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Die Geschichte der Erde

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Textdaten
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Autor: L. B–r.
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Titel: Die Geschichte der Erde
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 9, S. 120–122
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Die Geschichte der Erde.

Geschichte der Erde? wird vielleicht mancher unsrer Leser staunend fragen, indem er den Titel unsers Aufsatzes erblickt. Kann man auch eine Geschichte der Erde schreiben? Wo sind die Geschichtsbücher, in denen die Schicksale unsres Erdballs verzeichnet stehen? – Sogleich, antwortet die heutige Wissenschaft auf diese Fragen, werde ich Dir, mein lieber Ungläubiger, diese Bücher zeigen, welche zwar nicht auf Papier, auch nicht auf Pergament, aber um so dauernder und unverwüstlicher auf Stein und Felsen, auf Berge und Thäler geschrieben stehen. Diese Bücher erzählen uns bis in’s Einzelnste herab, was seit Millionen und aber Millionen Jahren auf dem kleinen Sterne geschehen ist, den wir jetzt im unermeßlichen Weltall bewohnen, und dieses nicht selten genauer und zuverlässiger, als uns die Geschichte der Menschen bekannt ist, welche vielleicht nur wenige Jahrhunderte vor uns gelebt haben. Ein solches Resultat ist allerdings staunenswerth, und beweist·hinlänglich für die Größe des menschlichen Geistes und für die Größe des Jahrhunderts, in welchem wir leben. Die Geschichte der Erde ist eine neue Wissenschaft und vielleicht eines der herrlichsten und großartigsten Wissensgebiete, welche der menschliche Geist umfaßt. Wer hätte es noch vor hundert Jahren für möglich halten können, daß man heute im Stande sein würde, eine Geschichte der Erde zu schreiben! Daß man Kenntnisse und Aufschlüsse der sichersten Art über Dinge gewinnen würde, die für immer mit dem Schleier eines undurchdringlichen Geheimnisses bedeckt schienen!

Was sind die sechstausend Jahre, welche die Menschen- und Völkergeschichte umfaßt, im Vergleich zu den endlosen Zeitspannen, von denen die Geschichte der Erde zu reden hat! Diese merkwürdige, Geist und Phantasie erhebende Wissenschaft führt uns in Zeiten und Regionen ein, da noch nichts von dem vorhanden war, was uns heute umgiebt und da der Mensch, diese Krone der Schöpfung, noch lange nicht zum Dasein erwacht war. Was kann Wissenswürdigeres gedacht werden, als eine solche Kenntniß, welche der Formen von Zeit und Raum beinahe zu spotten und uns über unsere irdische Mangelhaftigkeit und Beschränktheit zu erheben scheint? Und sollte man es für möglich halten dürfen, daß heutzutage noch gebildete Menschen existiren, welche von der Geschichte der Erde so viel wie Nichts wissen! Welche nicht wissen, wie alt die Erde und aus was sie entstanden ist! Welche nicht wissen, daß da, wo sie heute vielleicht zwischen Schnee und Eis ihren Weg suchen, einst prachtvolle Palmenwälder standen, in denen ungeheure Elephantenheerden und Riesenhirsche weideten! Welche endlich vielleicht keine Ahnung davon haben, daß sie selbst nur auf die dünnen Schaalen eines ungeheuren, nie verlöschenden, aus tausend Schloten emporrauchenden Feuerherdes ihre gebrechliche Existenz aufgebaut haben!

Genug hiervon! Wer auch nur die dürftigsten Andeutungen über dieses Thema vernommen hat und nicht ein ganzer Philister an Kopf und Herz ist, wird von der Begierde ergriffen werden, die Grundzüge dieser jüngern und interessanten Wissenschaft kennen zu lernen, und sich über Dinge zu unterrichten, deren Kenntniß beinahe aus einer überirdischen Welt zu stammen scheint. Dabei wird er sich überzeugen, daß diese Kenntniß, so erhaben und imponirend sie auch auf den ersten Anblick erscheint, doch nur auf den einfachsten und natürlichsten Wegen gewonnen wurde. Der hauptsächlichste und vornehmste dieser Wege besteht in der Kenntniß der sog. Versteinerungen, von denen ohne Zweifel jeder unserer Leser schon gehört oder gelesen hat.

