem Zimmer ins andere. Anneliese, halten Sie sich für eine Ausfahrt bereit, ich habe leider keine Zeit, muß aufs Rathaus. Da ist eine Einladung zu Postdirektors gekommen für übermorgen – das Hochzeitsgeschenk für Lore Tollen muß weggegetragen, die Visitenkarte dazu geschrieben werden – ist es denn ganz unmöglich, Helene, daß Du aufstehst?“
Sie wolle es nachher versuchen und zu Tische werde sie jedenfalls kommen, erklärte sie, bei jeder neuen Silbe zusammenzuckend.
Ich ging auf einen Druck ihrer Hand, um mich für die Ausfahrt anzuziehen. Der „Selbstkutschierer“ mit dem übertrieben hohen Bock war herausgeschoben und der neue Traber wurde davorgespannt. Ich zerbrach mir den Kopf, wie das werden sollte, ob ich hinten auf dem Dienersitz Platz nehmen müsse oder Frau Sellmann? Denn daß Herr von Brankwitz fahren würde, unterlag doch keinem Zweifel.
Ich ging dann im Jackett und Pelzmützchen die Treppe wieder hinauf, um Frau Sellmann abzuholen – in dem alten lieben Pelzmützchen, zu dem ein von Papa selbst erlegter Marder sein Fell gegeben hatte und das am Rande schon ein wenig kahl geworden war, aber nur ganz wenig, und das ich so sehr liebte. Ich fand Frau Sellmann im Morgenrock – hochroter Plüsch – einen echten Fes auf dem Titianhaar, im türkischen Zelt eine Cigarette rauchend.
„Guten Morgen, liebe Kleine!“ rief sie mir entgegen. „Himmel, Herrgott, bin ich müde! Dieses Westenberg hat etwas furchtbar Einschläferndes, Chloral ist nichts dagegen!“
„Wollten Sie denn nicht mit ausfahren?“ fragte ich verwundert.
„Ja – vorhin, das heißt, ich sagte Ja, um den guten Wollmeyer loszuwerden mit seinen ewigen Anpreisungen der Westenberger Reize. Nein, ich danke Ihnen – ich fühle mich hier sehr behaglich!“
„Dann bleiben wir also hier?“ sagte ich.
„Sie? O nein, Otto würde ja einfach rasend! Nein, Sie müssen mit, hören Sie, Sie müssen, wenn Sie mich nicht moralisch zwingen wollen, mich über Hals und Kopf in Toilette zu stürzen und mir auf dem offenen Wagen einen großartigen Schnupfen zu holen.“
„Bitte sehr – selbstverständlich zwingt Sie niemand, sich einer Gefahr auszusetzen.“
Ich ging. Mamas wegen wagte ich nicht, zurückzubleiben.
Wollmeyer und Brankwitz standen vor dem Wagen und betrachteten das fesche Gespann, das Brankwitz von einem bekannten Sportsmann für Wollmeyer gekauft hatte. Ich stieg hinauf, unterstützt von meinem Stiefvater, von der andern Seite schwang sich Herr vom Brankwitz hinauf, er ergriff die Zügel und der schöne Rappe zog an.
„So warten Sie doch,“ rief ich, „Friedrich ist noch nicht oben!“
„Liegt Ihnen soviel an Friedrich?“ fragte er, ohne anzuhalten, „was soll denn der gute Mann? Wir fahren ja nicht in den Tiergarten von Berlin spazieren oder“ – er sah mich durch sein Monocle an – „fürchten Sie sich vor mir, gnädiges Fräulein?“
„Durchaus nicht.“
„Das freut mich.“
„O, keine Ursache dazu! Wenn ich mich vor einem Mann fürchtete, so wär’ es wenigstens –“ Ich brach ab, ich hatte sagen wollen: so wär’ es wenigstens für mich nicht so völlig gleichgültig, ob er neben mir sitzt oder nicht. – –
Wir jagten durch die Straßen der Stadt, daß die Kinder schreiend auseinanderstoben und die Leute die Fenster aufrissen, um uns nachzuschauen. Herr Otto von Brankwitz wollte sich mir gegenüber ganz entschieden als „schneidiger Sportsmann“ zeigen. Im Hui ging’s um die Straßenecken und mit ohrenbetäubendem Gerassel unter dem uralten Backsteinthor hindurch auf die Landstraße hinaus. Das Tier griff mächtig aus; einmal hätten wir beinahe einen Bauern überfahren, der neben seinem Torfwagen schritt, die Pfeife im Munde, schier schlafend, und die gröbsten märkischen Scheltworte flogen hinter uns her.
Aber in der nämlichen Gangart ging es weiter, bis dahin, wo die Landstraße in den Kiefernwald einbiegt, den Kiefernwald, den ich bisher so geliebt hatte und der mir heute zu einer Stätte unliebsamer Erinnerungen werden sollte. Herr von Brankwitz, der in seinem eleganten Pelz auf dem für ihn viel zu hohen Fahrsitz thronte – es sah geradezu beängstigend aus – ließ jetzt das Pferd in Schritt gehen und bemerkte, als Einleitung zu einer Unterhaltung: „’s ist eine gottverlassene Gegend, diese Westenberger.“
Und ich hatte gerade das Gegenteil gedacht; mir war das Herz aufgegangen, als ich die Kiefern sah, über die leichter flimmernder Schnee ausgestreut war. Dort am Saume des Grabens, der den Weg rechter Hand begrenzte, reckte eine riesenhafte uralte Eiche ihre hundert knorrigen Aeste blätterlos zum grauen Himmel empor, der niedrig und Schnee verkündend über der Landschaft hing. Ein Schwarm Krähen flog mit mißtönigem Geschrei empor, und in der leichten Schneedecke unter den Bäumen waren viele hundert kleine Fußspuren eingeprägt, als hätten die Hasen am frühen Morgen schon eine Versammlung abgehalten. Und über all dem der Kiefernduft, jener Duft, den ich niemals wieder so harzkräftig geatmet habe wie in Westenbergs „gottverlassener Gegend“.
Ich ließ ihn reden, es war ja so gleichgültig, lehnte mich zurück und atmete mit vollen Zügen.
Alle Rechte vorbehalten.
Die Obstkammer Berlins.
Es ist noch früh. Die Herbstsonne kämpft tapfer mit den braunen Schwaden, die aus der Stadt aufzusteigen scheinen und sie immer wieder zu verhüllen drohen; tapfer verteidigt sie die an den Kirchturmspitzen schon eroberten festen Positionen und endlich gelingt es ihr, all das Gewölk zu durchbrechen und eine flackernde Lichtflut über das schlummernde Berlin im Grunde auszugießen. An den Ufern der Spree wird es lebendig, Rauchwölkchen steigen aus den kleinen Ofenessen der plumpen Holzkähne auf, Möwen, die schon ins Winterquartier kamen, flattern eifrig umher und äugen, als erwarteten sie liebe Gäste. Und siehe – weit hinten in der Ferne, wo Dämmerung und Sonnenglanz, braungoldne Schatten und Himmelsblau ineinander tauchen, mischt sich ein neuer Farbenton in das Herbstgemälde, schwärzlicher Qualm, wie von einem Schornstein.... Man weiß schon, das sind die Werderaner, die Frühaufsteher, die auf überreich beladenen Schuten, auf großen Raddampfern, den Obstfreunden der Hauptstadt Tag um Tag die wohlschmeckenden Gaben dieses lachenden Herbstes bringen. Nicht eben lange, und die immer wieder gern gesehenen Fahrzeuge schwimmen heran. Wer gerade die Uferstraße passiert, bleibt stehen und betrachtet sie mit sonnigem Wohlbehagen. Denn von den unzähligen, das ganze Verdeck füllenden Bütten voll prächtig rotbäckiger Aepfel strömt ein Duft aus, der den geborenen Berliner immer wieder berauscht, der eine Reihe lieber, köstlicher Erinnerungen auslöst und ihn zwingt, zu schauen und zu träumen. Wessen Familie in der Hauptstadt erbeingesessen ist, wer nicht zu jenen „Zugezogenen“ gehört, die nur dem Namen, nicht der Sinnesart nach Berliner sind, der liebt die spießbürgerlich gemütliche Poesie, die halb hausbackene und halb himmlische Poesie, welche so ein „Aeppelkahn“ ausstrahlt, den nimmt sie stets von neuem gefangen. Ach, die Tage, wo man mit „Muttern“ auf den Obstmarkt gehen, lüstern zwischen all den gesteckt vollen „Tienen“ herumlaufen durfte und überall da, wo Mutter etwas kaufte, keck in die Fülle der Früchte hineingriff, um zu „kosten“! Ach, die Tage, die lieben Tage, wo man auf dem Wege zur „Klippschule“ bei den „Werderschen“ vorüberkam und alle Sorgen, die Angst um den fehlenden Aufsatz, um die ungelernten Bibelsprüche über ihrem hinreißenden Anblick vergaß! Wo man Herkulesthaten verrichtete, um einen Dreier als Lohn zu erlangen und sofort in „Aeppeln“ oder „Flaumen“ anlegen zu können! Herbstlich sonnige Tage, weiße Fäden in der Luft – wie erinnert ihr hold an die Jugendzeit, da das Laub auf den Bäumen noch nicht bunt und das Haar auf dem Kopfe noch nicht weiß war … Reifer Apfel unten im Kahn, wir haben dich schon im Lenze bewundert, als du noch Blüte warst, und es ist schwer, zu sagen, wann du uns besser gefielst, damals oder heute ....
Die schönen Tage der Baumblüte – wie schön dünken sie uns erst im Herbst, wenn ihre Früchte so lockend und freundlich herauflachen!
Wißt ihr denn, was der Frühling ist für die sandige Mark Brandenburg, der Maienfrühling, die Auferstehungszeit? Was die Mitternachtssonne, nein, was das Nordlicht ist für die Polarlande, was eine plötzliche Sturmflut großer und schöner Gedanken für den lange fruchtlos brütenden Geist, was eine Flasche Sekt für den armen Poeten, was Schimmer der Ballnachtskerzen und ein knisterndes weißes Atlaskleid für die sechzehnjährige Mädchenknospe! Meiner Heimat mildes Antlitz strahlt wie ein beglücktes Menschengesicht, glänzt wie von neuem Leben und lacht im Frühling, während es in den anderen Jahreszeiten ernst und schweigsam bleibt. Der Frühling ist nirgends schöner, kann nirgends schöner sein als in der Mark, denn nirgends bleibt ihm mehr zu thun als hier. Nirgendwo tritt der Gegensatz zwischen Winter und Lenz so überraschend hervor wie im seenreichen Flachlande. Indes die Landschaft lohnt auch dem Lenze seine Liebe, und wenn bevorzugtere Gegenden ihren vollen Reiz erst im Juni oder Juli oder gar im Herbst entfalten, so bedeuten für uns Märker die Tage der ersten Blüte auch die der höchsten Blüte des Jahres.
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Des märkischen Frühlings Lieblingskind aber ist die Havellandschaft um Werder.
Ein so mitleidig ironisches Lächeln man auch immer als Antwort bereit hat, wenn die Rede auf Brandenburgs Naturschönheiten kommt, und so gern die, denen ihr schlichter Zauber unbekannt ist, die Redensart von „des Deutschen Reiches Streusandbüchse“ anwenden – „Potsdam und Umgebung“ läßt selbst Baedeker gelten, und er greift tüchtig in seinen Vorrat an Sternen, um sie nach Gebühr zu feiern. Sogar der Berliner, der bei allem Lokalpatriotismus seine engere Heimat gemeinhin wenig kennt und den wider sie genährten Vorurteilen kurioserweise am bereitwilligsten anhängt, läßt es sich nicht nehmen, Logierbesuche aus der Provinz und dem Reiche nach Potsdam zu führen. Von der stillen Nachbarresidenz, die breite Havelarme zärtlich umwinden, geht dann die Fahrt weiter nach Werder, dem Inselort, der mitten auf dem breiten, im Mittagssonnenglanz blau und silbern flackernden Havelbecken wie ein riesiges Nymphäenblatt ruht. Man pflegt in Baumgartenbrück, dem ehemals durch seine „Referendarpresse“ hochberühmten, reizenden Flecken, zu rasten und dann den Weg bis zum Ziele zu Fuß zurückzulegen. Machtvoll nimmt das zauberhafte Landschaftsbild die Phantasie jedes Naturfreundes gefangen, der hier zur Zeit der Baumblüte entlang gezogen kommt. Daß ich doch hinzustellen vermöchte vor eure Augen in greifbarer Klarheit diese funkelnden Wasserflächen, diese duftumwobene Ferne, diese weißschimmernden Blütenhaine, diese ragenden Wälder und lieblichen Hügel, von denen sich immer neue Fernblicke eröffnen! Wer einmal hinabgeschaut hat in das Gefild, auf das in Blütenschnee gehüllte Werder, das wie ein großer, weißer Blumenstrauß in amethystener Schüssel ruht, wessen Blick dann weiter schweift über die Wassermassen der Havel, die im Halbkreise das Land umwindet, über schwarzgrüne Wälder nach Potsdams emporsteigenden Türmen und über die unruhvollen Wellen des stolzen Schwilowsees – der spottet nicht mehr über die Mark, dem erstirbt später, wenn er einmal ihre sandverwehten Heiden, ihre Brüche durchstreift, das herbe Verdammungswort auf der Zunge. Der Anblick, den Werder zur Zeit der Baumblüte gewährt, steht nicht hinter dem der vielbesungenen Darmstädter Bergstraße zurück.
