Die Wiege und das Grab der Hohenstaufen

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Autor: Eduard Paulus
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Titel: Die Wiege und das Grab der Hohenstaufen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 1, S. 8–11
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Die Wiege und das Grab der Hohenstaufen.

Von Eduard Paulus. Mit Illustrationen von R. Stieler.

Linde bei Kloster Lorch.   Der Hohenrechberg.   Der Hohenstaufen.

Als breiter, mäßig hoher Gebirgswall zieht sich durch das Schwabenland von Südwesten nach Nordosten die Schwäbische Alb, das Mittelglied jenes vom Rhonethal bis an das Fichtelgebirge in Bayern quer durch Mitteleuropa streichenden Kalksteingebirges, im Süden von der Donau, im Norden vom Neckar bespült. Es ist ein acht bis zehn Stunden breites Kalksteinplateau, von Höhlen durchlöchert, durchrissen von tiefen malerischen, mit prachtvollen Buchenwäldern bedeckten Felsthälern, im Süden sich sanft gegen die Donau senkend, am steilen gegen den Neckar abstürzenden Nordrand besäumt von frei vortretenden Bergen. Schon von ferne gesehen, giebt dieser Nordrand der Schwäbischen Alb landschaftlich einen schönen und bedeutsamen Hintergrund. Der von Thälern und Schluchten vielfach zernagte Steilrand ist mit Wald bedeckt oder kahl, nur mit magerer Heide; oben und in der Mitte der Abhänge steigen weiße weithin sichtbare Kalkfelsen, Ruinen gleichend, empor oder senkrechte Abstürze schauen wie Schneeflächen hinab in das Land. Auf all diesen seltsam schön geformten Vorsprüngen, sowie fast auf allen Vorbergen und Vorhügeln schuf sich der Mensch seit urältester Zeit feste Wohnsitze; es sind Berge von großer geschichtlicher Vergangenheit, zwei davon wirkten weit über Deutschland hinaus, der Hohenstaufen und der Hohenzollern, dieser näher dem Schwarzwald, jener mehr gegen Bayern zu gelegen.

Der Hohenstaufen ist nicht der höchste (sein Scheitel liegt 683 Meter über dem Meer), aber durch seine Lage weitaus der wichtigste Berg des Schwabenlandes; so recht im Herzen desselben steigt er auf, von seiner Stirn einen Umblick bis an die fernsten Gebirge gestattend, an den Odenwald, Schwarzwald, die Vogesen und bei ganz hellem Himmel an die Alpen, dazu aber über das ganze Berg- und Hügelgewirr des schwäbischen Landes. Zwei der begangensten Thäler, uralte Völkergassen, liegen ihm zu Füßen, im Norden das Remsthal, das ebenen Eintritt von Osten, vom Ries her ins Neckarthal gewährt, im Westen das Filsthal, als nächste Verbindung zur Donau.

Kein Wunder, daß schon die Römer, nachdem sie im ersten Jahrhundert n. Chr. das Schwabenland besetzt hatten, den bereits von den Urvölkern zum Opfer- und Vertheidigungsplatz erkorenen Berg Hohenstaufen (Staufen bedeutet soviel wie Becher: der Berg hat die Form eines umgestürzten Bechers), zum Angel- und Mittelpunkt ihrer großartigen Grenzwehren machten. Vom Staufen aus gehen beide Grenzwehren, die eine nordwärts über Odenwald, Taunus etc. bis Neuwied am Rhein, die andere ostwärts über Gunzenhausen bis Kellheim an der Donau, auf lange Strecken schnurgerade sich hinziehend. Man mag auf diesen beiden Linien noch so weit fortschreiten, immer wieder sieht man von ihnen aus des Hohenstaufens blaues Haupt am Himmel aufsteigen. Beide Grenzwehren sind in ihren Trümmern noch erhalten, mit Wachhäusern, Wachthürmen, Castellen und Burgställen und geben heute noch Zeugniß davon, wie gewaltig der Ansturm der Germanen und wie gewaltig und zäh die Vertheidigungskunst des Römerreiches gewesen.