Die Versteinerungen sind in Stein verwandelte Ueberreste oder Abdrücke organischer Wesen, welche einst die Erde bewohnt haben und nun aus dem Schooße derselben, in dem sie vergraben liegen, hervorgeholt werden, um unwiderlegliches Zeugniß für das einstmalige Dasein organischer Welten abzulegen. Es mag eigenthümlich und bezeichnend für das Wesen des menschlichen Geistes erscheinen, daß es so langer Zeit bedurfte, bis man daran dachte, diese merkwürdigen Naturfunde als das zu erkennen, was sie wirklich sind, d. h. als die wirklichen Reste großartiger untergegangener Pflanzen- und Thierschöpfungen. Bis vor nicht allzu langer Zeit hielt man die Versteinerungen, deren Dasein natürlich nicht [121] lange verborgen bleiben konnte, für nichts weiter, als für sogen. Naturspiele, und dachte, die Natur habe sich darin gefallen, in dem Schooß der Erde und der Felsen gewissermaßen Zerrbilder der lebenden Wesen niederzulegen. So lange dieser Glaube herrschte, konnte natürlich von einer wissenschaftlichen Erkenntniß der Erdentwicklung nicht die Rede sein.

Selbst jetzt noch kommt es dem Laien, der diese merkwürdigen und zahllosen Reste und Zeugen untergegangener Welten nicht aus eigener Anschauung kennen gelernt hat, wunderbar, ja mitunter unbegreiflich vor, wie man so weitgreifende Schlüsse in Bezug auf die Geschichte der Erde aus ihnen hat ziehen können. Gewiß aber schwinden diese Zweifel Demjenigen, der auch nur einmal Gelegenheit hatte, sich mit eigenen Augen von dem massenhaften Dasein jener untrüglichen Dokumente der Erdgeschichte zu überzeugen. Mit der Erkenntniß der Versteinerungen als solcher hat die Naturforschung einen ihrer riesenhaftesten Fortschritte gemacht, einen Fortschritt, dem nur die allerbedeutendsten Phasen der wissenschaftlichen Entwicklung des Menschengeschlechtes an die Seite gesetzt werden können. Die Versteinerungen sind für den Naturforscher das Nämliche, was Münzen, Geräthe, Statuen u. dergl. für den Geschichts- und Alterthumsforscher sind, und beide ziehen aus diesen Resten die gleichen, für jedes ihrer Wissensgebiete untrüglichen Schlüsse. Daher hat man auch mit vollem Rechte die Versteinerungen die Denkmünzen der Erde genannt. Derjenige muß kein Herz für Großes haben, der diese ehrwürdigen, uralten Zeugen verlorener Welten ohne innere Bewegung oder doch ohne ein Gefühl des lebhaftesten Interesses anzusehen im Stande ist!

Die Geschichte der Erde, obgleich unmessbare Zeiträume umfassend, ist doch in ihren Hauptzügen eine einfache und nicht schwer zu enträthselnde, sobald die Grundbedingungen bekannt sind, durch welche sie erzeugt und geleitet wird. Diese Grundbedingungen ruhen in zwei gewaltigen Naturkräften, deren Aeußerungen wir tagtäglich unter unsern Augen im Kleinen zu beobachten Gelegenheit haben —— den Kräften des Feuers und des Wassers. Seitdem die Erde als Einzelwesen besteht, kämpfen diese beiden furchtbaren Gewalten um ihren Besitz und ihre Herrschaft, und ihre ganze Geschichte ist nichts weiter, als die Erzählung der einzelnen Ereignisse dieses unaufhörlichen Streites: In diesem Kampfe ist das Wasser das immerwährend zerstörende und niederlegende, das Feuer das immerwährend schaffende und aufbauende Prinzip. Besäße das Wasser die alleinige Herrschaft der Erde, es würde zuverlässig nach und nach alle Unebenheiten der Erdoberfläche vernichten und ausgleichen und dieselbe überall in ein ungeheures, zehntausend Fuß tiefes Meer verwandeln.