Ist der Frühlingssonntag gekommen, an dem sich all die weiße Pracht von Werder entfaltet, jeder Obstbaum sich unzählige Blüten ins grüne Gelock geflochten hat, dann strebt halb Berlin der kirschengesegneten Havelinsel zu. Man erreicht sie mit Dampfern und mit den „Extrazügen“ der Eisenbahn; tüchtige Fußgänger wandern auch den größeren Teil des Weges, der immer am Fluß entlang, durch hübsche, auch in Obstbaumwäldern eingebettete Schifferdörfer führt. Dann entwickelt sich hier ein echtes, rechtes Volksfest, eine lärmende Fröhlichkeit sondergleichen, und je näher man Werder kommt, desto lebhafter geht es zu. Nicht lange, und die Obstpflanzungen treten dicht an die Landstraße heran. Wir schlendern an ihnen, die aus weißem Sande, dem unverfälschten „Brandenburger Schnee“, aufsteigen, tief aufatmend vorbei. Unter Kirschen- und Pflaumenblüten, zwischen die sich der Pfirsichblüte feines Rot drängt, verschwinden nun Blätter und Stämme vollkommen; kaum hier und da wagt sich ein wenig Grün hervor, das dann wie etwas Ungewohntes, Seltsames anmutet, oder eine sonnenvergoldete, phantastisch verkrüppelte Baumform.
Nun, wo der Weg auf die Höhe des sandigen Galgenberges führt, weht der Wind Wellen würzigen Duftes herüber, um den Ceylon unsern Norden beneiden könnte; nun sehen wir unter uns leise wogende, schier unendliche Blütenmassen, die wie köstlicher Schnee die Dächer der Häuser, ja selbst die Havelfluten zu bedecken scheinen. Wer uns entgegenkommt, trägt einen dichtbeblühten Kirschbaumzweig in der Hand – so überreift mit dem Frühlingssegen ist der Galgenberg, daß selbst die sparsamen Werderaner ihren Gästen freie Hand lassen. Unter den breit ausladenden Wipfeln wandeln, wie trunken von Luft und Sonne und Freude, jubelnde singende Menschenkinder, und all die leuchtenden Augen rings sprechen noch deutlicher, als Worte es vermöchten.
Wo sich zwischen zweien der größten Gärten des Galgenberges ein schmaler Rain hindurchwindet, ragt eine junge Kiefer in die blaue Luft und unterbricht in eigen reizvoller Weise mit buschigem Grün die silbern leuchtende Herrlichkeit ringsum. Sie ist eben dabei, ihr Winterkleid abzustreifen und neue Nadeln zu treiben, und man sieht’s ihr an, wie arm sie sich in dieser gesegneten, farbenfunkelnden Flur vorkommt und wie sie mit allen Fibern, dankbar und bescheiden, an der wonnereichen Lenzfeier teilnimmt.
Auf dem „Wachtelwinkel“, von dessen Höhe man wie vom Galgenberge das ganze Landschaftsbild erfassen kann – hier sogar „kostenfrei“, während der Zutritt zum Nebenbuhler besteuert wird – lockt eine gemütliche Frühlingskneipe, die nur für die Tage der Baumblüte aufgethan wird und wo man unter einem noch kahlen, „1830 gepflanzten“ Nußbaum Werderschen Obstwein oder Werdersches Bier genießen kann. Es giebt sogar Menschen, die irrtümlicherweise beide Säfte in einem Magen vereinigt haben und doch wieder leidlich gesund geworden sind. Der Werdersche Apfelwein wird von Kennern sehr gepriesen, ob aber auch getrunken, ist eine andere Frage. Der erste Schoppen erweckt unbestimmte Befürchtungen; man merkt, daß die Hersteller des Saftes es sich sauer werden ließen und daß der märkische Apfel nicht allen Mägen die Traube vom Rhein ersetzen kann. Aber bei einiger Uebung [698] gelangt man schon hinter die Süßigkeit dieser „kühlen Blonden“. – Das Werdersche Bier, schlechtweg „die Werdersche“ genannt, hat sich vor Jahren der besonderen Gunst des Berliners erfreut; man schrieb ihm nährende Eigenschaften zu und kredenzte es mit Vorliebe den nützlichen Spreewald-Ammen. Ein großer Teil der hauptstädtischen Bevölkerung verdankt ihm also mittelbar Kraft und Wohlbeleibtheit. War es der Werderschen seiner Zeit gelungen, dem Weißbier ganz erheblichen Abbruch zu thun, so mußte sie später ihrerseits einem überlegenen Gegner, dem Bayerischen, weichen; und jetzt sieht man sie in Berlin nur noch hin und wieder in Kellerfenstern angekündigt, neben Käse, Hülsenfrüchten, Bückingen und anderen Viktualien. Leider scheint sie keineswegs erbittert über diesen Niedergang ihres Ansehens, sondern ist im Gegenteil noch süßer und fader im Geschmack als früher geworden; ihre Brauer legen offenbar mehr Wert auf Erzielung einer tiefschwarzen Farbe als auf gaumenreizende Süffigkeit. Hierdurch tragen sie ihr gut Teil dazu bei, den Werderanern ihren jahrhundertelang aufrecht erhaltenen Ruf strengster Nüchternheit auch ferner zu bewahren.
Berühmter als Werderscher Apfelwein und Werdersches Bier, unentbehrlich für den Berliner Markt ist das Werdersche Obst. Der Wohlstand der „Insel“ beruht ausschließlich auf ihrer Obstkultur, und es ist deshalb ganz selbstverständlich, daß dieser Erwerbszweig hier als der vornehmste gilt und man ihm mit größter Liebe, peinlichster Sorgfalt obliegt. Denn die Fischerei z. B., der trotz Werders günstiger Lage kaum einige dreißig Familien unter 6000 Einwohnern nachgehen, wirft nur kärglichen Gewinn ab. Jeder Werderaner, vom kleinsten Ziegeleiarbeiter und Anbauer bis zum Tienen-Kapitalisten, ist Gärtner; nahezu alle Arbeitskraft der Familie wird auf dies eine Gebiet beschränkt. Man muß wissen, daß Werder im Jahre 1893 über 700000 „Tienen“, d. h. 5 Millionen Liter Obst im Werte von fast einer Million Mark, nach Berlin gesandt hat, und wird sich dann eine Vorstellung davon machen können, welch gründlicher Betrieb hier auf räumlich ungemein begrenzter, anscheinend unfruchtbarer Scholle entfaltet wird. Wenn man daneben bedenkt, welch aufopfernde Pflege der Obstbau erheischt, wenn anders er lohnend sein soll, wie sorgsam der Boden bearbeitet, das junge Grün behütet werden muß, wie oft Schädlinge ganze Ernten vernichten, wie viel von der Gunst des Wetters abhängt und wie andererseits gerade die Wettergunst einen Segen bringen kann, der bei unseren wirtschaftlichen Zuständen zum Fluch ausschlägt, indem er das allzu reichlich geratene Obst entwertet – dann wundert man sich wohl nicht darüber, daß die Werderaner zwar meist in auskömmlichen Verhältnissen leben und schuldenfreie Häuschen ihr eigen nennen, daß sie es aber zu Bankdepots nur selten bringen. Eingeschaltet sei gleich hier, daß der, wenigstens in früheren Tagen, schlechte Ruf der Werderaner bei allen Marktbesuchern sich zwanglos aus ihrer damaligen Armut und ihrer angespannten Thätigkeit erklärt, die ihnen nicht Zeit ließ, sich um Fremde liebenswürdig zu bemühen, und die ihnen die Mittel verweigerte, sie gastlich aufzunehmen. Wenn deshalb Martin Zeiler im 16. Jahrhundert schrieb, daß sie „gar unfreundliche Leut“ seien, „dem Gaste das Wasser von gesottenen Eiern um Gotteswillen geben“ und daß der, „dem sie eine reine Streu zum Nachtlager machen, sich für einen großen Herrn achten solle“, so muß man immer der Gründe denken, die solche Selbstsucht hervorgerufen. Und von den heutigen Werderanern darf man gewiß nicht mehr behaupten, was ein anderer Reiseschriftsteller jener Tage über ihre Ahnen sagte: „Sie hassen alles Fremde, thun fast treuherzig, sind aber habgierig und unbarmherzig, von außen gleißnerisch, von innen reißende Wölfe. Immer nur auf Geld und Erwerb bedacht, halten sie nicht viel von Künsten und Wissenschaften.“
Ihre Kunst und ihre Wissenschaft bestand darin, sich den Markt der nahen Hauptstadt erst zu erobern, dann zu sichern. Frühzeitig schon, gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts, fingen sie an, edlere, feinere Fruchtsorten als die landläufigen zu kultivieren und dadurch die Feinschmecker aufmerksam zu machen. Der königliche Hof bezog lange Jahre hindurch sein Tafelobst aus Werder, und Berlin zahlt für Werdersche Produkte noch heute gern Vorzugspreise. Den alten Ruf unerschüttert zu bewahren, wenden die Werderaner alles auf, ihre Pflanzungen fortzuentwickeln, so daß die von ihnen auf den Markt gebrachten Früchte wirklich den Ehrennamen „Wunder Pomonens“ verdienen. Beobachten wir die fleißigen Leute an einem Wochentage, der im allgemeinen wenig Besucher auf die Insel bringt, bei ihrem Werke, das hart und mühsam genug ist, das zur Sommerszeit schon um zwei Uhr morgens zu beginnen pflegt und an dem die Jüngsten wie die Aeltesten mit gleichem Eifer teilzunehmen pflegen! Freie Luft und Arbeit halten gesund; neben den vier- und fünfjährigen Kleinen, die man schon zum Ausjäten des Unkrautes verwendet, machen sich auch zahlreiche Greise und Greisinnen nützlich, denen man ihre siebzig, selbst achtzig Jahre kaum ansieht.
Die Gärten bedecken ein Gebiet von über 2000 Morgen und ziehen sich von Norden nach Süden längs der Havel hin. Da der Boden unter seiner schneeigen Sandschicht fett und schwarz ist, treibt er allerlei üppiges Unkraut, Geziefer wird vom Duft und von der leckeren Süßigkeit der Blüten in unglaublichen Mengen herbeigelockt, der nötige Dung für die Bäume ist nur unter großen Schwierigkeiten, oft von weither, zu beschaffen, und so ergiebt sich, rechnet man noch die Arbeit des Pfropfens und Okulierens hinzu, für die Morgenstunden genug Gelegenheit zu rastlosem Schaffen. Die höchste Thätigkeit freilich entwickelt sich, wenn die Blüte vorbei ist und die Frucht gedeihlich heranreift. Werder exportiert neben [699] süßen und sauren Kirschen von unerreichter Vorzüglichkeit auch Erdbeeren, später Johannis-, Stachel- und Himbeeren, schließlich Pflaumen, Aepfel und Pfirsiche. Wein zieht man eigentlich nur, um die letztgenannte Edelfrucht in seine Blätter einwickeln zu können. Die vorhin genannte „Ausfuhrziffer“ von 700000 Tienen verteilt sich natürlich auf wenige Monate des Jahres, und zur Höhezeit der Saison, im Spätsommer und Frühherbst, gewährt die Brücke Werders nachmittags einen ungemein fesselnden Anblick.
Sind die Obstdampfer, die man auf gemeinschaftliche Kosten erbaut hat und die meist einen, selbst zwei gefüllte Kähne noch hinter sich herschleppen, von Berlin eingetroffen, so stürzen sich die Bootsleute begierig auf ihren Inhalt, die leeren Tienen. Jeder kennt genau die Marke oder die Farbe, welche die einzelnen Händler für ihre Gefäße wählten, und fein säuberlich werden am Strande die Tienensäulen aufgeschichtet. Und nun kommen auch schon die mit gefüllten Tienen hochbeladenen Obstwagen der Gärtner heran; während die Bootsleute noch damit beschäftigt sind, das Schiff zu leeren, packen sie es schon wieder voll, und in weniger als einer Stunde ist die ganze Arbeit vollendet. Ein Signalschuß dröhnt, sechs Schläge vom Kirchturm hallen über die Stadt, und der beuteschwere Dampfer mit seinen Anhängseln ächzt langsam auf Potsdam zu, nach Berlin weiter. Die Werderanerinnen begleiten ihr Obst in die Reichshauptstadt, und mit Schlaf, Strumpfstricken, Häkeln und Kaffeetrinken aus allerlei Tassen und Töpfen verbringen sie die Nacht. Gegen Morgen kommt man in Berlin an, bei der Markthalle in der Dorotheenstraße, dem „neuen Werderschen Markt“, wird gelandet, und hier entwickelt sich dann allmählich das immer befriedigende, glatte Verkaufsgeschäft. Diese Ware lobt ja den, der sie feilbietet, nicht umgekehrt …
Noch mancherlei Interessantes bietet die Stadt Werder, mancherlei freundliche Erinnerungen haften an ihr. Der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. ließ ihr eine tragfähige Brücke bauen, dank welcher sie erst mit der Außenwelt in regere Verbindung trat; er schwang sich zu dieser Ausgabe nicht aus Liebe zur Insel auf, sondern weil ihm gemeldet wurde, daß der alte, völlig zermorschte Steg kein Bataillon mehr zu tragen vermochte. Er ließ nachher Werders morastige Straßen, deren Schrecken er am eigenen Leibe erfahren hatte, pflastern; auch die von den Lehniner Mönchen erbaute, stimmungsvolle gotische Kirche baute er in seiner Art um. Diese Kirche glänzte früher durch ein eigentümliches Altargemälde, „Christus als Apotheker“, das nicht gerade geschmackvoll, aber werderisch naiv den Heiland darstellte, wie er auf einer Wage die menschliche Schuld auswog gegen „Kreuz-Wurtz“, das Gnadenmittel. Büchsen mit den Aufschriften: Liebe, Hilfe, Geduld, Friede, Beständigkeit, Hoffnung, Glauben ergänzten die Einrichtung der seltsamen Pharmacie. –
Aber soviel Kurioses wir auch von den Eigentümlichkeiten und Lebensgewohnheiten der Werderaner noch gehört haben, für heute müssen wir unsere Wißbegierde bezwingen. Die Nacht bricht herein, ungewisses Mondlicht rinnt über die Dächer, Werder geht schlafen.
