Die Kammgarnspinnerei und Kämmerei von Gebrüder Schilbach am Hirschstein bei Mylau
[166] Göltzschthalbrücke begegnen wir dem Etablissement der Gebrüder Tröltzsch und dem von F. L. Winkelmann. Von Mylau aufwärts begegnen uns an dem Hirschstein die Etablissements von Franz Merkel, der Gebrüder Schilbach und weiter hin noch die von Petzold und Ehret, J. G. Gloß sen., Ferdinand Bonitz u.s.w.
Dieser kurze Ueberblick wird genügen, günstiges Zeugniß von der in dieser Gegend herrschenden Regsamkeit abzulegen und werden wir mehrere der hier genannten Etablissements späterhin ausführlich besprechen.
Bei Mylau öffnet sich ein romantisches, enges, von der Göltzsch durchflossenes Thal, dessen einen Schlußpunkt unweit des Städtchens der Hirschstein bildet, eine steil aufsteigende gewaltige Felsenmasse, die ihren Namen bei Gelegenheit einer Jagd des Kaiser Karl IV. erhielt, wo ein verfolgter Hirsch in Todesangst sich von der steilen Höhe hinab in die am Fuße des Felsens vorbei rauschende Göltzsch stürzte und glücklich entkam.
In der Nähe dieses Felsens begegnet das Auge einem aus dem umgebenden, dunklen Grün freundlich hervorleuchtenden stattlichen Gebäudecomplex, dem Etablissement der Gebrüder Schilbach.
Dasselbe liegt gänzlich abgeschlossen in der Flur des Dorfes Roitzschau, dicht an der Göltzsch, eine halbe Stunde von Reichenbach und eine Viertelstunde von Mylau entfernt. Die große Eisenbahnbrücke befindet sich südlich in einer Entfernung von ohngefähr vierzig Minuten.
An Gebäuden besitzt das Etablissement
- ein Hauptgebäude mit der Wohnung des Besitzers und vier über einander liegenden Arbeitssälen, in denen die nöthigen Maschinen aufgestellt sind;
- ein Seitengebäude, die Wollwäscherei, Schmiede und vier Arbeitssäle enthaltend;
- ein zweites Seitengebäude mit Gewölben, Böden und Wohnungen;
- ein zweites Hauptgebäude, wo sich im Parterre Ställe und Remisen, im ersten Stock und im Dachraum aber Woll- und Sortirsäle und Getraideböden befinden; ferner
- eine Kohlenremise und
- eine Scheune.
An die Gebäude schließt sich ein zwar nicht großer, aber freundlicher Garten, und es gehören noch dazu längs der Göltzsch liegende schöne Wiesen von guten Feldern begränzt, circa dreißig Acker enthaltend.
Als Branchen umfaßt das Etablissement
- die Maschinen-Wollkämmerei und
- die Kammgarnspinnerei.
Die Haupterzeugnisse sind Kammgarne, namentlich in den Nummern 30 bis 60, und dieselben finden ihren Absatz vorzüglich in den Zollvereinsstaaten, sowie nach Rußland und Oesterreich, zum Theil durch Vermittelung, eigener Agenten.
[169] Die Kammgarne befanden sich 1845 auf der Industrieausstellung zu Dresden und erhielten daselbst die große silberne Medaille. Später wurde von hier aus keine Ausstellung mehr beschickt.
Die Hauptkraft zur Bewegung der Maschinen ist Wasser, durch eine Turbine von fünfundzwanzig Pferdekraft; außerdem ist noch eine Dampfmaschine von fünfundzwanzig Pferdekraft aufgestellt.
In fortwährender Beschäftigung sind hier ein Comptoirist, zwei Maschinisten und einhundert und zwanzig Fabrikarbeiter, von denen als vorzüglich ausgezeichnet der Werkmeister Friedrich August Hering und der Kammmeister Franz Hupfer zu erwähnen sind.
Als seine Gründer nennt das Etablissement
- Herrn Wilhelm Joseph Schilbach in Mylau und
- Herrn Franz Ludwig Schilbach am Hirschstein.
Das Grundstück, worauf sich das Etablissement befindet, war seit 1810 Eigenthum der beiden Gründer und wurde von dem Vater derselben, Herrn Christian August Schilbach zum größten Theil urbar gemacht, bis es 1826 Herr Wilhelm Schilbach selbst in die Hand nahm, und Feld und Wiesen vollendete. Im Jahre 1836 kehrte Herr Ludwig Schilbach nach einundzwanzigjähriger Abwesenheit in seine Heimath Mylau zurück und verband sich nun mit seinem Bruder zur Gründung einer Kammgarnspinnerei. Dieses Projekt wurde nun auch rasch und mit Energie ins Werk gesetzt, so daß schon im September 1838 das erste Kammgarn geliefert werden konnte. Gleich bei dem ersten Auftreten gewannen die Erzeugnisse dieser Spinnerei allgemeine Anerkennung und einen bedeutenden Ruf, den sie sich bis heute rühmlich bewahrt haben; auch die Firma erfreute sich bald eines guten Klanges in der Geschäftswelt, welchen fortwährend zu verdienen beständig ihr eifriges Streben war.
Noch im Jahre 1838 entstand in Verbindung und auf Veranlassung des berühmten Hauses Morand u. Comp. in Gera eine mechanische Weberei für Thibet und Mousseline de laine auf Schönherrschen Webemaschinen, welche drei Jahre mit dem besten Erfolg bestand, aber aus verschiedenen Gründen im Jahre 1842 wieder aufgelöst wurde; der dadurch gewonnene Raum erhielt nun wieder Spinnmaschinen.
Im Jahre 1856, nachdem Herr Wilhelm Schilbach kinderlos geworden, trat derselbe aus dem Geschäft und an seiner Stelle Herr Max Woldemar Oehme als Theilhaber in dasselbe ein. Auf den Gang des Geschäftes hatte diese Besitzveränderung keinerlei Einfluß und es wird dasselbe von den Herren Ludwig Schilbach und Oehme unter der alten, wohl renommirten Firma „Gebrüder Schilbach“ ganz in früherer Weise fortgeführt.