Keine noch so hohen Berge oder noch so festen Felsen würden im Stande sein, seiner vernichtenden, innerhalb ungeheurer Zeiträume wirkenden Gewalt einen dauernden Widerstand entgegenzusetzen. Aber was das Wasser zerstört und zu Boden legt, richtet das Feuer mit leichter Mühe und um so höher und mächtiger wieder auf. Immerwährend quellen aus dem flüssigen glühenden Erdinnern Berge, Inseln und Länder auf, welche das Wasser in seine bestimmten Grenzen zurückweisen. Dieser glühende Erdboden oder das s. g. Centralfeuer verdankt seine Entstehung der allerfrühesten Bildungsperiode der Erde. Wie alle Weltkörper verdichtete sich dieselbe zu ihrer jetzigen Gestalt und Größe aus einer ungeheuren Nebel- und Dunstmasse und erzeugte bei dieser Verdichtung einen solchen Grad von Wärme, welcher alle ihre Bestandtheile in eine feuerflüssige Masse zu verwandeln im Stande war. Heute noch kennen wir keinen Bestandtheil der Erdrinde, der nicht auch auf künstliche Weise und durch Menschenhände vermittelst hoher Hitzgrade in einen flüssigen Zustand gebracht werden könnte. Nachdem sich die oberste Decke jener Glutkugel durch Ausstrahlung in den kalten Weltraum erkältet hatte und so zu einer festen Rinde um den flüssigen Kern geworden war, schlug sich die umgebende Wasserdunstmasse theilweise als Wasser auf derselben nieder, und mit diesem Moment beginnt jener ewige Kampf zwischen den Mächten der Ober- und denen der Unterwelt um den Besitz der beide von einander trennenden Erdrinde. Indem sich die erste Erstarrungskruste in Folge eines allgemeinen Gesetzes, dem alle erkältenden Körper folgen, fortwährend über ihrem flüssigen Inhalt zusammenzieht, der außer Stande ist, diesem Drucke nachzugehen, kann es nicht anders sein, als daß zahlreiche Spalten, Risse, Zerklüftungen in derselben entstehen, durch welche jener Inhalt theils zu Tage tritt, theils die über ihm gelegenen Erd- und Gesteinsschichten zerreißt, verändert, empor- und durcheinanderwirft, überfluthet u. s. w. Währenddessen ist das Wasser unaufhörlich beschäftigt, alle jene durch die Bewegung des Erdinnern entstandenen Hervorragungen und Erhabenheiten sogleich wieder aufzulösen, abzuflachen und die aufgelösten Theile an tiefer gelegenen Stellen wieder zu Boden fallen zu lassen. Auf diese Weise entstehen die s.g. Erdschichten, deren wir eine große Anzahl über einanderliegender kennen und welche sich alle innerhalb ungeheurer Zeiträume aus dem Wasser abgesetzt haben. Ihre Ruhe wurde und wird fortwährend gestört durch die unaufhörliche Reaktion des Erdinnern gegen seine Oberfläche, welche wir soeben beschrieben haben; sie werden emporgehoben, durch- und übereinandergestürzt, bei Seite gedrängt u. s. w. Auf diese Weise entstehen Berge und Thäler, Seeen und Meere, Inseln und Continente. Was Jahrtausende unter den Wogen des Meeres begraben lag, wird morgen als majestätischer Bergrücken zu den Wolken emporgehoben, und ehemalige Länder und Berge versinken für immer in eine Tiefe, in welche kein sterbliches Auge dringt.

Diese Erhärtungskruste der Erde, an welcher fortwährend so mächtige Kräfte zerstören und aufbauen und welche dem menschlichen Geschlechte als alleiniger Aufenthaltsort angewiesen ist, ist natürlich im ewigen Lauf der Zeiten durch Abkühlung und andere Umstände immer dichter und mächtiger geworden — eine Mächtigkeit, welche indessen im Vergleich zu der Dicke der Erde selbst immer noch so gering ist, daß man dieses Verhältniß mit dem Größen-Verhältniß verglichen hat, welches die Schaale einer Citrone zu deren Innerem darbietet. Mit einem Gefühl von Schauder erkennen wir demnach, daß Alles, was lebt, auf dem dünnen Mantel eines ungeheuren, nie verlöschenden Feuerherdes wandelt, und daß die alte Redensart „Fest wie der Erde Grund“ vor dem Auge der Wissenschaft heute zu einer Illusion geworden ist. Die Vulkane, die Erdbeben und die heißen Quellen dienen uns heute noch als untrügliche Zeugen und Beweise für das Dasein des Centralfeuers, welches zwar noch kein Menschenauge gesehen, aber der Menschengeist mit vollkommner Sicherheit erschlossen hat. Mit Unrecht fühlen wir uns aus langjähriger Gewohnheit sicher und ohne Furcht auf dieser zerbrechlichen Erdschaale. Die Erdbeben, welche unzweifelhaft ihren Ursprung aus dem tiefen und beweglichen Erdinnern nahmen und sich nicht selten über ein Zehntel oder ein Dreizehntel der ganzen Erdoberfläche auf einmal erstrecken, können ganze Städte in einem Nu versinken machen oder durch das Meer hinwegspülen lassen. Nicht selten öffnen sich mit Einemmale während solcher Erdbeben die Weichen des ungeheuren Glutballs in großer Ausdehnung und lassen Spalten entstehen, welche Feuer, Asche und glühende Massen ausspeien — so auf Guadeloupe im Jahre 1843, wo auf einmal 6000 Menschen durch ein solches Ereigniß umkamen.