So besteigen wir denn den bereit liegenden Kahn, der uns nach Potsdam zurückbringen soll. Eine wunderherrliche Fahrt. Von herbem Duft umwittert, leuchtend in silberner Klarheit, wandelt die Septembernacht über die Wasser. Wir hören nichts als das Geräusch der taktmäßig in die Flut tauchenden Ruder und das Klatschen und Gurgeln der Wellen, die sich am Kiel brechen. Im Mondenglanz sehen wir die weißen Nebel wallen, die Havel blitzen und funkeln, als bereite sie etwas Wundersames, Großes vor, als schicke sie sich an, das Märchenschloß emporsteigen zu lassen, das in ihrer Tiefe liegt. Noch einmal, ehe sie sich zu langem Winterschlafe niederlegt, öffnet die Natur ihr Schatzkästlein und zeigt ihre schönsten Juwelen. Und wir trinken, den Blick zu den Sternen gerichtet, den feuchten Odem der Nacht, und wie das Boot dahinschaukelt, dünkt uns, wir seien entschlummert und der Traumgott fahre uns thulewärts übers Meer, und gleich müsse aus süßen Düften und wehendem Licht die silberne Grotte aufsteigen, die hinunterführt in den Palast … Wir gleiten an den schlafenden Ufern vorbei, hören die jungen Kiefern, die noch nicht zur Ruhe gekommen sind, leise miteinander raunen und atmen ihren würzigen Duft. Und immer nebliger wird es, immer breiter der durch die Dämpfe flimmernde, schwankende Silberstreifen auf der Flut. Zuweilen sprüht’s und funkelt’s fern von ihm auf, als blinzle eine Nixe im Schlaf. Vorn aber, weit vorn glühen zwei rote Augen durch die weiße Nacht – das sind die Lichter der Werderschen Obstdampfer, die wie zum Dienst der Menschen gebändigte Ungetüme der Hauptstadt zu schleichen …
Keiner von uns spricht ein Wort, kein Herz offenbart laut sein Entzücken; alles sinnt und träumt und lauscht. O märkische Natur, schlichte, bescheidene, wie machst du Tausende zu Dichtern, die nie einen Reim geschrieben haben und nie einen schreiben werden!
Nachdruck verboten.
Alle Rechte vorbehalten.
Sonnenlicht und Sonnenkraft.
Wenn wir heute lesen, daß so viele Völker des Altertums, wie Inder, Ägypter, Phönizier, Perser, Römer, Peruaner u. s. w., die Sonne als einen Gott angesehen und ihr göttliche Verehrung erwiesen haben, und daß dieses ganz oder teilweise bei manchen wilden oder halbwilden Völkern, wie Negritos, Ainos, Tungusen, Lappen, Samojeden u. s. w., bis auf den heutigen Tag der Fall ist, so lächeln wir wohl über solche Einfalt, da wir wissen, daß die Sonne kein Gott, sondern nichts anderes ist als dasjenige, als welches sie bereits der griechische Philosoph Anaxagoras im 5. Jahrhundert vor Christus mit einer für seine Zeit bewunderungswerten Voraussicht bezeichnete, d. h. ein „feuriger Klumpen“. Freilich paßt der Ausdruck „Klumpen“ schlecht für einen Körper, der so groß ist, daß man beinahe anderthalb Millionen solcher Kügelchen, wie unsere Erde eines ist, daraus drehen könnte, und deren Größe auch schon Anaxagoras im Widerspruch mit den Naturphilosophen seiner Zeit als eine den Augenschein weit überragende bezeichnet hatte. Wenn nun aber die Zeitgenossen des großen Philosophen seine Meinung nicht anerkennen wollten, ihn vielmehr mit der Anklage der Gotteslästerung aus Athen vertrieben und fortfuhren, die Sonne für einen Gott oder wenigstens als von einem Gotte geführt und gehalten anzusehen, so hatten sie dazu genügenden Grund in dem wohlthätigen Einfluß, den der strahlende Himmelskörper auf das ganze menschliche Leben und Dasein übte. Hätten sie wissen können, was wir heute wissen, daß nämlich die Sonne nicht bloß ein wohlthätiger Himmelskörper, sondern auch die letzte Ursache für alle auf der Erde wirksamen Kräfte und alle auf derselben vor sich gehenden Bewegungen ist, so würden sie wohl darin einen noch mächtigeren Beweggrund ihrer Sonnenverehrung gefunden haben.
Mag es nun Instinkt, Ahnung oder Zufall gewesen sein, was die Ursache für die so weit verbreitete Anbetung der Sonne als einer Gottheit geworden ist, man kann nicht leugnen, daß unter den verschiedenen religiösen Naturdiensten des Altertums keiner eine so große innere Berechtigung gehabt hat wie gerade der Sonnendienst. Ist es doch heute keinem wissenschaftlichen Zweifel mehr unterworfen, daß nach Maßgabe des großen Gesetzes von der Erhaltung oder Unsterblichkeit der Kraft die Strahlen der Sonne in der That jenen unerschöpflichen Behälter bilden, aus welchem der gesamte Kraftvorrat der Erde sein Dasein herleitet. Wollte heute die Sonne aufhören zu leuchten, so würde – auch ganz abgesehen davon, daß Leben ohne Licht überhaupt unmöglich ist – sehr bald ein mit jeder Art von Leben unverträglicher Stillstand aller Kraftwirkungen oder Kraftumwandlungen eintreten. Beinahe jeder Schulknabe weiß heute, daß die Kraft als solche nur eines Wesens ist, und daß die uns bekannten Einzelkräfte nur verschiedene Formen oder Erscheinungsweisen dieser einzigen Urkraft sind. Alle Kräfte ohne Ausnahme können nach dem Grundsatz der Aequivalenz oder Gleichwertigkeit ineinander umgewandelt werden oder auseinander hervorgehen. Niemals kann dabei die geringste Menge von Kraft verloren gehen oder zu „nichts“ werden oder aber umgekehrt aus nichts, d. h. ohne daß eine andre Art von Kraft ihr vorangegangen wäre, entstehen. So geheim oder verborgen mitunter auch die Wege sein mögen, auf denen Kraft kommt oder geht, so ist man bei genauerer Nachforschung [700] doch jedesmal imstande gewesen, diese Wege aufzudecken und sich zu überzeugen, daß es sich bei der Verwandlung der Kräfte überall nur um einen Wechsel der Form, nicht aber um einen solchen des Inhaltes handelt. Schwindet die Kraft in einer Form, so erscheint sie dafür sicher in einer anderen; und wo sie in neuer Form erscheint, da sind wir auch sicher, daß eine ihrer andern Erscheinungsformen verbraucht ist.
Unter allen Naturkräften, welche wir kennen, ist nun aber die Wärme die allgemeinste und verbreitetste Form von Kraft. Sie kann nicht bloß aus allen uns bekannten Kräften gewissermaßen hervorgelockt, sondern auch in alle zurückverwandelt werden. Wo man früher Kraft recht augenscheinlich verloren glaubte, da war sie gewiß in Wärme übergegangen. Besonders wichtig ist die Beziehung der Wärme zur Bewegung oder zur mechanischen Kraft, für welche Beziehung zahllose Beispiele vorliegen und von welcher auch die große Entdeckung der Erhaltung der Kraft ihren Ausgangspunkt genommen hat. Daher man jetzt die Begriffe von „Kraft“, „Bewegung“ und „Wärme“ in physikalischem Sinne für gleichbedeutend ansieht.
Gerade von dieser wichtigen und gewissermaßen die Grundlage aller andern Kräfte bildenden Wärmekraft sendet nun aber die Sonne trotz des überaus geringen uns zukommenden Anteils an ihrer Gesamtwirkung alljährlich so riesige Mengen zur Erde nieder, daß man damit eine über die ganze Erdoberfläche gelagerte Eisrinde von 30 Metern Dicke würde zu schmelzen imstande sein. In einem Zeitraum von etwa sechzehnhundert Jahren würde die Sonnenwärme hinreichen, um alles Wasser der Oceane verdampfen zu lassen, wenn dasselbe keinen neuen Zufluß erhalten würde.
Daß diese gewaltige Wärmemenge einem ebenso gewaltigen Vorrat von Arbeit oder Kraft entspricht oder entsprechen muß, dürfte nach dem oben Gesagten klar sein; man hat diese Kraftmenge auf die ungeheuere Zahl von 228 Billionen Pferdekräften berechnet. Man hat weiter berechnet, daß die Wärme einiger Quadratmeter der Sonnenoberfläche hinreichen würde, um alle Dampfmaschinen, welche auf der ganzen Erde im Betrieb sind, zu unterhalten.
Wenn auch die Erde nicht alle ihr auf diese Weise von der Sonne zuströmende Kraft zu ihren Zwecken verbraucht, sondern eine große Menge davon wieder als Wärme in den kalten Weltraum zurückstrahlt, so findet doch der größte Teil eine sehr praktische Verwendung und Aufspeicherung, welche sich schon in den Vorbedingungen des Lebens in einer Weise geltend macht, daß ohne sie Leben überhaupt eine Unmöglichkeit wäre. Der für das Bestehen aller luftatmenden Wesen unbedingt notwendige Kreislauf des Luftmeeres und dessen ununterbrochene Strömungen verdanken ihr Dasein ebensowohl der Sonne, wie die für die Existenz aller im Wasser lebenden Tiere nicht minder notwendige Beförderung der Luft durch alle Tiefen der Gewässer mit Hilfe der die Meere nach allen Richtungen durchfurchenden Meeresströmungen, oder der für alles Leben auf der Erde unentbehrliche Kreislauf der Gewässer. Denn die Sonnenkraft ist es, welche bewirkt, daß das durch ihre Strahlen verdampfte Wasser in die Luft steigt, sich in Wolken sammelt und als Regen, Schnee, Tau, Reif, Hagel u. s. w. wieder niederfällt, um Quellen, Bäche, Flüsse und Ströme zu speisen. Wenn man nur die durch allgemeine Wasserverdunstung an der Erdoberfläche geleistete Arbeit der Sonne künstlich nachahmen wollte, so würde man dazu soviel Brennmaterial verwenden müssen, wie nötig wäre, um eine ganze Billion Dampfmaschinen, jede von sechzehn Pferdekräften, in Bewegung zu halten.
Wenn somit schon Leben überhaupt ohne diese von der Sonne abhängigen Vorbedingungen auf der Erdoberfläche undenkbar ist, so wird diese Abhängigkeit von ihrer mächtigen Herrschaft noch viel deutlicher, wenn wir das Leben selbst ins Auge fassen. Wir sind, geradeso wie die Quellen, Bäche und Flüsse, von denen die Rede war, Sonnenkinder oder lichtgeborene Wesen, und zwar, nicht bloß in bildlichem, sondern in ganz wörtlichem oder mechanischem Sinne. Wenn wir hungrig sind, ist es die Sonne, welche uns speist. Wenn wir durstig sind, ist es die Sonne, welche uns tränkt. Wenn wir Arbeit verrichten, einerlei, ob körperlich oder geistig, ist es wiederum dieselbe Sonne, welche die dafür erforderliche Kraft liefert oder leiht.
Denn wenn wir uns – um dies im einzelnen deutlich zu machen – die Frage vorlegen: woher kommt die Kraft unserer Muskeln, mit denen wir körperliche, oder die Kraft unseres Gehirns, mit dem wir geistige Arbeit verrichten? – so lautet die Antwort des Physiologen: aus dem Blute, welches allen Organen unseres Körpers ununterbrochen die ernährenden Stoffe zuführt und ohne dessen steten Zu- und Abfluß deren normale Thätigkeit keinen Augenblick würde bestehen können.
Fragen wir weiter: woher kommt das Blut? – so lautet die Antwort: aus dem Milch- oder Speisesaft.
Fragen wir weiter: woher kommt der Speisesaft? – so lautet die Antwort: aus den Speisen, welche entweder pflanzlicher oder tierischer Art sein können. Da nun aber die Fleischfresser oder Fleischesser von den Pflanzenfressern leben und daher tierisches Leben in letzter Linie ohne pflanzliches eine Unmöglichkeit ist, so erscheint die Pflanze als letzte und einzig wirkliche Quelle aller auf der Erde vorhandenen Nahrung.
Fragen wir nun endlich: woher kommt die Pflanze? – so lautet die Antwort so bestimmt wie möglich: unmittelbar von der Sonne!
Denn Licht und Wärme sind die Nahrung der Pflanze. Unter dem Einfluß dieser zwei mächtigen Naturkräfte, welche aber nur eine einzige Kraft bilden, da Licht nur eine besondere Form der Wärme darstellt, zersetzt die Pflanze bekanntlich die Kohlensäure der atmosphärischen Luft derart, daß der Sauerstoff frei und der Kohlenstoff in dem Gewebe der Pflanze, deren Hauptbestandteil er bildet, festgelegt wird. Oder – mit anderen Worten – die lebendige Kraft der Sonnenstrahlen wird in die ruhende oder Spannkraft der von der Pflanze erzeugten Stoffe umgewandelt. Diese Stoffe nähren nun das Tier. Tier und Pflanze nähren den Menschen – abgesehen davon, daß der durch den geschilderten Prozeß des Pflanzenwachstums freigemachte Sauerstoff das unentbehrliche Lehenselement aller luftatmenden Wesen bildet.
