Die Pilatusbahn

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Autor: Johann Jakob Hardmeyer-Jenny
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Titel: Die Pilatusbahn
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aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 206–208
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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[204]

Die Pilatusbahn.
Originalzeichnung von J. Weber.
I. Mittagsrast der Arbeiter auf der Mattalp. – II. Die Pilatusbahn auf der Mattalp und an der Eselswand gegen Pilatuskulm. – III. Umladen eines Materialzuges. – IV. Abladen und Weiterbeförderung der tessinischen Granitplatten. – V. Befestigung der Zahnstange. – VI. Küchenhütte [der] Ingenieure. – VII. Angriff des Bahnbaus an der Wand des „Esels“.

[206]

Die Pilatusbahn.

Mit Illustration S. 204 und 205.

Schon wieder eine neue Bergbahn! Hat die Schweiz deren nicht schon übergenug? Soll die Bequemlichkeit, welche zur Blasirtheit führt, immer mehr gehätschelt, das freie, frohe Wandern auf die Höhen immer mehr zurückgedrängt werden? Die Bedenken, welchen diese Frage entspringt, haben in gewisser Beziehung ihre Berechtigung, sie haben aber auch ihre Grenzen.

Ja wohl, es ist ein hoher Genuß, als fröhlicher Fußwanderer die Höhen der Berge zu ersteigen. Früh, noch ehe es im Osten dämmert, verlassen wir unser Nachtquartier. Still ist es noch im Dorfe. „Kei Huusthür gahret und kei Othem schnuuft und nit emol e Möhnli (Unke) rüeft im Bach. ’s lit alles hinderem Umhang noh und schloft,“ um mit Hebel zu reden. Doch, es plätschern die Brunnen vor den stillen Häusern, es rauscht der Bach im dunkeln Tobel, und da und dort meckert eine Ziege im verschlossenen Stalle, die ungeduldig auf des Geißbuben frühen Hornruf wartet. In der erquickenden Morgenfrische geht es hinauf über die Matten und durch den Wald unter den Flühen. Bald erklingt vom Thale herauf eine Morgenglocke und wieder eine. Es röthen sich die Firnen des Hochgebirgs, das Licht wallt über die Felsen und Halden hernieder und verscheucht die Nacht aus Wäldern und Schluchten. Gelangen wir hinauf auf die Alp, so ist’s daselbst schon lange lebendig, die Herdenglocken tönen und klingeln, gastlicher Rauch dringt aus dem Dach und den Fugen der Alphütte, und trefflich schmeckt das einfache Frühstück, das uns gereicht wird. Doch vorwärts! Hinan die grünen Halden und hinauf zwischen den Felsköpfen, an denen die Alpenrose glüht und Blumen aller Art uns grüßen! Die Höhe ist erreicht, und es liegt das Land zu unseren Füßen, das weite, weite Land mit seinen Seen, seinen Flüssen, den unzähligen Wohnstätten, und unabsehbar zieht sich der in der Morgensonne schimmernde und leuchtende Alpenkranz am Horizonte hin, ein wundervoller, erhabener Anblick! Wir haben mit einiger Mühe errungen, was wir hier oben genießen, aber um so köstlicher ist der Genuß.

So sollte jedermann die Berghöhen ersteigen können, und so können es die frische Jugend und der kräftige Mann, wenn es ihm nicht an Zeit gebricht. Sie sollen es thun! Das ist die richtige, die in vollem Sinne genußreiche Alpenwanderung. Allein Hunderten und Tausenden, welche ins Bergland kommen, ist dieser Genuß versagt: ihre Kräfte reichen nicht aus, oder die Zeit sommerlicher Muße ist ihnen zu karg zugemessen. Und doch, wie gern ständen sie droben auf der freien Höhe, zu der sie sehnsüchtig aufblicken, von deren Aussicht sie mit wahrer Begeisterung sprechen hören! Ihrem Sehnen nun kommt die Bergbahn entgegen; sie gewährt ihnen die Möglichkeit, hinaufzugelangen und sich zu erfreuen an der hehren Alpenwelt und ihrer des Menschen ganzes Wesen ergreifenden Schönheit.

