Die chemisch-technische Fabrik von Thenius, Grahl und Comp. in Dresden
[64] Wir richten nun unsere Aufmerksamkeit auf ein zweites, durch seine ausgezeichneten Leistungen rühmlich bekanntes Etablissement Dresdens,
Dieses Etablissement befindet sich in der Antonstadt und bildet ein Glied der Reihe von Fabriken, welche sich in der Nähe der sächsisch-schlesischen Eisenbahn, längs der Königsbrücker Straße der nahen Haide zuziehen und die sich durch die zahlreichen hohen Essen schon aus weiterer Entfernung dem Auge bemerklich machen. Es besteht aus sechs Gebäuden und zwar befinden sich in denselben
- a) die Seifen-Fabrik, Paraffin- und Photogen-Fabrik, Fabrikation von caustischem Kali und Natron-Laugen; in
- b) Soda- und Alaun-Fabrik, sowie die Apparate zur Amoniak-, Salmiakgeist-, Fluß- und Glaubersalz-Fabrikation, nebst Knochendarre und Raspelmühle für Farbehölzer; in
- c) das Maschinenhaus, Retortenofen für Knochenkohle und Beinschwarz und verschiedene Destillir-Apparate; in
- d) Knochenstampfwerk und Siebmaschine für Knochenmehl und pulverisirte Farbehölzer; in
- e, die Niederlage für diverse Fabrikate; in
- f, das Comptoir, Paraffinpresse, Stallung und verschiedene Lagerräume.
Hierzu gehören noch drei Scheffel Garten und Feld.
In Neustadt-Dresden hat die Fabrik ein Comptoir mit Niederlage. (Königstraße Nr. 19).
Als Branchen umfaßt das Etablissement die Fabrikation chemisch-technischer Producte und sind die Haupterzeugnisse Seifen in allen Sorten, calcinirte und cristallisirte Soda, Glaubersalz, caustische Kali- und Natron-Laugen, Alaun, Paraffin und Photogen, schwefel- und salzsaures Amoniak, Salmiakgeist, Knochenmehl, Knochenkohle und Beinschwarz, geraspelte und pulverisirte Farbehölzer, Fluß zur Wollwäsche u.s.w.
Da diese sämmtliche Produkte keine Luxusartikel umfassen, so können sie auch Alle als gangbar bezeichnet werden; vorzügliche Anerkennung findet aber
- der Alaun, weil er gänzlich frei von Eisengehalt ist;
- das Photogen, nächst dem Hamburger das erste durch seine vorzügliche Leuchtkraft bislang noch unübertroffene Produkt dieser Branche, welches überdies vor dem Hamburger Photogen noch den sehr beachtungswerthen Vorzug hat, daß es durchaus nicht feuergefährlich ist; und
- die caustischen Kali- und Natron-Laugen wegen ihrer tadellosen chemischen Reinheit.
Ihren Absatz finden diese Produkte in allen Staaten des deutschen Zollvereins, sowie nach Böhmen. Ausgestellt waren die Fabrikate erst in Dresden im Jahre 1856, auf welcher Ausstellung keine Prämien zuerkannt wurden.
Das Etablissement besitzt eine Dampfmaschine von zehn Pferdekraft zum Betrieb eines Stampfwerkes, [65] einer Raspel, Knochenbrechmaschine und zweier Siebmaschinen; auch befindet sich hier eine umfängliche, durch alle Räume gehende Wasserleitung.
Beschäftigt sind fortwährend außer zwei Comptoiristen und zwei Maschinisten noch fünf und zwanzig Fabrikarbeiter.
Die Fabrik besitzt in Breslau eine Commandite unter gleicher Firma, für welche Herr Herrmann Götz die Procura führt.
Besitzer sind die Herren Emil Thenius, Richard Grahl und Gustav Horn.
Im Jahre 1847 gründete Herr Emil Thenius dieses Etablissement, welches 1852 wesentlich erweitert wurde, als in dem genannten Jahre Herr Richard Grahl als Assoçie beitrat; seine jetzige Ausdehnung erhielt es aber 1855, durch den Hinzutritt des Herrn Gustav Horn als Theilhaber der Firma. Aus dem letztgenannten Jahre datirt sich auch die Gründung der Zweigfabrik in Breslau.
Wir benützen hier die Gelegenheit, noch einige Worte über das Photogen und das Paraffin zu sagen, welche in dem eben geschilderten Etablissement mit so ausgezeichnetem Erfolg hergestellt werden.