Also genießen wir in der Pflanze oder dem Tier, das von ihr gelebt hat, ein Stück Sonnenwärme oder Sonnenlicht oder Sonnenkraft und erzeugen damit alle Kraft unseres Leibes und Lebens. Wir können daher mit vollem Recht sagen, daß die Sonne, indem sie unsere Speisen erzeugt, auch die einzige und letzte Quelle aller von unserem Körper entwickelten Kräfte, Bewegungen und Thätigkeiten ist. Wir sind – um es zu wiederholen – im wahren und vollen Sinne des Wortes Sonnenkinder.
Vielleicht könnte jemand den Einwand erheben, daß, wenn wir uns (mittelbar oder unmittelbar) von Pflanzen nähren würden, welche allenfalls in einem Treibhause mit Hilfe künstlicher Wärme und künstlichen Lichtes erzeugt worden wären, wir eine Arbeit oder Kraft entwickeln würden, welche nichts mit der Sonne zu thun hätte. Aber eine sehr einfache Ueberlegung zeigt, daß alle jene Mittel oder Stoffe, mit deren Hilfe wir das Treibhaus erwärmen und erleuchten möchten, wie Holz, Torf, Kohle, Gas oder Petroleum, in letzter Linie nur von der Sonne geborgt oder geliehen sein können. Namentlich sind jene riesigen Steinkohlenfelder im Innern unserer Erde, welche uns jetzt das meiste Brenn- und Leuchtmaterial (mittelbar oder unmittelbar) liefern, und ohne welche unsere ganze Kulturentwicklung in Frage gestellt sein würde, nichts anderes als das Werk jener vorweltlichen Sonnenstrahlen, welche vor Millionen von Jahren über den ehemaligen Steinkohlenwäldern brüteten. Die Kraft, welche die Dampfmaschine treibt oder die schnaubende Lokomotive mit ihrer angehängten Last spielend über die Schienen dahinjagt, ist nichts anderes als ein Tropfen Sonnenwärme oder Sonnenlicht, der ehemals in eine Pflanze umgewandelt, alsdann in die Erde eingesargt, mit Schutt, Steinen und Lehm bedeckt und heute wieder durch die Hand des Menschen dem dunkeln Schoß der Erde entrissen wurde, um von neuem in Licht und Wärme umgewandelt zu werden. Daher die Lokomotiven von den Gelehrten mit Recht den poetischen Namen der „Sonnenrosse“ erhalten haben.
Auch mechanische, chemische oder elektrische Kräfte, mittels deren wir allenfalls versuchen möchten, das Treibhaus zu erwärmen und zu beleuchten, müssen entweder unmittelbar oder auf dem Wege der Kraftumwandlung von der Ur- oder Grundkraft der Sonne abstammen, welche die Atome des Weltäthers in Bewegung setzt und in allerletzter Linie wahrscheinlich gleichbedeutend ist mit der der Sonne innewohnenden Gravitation oder Anziehungskraft.
„Alle Kräfte der Erde, alle Aeußerungen des Lebens,“ sagt der berühmte englische Physiker Tyndall ebenso poetisch wie wahr,
[701][702] „sind nur Modulationen einer und derselben himmlischen Melodie – – die Sonnenstrahlen kommen als Wärme zu uns und verlassen uns auch als solche. Aber zwischen ihrer Ankunft und ihrem Weggang entstehen daraus die mannigfaltigen Kräfte unseres Planeten; und sie sind ohne Ausnahme eigentümliche Formen der Sonnenkraft oder ebensoviele vorübergehende Verwandlungen, welche sie auf ihrem Wege von ihrem Ursprung zum Unendlichen durchmacht.“
Somit huldigten die alten Aegypter bereits einer vollständig richtigen Vorstellung, als sie auf den Sonnentempel in Philä die Worte als Inschrift setzten: „Sie (die Sonne) ist es, welche alles gemacht hat, was ist; und nichts giebt es, das ohne sie jemals gemacht worden wäre.“
Wir schließen diesen Aufsatz mit den begeisterten Worten des französischen Naturforschers Onimus:
„Die moderne Wissenschaft ist das schönste der Gedichte – – der menschliche Geist befindet sich im Angesicht der Entdeckungen und Verallgemeinerungen der modernen Wissenschaft, wie Rumford sagt, ohne Aufhören im Angesicht eines Wunders, welches selbst Miltons Phantasie in Schatten stellt. Es ist so großartig und erhaben, daß derjenige, welcher sich ihm hingiebt, einer gewissen Charakterstärke bedarf, um nicht geblendet zu werden. Die Winde, die Flüsse, alle Erscheinungen der Natur wie der Kunst sind die Kinder eines Teiles der Sonnenkraft. Derselbe Sonnenstrahl, welcher auf unssere Erdkugel fällt, erzeugt, ehe er in der Form der Wärme in den Weltraum zurückkehrt, den befruchtenden Tau, die duftende Blume mit ihren glänzenden Farben, den Baum, welcher heute die Luft von Kohlensäure reinigt und morgen unsere Maschinen treibt oder uns widerstandsfähig gegen die Unbilden der Witterung macht. Ja, alles dieses stammt aus der nämlichen Quelle ebenso wie alle Erzeugnisse menschlicher Civilisation. Sonnenkraft ist die Kraft, welche mir gestattet, mich zu bewegen und zu empfinden, ebenso wie die Bewegung des Blutes in meinen Adern oder die Beweguug meines Armes, welcher in diesem Augenblick meine Feder führt, oder der Gedanke, welchen ich wiederzugeben versuche, oder das Vergnügen, welches ich empfinde, indem ich diese Arbeit mit den Worten meines Vaters schließe: ,Ueberall Verwandlung – nirgendwo Vernichtung. In der organischen wie in der physischen Welt, in den lebendigen wie in den toten Körpern ist ununterbrochene Bewegung. Vollkommene Ruhe giebt es nicht. Alles verwandelt sich, und aus dem Schoß des Staubes erblüht ununterbrochen neues Leben.“
Nachdruck verboten.
Alle Rechte vorbehalten.
Die Sklaven.
(1. Fortsetzung.)
Als Lucius Menenius zu Anfang der zweiten Nachtwache heimkam – Cajus verweilte noch etwas länger bei dem lebenslustigen Gastgeber – fand er die beiden Kammersklaven, die er zu seinem persönlichen Dienst bestellt hatte, auf den Ruhebänken vor dem teppichverhangenen Eingange fest entschlummert.
Die jungen Leute, zwei straffe Sigambrer, Zwillingsbrüder, hatten während der musikalischen Vorträge im Xystus nach altgermanischem Brauch eifrig gebechert, zumal der Tag außerordentlich heiß war.
Lucius Menenius, der wohl wußte, daß er, wenn’s galt, auf diese zwei blondmähnigen Löwen da unbedingt zählen konnte, war in derartigen Ausnahmefällen nachsichtig wie ein gütiger Philosoph. Er wehrte den Fußfolgern, die bei dem Anblick der beiden Schläfer Miene machten, sie unsanft zu wecken, und hieß sie die Fackeln löschen und alsbald ihre Lagerstatt aufsuchen.
„Seid unbesorgt!“ sagte er lächelnd. „Drinnen brennt ja die Ampel, und von den Feldzügen gegen die Parther bin ich wohl Schlimmeres gewöhnt, als mir ’mal eigenhändig die Schuhe zu lösen. Nein, geht nur! Ich danke Euch! Jeder nach seinem Amt! Ich will nicht, daß meine Leute mir hinterrücks nachsagen: der Alte mißbraucht uns! Euch Spitzbuben kennt man!“
„Herr,“ stammelte einer der Fußfolger, der die liebenswürdige Scherzhaftigkeit dieses Tones nicht gleich begriff, „ich beteure Dir …“
„Rebellisches Volk!“ lachte Menenius. „Ob Ihr gehorcht! Zudem geh’ ich noch gar nicht zu Bett. Ihr kennt ja meine Gepflogenheit, erst noch ein Weilchen zu lesen. Marsch! Weckt mir die beiden Flachsköpfe nicht! Ein Skandal! Ich werde befehlen, daß ihnen künftighin mehr Wasser unter den Wein gemischt wird! Freilich, er lockt, der süße dunkelrote Kampanier! Gute Nacht, Kinder!“
„Friede und Schlaf und allen Segen der Gottheit über Dein Haupt!“ sagten die Fußfolger.
Sie hatten die Handlampe auf dem steinernen Postament hinter der Säule angezündet und ihre Fackeln mit dem Asbesttuche ausgedrückt. Nun schritten sie durch den Schlundgang ins Peristyl und erklommen auf schmaler Holzstiege das Obergeschoß, wo sich die Wohnungen der Sklaven befanden.
Lucius Menenius trat in sein Schlafgemach. Hier herrschte eine erquickliche Temperatur. Den ganzen Tag über war das Zimmer verhangen gewesen. Nach Sonnenuntergang hatte Afra den Vorhang zurückgeschoben und das einzige Fenster geöffnet, das, ein kleines vergittertes Viereck, dicht unter den Balken der reich kassettierten Decke lag. Ein kühlender Luftzug strömte durch den behaglich eingerichteten Raum und bewegte das Licht der Ampel, die an drei silbernen Ketten über dem Einfußtische zu Häupten des Lagers hing.
Auf der Tischplatte stand eine Metallschüssel mit Früchten, eine etrurische Kanne mit einem citronenduftigen Trank, der noch frisch sein mußte – denn das Gefäß war mit Tau beschlagen und ein Ebenholzkästchen mit der vergoldeten Aufschrift „DELICIAE MEAE“. Unter diesen „deliciae“, dieser „Wonne“ des Lucius Menenius waren seine vier Lieblingsschriftsteller gemeint, deren Hauptwerke er in prächtig ausgestatteten Exemplaren hier aufhob: Ennius, Tacitus, Plato, Homer.
Vor dem Kästchen aber, auf einer waasergefüllten Schale, prangten die herrlichen Rosen Afras, deren köstlicher Duft, nicht stark und betäubend, sondern nur wie ein träumerisch sanfter Hauch, ihm leise entgegenwehte.
Ein Lindenholztäfelchen barg sich halb zwischen den Blüten. Menenius zog es hervor und las da in schlanken rötlichen Buchstaben:
„Erstlinge seines Geheges, begrüßen wir fromm den Gebieter,
Fleh’n der Unsterblichen Huld heiß auf den Teuren herab.
Himmlische Gnade bedeutet der Nachtgruß blühender Rosen:
Schenk’ ihm das Beste, o Zeus! Keiner verdient es wie er!“
Menenius nickte gerührt. Er kannte die Handschrift. Es war nicht das erste Mal, daß die dankbare Afra ihn mit solchen Aufmerksamkeiten erfreute, ihn und seine geliebte Gattin, die jetzt fern am Gestade von Bajä volle Genesung suchte. Das reizende Kind! Und wie hübsch sie die wohlklingenden Verse da zusammengefügt hatte! Wirklich, das blonde Geschöpf mit den großen nachdenklichen Augen war ein Stück von einer Dichterin!
Lucius Menenius warf die Toga von seinen Schultern und setzte sich auf die Bettstatt. Noch einmal überlas er die Verse, langsam und andachtsvoll. Kam es ihm nur so vor oder lag wirklich in diesen Worten ein tieferer Sinn verborgen? Frauengemüter haben ja oft etwas Rätselhaftes und Ahnungsvolles.
Mit halblauter Stimme sprach Lucius Menenius das letzte der beiden Disticha vor sich hin:
„Himmlische Gnade bedeutet der Nachtgruß blühender Rosen:
Schenk’ ihm das Beste, o Zeus! Keiner verdient es wie er!“
Und plötzlich versank er in eine wehmütig ernste Stimmung. Das Festmahl beim Quästor Camillus war heiter gewesen, fast übermütig. Ein geistreicher Deklamator hatte die Gäste mit launigen Epigrammen und witzsprühenden flott gedrehten Satiren ergötzt. Menenius selbst neigte durchaus nicht zur Düsterkeit, wenn er auch mäßig war und nicht jeden Kelch ungestüm bis zur Hefe genoß. Jetzt aber fühlte er ein heimliches Weben und Rauschen wie vom Walten des Schicksals.
Das nächtliche Haus mit seinen Höfen und Säulengängen lag in schweigsamer Finsternis. Von der Schwelle her klangen die regelmäßigen Atemzüge der beiden Sigambrer. Verschlafen regte sich der kaum noch plätschernde Strahl des Alabasterbeckens im Peristyl. Sonst alles lautlos und feiernd, müde gleichsam von den Gluten des Tages, der heiß und wolkenlos über der Weltstadt dahingezogen …
[703] War es der Gegensatz dieser Einsamkeit zu dem Lärm des Gelages, von dem er kam? Und führte der zufällige Umstand, daß Afra in ihren Versen die oberste Gottheit mit dem hellenischen Namen Zeus genannt hatte, die Einbildungskraft des Menenius nach Griechenland?
Mit einem Mal gedachte er jener griechischen Jünglinge, des Biton und des Kleobis, die so berühmt geworden durch ihre kindliche Liebe zur Mutter und durch ihr seltsames Ende ... Gerührt über die Pietät dieser vortrefflichen Söhne, die ihren, der Priesterin, Wagen bei der festlichen Prozession zu Ehren der Göttin Hera fünfundvierzig Stadien weit fortzogen, weil das Gespann ausblieb, hatte die Mutter zur Göttin gebetet, sie möge den teuren Kindern aus dem unendlichen Schatz ihrer Gnade das Beste spenden – das Beste, ganz wie es hier in dem Distichon hieß! Und siehe, die Söhne, nachdem sie geopfert hatten, legten sich nieder und schliefen ein, um nicht wieder aufzuwachen. Die gütige Göttin hatte das Flehen der Mutter erfüllt und das Beste gespendet, was sie zu geben hatte – den Tod!
Menenius fuhr sich über die Stirne. Ein sonderbares Spiel seiner Gedanken! Sterben! Wie kam er darauf, er, der Mann der ruhigen sonnigen Lebensfreude, der so ganz in der Gegenwart aufging? Und noch dazu jetzt, nachdem sich die Wogen, die ihm sein Glück bedroht hatten, dank dem Scharfblick und dem rastlosen Eifer des Ninus, völlig zu glätten begannen?