Viele, welche mit den Thatsachen und Resultaten der geologischen Wissenschaften nur theilweise oder oberflächlich vertraut sind, können sich nicht von der falschen Vorstellung los machen, das Werk der Erdgestaltung sei für alle Zeiten vollendet, und wir stünden heute an dem letzten Abschnitt jener gewaltigen Erdrevolutionen, deren Erzeugnisse jetzt nur noch wie Denkmäler des Vergangenen vor unsern Augen lägen. Diese Ansicht ist eine ganz irrige. Die Erdoberfläche befindet sich in einer ewigen und andauernden Wandlung und ist in jeder Minute eine andere. Das ganze Werk der Erdgestaltung, die ganze Geschichte der Erde sind nichts mehr und nichts weniger, als die Wirkung und das Resultat derselben Naturkräfte und derselben Naturereignisse, welche noch heute und immerwährend unter unsern Augen an der Erdoberfläche thätig sind. Dieses Resultat scheint uns auf den ersten Anblick nur darum außer Verhältniß zu seinen Ursachen zu stehen, weil wir nicht sogleich an die Unermeßlichkeit jener Zeiträume denken, welche die Erde bedurft hat, um nach und nach bis auf ihre heutige Entwicklungsstufe zu gelangen. Diese Zeiträume sind fast endlos zu nennen, und die geologischen Wissenschaften lassen nicht den geringsten Zweifel darüber, daß während derselben niemals andere Kräfte an dem Bau der Erdrinde gewirkt haben, als heute noch an demselben wirken. Nur darüber besteht ein noch andauernder wissenschaftlicher Streit, ob anzunehmen sei, daß jene endgestaltenden Kräfte in vorweltlicher Zeit im Verhältniß zu heute stärker wirkende gewesen seien, oder ob nach dem Vorgange des berühmten englischen Geologen Lyell nicht einmal eine solche Vorstellungsweise zu gestatten, sondern anzunehmen sei, daß jene [122] Kräfte niemals in anderer Weise oder auch nur mit größerer Machtentfaltung an dem Bau der Erdrinde gewirkt hätten, als sie noch heute an demselben wirken. Der Raum verbietet uns, auf das Nähere dieser interessanten und wichtigen Frage hier weiter einzugehen. Wer sie genauer kennen lernen will, wer überhaupt wissen will, auf welche Weise sich die Erde und die sie bevölkernde organische Welt durch ungeheuere Zeiträume hindurch nach und nach und stufenweise zu ihrer heutigen Gestalt und Vollkommenheit entwickelt haben, der muß sich in der zahlreichen und vortrefflichen Literatur über diesen Gegenstand einen Lehrer und Wegweiser suchen. Dieses ist um so leichter, als die Wissenschaft von den Entwicklungsverhältnissen der Erde in ähnlicher Weise wie die Astronomie eine solche ist, welche in ihren hauptsächlichsten Umrissen und Resultaten von jedem Gebildeten leicht begriffen werden kann. Unter den populären Bearbeitungen der Erdgeschichte, welche in den letzten Jahren in Deutschland erschienen sind, wüßten wir keine, welche wir mit besserem Gewissen unsern Lesern empfehlen könnten, als die Schrift von Roßmäßler: Geschichte der Erde, eine Darstellung für gebildete Leser und Leserinnen, Frankfurt, bei Meidinger, 1856. Roßmäßler, bekanntlich einer unserer beliebtesten und angesehensten Schriftsteller im Gebiete populärer Naturwissenschaft, hat mit diesem seinem neuesten Werk abermals ein Zeugniß für seine vorzügliche Befähigung in Behandlung dieser schwierigsten Art wissenschaftlicher Darstellung abgelegt. Niemand wird das Buch ohne ein Gefühl von innerer Befriedigung und zugleich von Bewunderung für die Forschungskraft des menschlichen Geistes aus der Hand legen. Wer in seinem Innern noch Zweifel darüber hegt, ob auch Alles, was uns die Geologen über die Vergangenheit und die Gegenwart unserer Erde versichern, auf unumstößlicher Gewißheit beruhe, wird diese Zweifel vor der klaren und überzeugenden Sprache dieses Buches und vor den darin ausgeführten sprechenden Thatsachen und Beweisen schwinden sehen. Der gewissenhafte Verfasser hält sich in seiner Darstellung nur an Thatsachen und vermeidet mit Recht jede Art unbegründeter Hypothese oder Schöpfungsgrübelei. Zahlreiche vorzügliche Abbildungen des auch sonst schön ausgestatteten Buches kommen überall dem Verständniß, welches ohne dieselben nur ein halbes sein würde, auf’s Glücklichste zu Hülfe und lassen den Leser hinter seinem Pulte ohne Mühe eine Reise durch alle Phasen und Wunder der Geschichte der Urwelt machen.

