Die Gemäldeschlacht

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Paul vor Felix. Zwei Blätter – Zweites Blatt W. Hogarth’s Zeichnungen, nach den Originalen in Stahl gestochen/Zweite Abtheilung (1840) von Franz Kottenkamp
Die Gemäldeschlacht
Die Zeit beräuchert ein Gemälde
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Die Gemäldeschlacht.
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DIE GEMÄLDE-SCHLACHT.
THE BATTLE OF THE PICTURES.

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Die Gemäldeschlacht.
(The battle of the pictures.)




Wie Hogarth in dem vorhergehenden Blatte die holländische Malerschule verhöhnte, trifft sein Spott hier die altitalienische oder vielmehr die Weise, wie die angeblichen Werke altitalienischer Meister damals in England gesucht und ausgeboten wurden. Seit dem Beginn des vergangenen Jahrhunderts war es unter der Aristocratie Englands gewissermaßen zur Mode geworden, die Wohnungen mit Gemälden von Werth auszuschmücken, so daß die italienischen Kunsthändler Großbritannien als den ergiebigsten Markt zu betrachten begannen. Wahrer Geschmack und wahre Kunstkenntniß war jedoch nur bei Wenigen damals anzutreffen, so daß eine bedeutende Betrügerei möglich war. Die Mode erheischte Werke von älteren Meistern; die der Zeitgenossen wurden somit nicht in derselben Weise bezahlt. Hogarth fühlte sich dadurch gekränkt und gab seinen Gedanken in der vorliegenden Zeichnung wieder, welche sich über dem Zulassungsbillet (Admission ticket) [914] zu der Auction seiner Gemälde befand, die er, wie in der Biographie erwähnt wurde, im Jahre 1745 veranstaltete, und die ihm eine Kleinigkeit im Verhältniß zu den Summen einbrachte, womit man jetzt seine Originalbilder bezahlt.

In der Ecke des Blattes befindet sich die Bude eines Auctionators mit einem Wetterhahn auf der Spitze (ein bekannter Auctionator zu Hogarth’s Zeiten hieß Cock – Hahn), und unter demselben ein Kreuz, welches sonst die vier Weltgegenden anzeigt, allein hier die Buchstaben P.U.F.S. also Puffs (Windbeuteleien) zeigt. An der Thüre steht ein Portier, welcher durch die Länge seines Stabes vollkommene Ehrfurcht für die Bude erwecken kann, ob diese auch sonst verfallen ist. Auf der andern Seite hängt ein Porträt in einem verhältnißmäßig colossalen Rahmen, so daß es beinahe wie ein Glühwurm in einer Sandgrube erscheint. Vor dem Hause ist ein Panier mit dem Hammer eines Auctionators aufgesteckt. Dann folgen die Kunstwerke, welche die Käufer herbeilocken sollen. Zuerst kommt der heilige Andreas mit dem Kreuz; alsdann Marsyas, von Apoll geschunden, auf welchem Bilde der Patient sich mit der Ruhe eines Stoikers der Operation unterwirft; hierauf der Raub der Europa. Wie man aus dem folgenden Bilde, bei dem heiligen Andreas und bei der Europa sieht, sind Exemplare dieser Sujets, wohl auch sämmtlich von einem und demselben Meister, bis in’s Unendliche wiederholt, in einer langen Reihe aufgestellt. Jene altitalienischen Maler müßten nämlich mit der Schnelligkeit einer Druckerpresse gearbeitet haben, wenn alle ihnen zugeschriebenen Stücke in den Gallerieen Europa’s wirklich von ihnen verfertigt worden sind.

Seitwärts von diesen Stücken wird die Gemäldeschlacht geliefert. Hogarth’s versteigerte Bilder werden von denen der älteren Schulen angegriffen. Der Erfolg ist verschieden; auf dem Erdboden unterliegen sie dem Angriff, in der Luft erfechten sie einen Sieg. Ein „heiliger Franciscus“ durchbohrt die alte Jungfer auf dem „Morgen“; eine „büßende Magdalena“ reißt ein Loch in das dritte Bild des „Weges einer Buhlerin“; eine Copie des antiken Wandgemäldes, welches unter dem Namen „Aldobrandinische Hochzeit“ bekannt ist, durchstößt das zweite [915] Bild der „Modeheirath“; eine „Europa“ und ein „Marsyas“ von den vorn aufgestellten Reihen kömmt noch hinzu, um den Sieg zu vollenden, findet aber keine Arbeit mehr übrig.

Auf andere Weise endet der Kampf in der Luft. Dort erfechten Hogarth’s Bilder den Sieg, oder, mit andern Worten, die Schilderung des frischen Lebens siegt über die Darstellung eingebildeter und nur in der Phantasie bestehender Handlungen. Die ausschweifende Gesellschaft, aus dem „Wege eines Liederlichen“ (drittes Bild), zerreißt die „Versammlung olympischer Götter,“ welche, auf ihren Wolken thronend, sich zur Tafel gesetzt haben, um den Kopf eines wilden Schweines zu verzehren. Der Kenner der Mythologie wird die einzelnen Gottheiten mit aller Strenge ihrer Attribute dargestellt erkennen. In derselben Weise wird ein „Bacchanal“ von Satyren und Bacchantinnen durch die „Punschgesellschaft“ Hogarth’s überwunden. Dies Bacchanal ist in der Art dargestellt, daß der Esel des Silen im Vordergrunde die Hauptperson zu sein scheint.

Hogarth hat offenbar mit dieser Skizze sagen wollen, wenn er auch selbst die Summen nicht erhalte, welche man für altitalienische Meister bezahle, so seien seine Bilder doch eben so viel werth, und würden später in derselben Weise geschätzt werden. Der Kampf auf der Erde soll die Gegenwart, der Kampf in der Luft die Zukunft bedeuten. Hierin hat ihm die Folgezeit Recht gegeben. Für seine beste Bilder-Reihe, die Modeheirath, welche auf der Auction, wozu er durch diese Skizze einlud, versteigert wurde, erhielt er nur 200 Guineas; nach seinem Tode, 1797, bezahlte der Bankier Angerstein dafür 1381 Pfund, und die 1823 gegründete National-Gallerie (National Gallery) hat noch mehr dafür gegeben, als die Sammlung desselben angekauft wurde.