Er dachte nach Bajä hinüber, wo Plotina und seine dreizehnjährige Tochter wohl längst schon entschlummert waren. Sein Herz schwoll in heißer Liebe zu dieser unvergleichlichen Lebensgefährtin und zu der Kleinen, die so ganz das Ebenbild ihrer Mutter war. Wie gern hätte er die beiden nach dem Strande Kampaniens begleitet! Aber die Pflicht fesselte ihn einstweilen noch an die Hauptstadt, so sehr es ihn südwärts zog . . .
„Die Staatsgeschäfte!“ sagte er zu sich selbst. „Sie legen uns mitleidlos Ketten an!“
Nun stand er auf und wandelte, die Hände auf dem Rücken gefaltet, langsam durch das Gemach. Es war kein Wunder, wenn er sich nachgerade etwas vereinsamt fühlte. Cajus ging wie die meisten vornehmen jungen Leute tagsüber seinen eigenen Weg. Das würde sich ändern, wenn noch ein paar Jahre ins Land zogen und der Ernst des Lebens strenger an ihn herantrat. Vorläufig konnte der Sohn die Lücke nicht ausfüllen, die durch die Abwesenheit Plotinas im Haus und im Herzen des Vaters klaffte. Drei Wochen lang war Plotina jetzt fort! Wie freute sich Lucius Menenius auf ein baldiges Wiedersehen! In vierzehn Tagen schloß der Senat seine Sitzungen, und dann auf nach der Golfstadt!
Wie sich so ein Gedanke ihm aus dem andern herausspann, schwebte ihm deutlicher als bisher die heitere Jünglingsgestalt seines Cajus vor, der sich vom Zechgelage des Quästors Camillus trotz der schon vorgerückten Nachtstunde noch immer nicht hatte trennen können.
Menenius befand sich zu seinem eigenen Befremden in jener Gemütsverfassung, die allem die ernsthafte Seite abgewinnt. Zum erstenmal seit Jahren vielleicht schien ihm der Lebenswandel des Sohnes nicht ganz dem zu entsprechen, was von dem Sproß einer so alterlauchten Familie verlangt werden durfte. Menenius ahnte zwar nicht, in welche gefahrvollen Schlingen Cajus verstrickt war und wie der leichtfertige junge Mann just im Begriff stand, mit Hilfe des ägyptischen Priesters Selencius ein geradezu strafbares Gaukelspiel in Scene zu setzen; aber er sagte sich doch, daß Cajus viel zu wenig Teilnahme an den öffentlichen Geschäften, viel zu wenig Interesse an den Dichtern und Philosophen bekunde, während er auffällig wohl beschlagen war in der Kenntnis der neuesten Pantomimen, in der Beurteilung aller Zirkusverhältnisse und im Abschätzen samischer, chiischer und kampanischer Weine. Die Sorge stieg in Lucius Menenius auf, er habe sich seinem Sohne gegenüber wohl zu nachsichtig und zu arglos erwiesen. Die Milde war gut bei der Behandlung gefesteter Charaktere, die durch Nachgiebigkeit und Huld nicht verdorben wurden. Ein Jüngling wie Cajus dagegen bedurfte der streng führenden Hand, wenn er nicht unversehens auf Abwege oder gar ins Verderben geraten sollte.
Gewisse Anzeichen, die Lucius Menenius bis jetzt unbeachtet gelassen, zeigten sich ihm nun plötzlich in kaum geahnter Beleuchtung. Kein Zweifel, Cajus selbst war innerlich unbefriedigt von seinem Treiben; um der Schalheit und Oede neuen Reiz zu verleihen, verfiel er jetzt in das Ausgeklügelte, Kühne und Abenteuerliche. Hierfür sprach schon die Wahl seines Umgangs. Einige dieser Gefährten hatten es niemals gewagt, die sonst so gastliche Schwelle des Lucius Menenius zu überschreiten, weil sie wohl Grund zu der Voraussetzung hatten, daß der Senator sie unwirsch empfangen würde ...
Unter diesen Betrachtungen hatte sich Lucius langsam entkleidet. Er löschte die Ampel, sprach ein kurzes Gebet und streckte sich tief atmend auf seine Ruhestatt. Aber er konnte nicht einschlafen. Es lag über ihm wie ein bängliches Vorgefühl, wie der Druck eines unklaren Gedankenkreises, dessen Mittelpunkt Cajus war. Wenn er nur eine Aufgabe für den Jüngling gewußt hätte, die ihn sofort und mit Nachhaltigkeit in Anspruch nahm! Der Weg zu den Staatsämtern mußte für Cajus langwierig sein, denn Leute, die sich bis in ihr dreiundzwanzigstes Jahr so ganz und gar nicht um diese Laufbahn gekümmert haben, werden natürlich, wenn sie dann plötzlich einlenken, nicht sofort von der Staatsregierung mit weit geöffneten Armen aufgenommen. Auch die Schriften der hellenischen Weltweisen kann man nicht heute zum Lebensberuf machen, wenn man sie gestern kaum eines Blickes gewürdigt hat.
„Allgütiger und allmächtiger Jupiter, lenk’ es zum Besten!“ murmelte Lucius Menenius mit einem Seufzer, nachdem er sich fast eine Stunde lang auf den Polstern herumgewälzt hatte.
Und wieder berührten ihn die Worte „zum Besten“ ganz eigentümlich ...
Wie sich aus einem Punkte eine ganze Kette von Bildern und Vorstellungen entwickelt! Lächerlich! Afra mit ihrem freundlichen Blumengruß hatte ihm also die Ruhe der Nacht geraubt! Die kleine hübsche Unheilstifterin! Auch Ninus, der Leibarzt, hatte ja ihrethalben, wenn auch in anderem Sinne, lange Nächte hindurch den Schlaf eingebüßt! Nun waren sie einig, und Lucius Menenius hatte die schöne Gelegenheit, dem Leibarzt, der sich alsbald ihm anvertraut hatte, seine unendliche Dankbarkeit für die Rettung Plotinas durch die That zu beweisen. ...
Lucius Menenius schmiegte sein Antlitz etwas beruhigter gegen das Kissen. Die Aussicht, mit freigebiger Hand für das Glück anderer sorgen zu dürfen, scheuchte das dumpfe Unbehagen, das ihn bis dahin gebannt hielt. Auch Afra hat es um uns verdient, dachte er frohmütig. Afra ist mir wie eine Tochter. Schade um sie, daß sie von unfreier Geburt ist! Eine seltsame Welt, die ihre Gaben so ungleich verteilt und oft die Sklavin mit Tugenden schmückt, deren die Edelgeborene entraten muß!
Bleischwere Müdigkeit senkte sich ihm nun plötzlich über das Haupt. Im Halbschlaf hörte er noch, wie draußen der Klopfer wieder die Pforte schlug. Schritte hallten gedämpft durch das Atrium, Fackelschein fiel eine Sekunde lang durch die halb nur verhangene Thür, an deren Eingang die beiden Sigambrer noch immer bewegnugslos auf den Polstern lagen. Das war Cajus mit seinen Begleitern, der nun endlich, lange nach Mitternacht, vom Gelage des übermütigen Quästors nach Hause kam.
Menenius lächelte. Sein fast schon erloschenes Bewußtsein war doch noch klar genug, um zu bemerken, daß Cajus trotz der zahllosen Becher, die er vertilgt haben mochte, ehrfürchtige Rücksicht auf den Schlaf seines Vaters nahm: er schlich auf den Zehen! Wohl, ein solcher Sohn war noch nicht aufzugeben, ob auch sein Leichtsinn und seine Trägheit üppig in Blüte standen!
Zwei Tage später hatte Lucius Menenius Morgenempfang. Der ehemalige Prätor und Konsul lebte zwar im Vergleich mit der Mehrzahl seiner Standesgenossen beinahe zurückgezogen; völlig indes konnte er sich den gesellschaftlichen Verpflichtungen seiner bevorzugten Stellung nicht wohl entziehen.
Vor Sonnenaufgang bereits wogte es in dem blumengeschmückten Atrium von weißen Galagewändern. Die senatorische Toga mit purpurnem Rande war dabei ebenso zahlreich vertreten wie die streiflose des Ritters und die grobwollige der Leute, die „nichts“ waren. Heliodorus, der Obersklave, dem die Geleitung der Gäste vom Eingange her oblag, glühte vor Aufregung, denn der lebendige Wunsch, dem Hausherrn Ehre zu machen, wirkte hier mehr als anderswo die Furcht vor der Strafe.
Einer der letzten, die von Menenius begrüßt wurden, war der Quästor Quintus Camillus. Der unverwüstliche Zecher hatte auch in der jüngstverflossenen Nacht gründlich geschwelgt; er würde sich ganz gewiß in seiner Morgenruhe nicht haben stören lassen, wenn es sich nicht um den Empfangstag gerade des allverehrten Lucius Menenius gehandelt hätte.
[704] Der Hausherr machte ihm halb scherzhaft Vorwürfe, daß Quintus Camillus ihm neulich seinen Cajus verführt habe.
„Lucius,“ versetzte der Quästor lachend, „ich wäre stolz darauf, wenn ich dem Bacchus einen so glorreichen Priester wirklich erzogen hätte! Dazu aber fehlt so gut wie alles. Vor Deinem Cajus beuge ich demutsvoll dies ruhmstrahlende Haupt. Er zecht für Dreie, Dein Sohn – und weißt Du, mit jener Grazie, die unerlernbar ist. Selbst im Rausch bleibt er noch Herr seiner Anmut!“
Lucius Menenius fühlte sich von den Worten des Quästors unangenehm berührt, zumal ihm tags zuvor ein Brief zugegangen war, der keine Unterschrift trug und nur die Worte enthielt: „Sorge dafür, o Vater, daß Dein Sohn keinen Schaden erleide!“
Cajus galt also, wie es schien, ganz allgemein für ein „Tier von der Herde des Epikur“!
Da nun Menenius absichtlich das Gespräch über Cajus ausspann und einen ernsteren Ton anschlug, merkte er in der That, daß der Quästor von der Befähigung und dem Charakter des jungen Mannes keine sehr glänzende Meinung hatte, obschon sich Camillus der größten Artigkeit und Rücksicht befliß und nur unfreiwillig den wahren Kern seiner Gedanken durchschimmern ließ. Auch das fühlte Menenius heraus, daß Quintus Camillus durchaus nicht die Unbekanntschaft des Vaters mit allerlei kleinen Thorheiten des Sohnes voraussetzte.
Dergleichen war also stadtkundig! Nur er, Lucius Menenius, hatte bisher im Finstern getappt! Verknüpft mit den Mahnworten jenes eigentümlichen Briefes, fiel ihm diese betrübende Wahrnehmung schwer auf das Herz. Er warf sich eine strafbare Lässigkeit vor – und ein plötzliches Bangen ergriff ihn, ob sein wohlgemeinter Entschluß, noch heute mit Cajus zu sprechen und Aufklärung zu heischen nicht etwa zu spät komme.
Der Jüngling, um den sich das inhaltsvolle Gespräch des Vaters mit Quintus Camillus drehte, war unterdes, nur wenige Schritte von Lucius Menenius entfernt, eifrig am Werk, den geselligen Pflichten eines erwachsenen Haussohnes Genüge zu leisten. Er unterhielt sich aufs angelegentlichste bald mit einem der Großgrundbesitzer des zweiten Standes, bald mit einem Vertreter des Hochadels und vernachlässigte nur mit einiger Absichtlichkeit die Leute, die „nichts“ waren, die Klienten und Schutzbefohlenen.
Wer den Gesprächen gelauscht hätte, die Cajus mit diesen Rittern und Senatoren führte, dem wäre allerdings aufgefallen, wie sehr die Rede des jungen Mannes nur gerade die Oberfläche der Dinge streifte, ja wie er, trotz aller Beflissenheit, den unverkennbaren Stempel einer gewissen Unruhe und Zerstreutheit trug. Wiederholt schweifte sein Blick dem Thürgang zu, wo noch von Zeit zu Zeit neue Ankömmlinge ins Atrium traten . . .
Nun plötzlich wandte sich Cajus mit einem raschen „Herr, Du verzeihst!“ von dem breitschulterigen Thonwarenfabrikanten, mit dem er geplaudert hatte, hinweg, um einem auffallend hageren Mann in ausländischer Tracht entgegenzugehen, der jetzt eben vom Obersklaven Heliodorus hereingeführt worden war.
„Sei mir gegrüßt!“ sprach er, dem Fremdling die Hand reichend.
Der Mann beugte sein Haupt, das auf dem Wirbel eine hühnereigroße Tonsur zeigte.
„Hast Du den edlen Menenius auf meinen Besuch vorbereitet?“ fragte er mit einem nicht unschönen Aufflackern seiner tiefliegenden Augen.