Beide Grenzwehren beginnen in der Nähe des Nordfußes des Staufens; das nächste noch erhaltene römische Castell liegt nur eine halbe Stunde nördlich vom Staufen, der sogenannte Burglauch, und unweit östlich davon, vorgeschoben an den Rand einer Thalschlucht, liegt das Wäscherschloß – ein zwiefach mit Wall und Graben aus der tief unter dem Scheitel des Staufens liegenden Hochfläche herausgeschnittenes (ohne Zweifel auch römisches) Erdwerk, jetzt mit den uralten Mauern einer kleinen verlassenen Burg, fast verdeckt von den Bäumen des Waldes.

Hinter diesen Mauern saß im Anfang des elften Jahrhunderts Friedrich von Büren, ein freier Herr, dessen Besitz in engen Grenzen in der Nähe seiner Burg eingeschlossen sein mochte. Sein Vater hieß gleichfalls Friedrich und dessen Schwester Bertha war die Mutter des Grafen Berthold von Villingen in der Baar. Friedrich von Büren selbst war an die im Elsaß reich begüterte Hildegard verheirathet. Der Sohn beider, Friedrich von Büren, verlegte seine Burg auf den Scheitel des nahen Hohenstaufenbergs, sich Friedrich von Hohenstaufen nennend, und erhielt im Jahre 1079, an Ostern, von Kaiser Heinrich IV. das Herzogthum Schwaben, bald darauf die Hand der einzigen Tochter des Kaisers, Agnes. Damals habe der Kaiser, schreibt Otto von Freising, zu Friedrich also geredet:

Wäscherschloß.

„Wackerer Mann, den ich mir immer im Frieden als den treuesten, im Krieg als den tapfersten erprobt habe, du siehest, wie die heiligsten Rechte zu Boden getreten sind, wie durch des Teufels Eingebung empörerische Verbindungen eidlich beschworen werden, und weißt, daß alle Gewalt von Gott ist, und daß der göttlichen Ordnung widerstrebt, wer sich der obrigkeitlichen Gewalt widersetzt. Umgürte dich also mannlich zur Niederkämpfung der Reichsfeinde! Um dir zu zeigen, daß ich deiner Verdienste nicht uneingedenk bin und daß ich dir auch künftig dankbar sein will, gebe ich dir meine einzige Tochter Agnes zum Weibe und das Herzogthum Schwaben zur Mitgift.“

Achtundfünfzig Jahre, bevor ein Glied der Staufen deutscher König ward, wurden sie so unter die deutschen Fürstenstämme als ein neuer Sproß eingesetzt, hauptsächlich auf Kosten

[9]

Der Hohenstaufen.
Originalzeichnung von R. Stieler.

[10] der Welfen, mit deren Vortheilen sich die der Hohenstaufen dermaßen kreuzten, daß dadurch der Knoten zu den verwickeltsten Kämpfen, welche lange Zeit den Vordergrund der deutschen Geschichte bilden, geschürzt wurde. Aus so kleinem Anfang, aus so bescheidenem Besitz erwuchs das berühmte Geschlecht. Seit Jahrhunderten schon saßen die großen alten alemannischen Fürstengeschlechter auf den Bergen und Burgen Schwabens, und seit Jahrhunderten schon gaben diese Fürstengeschlechter den deutschen Kaiserhäusern ihre Töchter, so besonders die Welfen – die Herren von Büren aber saßen fast in der Tiefe auf dem Rest einer römischen Erdverschanzung auf engen Burgmauern, sie werden in keiner Urkunde genannt. Das sind neue Männer gewesen, diese freien Herren von Büren, daher auch der ingrimmige Haß der alten Fürstengeschlechter, besonders der Welfen, auf die Emporkömmlinge, die so rasch und glänzend aufstiegen, freilich um nach beispiellosem Siegesgang jäh hinabzusinken und auszulöschen in der Nacht. – Aber die Gedanken der Hohenstaufen sind unsterblich; sie werden unsere Nation überdauern. Ihr Wesen wirkt fort, rein geistig – und damit stimmt wunderbar die jetzige Erscheinung des Hohenstaufenberges, von dem längst das letzte Mauerstück heruntergebröckelt. Durchaus kahl, aber in den edelsten Umrissen steigt der hünengrabähnliche Berg über die Wälder und Schluchten empor. Um sein weltgeschichtliches Haupt schweben die Wolken und schwirren die Lieder der schwäbischen Dichter in trüben und kühnen Accorden:

„Es steht in stiller Dämmerung
Der alte Fels, öd’ und beraubt,
Nachtvogel kreist in trägem Schwung
Wehklagend um sein moosig Haupt.“
 Justinus Kerner.

