Die Heilige im Theaterskandal
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Die Heilige im Theaterskandal
(Anläßlich des Vorfalls in der Wiener Hofoper, März 1913)
Der Taktstock des Dirigenten rollte in das Orchester hinab.
Aufheulten Geigen, – Posaunen stürzten kopfüber ins Grab.
Der Chor stob durcheinander, lachend im Lichteffekt,
Der Bariton erbrach sich, furchtbar vor einem Prospekt.
Fühlte die raschen Gelächter um ihren Hals als Lassoschnur.
Aus schwarzem Raume schossen furchtbare Vögel her,
Schlugen mit Flügeln das Fräulein, saßen auf seinen Schultern schwer.
Aus holdem Munde fielen viel kleine Töne, ohne Sinn.....
Doch siehe! Eh’ sie noch verging und einen Schritt tat rampenwärts,
Erwachte sie und Jesus der Schwimmer warf sich jauchzend in ihr Herz.
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Und plötzlich wußte sie sich stehn in aller Feindschaft dieser Welt,
Und ließ die lieben Füße lächelnd, dem Tier, das bellt.
Wußte, daß lumpige Kinder vor scheußlichen Asylen stehn.
Wußte, daß eine Kerze wo einem Tod zuschaut.
Wußte ein Schreckenstelegramm im Zimmer einer Braut.
Wußte, daß jetzt der Blizzard ein weißes Zelt umknallt.
Wußte, daß ein Verbrecher umtaumelnd in der Zelle brüllt.
Wußte, daß jetzt ein Kranker die Decke rasend zerknüllt. –
Wußte (im höchsten Skandal) ihr Leid im ganzen Leid.
Um ihre Stirne brannte Gottes Feuer und Heiligkeit.
Sank sie, ein leiser Engel, den Edeldamen in die Hand.