„Noch nicht, Seleucius,“ versetzte der Jüngling errötend. „Es bot sich bis jetzt keine Gelegenheit. Aber sei unbesorgt: Lucius Menenius wird Dich empfangen wie alle die übrigen. Er ist die Gastfreundschaft selbst.“
„Es wäre mir lieber gewesen, Du hättest zuvor mit Deinem Vater geredet,“ versetzte der Orientale. „So ging die Verabredung. Ich pflege zu halten, was ich verspreche, und ich erwarte das Gleiche von jedermann.“
„Ich wiederhole Dir . . .“
„Sei’s darum! Führe mich zu ihm!“
Abermals stieg dem Sohn des Hauses eine glühende Blutwelle ins Gesicht. Der Ton dieses Mannes verletzte ihn. Außerdem aber war es ihm bänglich zu Mute bei dem Gedanken, wie denn sein Vater diesen höchst unverhofften Besuch aufnehmen würde. Lucius Menenius huldigte in religiöser Beziehung einer gewissen Schlichtheit und Einfachheit. Sein Glaube hielt an dem altehrwürdigen Gotte Latiums fest, obschon er unter dem Namen des Jupiter etwas Höheres begriff als der Pöbel. Die sonstigen Mythen der Staatsreligion hielt er für das, was sie waren: für symbolische Märchen. Die Gottheit, deren Odem das All durchdrang, konnte nur eine sein, der menschlichen Unvollkommenheit war es zu danken, wenn sie sich die verschiedenartigen Offenbarungen dieser Gottheit unter dem Gleichnis verschiedenartiger Götter vorstellte. Geradezu peinlich jedoch war ihm das Ueberhandnehmen ausländischer Kulte, zumal der ägyptischen. Mehrfach schon hatte er im Senat seine Stimme dagegen erhoben, daß man den Priestern der Isis, des Horus, des Serapis und des schakalköpfigen Gottes Anubis so ungehindert nicht nur die Ausübung ihrer religiösen Gebräuche – das hätte er gelten lassen – sondern auch die rastlose Werbung unter den römischen Bürgern gestattete. Seinem gewichtigen Einfluß war es zu danken, daß man jüngsthin wieder von der Erneuerung halbvergessener Edikte sprach, die sämtlichen orientalischen Priestern, mit Einschluß der chaldäischen und babylonischen Wahrsager und Mathematiker, den Aufenthalt in der Hauptstadt bei schwerer Strafe verboten.
Und diesem ausgesprochenen Gegner führte nun Cajus den vornehmsten und vom Standpunkt des Lucius Menenius gefahrvollsten Vertreter der orientalischen Propaganda, den Isispriester Seleucius, als Gast beim Morgenempfange zu! Es war nicht abzusehen, wie sich Lucius Menenius in dieser befremdlichen Lage verhalten würde.
Cajus ging ein paar Schritte voran. Seleucius folgte. Ein selbstgefälliges menschenverachtendes Lächeln spielte um seinen Mund. Gerade weil Menenius sein Gegner war, hatte Seleucius eine Beziehung zu diesem Hause so angestrebt. Gewohnt, über die Geister zu siegen und fremden Willen sich dienstbar zu machen, glaubte er den Gefahren, die von Menenius ihm drohten, die Spitze abbrechen zu können, falls es ihm nur gelang, mit dem erlauchten Feind in Verkehr zu kommen. Eine verführerische Beredsamkeit, Welterfahrung und philosophische Bildung, persönliche Liebenswürdigkeit und ein Schauspielertalent ersten Ranges – das waren die Vorzüge, auf deren unfehlbare Wirkung er baute.
„Mein Vater,“ hub Cajus an, „der würdige Priester Seleucius von Alexandria wünscht Dir seinen Gruß zu entbieten.“
Lucius Menenius war außerordentlich überrascht. Sofort aber wußte er sein berechtigtes Staunen zu meistern.
„Seleucius ist mir willkommen“ sagte er höflich, „willkommen wie jedermann, der in friedlicher Absicht meine Schwelle betritt.“
Seleucius verneigte sich.
„Ich hoffe, erlauchter Menenius, Du scheuchst mich auch dann nicht von hinnen, wenn ich die Absicht eines ehrlichen Kriegs mit mir hereintragen sollte.“
In dem Ton dieser Worte lag ein so schmeichelhaftes Vertrauen auf die Großmut und die Gastfreundschaft des Senators, daß Lucius Menenius angenehm davon berührt wurde.
„Wie verstehe ich das?“ fragte er lächelnd.
„Herr,“ versetzte der Priester, „ich kenne die Anschauungen, die Du mit so zündender Ueberzeugungskraft im Senate vertrittst. Die meinigen brauche ich hier nicht zu erörtern. Du weißt, daß sie den Deinen schnurstracks zuwiderlaufen. Es lockte mich nun, dem Mann gegenüber zu stehen, der für mich und meine Genossen eine so ungeheure Gefahr bedeutet. Mit dem einzelnen Denker darf man die Fehde wagen; mit der geräuschvollen Menge kämpft man leider vergebens. Ich setze voraus, daß es dem edlen Menenius nur um die Wahrheit zu thun ist, nicht um den äußerlichen Triumph des Rechtbehaltens. Uebrigens,“ fügte er eilig hinzu, da er bemerkte, daß Lucius Menenius beunruhigt auf seine Umgebung blickte, „selbstverständlich war es durchaus nicht mein Wunsch, Deinen Morgenempfang durch philosophische Diskussionen zu stören. Ich weiß, ein Römer in Deiner Stellung gehört um diese Stunde der ganzen glänzenden Schar, die sein Atrium füllt. Es galt mir nur, mein Erscheinen, das Dich erstaunen ließ, zu begründen. Wenn Du mir späterhin – bei Gelegenheit – eine Weile Gehör schenkst, hoff’ ich Dir darzuthun, daß ich nicht ganz jenem unheimlichen Gespenst gleiche, für das Du mich ausgiebst.“
„Ich kann Dir nicht abstreiten,“ sagte Menenius, „daß die Freimütigkeit Deines Auftretens durchaus meinen Beifall hat. Wenn Deine Lehre mir gleichermaßen genehm schiene – was allerdings nicht zu hoffen steht – so würde ich heut’ noch Dein eifrigster Schüler werden. Aber lassen wir das! Meinem Grundsatz getreu, daß auch der Gegner gehört werden müsse, will ich Dir gerne im Lauf dieser Woche ein paar Nachmittagsstunden [705]
widmen. Bringe das ganze Rüstzeug Deiner Redekunst mit – ich gedenke ihm stand zu halten.“
„Dank, edler Menenius! Anders hab’ ich dies von dem erlauchten Manne, den ganz Rom als den Gerechten und Milden preist, nicht erwartet. Und selbst, wenn ich Dich nicht überzeuge, ein Gewinn bleibt mir doch: das Glück, eine echt männliche Seele kennengelernt zu haben, an der kein Falsch ist.“
Seleucius von Alexandria verneigte sich wieder mit jenem gewinnenden Lächeln, das über sein hohlwangiges Angesicht einen Glanz goß wie vom Schimmer der Morgenröte. Hiernach wandte er sich zu einem der Umstehenden, der ihm, so schien es, seit lange befreundet war.
„Woher kennst Du den Priester?“ fragte Menenius den Cajus.
„Ich traf ihn . . .“ stammelte Cajus, „bei . . . dort bei dem Ritter, mit dem er sich jetzt unterhält. Findest Du nicht, Vater, daß er ein Mann von ungewöhnlichen Gaben des Geistes ist?“
„Er macht den Eindruck,“ versetzte Menenius.
Nun kam der breitschulterige Thonwarenfabrikant auf den Hausherrn zu und erkundigte sich mit warmherziger Teilnahme nach dem Befinden Plotinas. Während Menenius leuchtenden Auges dankte – sobald von Plotina die Rede war, strahlte er wie ein beschenktes Kind – mischte sich Cajus, froh, weiteren Fragen entgangen zu sein, mit erneuter Lebhaftigkeit unter die Gäste und erreichte nach fünf Minuten den Isispriester, der sich just anschickte, das Atrium zu verlassen.
Cajus trat mit ihm in den Thürgang.
„Also es bleibt dabei?“ fragte er flüsternd.
„Es bleibt dabei!“ versetzte der Priester.
„Sie kommt?“
„Eine Stunde nach Sonnenuntergang.“
„Wie in aller Welt hast Du’s nur fertiggebracht? Sie, die Spröde, die Tugendhafte!“
„Pah, das wäre ein kläglicher Magier, der einem Weibe nicht einreden könnte, was er für gut findet! Meine betäubenden Wunder haben sie mürbe gemacht.“
„Und Du stehst mir dafür, daß keine Gefahr der Entdeckung droht?“
„Keine!“
„Ich weiß es nicht,“ murmelte Cajus, „mir ist nicht wohl bei der Sache. Ueber dem Herzen liegt mir ein Druck . . . Ich wage zu viel, Seleucius!“
„So tritt doch einfach zurück!“
„Um keinen Preis! Versteh’ mich doch: es ist nur der Rest noch des alten Vorurteils. Eine Jungfrau vom heiligen Feuer, eine Vestalin! Es steht ein schmachvoller Tod darauf!“
Steht nicht der Tod auf allem, was Du auch treiben magst? Zum Tode bist Du verurteilt mit der Sekunde, da Du geboren wirst. Er schwebt über uns wie ein Raubvogel, der seine Beute wählt. Uebrigens hüte Dich vor dem Blick Deines Vaters. Mach’, daß Du jetzt wieder hineinkommst, und benimm Dich so harmlos wie möglich! Fällt das Gespräch auf mich, so singe nur ja nicht mein Loblied, sondern verhalte Dich gleichgültig! Du möchtest sonst seinen Verdacht wecken. Gehab’ Dich wohl!“
[706] Seleucius von Alexandria trat ins Freie und bestieg seine Sänfte, die mit zahllosen anderen vor dem Vestibulum wartete, während der Jüngling nach dem menschenerfüllten Empfangsraum zurückschritt. Vergeblich kämpfte er wider die Bangigkeit an, die ihm seit heute früh schon das Herz beklemmte. Ruhig und friedsam in seiner leuchtenden Milde lehnte Menenius zwischen den Säulen und sprach mit dem Proprätor Aulus Tibullus. Und wieder vernahm Cajus den teuren Namen der Mutter. . . . Dieser Name verkörperte ihm das ganze reine makellose Familienleben, das hier inmitten der sonst so verderbten Weltstadt so herrlich emporgeblüht war. Und nun stand er, der Sohn dieses Vaters und dieser Mutter, allen Grundsätzen der Religion, des Rechts und der Ehre zum Trotz, im Begriff, eine Missethat zu begehen, die darum nicht minder schwer in der Schale des göttlichen Zornes wog, weil seine Mitschuldige in unerhörter Leichtmütigkeit ihm entgegenkam . . .
Ein paar Augenblicke noch schwankte er. Noch war es ja Zeit, noch konnte er, wie Selencius spöttisch ihm vorgeschlagen, zurücktreten. Gleich danach aber siegte der Drang seiner unseligen Leidenschaft. Er hatte die schöne Vestalin Rutilia vor etwa sechs Wochen bei den großartigen Kampfspielen gesehen, die der Quästor Camillus im Flavischen Amphitheater zum besten gab – und sofort war er in unauslöschlicher Liebe entbrannt. Alle die zahlreichen Hindernisse, die einer so strafbaren und gefahrvollen Neigung im Wege standen, hatte der schlaue Seleucius glücklich hinweggeräumt. ... Und nun sollte sich Cajus, da er am Ziele war, jämmerlich abschrecken lassen? Er sollte das aufgeben, was er in so verzehrender Inbrunst erstrebt hatte? Lieber das Schlimmste!
Er schüttelte mit Aufbietung aller Kraft die peinvollen Anwandlungen dieser Minute ab. „Lieber das Schlimmste!“ wiederholte er sich, die Fäuste ballend.
Bei der Rastlosigkeit seines Gemüts aber litt es ihn fürder nicht in der Nähe des Vaters. Er verließ heimlich das Haus, noch ehe sich das Atrium völlig geleert hatte, und sandte dann zwei Stunden nach Mittag einen Boten mit einer Wachstafel, auf der die Worte standen: „Ich speise beim Quästor Camillus.“
In der Gesellschaft dieses humorvollen Mannes fand er noch am leichtesten Balsam für seine Ungeduld und Ablenkung von dem heimlichen Bohren und Nagen seines Gewissens.
(Fortsetzung folgt.)
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Alle Rechte vorbehalten.
Das Ornament im Kunstgewerbe.
Wer an reich besetzter Tafel sitzt, gerät in Gefahr, sich zu überessen. Unser Kunstgewerbe macht gegenwärtig den Eindruck, als sei dieser wenig erfreuliche Zustand der Ueberladung bei ihm eingekehrt. Seinen Jüngern sind im Laufe der seit fünfundzwanzig Jahren sich vollziehenden Reformbewegung die Ornamente aller Stilepochen und des Orients in so überschwenglicher Menge vorgesetzt worden, daß jegliches Gerät unter ihren Händen zum Ornament oder zu einem Mosaik von Ornamenten geworden ist. Man ist mehr und mehr in die verfehlte Auffassung geraten, daß ein wesentliches Kennzeichen einer kunstgewerblichen Leistung in reicher ornamentaler Ausstattung bestehe, und ihre Unterstützung hat diese Anschauung in einem Zeichenunterricht gefunden, der sich fast ausschließlich auf eine überlieferte Ornamentik zuspitzt und mit dem Vorführen zahlreicher, aus dem Organismus losgerissener Ornamentbrocken wenig imstande ist, das Verständnis des Schülers dahin zu fördern, daß das Ornament nur schmückendes Beiwerk sein darf, welches sich dem Ganzen selbstlos unterzuordnen und die Schärfe der Konstruktion nicht zu beeinträchtigen hat. Tritt ein solcher Schüler in die Praxis, so sucht er seinen Schatz angelernter Ornamente nach Möglichkeit anzuwenden, denn – „wir sind ja kunstgewerblich!“
Was diese Sucht zu ornamentieren uns gebracht hat, ist ein prunkvoller Reichtum und eine erhebliche Verteuerung kunstgewerblicher Leistungen, so daß die solideren sich schon wieder fast nur an die Kaufkraft der oberen Zehntausend wenden, während das mäßig bemittelte Bürgertum mit Gegenständen „beglückt“ wird, bei welchen der Handwerker bezw. Industrielle die Kosten für das Ornament wieder herauszuschlagen sucht durch Minderwertigkeit des Materials und der technischen Arbeit.