Die neueste dieser Bergbahnen, die kühnste vielleicht von allen, ist die Pilatusbahn. Alle diejenigen, denen es vergönnt war, eine Fahrt auf dieser Bahn zu machen, die im Sommer dieses Jahres dem allgemeinen Verkehr übergeben werden wird, sind ihres Lobes voll und stimmen in der Voraussage überein, daß ihre Eröffnung für die Touristenwelt eine großartige Ueberraschung sein wird.

Wer Luzern, den Mittelpunkt des schweizerische Fremdenverkehrs, besucht hat, der kennt auch den Pilatus, den trotzigen, kühn aufgebauten Zackenberg, der mit seinem scharfen, bestimmten Umrisse als entschiedene Marke in dem prächtigen Landschaftsbilde dasteht, das sich vom luzernischen Uferwege aus vor den Blicken entrollt.

[207] Seit den ältesten Zeiten gab dieser eigenthümliche Berg der Phantasie seiner Umwohner und den Leuten im Hügellande draußen gar viel zu schaffen. Längs seiner Flanken brechen oft verheerende Gewitter ins Land hervor; wenn abends die andern Berge sanft sich röthen, so schaut er düster zu Thale und wirft seinen Schatten auf den blauen See der Vierwaldstätten. Oft verhüllt er sein Haupt mit Gewölk, oft wieder überragt er stolz die Nebel, die seinen Fuß umwallen. Er kam der Welt von jeher gar absonderlich vor, und es spann sich mit der Zeit ein Gewebe von Sagen und Legenden um ihn so dicht wie um keinen andern Berg des Alpengebietes. Drachen, kriechende und fliegende, gespenstische Vögel, Erdmännchen und versteinerte Heilige sollen auf ihm gewohnt haben; der jüdische Landpfleger, dessen Namen er trägt, sollte in einem kleinen See des Berges hausen und, von Steinwürfen aufgeregt, sich aus demselben erheben, um durch schlimme Wetter Tod und Verderben auf das Land herniederzusenden. So fest glaubte das Mittelalter an die unheimliche Macht des Pilatusgespenstes, daß der Rath von Luzern die Besteigung des Berges bei schwerer Strafe verbot und die Hirten und Sennen in Eid und Pflicht nahm, niemand hinauf zu lassen. Erst die neuere Zeit hat den düstern Schleier von dem verfehmten Berge hinweggezogen. Seit der Genfer Naturforscher Saussure die Welt auf die wunderbare Schönheit der Bergwelt aufmerksam gemacht und Albrecht von Haller den Alpen sein erhabenes Loblied gesungen hat, ist der Pilatus von Tausenden bestiegen worden, die nicht genug erzählen können von der Großartigkeit seines Aufbaues, von seinen Schluchten und Felswänden, von der einzig schönen Aussicht, die sich dem Auge auf seinem Gipfel erschließt.

Der Zudrang zu dem Berge wurde seit Anfang unseres Jahrhunderts nach und nach so bedeutend, daß für Unterkunft auf seiner Höhe gesorgt werden mußte; vor ungefähr dreißig Jahren entstanden die Gasthäuser am „Klimsenhorn“ und in der Lücke zwischen dem „Oberhaupt“ und dem „Esel“, den zwei mächtigen Felsköpfen, die den Berg krönen. Allein für viele war die Besteigung unmöglich, weil sie eine erhebliche Anstrengung erforderte. Da reifte allmählich der Gedanke, den Freunden des Gebirges den Pilatus ebenso zugänglich zu machen, wie es sein glücklicher Nebenbuhler drüben überm See, der liebliche Rigi, geworden war. Zwei entschlossene Männer aus Zürich, die Herren Oberst Locher und Guyer-Freuler, traten im Dezember 1885 mit einem kühn gedachten und sorgfältig ausgearbeiteten Entwurfe einer Pilatusbahn vor die Oeffentlichkeit. Die Mittel fanden sich, und bald war die Gesellschaft zum Bau der Bahn gebildet. Die beiden Namen Locher und Guyer hatten in weiten Kreisen einen guten Klang, denn ihre Träger hatten sich, der eine als Ingenieur und Mechaniker, der andere als Organisator und Finanzmann, beim Bau einer der schwierigsten Strecken der Gotthardbahn, Flüelen-Göschenen, durch einsichtige und unermüdliche Thätigkeit ausgezeichnet. Es ist billig, neben diesen beiden Männern auch einen dritten zu nennen, einen der besten Kenner des Pilatus, Major Britschgi in Alpnach-Staad, der sich als Vermittler zwischen der Baugesellschaft und der Gemeinde Alpnach, deren bis zur Wasserscheide auf dem Pilatus reichendes Gebiet die Bahn durchzieht, ein entschiedenes Verdienst um das Werk erworben hat.