Was wir übrigens als einen ganz besondern und eigenthümlichen Vorzug dieses Buches, der dasselbe vor allen ähnlichen auszeichnet, hervorheben müssen, das ist die Anordnung seines Inhaltes in der Weise, daß die Darstellung nicht mit der Vergangenheit, sondern mit der Gegenwart der Erdgeschichte anhebt. Diese neue und gewiß praktische Idee des ausgezeichneten Verfassers findet ihren natürlichen Grund in dem, was wir bereits weiter oben über den Charakter der endgestaltenden Kräfte darzulegen Gelegenheit fanden. Diese Kräfte sind niemals und zu keinen Zeiten andere gewesen, als solche, welche noch heute und unter unsern Augen an der Gestaltung der Erdoberfläche arbeiten. Was die Gegenwart bewegt, bewegt auch die Vergangenheit, und indem wir die erstere kennen lernen, wird uns die letztere ihren inneren Motiven nach beinahe von selbst klar. Indem uns Roßmäßler das Jetzt kennen lehrt, bereitet er uns auf’s Trefflichste vor, das Einst und Sonst der Erdzustände mit Leichtigkeit begreifen und verstehen zu lernen. Indessen mögen wir an dieser Stelle die Bemerkung nicht unterlassen, daß es uns scheint, als führe dem Verfasser sein Streben, die Vergangenheit durch die Gegenwart zu erklären, etwas allzu weit auf die Seite derjenigen, welche annehmen, die Naturkräfte hätten auch in der Vorwelt niemals mit größerer Intensität gewirkt, als heute, da es doch hinlängliche natürliche Erklärungsgründe für die entgegengesetzte Annahme giebt. Auch über die bisher ziemlich allgemein gültige Theorie von der allerersten Entstehung der Erdkugel wie der Weltkörper überhaupt scheint uns Roßmäßler etwas zu sehr zweifelnden oder negirenden Ansichten zu huldigen. Für diese Theorie sprechen so viele unabweisbare Thatsachen der Astronomie und Geologie, daß dieselbe gewiß als etwas mehr denn als eine „durch und durch in der Luft schwebende Hypothese und deßwegen ohne alle Bedeutung“ betrachtet werden darf.

Mag dies übrigens sein wie es wolle, der Leser des Roßmäßler´schen Buches kann sicher sein, daß er darin nur Wahrheit und Wissenschaft in eleganter und allgemeinverständlicher Darstellung, findet, und er wird dasselbe mit Recht weit allen jenen, leider nur zu oft auf den Unverstand oder die Neugierde des Publikums berechneten Machwerken von unbekannten Verfassern vorziehen, sollten dieselben auch in Blättern und Zeitungen drei- und vierfach energischer und häufiger annoncirt und angepriesen werden.
L. B.–r.