In die alte Zeit sich zurückversetzend, singt Ludwig Uhland:

„O denk’ an jenen Berg, der hoch und schlank
Sich aufschwingt, aller schwäb’schen Berge schönster,
Und auf dem königlichen Gipfel kühn
Der Hohenstaufen alte Stammburg trägt!
Und weit umher, in milder Sonne Glanz,
Ein grünend fruchtbar Land, gewundne Thäler,
Von Strömen schimmernd, heerdenreiche Triften,
Jagdlustig Waldgebirg und aus der Tiefe
Des nahen Klosters abendlich Geläut.“

Hinter dem Staufen sind noch zwei freistehende Berge, der Rechberg und der Stuifen, letzterer ganz schmal und kahl und nie von einer Burg besetzt. Auf dem Hohenrechberg aber steht bei alten Linden eine Wallfahrtskirche und auf seinem felsigen gegen Westen heraustretenden Vorberge liegen die Trümmer der Burg Rechberg; – sie stand unversehrt bis zum 6. Januar 1865, damals fuhr ein Blitzstrahl in das Schloß, daß sein Holzwerk zusammenbrannte.

Burg Rechberg.

Von der herrlichen Kaiserburg des Hohenstaufen ist kein Stein übrig geblieben; kaum ein Baum wächst um den Gipfel, aber gerade deshalb steigt erhaben groß der Berg über das grüne Land, über die lachenden, mit Städten, Dörfern, Weilern, Kapellen, Schlössern und Kirchen besetzten vielgefächerten Obstbaumthäler. – Und in blauer Ferne hinter ihm und den andern großartigen Albbergen glänzt zackig die siebenthürmige Burg des neuen Kaisergeschlechtes – der Zollern – herauf.

Die Hohenstaufenburg stand aufrecht bis zum Jahre 1525, dem Jahre des Bauernkrieges. Damals kamen die aufrührerischen Ellwanger und Schenk-Limpurger Bauern das Remsthal herunter und lagerten am Fuße des Hohenstaufen. Die Besatzung desselben bestand nur aus 32 Mann. Die Zahl der Bauern war auch nicht groß, aber der Ueberfall geschah bei Nacht. Da warfen die Wächter die Schlüssel von der Zinne und verbargen sich dahin und dorthin. So ward die ehrwürdige Burg 450 Jahre nach ihrer Erbauung von den wilden Horden eingenommen, geplündert und verbrannt. Lange noch standen Trümmer davon. Der Tübinger Humanist Martin Crusius, der dieselben im Jahre 1588 besuchte, beschreibt sie folgendermaßen:

„Wenn man bei dem Thor hineingegangen ist, siehet man nun zwei Theile des Schlosses, den einen zur Rechten, den andern zur Linken. In dem zur Rechten ist heutiges Tages kein Gebäude, außer ein Stück von einer Mauer, deren Länge und Breite ungefähr 46 meiner Schritte. In dem Eck rechts vom Thor, das gegen das unten gelegene Dorf Staufen sieht, ist eine Kapelle gewesen. In dem Eck links, nicht weit vom Thor, steht ein Brunnen, jetzt mit Steinen gefüllt. Der andere Theil des Schlosses ist 60 Schritt lang und 40 breit. Also ist die Länge des ganzen Schlosses 106 meiner Schritte. Im zweiten Theil steht ein Thurm, welcher damals noch 52 Schuh hoch war und der Mannsthurm genannt ward, in welchen man die Gefangenen legte. Er hatte nur von oben, nicht von unten den Eingang. Neben war die Wohnung des Frauenzimmers. Allda war auch unter der absondernden Mauer ein Weinkeller, welcher mit Steinen schier angefüllt ist. Ich wollte hineinkriechen, konnte aber nicht. Es sind Bäume dabei. Ganz im Eck steht der Bubenthurm. Unten ist eine Höhle, das Heidenloch genannt. Die Mauer, welche das ganze Schloß umfaßt, ist beinahe 7 Schuh dick, an einem Ort höher, am andern niederer, weil viel davon eingefallen oder hinweggeführt worden. Das fürnehmste an der Mauer sind die Quadersteine, welche an allen vier Seiten behauen worden, sodaß das mittlere Viereck über die vier Nebenseiten hinfürgehet (sogenannte Buckelsteine). Die Steine sind noch roth von dem Brande, da die Bauern das Schloß angesteckt. Man kann auf der Mauer umher gehen, und wer ein scharf Gesichte hat, der sieht da bis an den Rhein. – In allen Theilen des Schlosses ist kein Bildniß, keine Inschrift, kein Wappen, keine Farbe mehr. Alles ist durch Feuer, Regen oder böse Zeiten ausgetilgt. Was ein schöner Körper war, ist jetzt nur ein Beingerippe. – Der Schultheiß ackert in dem inneren Hof und säet Frucht darauf.“