Hand in Hand mit dieser Ueberladung geht das Bestreben, jedem Ding und, weiter gefaßt, jeder Einrichtung ein bestimmtes historisches Stilgepräge mit Hilfe der herkömmlichen Ornamentik aufzudrücken. Es hat sich für bessere Einrichtungen geradezu eine feste Schablone gebildet, nach welcher die Wahl des Stils für die einzelnen Zimmer getroffen wird; man speist in deutscher Renaissanceumgebung, trinkt den Thee im japanischen oder englischen Gemach, huldigt den Wissenschaften in barocken Bibliothek- und Arbeitszimmern, bewährt sich als Mann oder als Frau von Welt in dem Rokokosalon und schläft und macht Toilette im Rokoko-, Zopf- oder Empireschlafzimmer. Der Herr Dekorateur oder Tapezierer kommt und gieht der Einrichtung die höhere Weihe, daß sie auch „stilvoll“ erscheine; er arbeitet mit einer Unmenge von Stoffen, legt sie in malerische Falten über Spiegel, Sofas, Betten, Thüren und Fenster, baut Baldachine auf, breitet ein halbes Dutzend orientalischer Gebetteppiche und etliche Tiger- oder Bärenfelle über den Boden, wirft über das Chaiselongue in genialem Wurf eine farbenreiche Decke, daß sie über den Boden schleppt, und bedenkt leider nicht, wie durch diesen textilen Aufwand ein wahres Staubnest geschaffen wird und dem Zimmer Luft und Licht, die ersten Bedingungen eines gesunden Wohnens, verloren gehen. Sich für einen solcheu Ateliergeschmack, welcher die Benutzbarkeit und die gesunde Wohnlichkeit der Räume geringer anschlägt als den theatralischen Aufputz, zu begeistern, geht nicht an. Aber er macht sich leider in bedauernswertester Weise breit und beeinflußt, besonders durch seine Herrschaft auf den Ausstellungen, den Geschmack des weniger urteilsfähigen Publikums.
Dringt man tiefer in die Einrichtungen ein, betrachtet man die einzelnen Möbel, so ist das Ergebnis noch weniger erfreulich, als es auf den ersten Blick scheinen mochte. Im Speisezimmer ist insbesondere das Büffett ein wahrer Ausbund ornamentaler Ueberschwenglichkeit geworden. Eine übertriebene Häufung kleiner und kleinster scharfkantiger und an den Ecken spitz vorladender Profile in Verbindung mit einem erstaunlichen Aufwande von Säulen, Pilastern, Karyatiden, Konsolen, Nischen, Balkönchen, Galerien, Giebeln, Spitzen und geschnitzten Füllungen – so stellt sich das Möbel dar, ohne daß doch in den meisten Fällen seine Wirkung eine angenehme wäre, denn es fehlen die ruhigen Flächen und nur zu oft die feinen Verhältnisse im Aufbau. Dieser zwecklose, in der Konstruktion nicht begründete Ornamentenschwall regt geradezu zum Spott an, denn wer soll ernst bleiben, wenn sich die Säulen oder Karyatiden, welche scheinbar mit höchster Anspannung ihrer Kräfte das Gebälk tragen, beim Oeffnen irgend einer Thüre um ihre Achse drehen und die Architektur scheinbar lebendig wird. Man empfindet, hier wird Täuschung angestrebt, während das Wesen jeder echten und tüchtigen Kunst die lautere Wahrheit sein soll. Diese Täuschung ist auf einen groben Effekt berechnet und mindert die Benutzbarkeit eines solchen Möbels derart herab, daß sich mit Fug und Recht von Paradebüffetten reden läßt. Der untere Kasten liegt so tief, daß die Hausfrau bei seiner Benutzung auf den Knien herumrutschen muß, der obere so hoch, daß sie eines Stuhles bedarf, um in die höchsten Gefache hineinzulangen. Werden größere Gegenstände, wie Karaffen, Flaschen oder Terrinen, auf die Platte gestellt, so laufen sie Gefahr von den oberhalb sich öffnenden Thüren umgestoßen zu werden. So steht als gewaltiges „Prachtmöbel“ das Büffett im Speisezimmer da, ohne großen Nutzen zu gewähren und vorwiegend bestimmt zum Schaustellen etlicher Prunkgeräte.
Diese Prunkgeräte – auch bei ihnen spielt der ornamentale Karneval eine Rolle, und es blitzt und blinkt die Bronze oder das cuivre-poli oder das Silber infolge der übermäßigen reliefierten Ornamentik mit tausend Glanzlichtern. So stehen diese Prunkgeräte in den Nischen und auf den Eckbrettern des Büffetts, auf den Borten an den Wänden und über dem Paneelsofa, als meist unbenutzbare, nur zum Anschauen bestimmte Ausstattungsstücke da, welche mit der Zeit dem Beschauer langweilig werden, weil sie nicht durch häufigen Gebrauch in innige Beziehung zu ihm treten.
Aehnlich dem Büffett erscheint das Paneelsofa – mit einer senkrecht und hoch aufsteigenden Lehne, welche auf die Biegung des [707] Rückens keine Rücksicht nimmt und kein bequemes Sitzen gestattet, zudem aber auch den Ruhenden bei irgend einer kräftigen Bewegung der Gefahr aussetzt, daß die oben auf dem Borte sehr wacklig stehenden Gefäße auf ihn herabschmettern. Als neuester Witz tritt noch hinzu, daß mit dem Paneelsofa ein Spiegel fest verbunden wird; während der Spiegel gerade recht beweglich zu halten ist, damit er im Zimmer diejenige Stelle erhalten kann, in welcher er unter der besten Beleuchtung steht.
Weiter in solche Speisezimmereinrichtung einzudringen, wollen wir uns versagen und nur der dunklen Nußbaumstimmung noch einige Worte widmen. Sie wirkt meist trübselig und bedrückend, zumal noch bei Butzenscheiben und schwer lastender Balken- oder Kassettendecke. Wenn Speisen den Magen beschweren und geistige Getränke das Haupt umnebeln, so sehnt man sich nach heller, freundlicher, luftiger Umgebung, nicht nach einer solchen, welche sich wie ein Alp auf unsere Brust legt. Aber dieses dunkle Braun, diese Butzenscheiben, diese schweren Balkendecken, diese scharfkantigen, gehäuften Profile, diese architektonischen Glieder, so entgegnet man, sind ja gerade charakteristisch für die Renaissance. Nun, wenn das der Fall ist, so verzichten wir eben auf die Renaissance, auf das Nachäffen eines Zeitgeschmackes, welcher unseren modernen Anschauungen nicht mehr entspricht. Wir wollen keine scharfen Kanten und Ecken, welche uns die Schienbeine zerschlagen und bei jedem Umzuge absplittern, keine subtile Häufung von Profilen, wo eine energisch geschwungene Hohlkehle und eine Platte denselben günstigen Eindruck hervorrufen; wir wollen keine übermäßige Häufung von Ornamenten, in deren Ecken und Winkeln nur der Staub festklebt, so daß die Hausfrau mit dem Putzen und Wischen nicht fertig wird; wir wollen – wenigstens in allen wichtigen Wohnräumen – keine Butzenscheiben, da wir uns freuen sollen der großen Scheiben, dieser Triumphe der modernen Glasindustrie. Was wir wollen, sind Möbel, welche wirklich ihren Zweck in bester Weise erfüllen, tüchtig und dauerhaft sind, den Stürmen eines Umzuges Widerstand leisten können und zudem einen ruhigen, schönen Eindruck gewähren – Kastenmöbel, in denen sich in bequemer Weise möglichst viel bergen läßt, Sitzmöbel, auf denen sich behaglich ruhen läßt, Tische mit breiter Fläche und standfesten Füßen und ohne scharfe Ecken. Was wir wollen, sind Zimmer in freundlicher heller Stimmung, in welchen nicht der Staub sich einnistet, sondern Reinlichkeit herrscht und Gesundheit waltet.
Es ließe sich diese Sucht, jegliches Ding zu ornamentieren, weiter verfolgen durch alle Räume, durch den Rokokosalon mit den stark ausgeschweiften dünnen Beinchen der Tischchen und Stühlchen, welche nur für ein ätherisches Geschlecht bestimmt zu sein scheinen, und mit den reich geschnitzten, hell lackierten und bemalten Schränkchen, die wie Porzellan aussehen, bis zu dem Schlafzimmer, dessen Betten an Haupt und Ende mit Gemälden von Künstlerhand geschmückt werden, und bis zur Küche, deren Schrank und Topfbank geschnitzt und deren Stühlchen sogar bemalt werden. Aber es möge genug sein mit dem Hinweis, daß diese Sucht, jegliches Ding mit Ornamenten zu überladen und auf diese Weise Wirkung hervorzubringen, auf allen Gebieten des Kunstgewerbes, in der Metall-, Textil- und keramischen Industrie mehr und mehr Platz gegriffen hat. Diese Sucht wirkt wahrhaft abstoßend bei Geräten aus billigem Material, beispielsweise bei den üblichen Schränken und Bettstellen, die an Stelle kräftiger gesägter Fourniere mit papierdünnen geschälten Fournieren aus dem undauerhaften amerikanischen Nußbaumholz bekleidet sind, gleichwohl aber als Bekrönung den aufgesteckten, meist bedenklich vornüber geneigten Giebel- oder Muschelaufsatz, sowie etliche Spitzen und Kugeln erhalten haben. Man merkt die Absicht, über das Elend des Materials mit glänzend scheinendem Aufputz hinwegzutäuschen, und man wird verstimmt.
Gewiß, wir sind in technischer Beziehung vorwärts gekommen, aber wir sollen auch von der gewonnenen Fertigkeit den richtigen Gebrauch machen. Nicht im Ornament und in der Wiedergabe eines historischen Stils soll der Schwerpunkt liegen, sondern in einem klaren, scharfen Bau, welcher entwickelt ist aus dem Zweck, den das Gerat erfüllen soll, und aus dem Material. Einem so entstandenen Gerüst mag in sinnvoller Weise Fleisch und Blut mit ruhigen Flächen und einer angemessenen Ornamentik gegeben werden. Konstruieren wir wirklich aus dem Bedürfnis heraus, so wird auch das eigentümliche deutsche Wesen unserer Tage in den Leistungen zum charakteristischen Ausdruck gelangen und von unseren Nachkommen in seiner Eigenart erkannt werden, wie wir selbst es an den besten Werken der deutschen Renaissance des 16. Jahrhunderts erkennen. Wo man in dieser Weise ihrem Vorbild gefolgt ist, hat dasselbe auch sehr wohlthätig gewirkt. Dieses Konstruieren aus dem Bedürfnis heraus, diese knappe Strenge, welche alles Ueberflüssige und Wahrheitswidrige abweist, dieses Hochhalten des Tüchtigen und Dauerhaften ermöglicht es, auch den Wünschen der mäßig bemittelten Volksklassen mehr als bisher entgegenzukommen und dieser gesamten kunstgewerblichen Bewegung zu ihrem eigenen Besten wieder den Stempel des Volkstümlichen aufzuprägen.
Heinrich Hoffmann-Donner der Dichter des „Struwwelpeter“ oder – wie ihn der Volksmund in seiner Vaterstadt Frankfurt a. M. kurz bezeichnete – „der Struwwelpeter-Hoffmann“, ist am 20. September daselbst ganz plötzlich, trotz der Jugendfrische, die ihm den schönen Lebensabend bis zuletzt erheiterte, der Last seiner Jahre erlegen. Am 13. Juni 1809 geboren, hatte er sein 85. Lebensjahr in Rüstigkeit überschritten. Die „Gartenlaube“ verliert mit ihm einen treuen Mitarbeiter; ihr gerade war es vergönnt, die letzten seiner litterarischen Arbeiten zu veröffentlichen und in ihnen zugleich bleibende Dokumente sowohl seiner seltenen sich stets gleich bleibenden Herzensfrische als auch der Geschichte jener Wirksamkeit, die ihn zum Liebling und Wohlthäter ganzer Generationen der Kinderwelt weit über die Grenzen des Vaterlandes hinaus werden ließ. In der ersten Nummer des vorigen Jahrgangs durften wir ja, zugleich mit seinem Bild, die eigenen Aufzeichnungen des liebenswürdigen Humoristen über die Entstehung seines in weit über hundert Auflagen verbreiteten ersten Bilderbuchs, des Struwwelpeters, und dessen Schicksale unseren Lesern darbieten und dann in der folgenden Weihnachtsnummer das anheimelnde Gedenkblatt „Der Struwwelpeter bei Kaiser Wilhelm I.“ Wie der litterarische Erfolg dieses ersten Versuchs, in den Bilderbüchern für Kinder der Kindlichkeit wieder zum Recht zu verhelfen, ganz ohne sein Zuthun eintrat, so blieb es der Welt auf lange Zeit unbekannt, daß sie ihn einem gelehrten Arzte verdankte, der sein ernstes Berufsleben als Leiter und Organisator der Frankfurter Irrenheilanstalt ausübte. Erst die Jubiläen, die der Geheime Sanitätsrat Dr. Hoffmann als Mediziner feiern konnte, gaben den Anlaß zu einer allgemeinen Erörterung dieser Autorschaft, und mit verstärkter Sympathie vernahm man nun, daß derselbe tiefgemütliche Zug, der seine Jugendschriften durchdringt, ihn auch auf dem Gebiete der Behandlung Geisteskranker zu einem Reformator gemacht hatte.