Im Sommer 1886 wurde mit dem Bau begonnen und schon zu Ende des Sommers 1888, nach einer Bauzeit von zwei Jahren, die der Unbill der Gebirgswitterung wegen nicht einmal zur Hälfte ausgenutzt werden konnte, war er im wesentlichen vollendet.

Vom Endpunkte des südwestlichen Kreuzarmes des Vierwaldstättersees, von Alpnach-Staad aus, erhebt sich die Bahn in kühnem Aufstieg von 441 Metern auf 2070 Meter Meereshöhe zum schmalen Joche zwischen den Felskuppen des „Oberhauptes“ und des „Esels“. Einem Höhenunterschied von 1629 Metern steht eine Bahnlänge von nur 4618 Metern gegenüber. Die mittlere Steigung beträgt 42% = 22° 47′, die Maximalsteigung 48% = 25° 39′. Größere Steigungen wurden bis jetzt nur durch Drahtseilbahnen überwunden; als Zahnradbahn steht diejenige des Pilatus mit einer Steigung von 48% einzig da.

Vom Thalgrunde zieht sich die Bahn über die obstbaumbesetzten Matten von „Obsee“ empor, tritt in jäh ansteigende Laubwaldung ein, welche bei einer grausigen Schlucht, „Wolfort“ genannt, in Tannenwald übergeht. Auf einer merkwürdigen, an einer Kurve liegenden steinernen Brücke überschreitet die Bahn die genannte Schlucht, um durch zwei steil sich hebende Tunnels zur „Risleten“ zu gelangen, wo das seit Jahrtausenden nieder-„rieselnde“ Gestein und Geschiebe eine mächtige Schutthalde an die Bergflanke gelegt hat. Bald ist die Region der Alpweiden in der „Aemsigenalp“ erreicht. Hier befindet sich unweit einiger ehrwürdigen, riesigen Wettertannen die Ausweichstelle für die sich begegnenden Züge. Großartig ist schon hier die Aussicht. Unter einer anhaltenden Steigung von 48% gewinnt die Bahn einen obern Staffel, wie die übereinander liegenden Bergstufen in den Alpen genannt werden, die trümmerreiche, von einem großartigen Kranz von Felskuppen umstandene „Mattalp“. Hier stellen sich jäh ansteigende, unwegsame Felsen der Bahn entgegen. Wie soll sie weiter kommen? Sie findet den Weg; sie wendet sich etwas ostwärts gegen die „Rosegg“ und klettert von dort aus in schwindelnder Höhe an der senkrecht abfallenden Eselswand empor, welche sie in vier Tunnels durchbricht.

Staunend über die Großartigkeit der Anlage in dieser wilden Bergwelt, blicken wir hinab auf die tief unter uns liegende Mattalp. Wie eine an den Berg gelehnte Leiter kommt uns die zurückgelegte Strecke der Bahn vor, und wir können kaum glauben, daß wir da heraufgekommen sind. Die Bahn umfährt die westliche Ecke der gewaltigen Kuppe des „Esels“, nimmt einen letzten, kühnen Anlauf und zieht endlich durch ein hohes Portal in das Stationsgebäude von „Pilatuskulm“ ein, das sich neben dem Berghotel an die Felswand schmiegt.

Der Bahnkörper bildet vom Seegestade bis auf die Berghöhe eine ununterbrochene, fest auf dem Felsgrund des Berges aufliegende und mit mächtigen Granitplatten bedeckte Mauer. Die Platten kommen aus den Steinbrüchen von Osogna im Thale des Tessin am jenseitigen Fuße des Gotthard.