Auch das Dorf Staufen, das an der Südwestseite auf halber Höhe des Berges liegt, bewahrt nichts mehr aus der alten Kaiserzeit; das Kirchlein, in das Kaiser Barbarossa eingetreten sein soll, stammt höchstens noch in den Grundmauern aus dessen Zeit.

Das Kaiserschloß der Staufen ist von der Erde verschwunden, aber noch blüht das Land wie ehemals und auch vom nahen Kloster Lorch, der hohenstaufischen Grablege, stehen noch bedeutende Reste. Nur eine starke Stunde nördlich vom Fuß des Hohenstaufen, im grünen Remsthale, trägt heute noch der waldige Klosterberg auf seinem flach abgeschnittenen Scheitel die Mauern des vom Hohenstaufen Friedrich I., Herzog von Schwaben, im Jahre 1102 gestifteten Benediktinerklosters. Noch steht, jetzt wieder hergestellt, die alte Klosterkirche, in deren Felsengrüften Friedrich I., die griechische Kaiserstochter Irene und andere Mitglieder des staufischen Hauses ruhten. Wieder steigt jetzt einer der uralten Rundthürme der Kirche, bis zur Spitze seines Kegeldaches gediegen von Stein, hochauf, in unseren Tagen auf Staatskosten wieder hergestellt nach Entwürfen des Baurath Berner. Der andere Thurm stürzte schon im 15. Jahrhundert zusammen. Noch führt im Westen durch die starke Ringmauer das weite mit normannischem Zickzack umfaßte Rundbogenthor. Diese Grablege der Hohenstaufen ruht gleichfalls auf den Trümmern eines Römerkastells. Ueber das Westportal der Kirche legt sich heute noch als Oberschwelle ein langes antikes Gebälkstück mit einer jetzt ganz verwaschenen römischen Kaiserinschrift. Die Kirche selbst des ehemaligen Benediktinerklosters ward erbaut seit 1102 als schlichte dreischiffige, gegen Osten mit breitem Querschiff versehene [11] Pfeilerbasilika, im Westen, ähnlich wie an den uralten Kirchen des Sachsenlandes, woher ja die Kaisertochter Agnes stammte, mit einem sogenannten Westbau, einer Art Vorhalle mit zwei runden Thürmen neben sich, von denen einer heute noch steht. – Im Innern der Kirche hinwandelnd durch das flachgedeckte Mittelschiff über Grabplatten früherer Aebte, vorbei am spätgothischen Grabdenkmal der Hohenstaufen, halten wir unwillkürlich still vor dem Eintritt ins Kreuzschiff, denn hier sieht man breite Bündelpfeiler, die Kapitäle tragen, gewaltsam in die nüchternen Formen der Pfeilerbasilika hineingedrängt, mit langgeschwänzten Drachen und anderem wilden Gethier lebhaft geschmückt.

Diese vier Pfeiler trugen einst auf vier starken Spitzbögen einen Kuppelthurm, der nun auch verschwunden ist. Er ward errichtet von den späteren Hohenstaufen und verkündete schon von außen den Ruhm und die Macht der erlauchten, nunmehr Kaiser gewordenen Stifter.

Auf den viereckigen Pfeilern des Mittelschiffes sind die Bilder der Hohenstaufen gemalt, wenig bedeutende Arbeiten aus dem 17. Jahrhundert, doch mögen ältere Bilder darunter verborgen sein. Schön aber ist das spätgothische Grabdenkmal aus Sandstein, das Abt Nicolaus Schenk von Arberg im Jahre 1475 dem Andenken der Hohenstaufen errichten ließ. Im linken Arm des Querschiffes stehen sodann an den Wänden die Steinbilder der Wöllwarth, der Vorfahren eines heute noch blühenden schwäbischen Rittergeschlechtes. Von dem Kloster ist noch der Nordflügel erhalten mit einem Theil des gothischen Kreuzganges, sowie mit dem von geschnitzten Holzsäulen gestützten Refektorium, das durch große Wandbilder aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts geschmückt ist.

