Die Zwerge in der Raudamühle
In der Raudamühle bei Eisenberg hielten sich vor langen Jahren eine große Menge Zwerge auf, die aber dem Hause Glück brachten und darauf sahen, daß immer darin Alles in gutem Stande war. Sie hielten auch das Vieh blank und rein, sorgten dafür, daß der Mühle es nie an ausreichendem Wasser fehlte, daß das Mehl recht weiß war und daß der Müller immer seine sichern Mahlgäste hatte, daß in der Küche und im Garten zur rechten Zeit alle Arbeit gemacht war. Dafür verlangten sie aber auch, daß ihnen täglich an einen gewissen, von ihnen bestimmten Ort ein Körbchen mit [346] Obst und ein schön gelb gebräuntes Weißbrot hingesetzt ward, welches dann von ihnen verzehrt wurde. Auch wenn Kuchen gebacken wurde, verlangten sie ihren Theil davon, und bekamen sie ihn einmal nicht, so konnten die Müllersleute darauf rechnen, daß ihnen die Kobolde irgend einen Schabernack zufügten, dies wußten sie auch und darum vergaßen sie nie, denselben ihren Tribut darzubringen. Nun hatten sie aber in Erfahrung gebracht, daß die Zwerge keinen Kümmel im Brode leiden konnten, war je einmal es versehen worden und Kümmel hineingekommen, so hörte man die ganze Nacht hindurch Jammern und Klagen in der Mühle. Inzwischen kam eine junge Frau ins Haus und als diese von ihrem Manne diese Eigenthümlichkeit ihrer kleinen Hausgenossen gehört hatte, beschloß sie dieselbe zu benutzen, um vielleicht so ihren Wunsch, die kleinen Leute einmal zu sehen zu bekommen, zu erreichen. Sie setzte ihnen also eines Abends ein schönes gelbbraunes knuspriges Brötchen hin, in welches sie aber absichtlich eine Menge Kümmel hineingebacken hatte, die Zwerge aßen es auch, aber es bekam ihnen schlecht, man hörte die ganze Nacht hindurch ihr Klagen und Stöhnen. Am Morgen aber als die Müllerin ihrem Manne ihren losen Streich erzählte, da schlug der die Hände über dem Kopfe zusammen und rief: „Frau, was hast Du gethan? Du hast die guten Zwerge beleidigt, mit unserm Glück ist es aus!“ Und so war es auch, die folgende Nacht zogen die Zwerge auf Nimmerwiederkehr mit Sack und Pack auf und davon und von Stund’ an wich der Segen von der Mühle, der Müller verarmte, da die Mehlgäste immer seltener wurden, weil kein feines Mehl mehr gemacht werden konnte, und die Müllerin selbst starb bald nachher.