Der Oberbau der Bahn ist von Meter zu Meter durch sehr starke schmiedeeiserne Klammern mit dem Mauerwerk verankert. Er besteht aus zwei Laufschienen und einer Zahnstange mit doppelter, zweiseitiger Zahnreihe. Die Zähne sind durch eigens erfundene Maschinen aus dem Stahl herausgefräst. Das Fahrzeug besteht aus der kleinen, gedrungenen Maschine mit einem Arbeitsdampfdruck von 12 Atmosphären und einem Wagen mit vier stufenweise ansteigenden Abtheilungen; der ganze Zug faßt außer dem Bahnpersonal 32 Personen. Jedes Fahrzeug hat zwei Paar Zahnräder mit senkrecht stehenden Achsen. Diese Räder bewegen sich demnach wagrecht und greifen von beiden Seiten in die Zahnstange ein. Die Konstruktion des Oberbaues sowohl als die der Maschinen bürgt in Verbindung mit automatischen und regulirbaren Bremsen für vollständige Betriebssicherheit. Die Fahrgeschwindigkeit beträgt bei der Bergfahrt sowohl als bei der Thalfahrt 1 Meter in der Sekunde, so daß die Bahn nach jeder Richtung in etwa 80 Minuten durchfahren wird.

Unter eigenartigeren Verhältnissen als hier ist wohl noch selten eine Bahn gebaut worden. Die Unwegsamkeit und Steilheit der Abhänge, die in den oberen Partien bisher vollständig unzugänglich waren, machten schon die Vorarbeiten außerordentlich schwierig. Wildheuer und Gemsjäger sind keinen größeren Gefahren ausgesetzt und haben nicht mehr Muth und Kaltblütigkeit aufzuwenden, als dies für die Ingenieure der Pilatusbahn und ihre Gehilfen nöthig war. Sie haben aber unter der Führung von Oberst Locher und Oberingenieur Häußler ihre schwierige Aufgabe mit wahrem Heldenmuth gelöst.

Unser Bild, das uns in die oberste Region des Berges, auf die Mattalp und an die Eselswand hinaufführt, vergegenwärtigt in Nr. 7 die Schwierigkeit des Bauangriffes hoch an den Felsen droben. Dort hinauf zu gelangen oder sich an Seilen und Ketten von oben herunter zu lassen, das waren Wagstücke ohnegleichen, und unendlich schwierig waren die Arbeiten da, wo man oft kaum den halben Fuß fest aufsetzen konnte und nirgends sich ein Halt darbot. Die Erfahrungen, die beim Eisenbahnbau an Thale gemacht worden sind, ließen hier oben die Ingenieure und Arbeiter sehr oft im Stiche, so daß der leitende Unternehmer für jedes einzelne Werk auf neue, den außerordentlichen Schwierigkeiten angepaßte Mittel und Wege sinnen mußte.

Hohe Anforderungen stellte die Natur des Berges auch an die Organisation der Arbeit und der Verpflegung. War am Morgen eine Anordnung getroffen, so mußte sie eingetretenen Unwetters wegen oft schon vor der Mittagszeit abgeändert werden. Es war fortwährend ein die höchste Intelligenz und Geduld erfordernder Kampf mit tausend unvorhergesehenen Vorkommnissen nöthig, wie er selten bei andern Eisenbahnbauten zu führen ist.

[208] Die Pilatusbahn konnte nicht wie andere Bahnen an verschiedenen Stellen zugleich in Angriff genommen werden, nur von einem Punkte aus war ein Vorrücken möglich; denn Wege zur Beförderung des Materials waren nicht vorhanden. Erst wurde eine kurze Strecke fertiggestellt; war sie betriebsfähig, so hatte sie ohne Verzug in Dienst zu treten und die Beförderung des Baumaterials zu übernehmen. Man war aber dessenungeachtet, gerade dieser anzusetzenden Theilstücke wegen, stets auch noch auf andere Hilfe, auf die vereinte Kraft der Arbeiter und auf den Dienst von Maulthieren angewiesen. Steine und Platten, Sand, Cement, Wasser, Eisentheile mußten von den Materialwagen umgeladen und an die Baustelle verbracht werden. Dabei bewährten sich die Maulthiere auf den wilden Höhen, den schwierigen Wegen, in Wind und Wetter vorzüglich; sie wären durch Pferde nicht zu ersetzen gewesen. Die gewaltigen Tessiner Steinplatten wurden auf einem vorläufig angelegten transportabeln Gerüst an starken Tauen, an die sich dreißig, vierzig Arbeiter spannten, vom Wagen aus bergwärts gezogen und an ihre Stelle versetzt.