Inneres der Klosterkirche Lorch.

Im Bauernkriege ward das Kloster Lorch auch schwer mitgenommen. Am 26. April 1525 bemächtigten sich die Bauern der Ringmauer, verbrannten Kirche und Kloster, so viel daran von Holzwerk war, plünderten die Kleinodien und Kostbarkeiten, verwundeten den Abt Sebastian tödlich und erklärten alle Privilegien des Klosters für aufgehoben.

Von großem Werthe für das Kloster waren gerade die hier befindlich gewesenen vielen und seltenen Reliquien. Hoch bewundert war die tabula reliquiarum mit griechischer Schrift, welche Irene aus Griechenland erhalten und hierher gestiftet hatte. Von nah und fern kamen die Gläubigen, um die Kleinodien zu verehren, die meist von den Hohenstaufen auf ihren Fahrten durch das Morgenland erworben und um ihres Seelenheils willen in ihr Erbbegräbniß geschenkt worden waren.

Stälin zählt in seiner württembergischen Geschichte von Hohenstaufen, die in der Klosterkirche zu Lorch bestattet wurden (nur ihre glatten leeren Steinsärge sind noch erhalten), folgende auf: Herzog Friedrich der Stifter († 1105), Herzog Konrad, Sohn von Friedrich Barbarossa († 1196), den römischen König Heinrich; er starb 1150, zwei Jahre vor seinem Vater, dem Kaiser Konrad III., dreizehnjährig, und König Philipps Gemahlin, die griechische Kaiserstochter Irene, „die Rose ohne Dornen, die Taube sonder Galle“ († 1208), die nach ihres Mannes Ermordung durch Otto von Wittelsbach auf die Burg Hohenstaufen geflüchtet und dort wenige Wochen darauf vor Kummer gestorben war. Als man die Leiche in der Nacht bei Fackelschein herübertrug von der Kaiserburg durch das enge Seitenthal und hinauf in das Kloster Lorch, da stand schon jene Steinlinde, die heute noch draußen an der Nordostecke der Klostermauer emporsteigt, jetzt bis in die Wurzel gespalten. Die Krone des noch immer gewaltigen Baumes sank schon im Sturme des 1. November 1755, zu derselben Stunde, da Lissabon durch Erdbeben zerstört wurde, und wieder ein Hauptast fiel in dem großen Sturm des 1. November 1870, des Tages der Einnahme von Metz durch die Deutschen. Aber immer noch ist es ein riesiger Baum, breitet noch fröhlich grünend die Zweige aus und rauscht uns Erinnerungen in die Seele an das große, durch furchtbare Geschicke so früh zerbrochene Heldengeschlecht.

„Am Thor steht ein uralter Lindenbaum,
Mit weitem, sturmzerzaustem Blätterkranze,
Oft wenn er sich verklärt im Abendglanze,
Errauscht in ihm sein erster Jugendtraum:

‚Mir ist, es waren wenig Jahre kaum,
Daß man mich eingesetzt als junge Pflanze,
Da traten oft zu mir zum Reigentanze
Die Hohenstaufen aus dem Klosterraum.

Doch eine Nacht kam, nie vergeß ich jene,
Es ward ein schwarzer Sarg bergauf getragen,
Darinnen lag die Kaiserin Irene,

Die starb im Schmerz, weil ihr der Mann erschlagen, –
O welche Nacht, kein Aug’ war ohne Thräne,
Der ganze Berg erscholl von Weheklagen!‘“

Am Fuße des Klosterberges liegt das hübsche Städtchen Lorch, reizend umgeben von Wiesengrund und tief in die Berge hineinschneidenden Waldschluchten. In Lorch wurde 1762 geboren der schwäbische Dichter Karl Philipp Conz, der begeisterte Freund Friedrich Schillers, und Schiller selbst verbrachte einige Jahre seiner ersten Knabenzeit in Lorch bei dem damaligen Pfarrer Moser, demselben, den er später in seinen „Räubern“ als Pastor Moser mit liebender Anhänglichkeit geschildert hat. – In das Gemüth des frühreifen Kindes mag damals aus der schönen poesie- und geschichtevollen Landschaft von Lorch unbewußt, aber unvergänglich mancher Lichtstrahl gefallen sein.