Die Todtengräber zu Großzschocher

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Autor: Johann Georg Theodor Grässe
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Titel: Die Todtengräber zu Großzschocher
Untertitel:
aus: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 1. S. 377-379
Herausgeber:
Auflage: Zweite verbesserte und vermehrte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Schönfeld
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Quelle: Google-USA* und Commons
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436) Die Todtengräber zu Großzschocher.

H. E. Schwartze, Hist. Nachl. zu den Geschichten der Stadt Leipzig. Lpzg. 1744. S. 86 sq. cf. Vogel, Annalen S. 246.

Gegen das Ende des 16. Jahrhunderts sind im Dorfe Großzschocher bei Leipzig zwei Todtengräber gewesen, die haben ein Bündniß mit dem Teufel gemacht, und so sind sie mit dessen Hilfe in Kurzem Meister in der Zauberei geworden; ihre Weiber und Kinder, Schwiegersöhne und Töchter waren erst ihre Lehrlinge, nachher aber in den satanischen Handgriffen so stark als die Meister selbst. Sie hatten ein besonderes Pulver zugerichtet von gedörreten und kleingestoßenen Kröten, Schlangen und Molchen, welches sie Anfangs einigen Patienten im Dorfe eingaben, um ihr Mitleid zu bezeigen und den Schein zu haben, als wollten sie baldige [378] Besserung zu befördern suchen. Als es ihnen geglückt und sie auf diese Art immer eines nach dem andern unter die Erde gebracht, fingen die Weiber und Schwiegersöhne, damit die erstere Bosheit nicht gemerkt werden solle, an, mancherlei Wetter zu machen, die Luft zu vergiften, und wenn sich die Leute klagten, gaben sie ihnen entweder das gedachte Pulver ein oder sie beräucherten sie damit, worauf denn das arme Volk hinfiel wie die Fliegen. Hierzu kam, daß diese satanischen Bundesgenossen nicht warteten, bis eine kranke Person wirklich gestorben war, sondern wenn sie nur etwas krank zu werden schien, thaten sie sie sogleich in einen Sarg und brachten sie halbtodt zur Erde. Weil nämlich der Ort im Ruf war, daß hier eine ansteckende Pest grassire, so wollte sich Niemand zu den kranken Leuten getrauen, mithin ward den Todtengräbern Alles überlassen, die mit ihnen handirten, wie sie wollten. Da hat die göttliche Gerechtigkeit es gefügt, daß die Sache an den Tag kam. Es kommt nämlich eines Tages ein Handwerksbursche aus der Fremde und kehrt in einem Gasthof zu Großzschocher ein, und vor demselben tragen die Todtengräber eine Leiche vorbei. Der Handwerksbursche ist neugierig und fragt, wer die gestorbene Person gewesen? Man gibt ihm zur Antwort, er kenne sie doch nicht, es grassire allhier ein Sterben, wo es die Leute nicht lange machten, so sei gestern noch ein junges munteres Frauenzimmer gewesen, das man jetzt hinaustrage, diese sei frisch und gesund im Dorfe herumgegangen und heute todt, und werde jetzt begraben. Der Bursche fragte weiter: „ei, sagt mir doch, wie heißt sie?“ Als man ihm nun meldet, die und die sei es, da erschrickt er und spricht: „ei, das ist meine Braut, mit der ich mich, ehe ich vor zwo Jahren in die Fremde ging, ordentlich versprochen habe; ihrethalben komme ich so zeitig wieder hierher; es kann nicht sein, und wenn sie es ist, muß ich sie noch einmal im Sarge sehen, sie mag auch die Pest noch so arg gehabt haben.“ So geht er auf den Kirchhof, verlangt von den Todtengräbern die Oeffnung des Sarges, welches sie ihm aber ein für alle Male, weil [379] es in der Pest nicht Mode sei, abschlagen. Er aber besteht auf seinem Verlangen, überwältigt die Todtengräber, reißt nebst einigen Leuten, die sich zu seiner Hilfe für angebotenes Geld finden, den Sarg mit Gewalt auf, erkennt seine Verlobte ganz wohl, sieht aber mit Thränen und Erstaunen, wie ihre Hände und Füße gebunden, ein starker Knebel in den Mund gesteckt ist und sie noch lebt. Die Todtengräber sehen, daß sie nunmehro verrathen sind, und ziehen sogleich ab, das Mädchen wird aus dem Sarge genommen, nach Hause geführt und wieder in’s Leben gebracht und soll bald darauf auch ihren Bräutigam, der ihr das Leben erhalten, geheirathet haben. Am 28. Oktober des Jahres 1582 aber sind die Todtengräber zu Großzschocher mit glühenden Zangen zerrissen, gerädert und auf’s Rad geflochten, ihre zauberischen Weiber und Schwiegersöhne aber, so mancherlei und erschreckliche Wetter gemacht und mit dem Teufel gebuhlt, sind auf den Scheiterhaufen gesetzt und verbrannt worden.

Bald darauf ist auch der Todtengräber in Leipzig justificirt worden, weil er nebst seinem Knechte gleichergestalt drei Giftpulver von Kröten, Schlangen und Molchen zugerichtet, deren eines schwarz, das andere gelb, das dritte roth gewesen, damit er der Meister 22 Personen vergeben, der Knecht aber 6 getödtet hat.[1]


  1. Aehnliche Geschichten von Todtengräbern s. b. Schöttgen, Historie v. Wurzen S. 667. M. Zeiller, Itiner. German. S. 520.