Unter dem Personal der Arbeiter, meistens italienischen Ursprungs, herrschte während der Bauzeit beinahe durchweg eine heitere, arbeitsfreudige Stimmung, denn die Unternehmer thaten, was Obdach, Verpflegung, Krankenfürsorge anlangt, alles, was in ihren Kräften stand. Bei gutem Lohn wurden den Arbeitern zu billigen Preisen Fleisch, Teigwaaren, Brot, Milch, Kaffee, Bier, alles in guter Beschaffenheit, verabfolgt. Als ich einen der Arbeiter über die Art der Behandlung und Verpflegung befragte, antwortete er sehr befriedigt: „Purchè la montagna fosse alta il doppio“, wenn der Berg nur noch einmal so hoch wäre! Höchst malerisch nahmen sich auf den Höhen droben die Siesta haltenden Arbeitergruppen aus. Die Leute scherzten, sangen, rauchten, und flach auf dem Rücken liegend, ließen sie sich nach italienischer Art an schönen Tagen von der Sonne bescheinen. Die Ingenieure hatten je auf der Arbeitsstation ihre Küchenhütte, die immer reichlich versorgt war und, wie die Arbeiterbaracken, beim Vorrücken des Baues bergwärts weiterbefördert wurde.

Schon früh im Herbste mußte auf die Arbeit im Freien verzichtet werden; nur in den Tunnels wurde sie fortgesetzt. Es bedurfte ausnahmsweise zäher Naturen, um es den Winter über droben in einer Höhe von 1800 bis 2000 Metern auszuhalten. War auch für Unterkunft und Nahrung und für die Verbindung mit der übrigen Welt vorzüglich gesorgt, der Fall einer längeren Unterbrechung des Verkehrs mit dem Thale konnte doch eintreten, und für diese Möglichkeit war die „eiserne Ration“ vorhanden: Zwieback, Käse, Büchsenfleisch, Chokolade, Thee und Medikamente, alles in wohlverwahrtem Verschlusse, der nur in der äußersten Noth geöffnet werden durfte.

Hohe Freude, wahrer Stolz sprach aus den Mienen der wackeren Arbeiter, wenn man über das große Werk staunte und sich in Lobsprüchen darüber erging. Als am 17. August vorigen Jahres der erste Personenzug zu Berge fuhr und den Verwaltungsrath zu einer Sitzung auf den Pilatus brachte, da war lauter Jubel unter ihnen. Bis spät in die Nacht hinein ertönte ihre Musik, ein Horn, eine Klarinette und eine Handharmonika, und als ein heftiges Gewitter tief unter der Pilatushöhe losgebrochen war und in rascher Folge die Blitze herauffuhren und flammend die Felskuppen erleuchteten, brannten die Leute ein Feuerwerk los, dessen Raketen sich in dem nächtlichen Gewitter und angesichts der gewaltigen Alpennatur fadenscheinig genug ausnahmen; allein die Befriedigung über das Erreichte wollte ihren Ausdruck haben.

Trotz der Vollendung der Bahn wimmelt es auf den Pilatushöhen immer noch von emsigen Arbeitern, und zu bestimmten Stunden des Tages donnert es laut durch die Berge von Dynamitschüssen, welche die Felsen sprengen, um Platz zu schaffen für das neue Hotel, das, ein gewaltiger Bau, hart am „Oberhaupt“ an den Berg sich lehnen wird und, nach Morgen und Mittag ausschauend, geschützt ist vor den Stürmen aus Nord und Nordwest. Weiterhin wird längs des „Tomlishorngrates“ ein Weg in den senkrecht aufstrebenden Fels gesprengt, der über einem Absturze von zweihundert und mehr Metern nach dem „Tomlishorn“, dem höchsten Pilatusgipfel, führen wird, wohl der wunderbarste Spazierweg Europas, der Ausblicke von einer Erhabenheit sondergleichen bieten wird.

Es ist nicht zu zweifeln, die Pilatusbahn wird nach ihrer Eröffnung einen der mächtigsten Anziehungspunkte für die Touristenwelt bilden. J. Hardmeyer.