Denkmäler für deutsche Naturforscher. In den schönen Anlagen des „Plateaus“ der Stadt Altenburg hat am 30. September die feierliche Enthüllung des Denkmals stattgefunden, das die berühmten altenburgischen Landsleute, den alten Christian Ludwig Brehm und seinen Sohn Alfred Edmund, den Verfasser des „Tierlebens“, sowie Hermann Schlegel, den Zoologen, verherrlichen soll. Inmitten des Rasenplatzes erhebt sich auf einigen Stufen ein hoher Steinobelisk, dessen Spitze ein eherner Stern ziert. Auf drei Feldern des Sockels sieht man die in Bronze gegossenen, künstlerisch und naturgetreu modellierten Medaillonbildnisse der Gefeierten. Solche Denkmäler sind ein erfreuliches Zeichen der dankbaren Pietät, mit der das Andenken von Männern bewahrt wird, die nicht nur der Wissenschaft Dienste geleistet, sondern auch das Wissen in weiteste Kreise des Volkes getragen haben. Ein weiteres Denkmal ist im Berliner zoologischen Garten errichtet worden. Im Asugust dieses Jahres konnte dieser Garten das Jubiläum seines fünfzigjährigen Bestehens feiern. Bei dieser Gelegenheit tauchte lebhafter die Erinnerung an die Verdienste eines seiner ehemaligen Leiter auf, dessen Begabung und Thatkraft die Anstalt ihren großartigen Aufschwung und ihre schönste Blüte verdankt. Es war dies Dr. Heinrich Bodinus, ein Zoolog von Beruf, der im Jahre 1859 den Zoologischen Garten in Köln gründete. 1869 wurde er nach Berlin zur Reorganisation des dortigen zoologischen Gartens berufen und verwandelte ihn bald in eine Musteranstalt. Großartig waren namentlich die Erfolge, die er unter dem rauhen norddeutschen Himmel auf dem Gebiete der Akklimatisation und Züchtung fremder Tierarten erlangte. Bodinus starb am 23. November 1884 in Berlin. Man hat bereits im Jahre 1852 dem Begründer und ersten Leiter des Berliner Zoologischen Gartens Professor Heinrich Lichtenstein ein Denkmal errichtet, nun ist auch die Erinnerung an Bodinus in gleicher Weise geehrt worden. Rechts vom Lichtenstein-Denkmal steht jetzt das Bodinus-Denkmal. Das Marmorbildnis ist lebenswahr von Heinrich Kiesewetter modelliert, um den Sockel hat des Bildners Hand ein Tierfell gelegt, um den Beruf des Gefeierten zu symbolisieren. Mächtige Eichen bilden den Hintergrund und Blumenbeete breiten davor ihren Teppich.
Deutsche Naturfreunde möchten wir bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam machen, daß in neuester Zeit der Entschluß gefaßt wurde, noch einem anderen Manne, der ähnlich wie die beiden Brehm gewirkt hat, ein Denkmal zu errichten. Am 5. Juni starb in Gera Hofrat Prof. Dr. K. Th. Liebe, der von Fach ein ausgezeichneter Geologe und aus Neigung einer der wärmsten Vogelfreunde und größten Vogelkundigen Deutschlands war. Sehr weiten Kreisen des deutschen Volkes ist er namentlich durch seine Förderung des Schutzes der Vogelwelt bekannt geworden. Wahre Meisterwerke sind zwei seiner kleinen Schriften, in welchen Winke zum Aufhängen von Nistkästen und zum Anlegen von Futterplätzen für die im Winter darbenden Vögel gegeben werden. Freunde des Verstorbenen haben nun
[708] beschlossen, sein Andenken durch ein einfaches Denkmal im Walde zu ehren.
Dasselbe soll in einem geologischen Aufbau aus wetterfesten Gesteinen Ostthüringens und einem den Aufbau umgebenden kleinen Vogelhaine bestehen.
An geeigneter Stelle wird das Reliefbild des um die Geologie und Ornithologie hochverdienten Forschers Aufstellung finden. Fürwahr
ein sinniges Denkmal, das vom Herzen kommt und sicher zu Herzen sprechen wird! Die kleinste Gabe wird willkommen sein und von Herrn Hofbuchhändler
R. Kindermann in Gera (Reuß) in Empfang genommen werden. *
Die Wasserfälle von Tivoli. (Zu den Bildern S. 701 und 705.) Nie habe ich ergründen können, wie eine Menge zweifelhafter Vergnügungslokale mit schwindsüchtigen Gartenanlagen, wo der Bierdeckel und die Kegelkugel klappert, zu dem klassischen Namen eines Tivoli kommen konnten, da das Original-Tivoli doch etwas so ganz anderes ist.
Denke ich an das echte Tivoli der römischen Sabinerberge am Anio, so breitet sich vor mir die sonnige Ebene der Campagna di Roma aus, von weißschimmernden Herden und verwitterten Wasserleitungen durchzogen. Der zirpende Sang der Cikaden und Grillen erfüllt die Luft, Eidechsen schießen wie Pfeile über den Weg, hoch am ehernen Himmel zieht ein Falke seine Kreise … und dann steigt sie auf, die vom silbernen Baume der Minerva umwachsene Höhe, die die Hauser des modernen Tivoli und die Reste des antiken Tibur trägt und von der sich der Anio niederschwingt in silbern glänzenden Kaskaden.
Bei dem Ponte Lucano, neben welchem die Plautier sich ihre noch heute wohlerhaltene Familiengrabstätte bauten, zweigt der Weg nach dem Städtchen ab, mühselig zwischen uralten Oelbäumen sich zur Höhe windend …
Tivoli! … Tibur dereinst, das von Horaz – wie oft – begeistert besungene und ersehnte:
„Tibur, das der Pflanzer aus Argos baute,
Würde das mein Sitz – o des Glücks – im Alter;
Würde das mein Ziel, wann ich müd’ von Seefahrt, Märschen und Krieg bin!
Wie mich doch vor allen der Erde jener
Winkel anlacht …“
Und wie viele andere tüchtige Römer erfreuten sich seines Lächelns! Mit unzähligen heiteren Villen bedeckte der Boden sich zur Kaiserzeit. Die Kaiser selbst wohnten hier, besonders Augustus, und um die Villa des Maecenas siedelten sich die Dichter an. Hier erklangen die Liebesweisen des Properz für seine Cynthia, das „goldene Mädchen von Tibur“; hier umkränzte Horaz sich die Stirn mit Epheu und Rosen; hier dichtete Statius, der Bewunderer Virgils; hier wandelten Catull, Martial und Tibull, glücklich im schönen Genießen. Auf dem Berge hatte Quinctilius Varus sein Heim, der das Leben unter südlichen Rosen mit dem Tode unter nordischen düstern Eichen vertauschte …
Ein heiterer Zeuge jener schönen Zeit ist hart am Rande ob den tosenden Fällen über der Neptunsgrotte stehen geblieben: der vom Morgen bis zum Abend von den Strahlen der Sonne durchirrte reizende Sibyllentempel (Albunea, die tiburtinische Sibylle, weissagte in diesem Haine) oder Tempel der Vesta, auch als Heiligtum des Herkules Saxanus angesehen. Von den achtzehn Säulen, die den zierlichen Rundbau umgeben, sind zehn erhalten geblieben, ebenso der elegante Fries mit Stierschädeln und Festons und die schönen Rosetten an der Decke des Portikus. Wir stehen vor dem antiken Bauwerk; von links tönt aus der Tiefe herauf das wilde Tosen des großen Falles, rechts fällt der kleine Strahl wie ein silberner wallender Nymphenschleier über die grünen Ranken hinab ins Thal. Der Vordergrund ist ausgefüllt mit dichtem Gehölz aller Laubarten, aus dem hier und da stolze Pinien und die Pyramiden dunkler Cypressen hervorragen.
Ueberall verstecken sich lauschige trauliche Plätzchen, von keinem Strahl der Sonne getroffen. In der Höhe aber zeigt sich die freundliche helle Stadt, hell auch am Abende, denn die reichen stürzenden Wasserkräfte ihres Teverone, wie heute das Volk den Aniofluß nennt, hat sie zu elektrischer Beleuchtung sich dienstbar gemacht. Eine schön geschwungene Brücke führt zu ihr; unterhalb dieser liegen reizende Felsengärtchen, Hütten an den Abgrund gebaut, wie auf den grünen Ranken schwebend, darunter noch die alten Wege des frühern Falles und tiefe Höhlen, die er im Sturze gewühlt; so die Sirenengrotte, die Neptunsgrotte, durch welche bis 1834 alle Wasser des tobenden Flusses sich drängten, bis sie unter Papst Gregor XVI. zu geregelterem Laufe gezwungen wurden. Die Cascatelle oder kleineren Fälle, die ungezählt überall hervorbrechen, entstehen aus den Wassern, welche der Fluß schon oberhalb des großen Falles an das Land abgiebt.
Im Hintergrunde ragt der in sanften Linien sich aufgipfelnde Monte Catillo. Weinreben und Oelbäume umhüllen seine Seiten. Und steigt man dann zur Tiefe nieder, so wechselt das Bild bei jeder Wegbiegung, und immer üppiger drängt die Vegetation, vom quillenden Wasser getrieben und gelockt, aus den Felsen heraus. Wasserstaub erfüllt die Luft und kräftiger kühler Duft von Laub und Kraut. Die purpurne Pracht der hier jahraus jahrein blühenden Alpenveilchen leuchtet durch das Grün, und in den Wipfeln singen noch immer, wie sie den alten Dichtern sangen, die römischen Nachtigallen. Alle übrigen Töne werden sanft umschleiert
von dem gedämpften Brausen der Fälle, und auch die Seele wird in dem süßesten Traum befangen, sie faltet ihre Flügel schweigend zusammen und lauscht ……Der erzürnte Amor. Was mag ihm begegnet sein, Amor, dem „lächelnden Knaben“, daß seine Rosenlippen sich im Unmut schürzen und er seinen Bogen im Zorne zerbrechen will? Ist sein geflügelter Pfeil von einer gepanzerten Brust machtlos abgeprallt, oder hat er im Eifer des Gefechts ein falsches Herz getroffen, und der unglückliche Liebesschütze muß nun den ganzen Jammer mitansehn, den er angerichtet? Wir wissen es nicht, Amor ist verschwiegen, auch wenn er sich ärgert. Aber etwas ganz Bedenkliches muß es sein, was ihm da widerfahren ist, sonst hätte er sich nicht heimlich hinter Busch und Fels geflüchtet, um seinen Ingrimm an dem unschuldigen Werkzeug seines Berufes auszulassen. Ja, ja – auch dem kleinen Gotte Amor passiert es zuweilen, daß er recht menschlich „einen Bock schießt“.
Schwarzwälder Volkstrachten aus dem Gutachthal. (Zu dem Bilde S. 689.) Vor wenigen Wochen haben wir den Lesern aus Anlaß des Innsbrucker Volkstrachtenfestes darüber berichtet, wie sich in vielen deutschen Gauen das Streben geltend macht, die malerischen alten Volkstrachten zu erhalten, oder, wo die moderne farb- und reizlose halbstädtische Kleidung jene verdrängt hat, ihre Wiedereinführung zu betreiben. Wie in Tirol, so finden sich auch im Schwarzwald noch vielfach Reste der alten, oft geradezu prächtigen Trachten, und wie dort, so giebt es auch hier Leute, die mit Eifer an dem Werke ihrer Neubelebung arbeiten. Ungefähr um dieselbe Zeit, da in Innsbruck der „Kirchtag in Tirol“ vor Tausenden von Zuschauern sich abspielte, hat im Gutachthale im badischen Schwarzwald, bekannt durch die kühne Triberger Bahn und die mächtigen Triberger Wasserfälle, ein ähnliches Fest stattgefunden, wenn auch in kleinerem Maßstabe. In dem Dörfchen Gutach hat seit einigen Jahren eine kleine Malerkolonie ihren Sommersitz aufgeschlagen, W. Hasemann, der treffliche Schilderer von Land und Leuten im Schwarzwald, dann die Stuttgarter Kappis und Reiß. Sie stellten ihr künstlerisches Vermögen in den Dienst des dortigen Vereins zur Erhaltung der Landestrachten und veranstalteten Sonntag den 19. August ein Trachtenfest, bestehend in einer Reihe von lebenden Bildern, welche das Dasein des Schwarzwälder Bauernkindes von der Wiege bis zum Grabe am Auge vorüberziehen ließen. Unser Bild S. 689 zeigt uns zwei der hübschen malerischen Gruppen, die „Brautschmückung“ und den „Besuch bei den Großeltern“, beide gestellt von Fritz Reiß, der sie auch für die „Gartenlaube“ mit einer charakteristischen, Teile der Gutacher Tracht wiedergebenden Randzeichnung eingerahmt hat.
Möge auch hier unter den Tannen des Schwarzwalds der ausgestreute Same aufgehen und Früchte tragen zur Augenweide auch der kommenden Geschlechter!
Inhalt: Schwarzwälder Volkstrachten aus dem Gutachthal. Bild. S. 689. – Um fremde Schuld. Roman von W. Heimburg (5. Fortsetzung). S. 690. – Die Obstkammer Berlins. Von Richard Nordhausen. S. 696. Mit Abbildungen S. 693, 696, 697 und 698. – Sonnenlicht und Sonnenkraft. Von Prof. Dr. L. Büchner. S. 699. – Die Kaskaden von Tivoli. Bild. S. 701. – Die Sklaven. Novelle von Ernst Eckstein (1. Fortsetzung). S. 702. – Tempel der Sibylle und Neptunsgrotte in Tivoli. Bild. S. 705. – Das Ornament im Kunstgewerbe. Von Georg Buß. S. 706. – Blätter und Blüten: Heinrich Hoffmann-Donner. S. 707. – Denkmäler für deutsche Naturforscher. S. 707. – Die Wasserfälle von Tivoli. Von W. Kaden. S. 708. (Zu den Bildern S. 701 und 705.) – Der erzürnte Amor. Mit Abbildung. S. 708. – Schwarzwälder Volkstrachten aus dem Gutachthale. S. 708. (Zu dem Bilde S. 689.)