Die Tut-Osel
Die Tut-Osel.
Otmar S. 241 ff. |
Mitternachts wann in Sturm und Regen der Hackelnberg "fatscht" [1] und auf dem Wagen mit Pferd und Hunden durch den Thüringerwald, den Harz und am liebsten durch den Hackel zieht, pflegt ihm eine Nachteule voranzufliegen, welche das Volk: die Tut-Osel nennt. Wanderer, denen sie aufstößt, werfen sich still auf den Bauch und lassen den wilden Jäger über sich wegfahren; und bald hören sie Hundebellen [401] und den Waidruf: hu hu! – In einem fernen Kloster zu Thüringen lebte, vorzeiten eine Nonne, Ursel geheißen, die störte mit ihrem heulenden Gesang noch bei Lebzeiten den Chor; daher nannte man sie Tut-Ursel. Noch ärger wurde es nach ihrem Tode, denn von elf Uhr Abends steckte sie den Kopf durch ein Loch des Kirchthurms und tutete kläglich und alle Morgen um vier Uhr stimmte sie ungerufen in den Gesang der Schwestern. Einige Tage ertrugen sie es; den dritten Morgen aber sagte eine voll Angst leise zu ihrer Nachbarin: „das ist gewiß die Ursel!“ Da schwieg plötzlich aller Gesang, ihre Haare sträubten sich zu Berge und die Nonnen stürzten aus der Kirche, laut schreiend: „Tut-Ursel, Tut-Ursel!“ Und keine Strafe konnte eine Nonne bewegen, die Kirche zu betreten, bis endlich ein berühmter Teufelsbanner aus einem Capucinerkloster an der Donau gehohlt wurde. Der bannte Tut-Ursel in Gestalt einer Ohreule in die Dummburg auf den Harz. Hier traf sie den Hackelnberg und fand an seinem huhu! so groß Gefallen, als er an ihrem uhu! und so ziehen sie beide zusammen auf die Luftjagd.
- ↑ fatschen braucht man, wenn die Füße der Pferde im zähen Koth und Moor schnalzen.