Das Photogen, der Lichterzeuger, ist berufen, in Zukunft eine große Rolle zu spielen und seine Fabrikation zu Beleuchtungszwecken wurde zu einer wichtigen Frage. Dieses Produkt kam als Beleuchtungsmittel schnell in allgemeineren Gebrauch, wozu die hohen Talg- und Rübölpreise wesentlich beitrugen, und man kann es mit Recht als wohlthätig für die Menschheit bezeichnen, denn nicht nur werden dem Nationalvermögen durch Photogen große Summen gewonnen, indem man jetzt auf gewinnreiche Weise eine Menge sonst für werthlos gehaltener, unbeachteter oder doch wenig benutzter Materialien zur Herstellung dieses Produkts verwenden und verwerthen kann, und eine Menge Hände lohnende Beschäftigung dabei finden, sondern es wird auch der schon bedeutend gewordenen Steigerung der Talg- und Rübölpreise Einhalt gethan; die letzteren Materialien werden nach und nach zu Beleuchtungszwecken entbehrlich und zu anderer vortheilhaften Verwendung verfügbar gemacht, je mehr die Photogenfabrikation vorschreitet und sich vervollkommnet.
Das mit dem Photogen identische Steinkohlentheer und die Kohlennaphta waren in England schon längere Zeit bekannt und zur Beleuchtung von Straßen, Werkstätten u.s.w. benutzt; doch erst dem französischen Fabrikanten Salligner gebührt das Verdienst der weiteren Einführung des Photogens. Salligner bereitete aus den bituminösen Schiefern von Autun und Vouvant ein Oel, welches er anfangs nur als Leuchtgas benutzte, später reinigte er es durch Destillation und es gelang ihm nun, das Oel zur Speisung von Lampen verwendbar zu machen, welche allerdings eigenthümlich construirt sein müssen, da das Photogen einen hohen Gehalt an Kohlenstoff hat. Der Fabrikant Delignous erfand dergleichen Lampen. – Von Frankreich aus verbreitete sich die Fabrikation rasch über England, Irland (wo man hauptsächlich Torf dazu benutzte) und Deutschland, wo Wiesmann & Comp. in Bonn das erste derartige Etablissement gründeten.
Der höchst unangenehme Geruch, welcher sich bei dem Anzünden und Auslöschen der Lampen entwickelte, war allerdings ein wesentliches Hinderniß bei der Einführung des Photogens, sowie nicht minder die sich durch viele Beispiele herausstellende Feuergefährlichkeit. Durch die rastlosen Fortschritte in der Fabrikation wurde größere Reinheit des Produkts erzielt und jene Uebelstände machten sich weniger fühlbar, wozu die verbesserte Construction der Lampen das Ihrige beitrug.
Das Photogen wird durch trockene Destillation aus Stein- und Braunkohlen, Torf, bituminösen Schiefern, Kalksteinen (Stinckstein), ja selbst aus allen möglichen thierischen Stoffen in Retortenöfen erzeugt, dann in Kühlapparaten verdichtet und endlich rectificirt, worauf es als eine wasserhelle, leicht bewegliche Flüssigkeit erscheint, ein Gemisch verschiedener ätherischer Oele, welches ein überaus helles, blendend weißes Licht hervorbringt.
Das Paraffin, der Verwandtschaftlose, dessen Fabrikation mit der des Photogens Hand in Hand geht, wurde 1831 von Dr. Reichenbach zu Blansko in Mähren entdeckt, welcher es aus Buchenholztheer herstellte; doch erst 1850 gelang es dem englischen Chemiker Young, die Bereitungsart dieses [66] Produkts auf solche Weise zu vervollkommnen, daß es ein Industrie- und Consumtionsartikel werden konnte. Young legte in Manchester die erste Paraffinfabrik an.
Die Eigenschaften des Paraffins dienen fast ohne Ausnahme zu seiner Empfehlung. Es ist ein fester, leicht schmelzbarer, brennbarer Stoff, ohne Geruch und Geschmack, cristallinisch, von schönem weißen, alabasterartigen Aussehen, es klebt nicht und obgleich es sich fettig anfühlt, macht es doch keine Fettflecke. Die daraus gegossenen Kerzen zeichnen sich durch Reinheit und Eleganz aus und übertreffen durch ihr helles Licht selbst die besten Stearin- und Wachskerzen.
Hergestellt wird das Paraffin aus denselben Rohstoffen wie das Photogen, allerdings in geringerem Maße, weshalb auch der Preis desselben noch sehr hoch ist.